Skip to main content 
Walter Bruch an der Olympiakanone (Bild: Telefunken, Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE)
Personen und Firmen | Fachwissen | Telekommunikation | Empfangsanlagen

110. Geburtstag von Walter Bruch

Phase Alternating Line – Das bunte Wunder auf der Mattscheibe

28.02.2018

Am 25. August 1967 startete in Deutschland das PAL-System. Außenminister Willy Brandt läutete mit einem symbolischen Knopfdruck die Ära des Farbfernsehens ein.

Walter Bruch wurde am 02. März 1908 in Neustadt an der Weinstraße geboren und wächst in München auf. Zunächst gab er dem Wunsch seines Vaters nach und besuchte eine kaufmännische Schule. In einer Schuhfabrik absolvierte Bruch eine Ausbildung zum Maschinenschlosser. Sein Interesse galt jedoch der Funktechnik. "Als Schüler in München, so mit 14, habe ich schon drahtlose Telegraphie gemacht und auch die ersten Sendungen mitgehört", sagte Bruch später und besuchte ab 1928 das Technikum im sächsischen Mittweida. 1930 schloss er seine zweite Berufsausbildung zum Elektrotechniker ab.

In den Diensten Hitlers

Fortan galt sein Interesse der jungen Fernsehtechnik. In Berlin lernt Walter Bruch als Gasthörer an der Universität Manfred von Ardenne, den Visionär der Funk- und Fernsehtechnik sowie Dénes von Mihály kennen. Ab 1933 arbeitet Bruch im Labor Mihálys. Im Jahr 1935 wechselt er zum Unternehmen Telefunken GmbH, seinerzeit führend auf dem Gebiet der Funktechnik und Elektronik und wichtiger Ausrüster der Wehrmacht. Auf Anordnung des NS-Propagandaministers Goebbels sollte es erstmals Fernseh-Übertragungen der Olympia-Wettkämpfe geben. Bei Telefunken ist er an der Entwicklung einer Fernsehkamera für die Olympischen Spiele 1936 beteiligt und steht als „erster Kameramann der Welt“ hinter der „Olympiakanone“, die aufgrund ihres großen Objektivs so genannt wurde und in die Geschichte der Technik eingeht. Acht Stunden Bewegtbild wurden mit den Kameras täglich übertragen und das erste Public Viewing fand statt. Die Bildschirme waren allerdings kaum größer als heutige Tablet-PCs. Während des zweiten Weltkriegs arbeitete Bruch für das Militär. Er überwachte für die Heeresversuchsanstalt in einer von ihm konzipierten Anlage die Starts der von Wernher von Braun entwickelten V2-Rakete in Peenemünde an den Bildschirmen

„Ich habe das Fernsehen immer als Wunder begriffen.“ – Walter Bruch

Nach dem Krieg kehrte Walter Bruch zu Telefunken zurück und wurde Chef der Entwicklungsabteilung in Hannover. In den 1950er-Jahren steckte das Schwarz-Weiß-TV noch in den Kinderschuhen und nur wenige Haushalte besaßen einen Empfänger. Der technische Fortschritt ließ sich jedoch nicht aufhalten. Nicht nur Amerika und Europa konkurrierten um technische Errungenschaften. Auch zwischen Ost und West war der Wettlauf um das beste Farbfernsehsystem entbrannt. US-Forscher entwickelten das NTSC-System. Jedoch tauchten immer wieder deutliche Farbfehler auf. Die Technik war einfach noch nicht ausgereift. Gesichter liefen grün an oder Wiesen färbten sich plötzlich blau. Eine Lösung für die Probleme fanden die Forscher in den USA jedoch nicht, sodass sich das System nicht durchsetzen konnte.

