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Messen und Prüfen | Installationstechnik | Elektrotechnik

In der Praxis nicht bestanden

ep3/2001, 2 Seiten

Im ep 11/2000, S. 998, äußerten sich einige Leser zur Verantwortung der Elektrofachkraft. Die Meinungen waren aber fachlich teilweise nicht ganz richtig, so dass folgende Ergänzungen notwendig erscheinen.


Abnahme durch den Auftraggeber Der Errichter einer an den Betreiber zu übergebenden Elektroanlage ist dafür verantwortlich, dass · alle die Sicherheit betreffenden Vorgaben (DIN-VDE-Normen) eingehalten und · die Arbeiten in ordnungsgemäßer handwerklicher Qualität ausgeführt wurden. Diese Verantwortung kann ihm niemand „abnehmen“, weder eine andere Elektrofachkraft noch derjenige, der diese Anlage in Auftrag gegeben hat. In der Norm DIN VDE 1000 Teil 10 wird dies wie folgt formuliert: „Die für die Einhaltung der elektrotechnischen Sicherheitsfestlegungen verantwortliche Elektrofachkraft darf, soweit nicht besondere gesetzliche Vorschriften bestehen, ... keiner Weisung von Personen (unterliegen), die nicht entsprechend dieser Norm als verantwortliche Elektrofachkraft gelten ...“. Insofern ist es sinnlos, eine die sicherheitstechnischen Funktionen und Maßnahmen der Anlage betreffende „Abnahme“ durch den Auftraggeber und dessen Unterschrift z. B. auf dem Prüfprotokoll zu fordern. Würde der Auftraggeber diese „Abnahme“ vornehmen und den ordnungsgemäßen normgerechten Zustand der Anlage bestätigen, hätte dies keine rechtliche Bedeutung. Allerdings kann sich der Auftraggeber bei einer gemeinsamen Besichtigung/Erprobung die Anlage vorführen lassen. Dabei kann er auch kontrollieren, ob alle seine vertraglichen Vorgaben erfüllt worden sind und der Allgemeinzustand der Anlage seinen Vorstellungen entspricht. Wurde sein Auftrag vertrags- und ordnungsgemäß erfüllt, so kann er dies auch mit seiner Unterschrift zum Ausdruck bringen. Dies ist aber keine „Abnahme“ im Sinne einer „Abnahme der Verantwortung des Errichters“. Sinnvoll ist jedoch auch, wenn der Auftraggeber mit dieser Unterschrift ausdrücklich bestätigt, dass · eine Einführung des Bedienpersonals bzw. der Nutzer in die Anlage erfolgt ist · die aktuellen Unterlagen sowie gegebenenfalls weitere Informationen vollständig übergeben wurden. Wird in besonderen Fällen, z. B. auf Veranlassung einer Versicherung, die Anlage im Auftrag des Betreibers durch einen Sachverständigen geprüft und „abgenommen“, so ist dies nur eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme und ändert nichts an der Verantwortung des Errichters. Der Sachverständige teilt dem Auftraggeber damit seine fundierte und ernstzunehmende Meinung über die Arbeit des Errichters und den Zustand des Arbeitsergebnisses mit. Der Auftraggeber hat diesen „amtlichen Prüfbericht“ seinem Vertragspartner, dem Errichter der Anlage mitzuteilen und die Umsetzung zu fordern. Der Errichter hat dann wiederum die Richtigkeit der Änderungsforderungen des Sachverständigen bezüglich ihrer Übereinstimmung mit den Normen zu prüfen und gegebenenfalls zu klären, ehe er sie eigenverantwortlich umsetzt. Der Sachverständige darf entsprechend den oben zitierten Festlegungen der Norm DIN VDE 1000 Teil 10 dem Errichter keine Weisungen erteilen und so in dessen Verantwortung eingreifen. Der Errichter darf keine den Normen entgegenstehenden Forderungen akzeptieren mit der Bemerkung: „Der Sachverständige wollte das so“. Zu beachten ist, der Fachausdruck „Abnahme“ ist im Zusammenhang mit der Prüfung einer elektrischen Anlage nach den DIN-VDE-Normen nicht allgemeingültig definiert. Wird eine Abnahme vertraglich vereinbart, so müssen deren Inhalt und das angestrebte Ziel unter Beachtung der allgemein geltenden rechtlichen Vorgaben genau angegeben werden. