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Aus EU, Bundestag und Gerichtssälen
Recht & Gesetz (April 2017)
19.04.2017
Von Promille bis Probezeit: Welche Gerichtsurteile sind für Alltag und Berufsleben relevant? Welche Gesetze wurden geändert oder neu beschlossen? Die wichtigsten Urteile und Gesetze im Überblick.
Urteile
Probezeit: Kündigungsfrist muss eindeutig seinEin Arbeitnehmer wurde mit sechsmonatiger Probezeit eingestellt. Der Arbeitsvertrag legte im Absatz "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende fest. Dabei nahm der Arbeitsvertrag weder auf den Manteltarifvertrag noch auf die Probezeit Bezug.Dem Arbeitnehmer wurde innerhalb der Probezeit am 5. September 2014 zum 20. September 2014 gekündigt. Er klagte gegen die Kündigung, weil nach seiner Auffassung die Kündigung erst nach Ablauf von sechs Wochen zum Monatsende gültig sei, d.h., zum 31. Oktober 2014.Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem Arbeitgeber recht. Im Arbeitsvertrag wurde die längere Kündigungsfrist nicht ausdrücklich nur für das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit definiert. Deshalb greift hier nicht die zweiwöchige Kündigungsfrist während der Probezeit (Urteil vom 23. März 2017, Az. 6 AZR 705/15).Zweitwohnung: 170 km sind zu weitZweitwohnungen, die aus beruflichen Gründen erforderlich sind, können vom Arbeitgeber steuer- und sozialversicherungsfrei erstattet oder vom Arbeitnehmer als Werbungskosten geltend gemacht werden. Das Finanzgericht Münster musste entscheiden, bis zu welcher Entfernung vom Beschäftigungsort eine Zweitwohnung anerkannt wird.Der Kläger unterhielt seine Zweitwohnung ca. 170 Kilometer vom Arbeitsort entfernt. Das Finanzgericht Münster urteilte, dass diese Zweitwohnung nicht als Werbungskosten steuerlich absetzbar sei. Die Entfernung von 170 Kilometern zähle nicht mehr zur Umgebung des Arbeitsorts (Urteil vom 10. Februar 2017, Az. 4 K 1429/15 E).Onlinespiele: Eltern haften nicht immer für ihre KinderDer minderjährige Sohn einer Telefon-Anschlussinhaberin erwarb über Pay-by-call (0900-Nummer) insgesamt 21 mal zusätzlichen Content für ein Onlinespiel. Der Gesamtwert betrug ca. 1.250 Euro. Die Mutter weigerte sich, die Zahlung zu übernehmen, weshalb es zur Klage kam.Der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte, dass Eltern nicht haften, wenn ihre Kinder über Pay-by-call-Verfahren kostenpflichtige Inhalte für Onlinespiele kaufen. Das Risiko einer nicht autorisierten Zahlung liege beim Zahlungsdienstleister (Urteil vom 6. April 2017, Az. III ZR 368/16).MPU: Nur über 1,6 PromilleZwei Autofahrer, die mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,28 bzw. 1,13 Promille fuhren, wurden wegen Trunkenheit am Steuer verurteilt und zusätzlich mit dem Entzug der Fahrerlaubnis bestraft. Für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis sollten sie auf Weisung der Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten (MPU) vorlegen.Beide Autofahrer klagten gegen die Pflicht zur MPU. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) urteilte, dass ihnen die Fahrerlaubnis ohne MPU zu erteilen sei. Bei einer einmaligen Fahrt unter Alkoholeinfluss und ohne weitere Gründe, die gegen die Tauglichkeit der Fahrer sprechen, läge die Grenze für eine verpflichtende MPU bei einer Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille (Urteil vom 6. April 2017, Az. 3 C 24.15).Cannabis: Nur unter 1,0 ng/mlBei einer Verkehrskontrolle lag der Blutwert eines Autofahrers bei 1,5 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC). Der Fahrer wurde zu einer Geldbuße von 500 Euro und einem Monat Fahrverbot verurteilt. Begründet wurde die Strafe mit einer fahrlässigen Handlung zum Zeitpunkt der