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Bestandsschutz und Anpassung elektrischer Anlagen - Fragen aus der Praxis (2)
ep12/2001, 2 Seiten
1 Prüfung bei Wiederanschluss Dürfen nach der Neuerrichtung einer nun nicht mehr vier- sondern fünfadrigen Steigleitung (3L/N/PE) die abgehenden zweiadrigen Leitungen (TN-C-System) ohne Prüfung der daran angeschlossenen Anlagen der Wohnungen wieder angeschlossen werden? Wenn Ihr Auftrag nur das Erneuern der Steigleitung umfasst, hätten Sie eigentlich keine offizielle Veranlassung, die angeschlossenen Anlagen einer Wiederholungsprüfung nach DIN VDE 0105 Teil 100 [2] zu unterziehen. Da die angeschlossenen Anlagen bisher ordnungsgemäß funktioniert haben - sonst hätte der Betreiber eine Reparatur veranlassen müssen - könnten Sie ja voraussetzen, dass dies auch weiterhin so sein wird. Allerdings müssen Sie sich natürlich nach dem Abschluss Ihrer Arbeiten an der Steigleitung davon überzeugen, dass die gesamte elektrische Anlage wiederum ordnungsgemäß und sicher betrieben werden kann. Die dazu erforderlichen Prüfungen sind Teil Ihrer Arbeit, sie gehören zwangsläufig zum Arbeitsauftrag, auch wenn sie nicht extra erwähnt wurden. Der damit verbundene Aufwand müsste somit im Kostenvoranschlag berücksichtigt worden sein. Ebenso müssen Sie von vornherein verlangen, dass der Auftraggeber Ihnen das Betreten der an diese neue Steigleitung anzuschließenden Wohnungen ermöglicht, um die nötigen Prüfungen vornehmen zu können. Die Gewißheit, dass im Zusammenspiel der neuen Steigleitung mit den angeschlossenen Wohnungsinstallationen alles in Ordnung ist, können Sie aus meiner Sicht nur erhalten, wenn Sie die nachstehenden Arbeiten durchführen: · Klären, ob die Zuleitungen zu den Wohnungen - sich in einem Zustand befinden, der einen ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage gestattet und - von Ihnen wieder ordnungsgemäß angeschlossen wurden. · Durch Messungen nachweisen, dass die grün/gelbe (oder rote oder graue) Ader der Wohnungszuleitung wirklich als PEN-Leiter genutzt wird und nicht etwa von Ihnen oder vielleicht schon früher mit dem Außenleiter vertauscht wurde. · Den nach DIN VDE 0100 Teil 610 [3], Punkt 3.4, geforderten Nachweis führen, dass - einerseits durch die von Ihnen vorgenommene Änderung die Sicherheit der gesamten bestehenden Anlage nicht beeinträchtigt wird, sich Ihre Steigleitung also in einem ordnungsgemäßen Zustand befindet, und - andererseits die elektrischen Wohnungsinstallationen den ordnungsgemäßen Betrieb der Steigleitung sowie der übrigen Anlagen nicht negativ beeinflussen, sich also in einem solchen Zustand befinden, der Ausfälle, Fehlerströme usw. normalerweise ausschließt. Ohne dies nachgewiesen zu haben, können Sie Ihre Arbeit nicht abschließen. Eine Messung des Isolationswiderstands an den von der Steigleitung abgehenden Leitungen, eine Schleifenwiderstandsmessung in jeder Anlage, die Kontrolle der Polarität an einer oder zwei Steckdosen je Stromkreis, eine Funktionskontrolle der Beleuchtung und eine allgemeine grobe Sichtprüfung der Wohnungsinstallationen, das alles ist erforderlich und kostet etwas Zeit. Dass Sie bei diesem Kurzdurchgang auch aufmerksam registrieren, welche Mängel vorhanden oder wahrscheinlich sind, was nachgerüstet werden könnte oder müsste, das versteht sich von selbst und liegt ja auch im eigenen Interesse Ihres Elektrofachbetriebs. Wenn