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser Wer eine bestehende elektrische Anlage ändert oder erweitert, wird in den Normen vergebens nach einer Angabe über die dann nöti-Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 3 238 Report Antworten auf Anfragen zum Beitrag im ep 7/2000, S. 615-616 In der Praxis nicht bestanden Im ep 11/2000, S. 998, äußerten sich einige Leser zur Verantwortung der Elektrofachkraft. Die Meinungen waren aber fachlich teilweise nicht ganz richtig, so dass folgende Ergänzungen notwendig erscheinen. Tafel Konsequenzen, die sich aus der Erneuerung einer Steigleitung der elektrischen Anlage mit dem TN-System in einem Mehrfamilienhaus ergeben Aktivitäten Bemerkung/Problem 1. Vor der Annahme des Auftrags zu klären Soll das TN-S-System ab HA im Keller eingeführt Welche Geräte werden in der Anlage eingesetzt? werden, bestehen dafür Vorgaben? Ergeben sich besondere Anforderungen an die EMV [2][3] Bestehen Stromkreise mit dem TN-C-System? Durchführen des PEN-Leiters oder Änderungen der Stromkreise Werden durch die neue Steigleitung Kurzschluss- In diesem Fall werden möglicherweise Änderungen leistung bzw. die Abschaltbedingungen für in diesen Anlagen erforderlich die angeschlossenen Anlagen verändert? Ergeben sich Änderungen am Anschluss oder für Information, Absprache den Ort der Zähler des EVU? Bestehen Vorgaben des EVU zur Ausführung der Leitung vom HA zum Zählerplatz? Besteht die Möglichkeit des Betretens aller Bei der Prüfung des richtigen Wiederanschlusses Wohnungen? unumgänglich, Information Auftraggeber Ist infolge des Alters, der Leitungsarten oder anderer Information Auftraggeber, Kosteneinschätzung, Eigenschaften der Anlagen der Wohnungen mit Kom- Notwendigkeit des mehrfachen Betretens der plikationen beim Wiederanschluss zu rechnen? Wohnungen Besteht im Haus ein zentraler Potentialausgleich? Besteht Bestandschutz? Information des Auftraggebers Ist es erforderlich, seine Wirksamkeit zu prüfen und Vorschlag für Einführung/Prüfung/Erweiterung oder ihn einzuführen bzw. zu erweitern? Ist ein Potentialausgleich auch in den Etagen Konsequenzen für die EMV beachten [2][3] sinnvoll? Bestehen Potentialausgleiche in den Bädern? Fehlt der zentrale Potentialausgleich, so übernehmen sie dessen Aufgabe und sind überlastet 2. Bei der Arbeit Konsequenzen aus den unter 1. genannten Neuinstallation nötig, Konsequenz gegebenenfalls Punkten beachten: Einsatz von FI-Schutzschaltern im Bad usw.? Neuer · Veränderung der Anlagen in den Wohnungen, Verteiler nötig? Neue LS-Schalter mit höherer Kurzum die höhere Kurzschlussleistung zu sichern schlussfestigkeit? · Veränderung der Installation der Stromkreise mit dem TN-C-System · Beachten der vorhandenen PA-Verbindungen, Prüfung ihrer Qualität Besichtigen der Anschlussleitungen der Messung Isolationswiderstand, Entscheidung über Wohnungen Notwendigkeit der Instandsetzung/Rekonstruktion, Information des Auftraggebers Prüfung des richtigen Wiederanschlusses der Messung von Isolations- und Schleifenwiderstand Leitungen zu den Wohnungen an einer (oder 2 bis 3) Anschlussstelle