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Arbeitsunfähig oder nur mal „blau gemacht“
Wann der Arbeitgeber einen Krankheitsnachweis verlangen darf
01.04.2019
K. fällt schon wieder wegen Krankheit aus, was in den letzten Monaten schon häufiger vorkam. Der Chef bezweifelt die häufigen Erkrankungen und vermutet andere Gründe für das Fehlen. Daher fordert er von K. nach dessen Rückkehr an den Arbeitsplatz, dass er bei jedem zukünftigen krankheitsbedingten Fehlen ab erstem Tag ein Attest beibringen soll. Ist diese Forderung berechtigt?
Arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer sind prinzipiell verpflichtet,
- sich unverzüglich arbeitsunfähig zu melden und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit anzugeben und
- ihre Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) nachweisen.
Wann eine Vorlage vorzeitiger erfolgen muss
Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ist der Arbeitgeber berechtigt, die Vorlage der AU-Bescheinigung früher zu verlangen. Die Regelung erlaubt dem Arbeitgeber nicht nur, vor Ablauf des dritten Kalendertages der Krankheit den Arbeitnehmer zur Vorlage aufzufordern, sondern auch eine AU-Bescheinigung für Krankheitszeiten zu verlangen, die nicht länger als drei Tage andauern. Die gesetzliche Regelung eröffnet dem Arbeitgeber somit die Möglichkeit, bereits ab dem ersten Tag einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eine AU-Bescheinigung und deren Vorlage am darauffolgenden Arbeitstag zu verlangen – vgl. u. a. BAGE 93, 276.Keine Begründung nötig
Möchte der Arbeitgeber von der Möglichkeit des vorzeitigen Nachweises Gebrauch machen, benötigt er hierfür weder einen sachlichen Grund noch besondere Verdachtsmomente gegenüber dem Arbeitnehmer – vgl. das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG), 14.11.2012, 5 AZR 886/11. Der Arbeitgeber darf von seinem Recht jederzeit Gebrauch machen. Das Ausüben des Rechts ist nicht an Ausübungsvoraussetzungen gebunden. Der Arbeitgeber hat „in jedem Fall“ die Möglichkeit, eine AU-Bescheinigung ab dem ersten Tag der Erkrankung zu verlangen. Dass diese am darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen ist, wenn der Arbeitgeber eine AU-Bescheinigung ab dem ersten Krankheitstag verlangt, folgt aus § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG.Allgemeine Schranken der Rechtsübung
Das Recht auf eine Vorlage der AU-Bescheinigung ab dem ersten Krankheitstag findet seine Schranken in den allgemeinen Schranken jeder Rechtsausübung. Das Verlangen darf also weder schikanös noch willkürlich sein und nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz sowie gegen Diskriminierungsverbote verstoßen.Allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz
Aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt, dass eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage verboten ist. Gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz wird zum Beispiel verstoßen, wenn der Arbeitgeber in zehn vergleichbaren Arbeitsunfähigkeitsfällen nur von einem Arbeitnehmer die Vorlage der AU-Bescheinigung ab dem ersten Tag verlangt, von den übrigen neun Arbeitnehmern aber nicht.Diskriminierungsverbot
Ein Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot läge vor, wenn der Arbeitgeber beispielsweise nur von Männern oder nur von Frauen oder nur von Schwerbehinderten die AU-Bescheinigung ab dem ersten Tag verlangt.Gerechtfertigtes Verlangen
Von Arbeitnehmern, die wegen häufiger Kurzerkrankungen auffallen, deshalb ab dem ersten Tag der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eine AU-Bescheinigung zu verlangen, ist weder schikanös noch willkürlich. Das Verlangen ist gerechtfertigt, weil der Arbeitgeber nur im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit zur Entgeltfortzahlung berechtigt ist. Liegt keine nachweisbare krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vor, entfällt die Pflicht zur Entgeltfortzahlung nach dem EFZG.Beweis durch Arbeitnehmer
Dass eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt, muss der Arbeitnehmer im Streitfall darlegen und beweisen, was er durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung tut. Stellt der Arzt keine AU-Bescheinigung aus, ist dies mehr als ein Indiz dafür, dass der Arbeitnehmer nicht krankheitsbedingt fehlt.Regelungen des Tarifvertrags
Durch einen Tarifvertrag kann von § 5 EFZG zugunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Eine derartige Abweichung erfordert aber eine klare Regelung (BAGE 133, 101), aus der eindeutig hervorgeht,- in welchen Fällen und bis zu welchem Zeitpunkt eine AU-Bescheinigung vorgelegt werden muss oder
- in welchen Fällen der Arbeitgeber die vorzeitige Vorlage einer AU-Bescheinigung verlangen kann oder
- ob das Recht des Arbeitgebers, eine AU-Bescheinigung vorzeitig verlangen zu dürfen, ausgeschlossen ist.