Sie nun sagen: „Aber das ist ja schon fast eine komplette Wiederholungsprüfung“, dann kann ich nicht widersprechen. Aber sehen Sie einen anderen Weg, um mit ruhigem Gewissen aus dem Hause gehen zu können? Auf diese sich hier bietende Möglichkeit der Kontrolle sollte keinesfalls verzichtet werden, da wir Elektrofachkräfte genau wissen, · wie wenig sich der durchschnittliche Betreiber/Verwalter einer Wohnanlage um den Zustand seiner Elektroinstallationen kümmert, · dass die Anlagen der Wohnungen dieses Hauses wohl in den nächsten Jahren kaum wieder einer Elektrofachkraft unter die Augen kommen werden, · wie gering die Fachkenntnisse und das Urteilsvermögen der Mieter in Sachen Elektrotechnik zumeist sind, so dass Mängel vielfach übersehen werden und · bei den bestehenden Anlagen - besonders bei den älteren mit dem TN-C-System - sehr oft mit Schwachstellen zu rechnen ist. Wer, wenn nicht die Mitarbeiter eines Elektrofachbetriebs, hat eine Verantwortung für die Information der Nichtfachleute über die Gefahren der Elektrotechnik? Wer anders ist in der Lage - und daran interessiert - seine Mitbürger zu beraten? Sinnvoll ist, bei derartigen Arbeiten von vornherein immer darauf hinzuwirken, dass auch eine komplette Wiederholungsprüfung der angeschlossenen Anlagen mit in den Auftrag aufgenommen wird. 2 Bestandsschutz bei Prüfgeräten Nach DIN VDE 0701 und DIN VDE 0702 sind nun neben dem Messen des Isolationswiderstands auch der Schutzleiter- und der Berührungsstrom zu messen. Da nicht alle Prüfgeräte über alle diese Möglichkeiten verfügen und somit mehrere von ihnen eingesetzt werden müssen oder können, würde es für uns günstig sein, wenn auch die nach TGL-Standards hergestellten Isolationswiderstandsmessgeräte zur Anwendung kommen könnten. Ist dies gestattet? Da wohl vorausgesetzt werden kann, dass die von Ihnen genannten Geräte seinerzeit nach den geltenden TGL-Standards hergestellt worden sind, steht ihrer Anwendung im Prinzip nichts entgegen. Ob sich Ihre Geräte in einem ordnungsgemäßen, sicheren Zustand befinden und von den Kenndaten her für diesen Anwendungszweck geeignet sind, das muss von Ihnen bzw. von der für das Prüfen verantwortlichen Elektrofachkraft entschieden werden. Sowohl nach DIN VDE 0701 als auch nach DIN VDE 0702 wird gefordert, dass die zur Installationstechnik Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 12 986 Bestandsschutz und Anpassung elektrischer Anlagen Fragen aus der Praxis (2) K. Bödeker, Berlin In den bisherigen Beiträgen [1] wurden die grundlegenden Zusammenhänge vom „Bestandsschutz“ elektrischer Anlagen in Wohnbauten behandelt. Inzwischen erreichten uns einige ergänzende Fragen unserer Leser, die wir auch innerhalb dieser Beitragsreihe beantworten werden. Wir hoffen damit den Fachkollegen, die sich mit dieser Problematik herumschlagen müssen, eine möglichst umfassende Darstellung zu bieten. Dipl.