Die Fußball-Weltmeisterschaft 1974

Telefunken setzte ebenfalls auf die Entwicklung des Farbefernsehens und ihren Tüftler Walter Bruch. Sein Arbeitgeber richtete ihm in seinem Privathaus das sogenannte Pantoffellabor ein, sodass Bruch nach Feierabend und am Wochenende an der Entwicklung des Farbfernsehens forschen konnte. Er verfolgt dabei aufmerksam die Entwicklungen in den USA und die der französischen Konkurrenz, welche am SECAM-System arbeitete. Er wandelt das bereits bekannte NTSC-System ab und meldete am 31. Dezember 1962 das Patent für einen Fernsehempfänger für ein farbgetreues NTSC-System an. Weitere vier Jahre vergingen, bis das Farbfernsehen als analoges PAL-System (Phase Alternating Line) am 25. August 1967 eingeführt wurde. Vizekanzler und Bundesaußenminister Willy Brandt gab auf der Internationalen Funkausstellung den offiziellen Startschuss und drückte symbolisch den Knopf – eine Attrappe. Ein Techniker hinter der Bühne betätigte den echten Schalter. Ein kleiner Fauxpas blieb bei der offiziellen Umstellung von Schwarzweiß auf Farbe nicht gänzlich unbemerkt. Der Techniker betätigte den Schalter einige Sekunden zu früh. Die Panne bekamen jedoch nur einige Zuschauer mit, denn entsprechende Fernsehgeräte besaßen damals nur wenige Haushalte. Als endgültiger Durchbruch gilt die Fußball-Weltmeisterschaft 1974 – für viele Deutsche der Anlass, zu einem Farbfernsehgerät zu wechseln. Als man ihm die Frage stellte, warum er das System bei der Patentanmeldung nicht anders nannte, antworte Walter Bruch: „Ein Bruch-System hätte wohl niemand kaufen wollen.“ Kritiker warfen dem Entwickler und seinem Arbeitgeber später vor, sie hätten eine bereits bekannte Technik patentieren lassen.

Das Fernsehen der DDR

Den Wettlauf um das Farbfernsehen gewann der Westen. Walter Bruch war jedoch vom Fernsehen der ehemaligen DDR fasziniert und sagte in einem Interview mit der Tageszeitung Neue Presse am 02. März 1984: „Das Programm des Ost-Fernsehens ist für uns hier in Hannover eine Bereicherung, weil es dort Bildung gibt, die es bei uns nicht gibt". "Die Ansagerinnen sind dort heutzutage mindestens so hübsch frisiert wie die hier im Westen." Hätte er Enkel, "würde ich die lieber das DDR-Sandmännchen sehen lassen, weil das den Kindern viel mehr zusagt." Im Interview äußerte er Visionen, die heute für uns Alltag sind. Bankgeschäfte vom Sessel aus waren für ihn ein „Wunschtraum“, „weil das wegen der Sicherheit schwer zu organisieren ist“, wie er im Interview verriet.

Der rastloser Ruheständler

Im Jahr 1976 geht Walter Bruch in den Ruhestand, arbeitet aber weiter in zahlreichen technischen Ausschüssen und Kommissionen mit. Professor „PAL“, wie er genannt wurde, widmete sich nun ausgiebig seinem Hobby, der Geschichte. Er hat ein Archiv über die Geschichte des Fernsehens und der Tonaufzeichnungen erstellt, verfasste Artikel, Bücher und Sonderberichte wie „Von der Tonwalze zur Bildplatte“. Sein umfangreichstes Werk war seine eigene Biographie, erzählte Professor Bruch im Interview: „Ich hatte sie fertig, beinahe 1.000 Seiten, und mit meinem Koffer bei der Bundesbahn am Tegernsee aufgegeben. Aber der Koffer ist nie in Hannover angekommen." Er meldete mehr als 120 Patente an. Sein Wichtigstes bleibt jedoch das Fernsehsystem PAL. Zu Lebzeiten wurden Walter Bruch zahlreiche Auszeichnungen zuteil. Dazu gehörten neben Ehrendoktortiteln unter anderem:
  • 1968: Großes Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland
  • 1968: Goldene Kamera
  • 1973: Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie
  • 1975: Werner-von-Siemens-Ring
  • 1979: Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich
  • 1982: Niedersachsenpreis für Wissenschaft
  • 1986: Bayerischer Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst
Am 05. Mai 1990 starb Walter Bruch in Hannover im Alter von 82 Jahren. Bild oben rechts: Fernsehen im Lazarett 1942 (Bild: Orbis - Photo, Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE)Bild mitte links: Fußball-WM 1974, Spiel DDR-BRD (Bild: Rainer Mittelstädt, Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE)Bild unten rechts: 25 Jahre „Unser Sandmännchen" (Bild: Fotograf unbekannt, Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE)

Autor
Name: Antje Schubert