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Instrom-Software (Bild: www.instrom.de)
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Berechnung der Kurzschlussströme nach dem Knotenpunktverfahren

Planung von Elektroanlagen (Teil 3)

01.03.2018

In unserer Serie zur Planung von Elektroanlagen geht unser Fachautor, Dipl.-Ing. Karl-Heinz Kny, diesmal auf die Berechnung von Kurzschlussströmen nach dem Knotenpunktverfahren ein.

Auch in der nun vorliegenden neuesten Ausgabe von DIN EN 60909-0 (VDE 0102-0) [1] ist das allgemeine, gut handhabbare und kurze Berechnungsverfahren vorgesehen, bei dem an der Fehlerstelle eine Ersatzspannungsquelle eingeführt wird. Mit der Spannung der Ersatzspannungsquelle und der Kurzschlussimpedanz wird der Kurzschlussstrom an der Fehlerstelle berechnet. Für die Kurzschlussberechnung in Maschennetzen ist das Knotenpunktverfahren eine Alternative.

In Strahlen- und Ringnetzen ist die Anwendung dieser Methode nach VDE 0102-0 ohne weiteres sinnvoll, doch für Maschennetze bietet sich aus der Sicht des Autors das mathematisch anspruchsvollere Knotenpunktverfahren an, das mit den zur Verfügung stehenden Rechenmitteln auch praktisch anwendbar ist. Dieser Beitrag soll zeigen, wie mit dem Knotenpunktverfahren [2] ein Maschennetz schnell erfasst und durch einfache Berechnungen der Kurzschlussstrom an der Fehlerstelle und in allen Zweigen des Netzes ermittelt werden kann.

Üblicherweise werden heutzutage die Kurzschlussberechnungen mit professioneller Software durchgeführt, insbesondere für größere Netzwerke, bei denen die Erfassung der einzelnen Impedanzen der Betriebsmittel und die Netzreduktion bis zum Erhalt der Kurzschlussimpedanz zeitraubend ist. Für kleinere Maschennetze, die durch die dezentrale Einspeisung verschiedener Stromquellen eine große Variantenzahl haben, ist eine individuelle Netzerfassung und -berechnung von Vorteil. Besondere Bedingungen wie die Speisespannung, Toleranzen der Bemessungswerte und Leitertemperaturen, die in den angebotenen Berechnungsprogrammen oft unsichtbar bleiben, können besonders berücksichtigt werden.

Neben der in [1] vorgesehenen Methode der Ersatzspannung an der Fehlerstelle schließt die Norm spezielle Berechnungsverfahren nicht aus. Genannt ist das Überlagerungsverfahren, bei dem aber eine zusätzliche Berechnung der Spannungsverhältnisse im Betriebszustand notwendig ist. Eine Alternative bildet das Knotenpunktverfahren, dass die gleichen Ergebnisse liefert, wie das Verfahren mit der Ersatzspannungsquelle. Im informativen Anhang B von [1] wurde die zu diesem Verfahren erforderliche Ermittlung der Knotenimpedanzmatrix neu aufgenommen.

Berechnungsweg nach dem Knotenpunktverfahren. Anhand des Maschennetzes nach Bild 1 wird das Knotenpunktverfahren allgemein erläutert. Anstatt mit endlich beliebigen Knotenpunkten ist die Darstellung mit einer konkreten Anzahl von Knotenpunkten verständlicher.

Es sind drei Netzeinspeisungen vorgesehen. Statt einer Netzeinspeisung könnte auch ein dezentraler Generator einspeisen oder ein Motor zum Kurzschlussstrom beitragen. Da hier aber nur die prinzipielle Vorgehensweise bei der Anwendung des Knotenpunktverfahrens vorgesehen ist, kann bei ausschließlicher Netzeinspeisung auf weitere Ausführungen zu den Besonderheiten von Generator-, Motor-, Windkraftwerk- und Photovoltaikanlagen-Impedanzen verzichtet werden.

Ausgangspunkt für das Knotenpunktverfahren ist die gesamte Admittanz- bzw Leitwertmatrix YG, die aus den Admittanzen Yij aller Betriebsmittel bzw. den Zweigen des Netzwerkes entwickelt wird.

Mit den Summen der Admittanzen/Leitwerte zwischen den Knotenpunkten wird die Matrix YG aufgestellt, wobei die Anzahl der Zeilen und der Spalten mit der Anzahl der gewählten Knotenpunkte einschließlich des Bezugs- bzw. Referenzpunktes übereinstimmt.

Zuerst werden alle Knotenpunkte 1, 2 und 3 bezeichnet. Die Zuordnung ist beliebig. Die Zahl 0 (Null) erhält der Bezugspunkt, der alle Netzeinspeisungen bzw. Ersatzspannungsquellen der Netze miteinander verbindet. Ist zur Berechnung unsymmetrischer Kurzschlussströme die Ermittlung der Knotenimpedanzmatrix des Mit-, Gegen-, und Nullsystems erforderlich, wird der Referenzknoten 0 jeweils mit 01, 02 und 00 bezeichnet.

Als Kehrwert der Impedanzen von den Betriebsmitteln bzw. Strecken Zij werden die Admittanzen der Zweige zwischen den Knotenpunkten Yij berechnet: (1) und in die Matrix als Nebendiagonalelemente bzw. Koppeladmittanzen (im Beispiel: Y01, Y02 ...Y32) eingetragen.