-Ing. Klaus Bödeker ist freier Fachjournalist, Berlin. Autor Anwendung kommenden Prüfgeräte nach DIN VDE 0404 [4] und DIN VDE 0411 [5] oder gleichartigen Vorschriften hergestellt worden sind. Das heißt für die zum Messen des Isolationswiderstands einzusetzenden Geräte: · Die Nennspannung muss mindestens DC 500 V bei einer Belastung von 1 mA betragen. · Der Prüfstromkreis muss bei netzbetriebenen Geräten galvanisch sicher vom Netz getrennt sein. · Der Messbereich muss mindestens die Werte von 200 k bis 5 M umfassen. · Der Prüfstrom darf im ungestörten Betrieb höchsten den Wert von DC 2,0 mA annehmen können. Dies gilt sinngemäß auch für Geräte zum Messen des Schutzleiterwiderstands oder des Ersatzableitstroms. Die dann zu beachtenden Kenndaten können Sie der genannten Norm DIN VDE 0404 (Teile 1 und 2) entnehmen, die in Kürze in einer neuen Fassung, bezüglich der hier interessierenden Werte aber unverändert vorliegen wird. Diese Antwort gilt sinngemäß auch für in den vergangenen Jahren nach DIN VDE 0404 hergestellte Prüfgeräte, die nicht über die Möglichkeit der Messung des Schutzleiterstroms verfügen. Auch sie entsprechen nicht mehr der in Kürze erscheinenden neuen Fassung dieser Norm und können im Rahmen ihrer Möglichkeiten trotzdem weiter verwendet werden. 3 Bestandsschutz von Anlagen Im Prüfprotokoll der Wiederholungsprüfung in einem größeren Mietshaus habe ich u. a. · die sehr geringe Anzahl der Steckdosen in den Wohnzimmern und · den fehlenden Zusatzschutz mit einem FI-Schutzschalter in den Bädern beanstandet. Aus meiner Sicht ist beides heutzutage nicht mehr zu akzeptieren. Nun lehnte der Hausbesitzer aber beides wegen der Kosten und auch mit dem Hinweis auf den Bestandsschutz ab. Wie lange darf dieser unmögliche Zustand noch erhalten bleiben? Im ersten Beitrag dieser Folge zum Bestandsschutz [1] wurde bereits begründet, dass letztlich der Besitzer der elektrischen Anlage entscheiden darf, ob und wann er eine Anpassung an die aktuellen Normen bzw. an die heute übliche Ausstattung vornimmt. Da es keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben für eine Veränderung der von Ihnen geschilderten Unzulänglichkeiten gibt, wird der Hausbessitzer Ihren Vorschlägen nur folgen, wenn · Sie ihn mit guten Argumenten überzeugen und/oder · er für diese den heutigen Wohn- und Sicherheitsansprüchen nicht genügenden Wohnungen keine Mieter mehr findet. Es gibt noch eine dritte Möglichkeit, auf die zwar mit Bedacht, aber auch nachdrücklich hinzuweisen ist. Sollte im Bad eine folgenschwere elektrische Durchströmung entstehen, deren Auswirkungen durch einen FI-Schutzschalter verhindert worden wären, dann hat der von Ihnen über diese Möglichkeit ja schon vorbeugend informierte Hausbesitzer schlechte Karten. In diesem Fall würde dann nach dem Richterspruch der Zusatzschutz wohl sehr schnell nachgerüstet werden. Wiederum lässt sich erkennen, wie wichtig die sachgerechte und überzeugende Information der Kunden durch die Elektrofachkräfte ist. Um auf Ihre Frage zurückzukommen, eines ist gewiss, dieser von Ihnen mit Recht kritisierte „unmögliche Zustand“ wird nicht durch Anweisung von oben, nicht durch den in seinen Möglichkeiten sehr beschränkten „Vater Staat“ geändert. Dieser Mangel wird so lange erhalten bleiben, bis wir Elektrofachkräfte alle Hausbesitzer und alle anderen für Elektroanlagen verantwortlichen Elektrolaien von der Notwendigkeit dieser Umstellung überzeugt haben. Dafür die Argumente bereitzustellen, das ist ja einer der Gründe für diese Beitragsreihe zum „Bestandsschutz“. Bei Ihrer Argumentation für den Einsatz des FI-Schutzschalters sollten Sie bitte aber auch berücksichtigen, dass es eine ganz konkrete Empfehlung für das Nachrüsten des FI-Schutzschalter in Badezimmern gibt. In DIN VDE 0100 Teil 739 [6] ist sinngemäß zu lesen: Es wird in Wohnungen der zusätzliche Schutz bei direktem Berühren durch