Wiederholungsprüfung – Prüffrist, ständige Überwachung, Stichproben
Meine Antworten, und ebenso die Ratschläge anderer Fachleute (Elektrofachkräfte), sind nicht mehr und natürlich auch nicht weniger als fundierte Meinungen und Erfahrungen, es sind Hinweise auf den gegenwärtigen oder vielleicht auch den künftigen Stand der Technik. Was man daraus entnimmt bzw. ob und wie man die Hinweise umsetzt, muss man selbst entscheiden.
Zu 1.: Prüffristen. Als die für das Prüfen verantwortliche Elektrofachkraft (verantwortlicher Prüfer) im Auftrag des Betriebsleiters [1] ist es die Aufgabe des Anfragenden, für jedes einzelne Gerät den nächsten Prüftermin festzulegen. Dabei muss er
- den Zustand des Geräts
- die am vorgesehenen Einsatzort bei bestimmungsgemäßem Verwenden entstehenden Beanspruchungen und
- die für den Benutzer dabei entstehenden Gefährdungen
„... entstehende Mängel, mit denen gerechnet werden muss, rechtzeitig festgestellt werden.“
Dies erfolgt mit Hilfe des gesunden Menschenverstands, der den Prüfer in diesem Fall veranlasst, eine sogenannte „Gefährdungsbeurteilung“ vorzunehmen. Wie diese Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden kann, wird in der Literatur beschrieben [3] [4] [5]. Alle anderen Hinweise, Bemerkungen, Vorschläge zur Prüffrist, d. h.
- die Tabellen mit den Prüffristen egal ob sie als Höchst-, Richt- oder Mindestwerte bezeichnet werden
- die erwähnte Rechenregel (> 2 %)
- die z. B. eine Höchstfrist vorgebenden gesetzlichen Vorgaben
- einerseits keinesfalls gedanken- oder kritiklos übernehmen/akzeptieren darf aber
- andererseits nutzen sollte, um die eigene, mit Hilfe eines Rechenprogramms [5] oder zeichnerischen Verfahrens [4] ermittelte Prüffrist kritisch zu bewerten.
Warum ausgerechnet 2 % und nicht 1 % oder 3 %? Der Verfasser dieser Regel kann dies wohl kaum exakt begründen. Außerdem trifft diese „Festlegung“ nicht den Kern der Dinge – sie lenkt ab von der Verantwortung, die der Prüfer zu tragen hat und die er doch nicht einer Rechenregel überlassen darf.
Vom Prüfer muss für jedes Gerät eine ganz konkrete Aussage über die Qualität und dann über die Notwenigkeit und die Frist der Prüfung getroffen werden. Dies erfolgt unter Beachtung der spezieller Eigenschaften, Mängel, Verschleißerscheinungen dieses zu prüfenden Geräts. Eine solche immer auf das jeweils geprüfte Gerät zu beziehende Aussage sollte nicht ermittelt werden, indem man den durchschnittlichen Zustand einer Gerätegruppe errechnet und das Ergebnis dann für alle Geräte dieser Gruppe gelten lässt. Das würde z. B. bedeuten, dass für 100 geprüfte Geräte und auch für das einzige, wegen eines grundsätzlichen Mangels (Schutzleiterbruch) beanstandete Gerät die Prüfrist verlängert werden darf, weil insgesamt weniger als 2 % der Geräte durchgefallen sind. Ein solcher Standpunkt ist doch nicht vertretbar. In einem solchen Fall müsste der Prüfer vielmehr klären, ob die zu dem einzelnen Fehler gehörende Ursache möglicherweise auch bei den anderen Geräten der Gruppe vorliegt. Erst dann kann er über die Prüffrist nachdenken. Außerdem hat die 2-%-Regel einen entscheidenden Mangel. Sie müsste nämlich nicht nur das mögliche Verkürzen, sondern ebenfalls das eventuell notwendige Verlängern der Prüffrist umfassen und vorgeben was zu tun ist, falls mehr als 2 % der Prüflinge ausfallen. Deshalb wäre es in Anlehnung an die Vorgabe in BGV A3 [2] besser, wenn dem Prüfer an Stelle der 2-%-Regel gesagt würde:
Werden an einem Prüfling Mängel festgestellt, mit denen (bei dem Festlegen seiner ursprünglichen Prüffrist) nicht oder noch nicht gerechnet wurde, so sollte dessen Prüffrist verkürzt werden. Werden keine Mängel festgestellt, so ist mit Hilfe einer Gefährdungsbeurteilung zu klären, ob seine Prüffrist verlängert werden sollte.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich die Antwort auf die erste Frage:
- Der Anfragende muss entscheiden, ob er die 2-%-Regel anwenden kann. Sollte er dies tun, dann muss er auch begründen können, warum. Aus den oben angeführten Gründen halte ich es grundsätzlich für falsch, die durchschnittliche Qualität einer ganzen Gerätegruppe zum Festlegen der Prüfzeit von einzelnen Geräten heranzuziehen.
Der Betreiber einer Anlage ist gemäß Betriebssicherheitsverordnung [1] für die Sicherheit der Anlage bzw. der ortsfesten Betriebsmittel uneingeschränkt verantwortlich und hat gemäß der dort genannten Vorgaben ([1] § 10) die Wiederholungsprüfungen durchzuführen. Als Zielstellung, also gewissermaßen als Überschrift für alle dem Erhalt der Sicherheit dienenden Aktivitäten, heißt es in [1] und sinngemäß auch in DIN VDE 0105-100 [7], es sind „... durch die Prüfung Mängel/Schäden rechtzeitig zu entdecken ... und der sichere Betrieb zu gewährleisten.“
Wie dieses Ziel zu verwirklichen ist, hat die für die betreffende Anlage und ihre Betriebsmittel verantwortliche Elektrofachkraft selbst zu entscheiden. Sie kann dies durch Prüfschritte des Besichtigens, Messens oder Erprobens, also auf beliebige Weise erreichen. Sie darf und kann
- alle diese Prüfgänge/Prüfschritte für die gesamte Anlage an einem bestimmten Zeitpunkt oder für die Anlagenteile/Betriebsmittel zeitlich versetzt durchführen oder
- eine kontinuierliche Überwachung aller entscheidenden elektrischen Größen vorsehen oder die nötigen Prüfschritte regelmäßig per Hand vornehmen oder
- eine intelligente, rationelle Mischung aller dieser Möglichkeiten und Verfahrensweisen organisieren.