Die Hauptdiagonalelemente sind die Eigenadmittanzen Y00, Y11, Y22 und Y33. Sie sind die Summe der negativen Zeilenwerte: Beispielsweise gilt für Y00 = – (Y01 + Y02 + Y03).  (2) Da dieses Gleichungssystem überbestimmt ist, kann eine Gleichung für die weiteren Berechnungen gestrichen werden. Eine quadratische Admittanzmatrix erhält man durch Streichung der ersten Zeile und der ersten Spalte.

Von Vorteil ist es, erst einmal die gesamte Admittanzmatrix YG aufzuschreiben, weil die gestrichenen Werte zur Ermittlung der Diagonalelemente herangezogen werden müssen. (3) Im nächsten Schritt wird von der reduzierten Admittanzmatrix Y die inverse Matrix Y –1 gebildet: (4) Es gibt verschiedene Verfahren zur Berechnung der inversen Matrix (nach Gauß-Jordan, nach Cramer). Schneller geht es, die inverse Matrix mit einem wissenschaftlichen Taschenrechner zu ermitteln. Übliche Computerprogramme zur Lösung von mathematischen Aufgaben sind von der Handhabung dafür noch besser geeignet. Die sich als negativ ergebenden Werte der Selbstimpedanzen Z11, Z22 und Z33 stellen die inneren Impedanzen an den Knotenpunkten dar. Für den dreipoligen Kurzschluss sind es für die jeweiligen Knotenpunkte die Kurzschlussimpedanzen Zk, mit denen der Anfangskurzschlusswechselstrom I"k3 bei Kurzschluss an den Knoten berechnet wird.
Für die Fehlerstelle F1 gilt: (5) Damit mit den üblichen Formeln (ohne Minuszeichen) der Kurzschlussstrom berechnet werden kann, ist es sinnvoll, folgende Beziehung einzuführen: (6) Bei einem Kurzschluss an der Fehlerstelle F1 (Knotenpunkt 1) ist dann an dieser Stelle der Kurzschlussstrom: (7) Analog lauten die Formeln, wenn der Kurzschluss an den Fehlerstellen F2 und F3 angenommen wird:  (8) (9) Zur Ermittlung der Teilkurzschlussströme im gesamten Maschennetz werden die Knotenspannungen U1, U2 und U3 benötigt. Diese erhält man durch Multiplikation der invertierten Admittanzmatrix Y –1 mit der Strommatrix I, die nur den jeweiligen Kurzschlussstrom an der angenommenen Fehlerstelle enthält, im betrachteten Fall Ik3/F1. Die Belastungsströme in den anderen Knotenpunkten werden zu null gesetzt. Für die Berechnung ohne Vorbelastung, wie sie in VDE 0102-0 [1] vorgesehen ist, ist das zulässig.

(10) Die Multiplikation der invertierten Admittanzmatrix mit der Strommatrix führt zu negativen Spannungen, weil für den Bezugspunkt 0 das Spannungsniveau 0 V vorausgesetzt wurde. Um die tatsächlichen Spannungen in den Knotenpunkten zu erhalten, werden diese Spannungsunterschiede durch die Nennstrangspannung des Netzes U0 angehoben:

 (11) Die Streckenströme zwischen den Knotenpunkten werden mit der Spannungsdifferenz und der jeweiligen Leitungsimpedanz oder wie nachfolgend ausgedrückt mit der Leitungsadmittanz berechnet:  (12) Die Richtigkeit der Höhe und der Richtung der Kurzschlussströme im gesamten Netz kann mit den Kirchhoffschen Gesetzen überprüft werden. Dabei erhält man in Drehstromnetzen mit Phasenverschiebungen zwischen den Spannungen und Strömen nur bei Anwendung der komplexen Rechnung genaue Werte!

Literatur:
[1] DIN EN 60 909-0 (VDE 0102):2016-12 Kurzschlussströme in Drehstromnetzen. Teil 0: Berechnung der Ströme.
[2] Schultheiß, F.; Weßnig, K.-D.: Berechnung elektrischer Energieversorgungsnetze. Band II: Übertragungsberechnung. VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Leipzig, 1979.

Beispiele zur Berechnung von Kurzschlussströmen unter Anwendung des 
Knotenpunktverfahrens und mehr zu diesem Thema finden Sie im vollständigen Fachartikel „Berechnung der Kurzschlussströme nach dem Knotenpunktverfahren (Teil 3)“ in unserem Facharchiv ep-Plus-Mitglieder lesen die drei weiteren Teile der Serie kostenfrei:
  • Berechnung der charakteristischen Kurzschlussströme (Teil 2)
  • Neue VDE 0102-0: Berechnung der Ströme bei Kurzschluss (Teil 4)
  • Neues Beiblatt 5 zur DIN VDE 0100 – Zulässige Längen von Kabeln (5.1) (Teil 5)
Mehr zum Thema finden Sie außerdem in der aktuellen Publikation von Karl-Heinz Kny: „Schutz bei Kurzschluss in elektrischen Anlagen, Planen – Errichten – Prüfen“ in unserem Shop. Bild 1 oben rechts (Quelle: Printartikel): Maschennetz mit drei Einspeisungen