Fahrt. Dagegen klagte der Autofahrer.Der Bundesgerichtshof (BGH) beschloss, dass bei einem Grenzwert von 1,0 ng/ml THC-Konzentration im Blut ein objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten vorliege. Eine Wahrnehmung der Wirkung des Cannabisgebrauchs durch den Fahrer sei nicht erforderlich. Es genüge, dass er zur Erkenntnis gelange, "unter der Wirkung einer zumindest den analytischen Grenzwert erreichenden THC-Konzentration im Blut zu stehen." Wer Cannabis konsumiere, solle sich vor der Fahrt einer "gehörigen Selbstprüfung" unterziehen oder fachkundigen Rat einholen, um festzustellen, ob der Grenzwert überschritten werde (Beschluss vom 14. Februar 2017, Az. 4 StR 422/15).Gesetze und Verordnungen
Arbeitsverträge: Grundlose Befristungen bleiben GesetzDer Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales lehnte am 29. März 2017 zwei Anträge der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen (hier als PDF) und Die Linke (hier als PDF) ab, mit denen die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz gestrichen werden sollte.Beide Fraktionen erklärten, dass die Zahl der ohne Grund befristeten Arbeitsverträge immer mehr steige. Damit würden der Kündigungsschutz unterlaufen und prekäre Arbeitsverhältnisse geschaffen.Die CDU/CSU-Fraktion lehnte den Antrag ab. Die sachgrundlose Befristung sei "das einzige unbürokratische Instrument", um ein Arbeitsverhältnis zu gestalten. Die SPD-Fraktion sprach sich zwar für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung aus, stimmte aber aus Koalitionsgründen gegen den Antrag der Opposition.Insolvenzanfechtungsrecht: Mehr Schutz für Gläubiger Mit der Reform des Insolvenzanfechtungsrechts werden Gläubiger stärker vor dem Zugriff durch Insolvenzverwalter geschützt. Die Macht der Insolvenzverwalter wird eingeschränkt. Einen ausführlichen Beitrag lesen Sie hier: Mehr Schutz für GläubigerDrohnen: Mit Name und AdresseDie Drohnenverordnung des Bundesverkehrsministeriums ist am 7. April 2017 in Kraft getreten (hier als PDF). Drohnen mit einem Gewicht über 250 Gramm benötigen eine Plakette mit Namen und Anschrift des Besitzers (ab 1. Oktober 2017). Die maximale Flughöhe beträgt 100 Meter. Auf Modellflugplätzen gelten diese beiden Vorschriften nicht.Das Überfliegen von Flughafenkontrollzonen, Hauptverkehrswegen, Industrieanlagen, Naturschutzgebieten, Einsatzorten von Polizei und Rettungskräften oder sicherheitsrelevanten Einrichtungen (z. B. Bundestag) ist verboten. Auch größere Menschenansammlungen dürfen nicht überflogen werden.Für Drohnen über 250 Gramm oder mit der Möglichkeit der Bild- und Tonaufzeichnung bzw. -übertragung gilt ein Überflugverbot über private Wohngrundstücke, sofern keine Erlaubnis vorliegt.Ab 1. Oktober 2017 muss für das Steuern von Drohnen oder Modellflugzeugen mit einem Gewicht über zwei Kilogramm ein Kenntnisnachweis vorliegen. Für Drohnen, die schwerer sind als fünf Kilogramm, ist eine Aufstiegserlaubnis der Landesluftfahrtbehörden erforderlich.Mautpflicht: Keine Maut für E-AutosDer Bundesrat hat am 31. März 2017 das Gesetz über die Einführung einer Infrastrukturabgabe (Pkw-Maut) passieren lassen. Damit wird 2019 die Pkw-Maut auf allen Bundesautobahnen und Bundesstraßen Deutschlands eingeführt.Elektroautos sind von der Maut befreit, abgasarme Euro-6-Pkw werden steuerlich entlastet. Ausländer können eine 10-Tages-Maut in sechs Tarifen zwischen 2,50 und 25 Euro erwerben.