Schutzeinrichtungen mit In 30 mA dort empfohlen, wo ein erhöhtes Unfallrisiko besteht: · Hobby-, Werkstatt- und Hausarbeitsräume mit ortsveränderlichen Geräten. · Altanlagen ohne Schutzmaßnahme bei indirektem Berühren. · Bestehende Anlagen mit ortsveränderlichen Geräten, für die bei Neuinstallation dieser Einsatz zwingend gefordert wird (z. B. Bäder, Außenbereiche). Allerdings, diese Norm ist „nur“ eine VDE-Leitlinie. Sie wird daher nicht mit erfasst, wenn die VDE-Bestimmungen durch die „Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden“ oder die Unfallverhütungsvorschrift „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ BGV A2 die VDE-Bestimmungen zu verbindlichen Grundlagen des Errichtens und Betreibens elektrischer Anlagen werden. Sie wird leider auch wenig in die Öffentlichkeit gebracht und müsste eigentlich - aus meiner Sicht - bei den im Beiblatt 2 von DIN VDE 0100 genannten Anpassungsempfehlungen [7] in vorderster Reihe stehen. Aber immerhin, diese sehr eindeutige Empfehlung der anerkannten deutschen Elektrofachkräfte ist doch · für die Betreiber der Anlagen bei genauem Überlegen sehr bedeutungsvoll und · zweifellos eine Grundlage richterlicher Entscheidungen bei etwaigen Elektrounfällen und · somit ein beachtenswertes Argument im Bemühen der Elektrofachkräfte um eine höhere Sicherheit. Bezüglich der Anzahl der Steckdosen ist auf die logischen negativen Konsequenzen dieser Sparmaßnahme hinzuweisen. Zwangsläufig werden dann Verlängerungsleitungen und Mehrfachsteckdosen eingesetzt, die Möglichkeit von Defekten und Unfällen nimmt zu - außerdem sind allerhand Billiglösungen auf dem Markt. Erinnert sei nur an den im Heft 9/2001, Seite 722 [1] beschriebenen tödlichen Unfall durch Kontakt mit der Mehrfachsteckdose. Er wäre - trotz des Installationsfehlers - sehr wahrscheinlich nicht aufgetreten, wenn mehrere Steckdosen im Raum zur Verfügung gestanden hätten. Sagen wir also den Badezimmern ohne FI-Schutzschalter und der schlechten Ausstattung der Wohnzimmer mit Steckdosen den Kampf an. Beides hat in unseren Augen keinen Bestandsschutz. Literatur [1] Bödeker, K.; Senkbeil, H.: Bestandsschutz und Anpassung elektrischer Anlagen; Verantwortung der Elektrofachkraft. Elektropraktiker, Berlin 55(2001)7, S. 552-553. - Bödeker, K.: -; Entscheidung ohne großen Aufwand? Elektropraktiker, Berlin 55(2001) 8, S. 644-645. - Bödeker, K.: -; Für und gegen die Klassische Nullung? Elektropraktiker, Berlin 55(2001) 9, S. 720-722. [2] DIN VDE 0105 Teil 100:2000-06 Betrieb von elektrischen Anlagen. [3] DIN VDE 0100 Teil 610:1994-04 Errichten von Starkstromanlagen mit Nennspannungen bis 1000 V; Prüfungen; Erstprüfungen. [4] DIN VDE 0404 Prüf- und Messeinrichtungen zum Prüfen der elektrischen Sicherheit von elektrischen Geräten. [5] DIN VDE 0411 Sicherheitsbestimmungen für elektrische Mess-, Steuer-, Regel- und Laborgeräte. [6] DIN VDE 0100 Teil 739:1989-06 Errichten von Starkstromanlagen mit Nennspannungen bis 1000 V; Zusätzlicher Schutz bei direktem Berühren in Wohnungen durch Schutzeinrichtungen in TN- und TT-Netzen. [7] Entscheidung des Komitees 221 der DKE zur Anpassung bestehender elektrischer Anlagen in den neuen Bundesländern und im Ostteil Berlins. Beiblatt 2 zu DIN VDE 0100:1992-10. Installationstechnik Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 12 987
Autor
- K. Bödeker
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