Letzteres muss dann wiederum die verantwortliche Elektrofachkraft gewährleisten. Somit ergibt sich die Antwort auf den zweiten Teil der Anfrage eigentlich von selbst.
Es gibt keine Festlegungen über den Umfang und die Art der Stichproben, die im konkreten Fall (also bei einem bestimmten Erzeugnis wie z. B. der CNC-Fräsmaschinen) als ordnungsgemäße Prüfung anzusehen sind und deshalb „ausreichen“. Niemand darf dem verantwortlichen und „weisungsfreien“ Prüfer derartige Vorgaben machen und die Verantwortung entziehen [8].
Ein Prüfer, der sich für das stichprobenweise Prüfen entscheidet, sollte sein Prüfobjekt so gut kennen, dass er weiß, ob und welche Stichproben ihm eine zuverlässige Aussage liefern. Hat er eine ihm unbekannte Anlage/Maschine zu prüfen, so sind Stichproben nicht oder erst dann sinnvoll, wenn er bereits annähernd erkennen kann, wie sein Prüfling beschaffen ist. Die Begründung für das Prüfen in Form von Stichproben und die Angaben über Art, Ort und Umfang der Stichproben sollten in der Prüfdokumentation genannt werden. Für deren Form gibt es eine Menge Vorschläge [4] [5] jedoch keine speziellen Vorgaben. Auch hier sollte der Prüfer wieder berücksichtigen und festlegen, wie der Nachweis der durchgeführten Prüfung und die Archivierung der für ihn wichtigen Messwerte auf rationelle Weise erfolgen kann.
Zu 3.: Stichproben an Verteilungen. Für die beschriebenen Verteilungen gelten die unter der Antwort auf den Fragenteil 2 genannten Bedingungen und Hinweise ebenfalls. In Abhängigkeit von den dem Prüfenden bekannten Eigenarten (Belastung, Schutzeinrichtung, Betriebstemperatur usw.) des Verteilers sowie dessen einzelner Abgänge ist es sicherlich möglich, unterschiedliche Prüffristen für die Abgänge oder für die durchzuführenden Prüfverfahren festzulegen. Somit könnten bei der Wiederholungsprüfung des Verteilers die Abgänge praktisch „stichprobenweise“ geprüft werden. Diese Stichprobenprüfungen sind dann ja eigentlich nur eine Bestätigung des dem Prüfer bereits bekannten Sachverhalts „Prüfling in Ordnung“, liefern ihm eine zusätzliche, zur Sicherheit nochmals beschaffte Information und sind somit vertretbar. Keinesfalls aber kann der Prüfauftrag z. B. lauten:
„Je Verteiler sind 30 % der Abgänge zu prüfen. Wenn dabei keine Mängel festgestellt werden, hat der Verteiler die Prüfung bestanden."
Eine solche Verfahrensweise entspräche dem Lotteriespiel, wäre Prüfen im Blindflug und verantwortungslos.
Bei dem in der Anfrage angeführten Beispiel „Verteiler, die alle vier Jahre geprüft werden“ könnte so eine formale Entscheidung dazu führen, dass einige Abgänge nur alle acht oder gar nur alle zwölf Jahre der Prüfung unterzogen werden.
Darüber hinaus möchte ich auch noch weitere Bedenken anmelden bzw. auf die nötige Kombination von Wiederholungsprüfung und Instandhaltung hinweisen. Das Messen der Schutzleiter- und Neutralleiterströme und der Temperatur der Anschlussklemmen sollte z. B. – zumindest an ausgewählten Abgängen (stichprobenweise) – unabhängig von dem gewählten Prüfturnus auch zwischendurch, in Form einer mehr oder weniger kontinuierlichen Überwachung, erfolgen.
Quellen
Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) vom 27. September 2002 (BGBl. I S. 3777), zuletzt geändert durch Artikel 8 der Verordnung vom 18. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2768).
BGV A3 Unfallverhütungsvorschrift Elektrische Anlagen und Betriebsmittel vom 1. April 1979 in der Fassung vom 1. Januar 1997 mit Durchführungsanweisungen vom Oktober 1996. Aktualisierte Nachdruckfassung 2005.
TRBS 1111 Gefährdungsbeurteilung und sicherheitstechnische Bewertung vom 15. September 2006.
Bödeker, K.: Prüfung ortsfester und ortsveränderlicher Geräte. 7. veränderte Auflage. Berlin: Huss-Medien GmbH 2010.
Neumann, T.: Organisation der Prüfung von Arbeitsmitteln. Berlin: VDE-Verlag 2006.
Bödeker, K; Kindermann, R.: Isolationsfehler ermitteln. Elektropraktiker Sonderheft: Messen und Prüfen, Berlin: Huss-Medien 2009; S. 814.
DIN VDE 0105-100 (VDE 0105-100):2009-10 Betrieb von elektrischen Anlagen Teil 100: Allgemeine Festlegungen.
DIN VDE 1000-10 (VDE 1000-10):2009-01 Anforderungen an die im Bereich der Elektrotechnik tätigen Personen.
- K. Bödeker