Österreich kündigte eine Klage gegen die Maut vor dem Europäischen Gerichtshof an.Ladesäulen: Zahlen ohne VertragDie Ladesäulenverordnung wurde Ende März 2017 von der Bundesregierung novelliert. Die Erste Verordnung zur Änderung der Ladesäulenverordnung (LSV II, hier als PDF) soll das Laden von E-Autos benutzerfreundlicher gestalten.Fahrer ohne Vertrag mit dem jeweiligen Stromanbieter dürfen nicht vom Laden ausgeschlossen werden. Dafür sieht die LSV II die kostenlose Stromabgabe, die Zahlung mit Bargeld oder das webbasierte Bezahlen vor. Die webbasierte Lösung kann z. B. über eine Smartphone-App erfolgen, abgerechnet wird dabei über Zahlungssysteme wie PayPal oder Kreditkarte. Auch die Zahlung auf SMS-Basis kann angeboten werden, ist jedoch keine Pflicht.Ladepunkte mit weniger als 3,7 kW müssen der Bundesnetzagentur nicht mehr gemeldet werden und unterliegen damit nicht den o.a. Vorschriften. Für diese Ladesäulen gelten auch keine Vorgaben zu den Ladesteckern. Der Bundesrat muss der Novelle noch zustimmen.Autonomes Fahren: Black Box an BordDer Bundestag beschloss am 29. März 2017 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (hier als PDF). Darin wird erstmals das automatisierte Fahren berücksichtigt.Autofahrer dürfen während der Fahrt mit einem hoch- oder vollautomatisierten Fahrzeug die Hände vom Lenkrad nehmen und sich mit anderen Dingen beschäftigen. Voraussetzung ist, dass der Fahrer in Gefahrensituationen mit "ausreichender Zeitreserve" durch akustische oder andere Warnhinweise zur Übernahme des Steuers aufgefordert wird. Ohne Warnhinweise haftet der Fahrer nicht bei Unfällen oder anderen Schäden.Das Gesetz erlaubt keine alleinige Steuerung des Fahrzeugs durch den Bordcomputer. Der Fahrer steht immer in der Verantwortung, das Auto bei Gefahr selbstständig zu steuern.Jedes autonome Fahrzeug muss eine Black Box besitzen. Darin werden "von Satellitennavigationssystemen ermittelte Positions- und Zeitangaben" gespeichert, außerdem Informationen des Bordsystems oder Störungsmeldungen. Die Aufzeichnungen stehen allen "für die Ahndung von Verkehrsverstößen zuständigen Behörden" zur Verfügung. Bei unfallfreier Fahrt werden die Daten nach sechs Monaten gelöscht.Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke stimmten gegen das Gesetz. Ein Änderungsantrag der Linken unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Bedenken der Datenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff wurde abgelehnt.Bundestagswahl: Keine Selfies in der WahlkabineAm 31. März 2017 trat die 11. Verordnung zur Änderung der Bundeswahlordnung in Kraft (hier als PDF). Neu ist u. a. das Verbot des Fotografierens in der Wahlkabine während der Stimmabgabe zur Bundestagswahl (24. September 2017):"In der Wahlkabine darf nicht fotografiert oder gefilmt werden" (§ 56 Absatz 2 Satz 1). "Der Wahlvorstand hat einen Wähler zurückzuweisen, der für den Wahlvorstand erkennbar in der Wahlkabine fotografiert oder gefilmt hat" (§ 56 Absatz 6 Satz 1 Nr. 5a).Die Bundeswahlordnung gilt nicht für Landtagswahlen. In den Wahlordnungen von Schleswig-Holstein (Wahl: 7. Mai 2017) und Nordrhein-Westfalen (14. Mai 2017) wird das Fotografieren nicht erwähnt. Im Saarland (26. März 2017) war das Fotografieren erlaubt.StVZO: Neuregelungen für Fahrräder und E-BikesDer Bundesrat hat am 10. März 2017 die 52. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften verabschiedet. Darin enthalten sind umfangreiche Neuregelungen für Fahrräder und E-Bikes in der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (hier als PDF):- E-Bikes bis zu 25 km/h werden Fahrrädern gleichgestellt
- Dynamopflicht entfällt, Batterien sind erlaubt
- Tagfahrlicht, Fernlicht, Abblendlicht und Bremslicht sind erlaubt
- abnehmbare Beleuchtung ist erlaubt
- blinkende Scheinwerfer und Schlussleuchten sind unzulässig
- reflektierende Hülsen sind an allen Speichen Vorschrift
- mehrspurige Räder (Lastenräder) dürfen Blinker besitzen
- Räder über 1000 mm Breite benötigen zwei Scheinwerfer und zwei Schlussleuchten