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Charles Grafton Page
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150. Todestag von Charles Grafton Page

Mit Volldampf auf die Schiene

27.04.2018

Weit weg vom deutschen und englischen Erfindergeist in Zeiten der Industrialisierung, nämlich in den USA, legte 1841 Charles Grafton Page den technischen Grundstein für zahlreiche Zündungen im Automobilbau des 20. Jahrhunderts.

You are the only classical Page in our book

Charles Grafton Page wurde am 25. Januar 1812 in Salem im US-Bundestaat Massachusetts geboren. Er war der einzige von fünf Brüdern, der als Erwachsener Karriere machte. Seine vier Brüder starben. Henry, der an Kinderlähmung erkrankte und sich nicht selbst versorgen konnte, schrieb auf seiner letzten Reise an seinen Bruder Charles: „You are the only classical Page in our book“ und drückte damit die Hoffnung der Familie aus, die sind in Charles setzte. Er sollte Recht behalten. Nach einer erfolgreichen Schullaufbahn studierte er zunächst Naturwissenschaften an der Harvard University und anschließend Medizin in Boston. Zunächst praktizierte er als Arzt in seiner Heimatstadt Salem und ab 1838 in Virginia. Sein Interesse galt jedoch zunehmend der Elektrotechnik. Er experimentierte in seiner Freizeit und gab seinen Beruf als Arzt schließlich zugunsten der Elektrotechnik im Jahr 1841 ganz auf. Zeitgleich wurde er als einer von zwei Chefprüfern in das Patentamt der USA nach Washington D. C. berufen, wo er sich seinem Hobby nun voll und ganz beruflich widmen konnte.

Über den großen Teich

Im Jahr 1831 gelang Michael Faraday in England mit der Entdeckung der elektromagnetischen Induktion der Durchbruch. Die Informationen zum geglückten Experiment gelangten bis über den großen Teich zu Charles Grafton Page. Fünf Jahre nach Faradays spektakulärer Entdeckung, 1836, erfand Page die erste mit Hochspannung betriebene Induktionsspule. Die Technik bildete später die Grundlage zahlreicher Zündungen in der Automobilbranche. Nur zwei Jahre später konstruierte er einen elektromagnetischen Kolbenmotor, der als einer der ersten Elektromotoren in die Chronik der Technik einging. Diese Entwicklung wird später Anwendung in der Elektrolokomotive finden. Zuvor gelangen ihm jedoch mit dem freiauslösenden Leitungsschutzschalter, einem Drehspul-Galvanometer und einer Doppelhelix für Induktionsmagnetismus weitere Erfindungen, die die Geschichte der Elektrotechnik prägten.

Von 0 auf 31 Kilometer die Stunde

1850 erhielt Page einen staatlichen Zuschuss von 20.000 Dollar für den Bau einer durch zwei Elektromotoren angetriebenen Lokomotive. Zur Realisierung nutzte er zwei 15 Kilowatt starke Kolbenmotoren mit zwei Spulen und einem darin eingelassenen Stabanker. Wie bei einer Kolbendampfmaschine wurde er durch wechselndes Einschalten der Spulen hin- und her bewegt. Die oszillierende Bewegung wurde mit einer Kurbelstange auf die Treibräder eines dreiachsigen Wagens übertragen und auf diese Art angetrieben. Die Motoren speiste Page mittels einer gewaltigen Batterie, die 50 Elemente enthielt. Der Wagen brachte es auf ein stolzes Gewicht von 12 Tonnen. Ein Triebwagen der Baureihe 640 (Nahverkehrs-Dieseltriebwagen) der Deutschen Bahn des Baujahres 1999 bringt es im Vergleich auf 41 Tonnen und eine Leistung von 315 Kilowattstunden bei maximal 120 km/h. Für die damalige Zeit war die Probefahrt am 29. April 1851 jedoch spektakulär. Die Lokomotive erreichte kurzzeitig eine Geschwindigkeit von 31 Kilometern je Stunde. Durchbrennende Isolierungen und unter den Erschütterungen brechende Batterieelemente beendeten unfreiwillig die Fahrt nach 40 Minuten – weit vor dem Ziel. Es war nach Robert Davidsons „Galvani“ die zweite Elektrolokomotive, die unter freiem Himmel auf einer realen Bahnstrecke getestet wurde, die nach ähnlichem Prinzip arbeitete.

Amerikanischer Bürgerkrieg und Vermächtnis

Der amerikanische Sezessionskrieg von 1861 bis 1865 ging auch an Charles Grafton Page nicht spurlos vorbei. 1863 brachen Unionssoldaten, die in der Nähe seines Hauses stationiert waren in sein Laboratorium ein. Sie vernichten seine Ausrüstung, Erfindungen und Laborbücher. Weitere Erfindungen, die Page der Smithsonian Institution gespendet hatte, gingen 1865 bei einem Feuer in Flammen auf. Durch die Ereignisse blieben der Nachwelt nur wenige handgemachte Gerätschaften und Aufzeichnungen erhalten, wodurch sie aus dem Blickfeld der meisten Historiker verschwanden. Seine letzten Jahre verbrachte Charles Grafton Page, inzwischen unheilbar erkrankt, isoliert von der wissenschaftlichen Gemeinschaft. 1867 ersuchte er den Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika mit letzter Kraft, ein rückwirkendes Patent auf seine Erfindungen der späten 1830er-Jahre, den Spiralleiter, den Doppelhelix und den Leistungsschutzschalter zu erhalten – vergebens, da er damit die Richtlinien des Patentamtes verletzte. In den 1860er-Jahren wurde die Induktionsspule zu einem herausragenden Instrument der physikalischen Forschung. Instrumentenbauer in Amerika, Großbritannien und auf dem europäischen Kontinent unterstützen ihrerseits die Entwicklung und den Betrieb der Induktionsspulen. Ein Sondergesetz, unterzeichnet vom US-Repräsentantenhauses, Senats und von Präsident Andrew Johnson, genehmigte das, was später als "The Page Patent" bezeichnet wurde. Page starb einige Wochen später, am 5. Mai 1868 in Washington D. C. Das Page-Patent spielte nach seinem Tod eine Hauptrolle in der Politik und Wirtschaft der Telegraphenindustrie. Pages Anwalt und Erben argumentierten erfolgreich, dass das Patent die Mechanismen aller "bekannten Formen der Telegrafie" abdeckte. Ein Interesse an dem Patent wurde an die Western Union Co. verkauft. Zusammen konnten Western Union und die Page-Erben die Früchte des Erfinders ernten. Pages Patent sicherte seiner Witwe und seinen Erben ein stilvolles Leben. Obwohl er nicht mehr lebte, war es seinerseits ein weiterer Verstoß gegen den Verhaltenskodex unter der aufkeimenden Professionalisierung der Wissenschaft der Zeit, in der die Wissenschaft um ihrer Selbstwillen geführt werden sollte, ohne offensichtlichen politischen oder finanziellen Gewinn. 2006 wurde Charles Grafton Page in die National Investors Hall of Fame aufgenommen und erhielt damit eine posthume Ehrung.

Autor
Name: Antje Schubert