der Anlagen der Wohnungen Inaugenscheinnahme der elektrischen Anlagen der Keine Pflicht, nur „Besichtigen im Vorübergehen“ als Wohnungen bei der Messung bezüglich offensicht- Kundendienstleitung, Möglichkeit des Kontaktes mit licher Fehler neuen Kunden nutzen! Information der Wohnungsmieter und des Auftraggebers bei erkannten Fehlern gen, von ihm durchzuführenden Prüfungen suchen. Es ist bei der Vielfalt der denkbaren Varianten nicht möglich - und auch nicht erforderlich - dort aufzuführen, was jeweils zu prüfen ist. Es bleibt dem Prüfer nichts anderes übrig, als selbst gründlich darüber nachzudenken, · welche Veränderungen sich durch seine Änderungen/Erweiterungen ergeben haben · ob ein ordnungsgemäßes Zusammenwirken des neuen Teils mit dem erhaltenen Teil der Anlage bezüglich Funktion und Sicherheit möglich und gewährleistet ist und · welche Auswirkungen diese praktisch neue Gesamtanlage auf ihre Umgebung und ihren Benutzer hat. Unser Leser hat dies in seinen Bemerkungen (ep 11/00, S. 998) deutlich gemacht. Er ist davon ausgegangen, was in DIN VDE 0100 Teil 610 vorgegeben wird: „Es ist nachzuweisen, dass die durch das Ändern/Erweitern entstandene Anlage - in ihren Teilen und insgesamt - sicher ist“. Welche Prüfungen erforderlich sind, um diesen Nachweis zu führen, dass muss die jeweils für das Prüfen verantwortliche Elektrofachkraft selbst entscheiden. Allerdings sind die dafür nötigen Überlegungen nicht immer einfach. Gediegene Fachkenntnisse sind unerlässlich. Deutlich wird, warum „ ... als Prüfer die beste Elektrofachkraft gerade gut genug ist“ [1]. Sichtbar wird auch, dass diese Überlegungen schon vor der Abgabe des Angebots für diese Erweiterung/Änderung angestellt werden müssen, um dem Auftraggeber alle damit verbundenen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen mitteilen zu können. Zu fragen ist, ob sich 1. durch die Eigenschaften (Kenndaten) des z. B. erweiterten Teils Auswirkungen auf Funktion oder Sicherheit des bestehenden unveränderten Teils der Anlage ergeben und ob 2. der erweiterte Teil funktionsfähig und ausreichend geschützt ist, wenn der alte Teil unverändert angeschlossen und betrieben wird. Weiterhin muss damit gerechnet werden, dass · das ordnungsgemäße Wiederanschliessen des alten Teils nachgewiesen werden muss und · möglicherweise bei diesem Wiederanschliessen offensichtliche Mängel des alten Teils entdeckt werden, die dessen mehr oder weniger umfangreiche Instandsetzungen oder gar ein Außerbetriebsetzen erforderlich machen und · es zu Komplikationen kommen kann, die den Zutritt zu allen Teilen der Anlage (Wohnungen, Keller usw.) erfordern · aktuelle Normenvorgaben oder künftig zu erwartende Betriebsbedingungen der Anlage zu beachten sind, die z. B. über die ursprünglich geplante Erweiterung/Änderung hinaus weitere Arbeiten erforderlich machen (Tafel ) · im Verlauf der Arbeiten festgestellt werden könnte, dass weitere Änderungen wünschenswert/erforderlich sind, jedoch infolge des Bestandsschutzes nicht durchgesetzt werden können (z. B. Einführung des bisher fehlenden zentralen Potentialausgleichs). Wie zu sehen ist, kann eine solche scheinbar einfache Erweiterung schwieriger werden als eine Neuinstallation. Wichtig ist, die sich ergebenden Konsequenzen zu erkennen und keine Abstriche an der Sicherheit zuzulassen. Für den, der über gute fachliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, ist das Abarbeiten der in Tafel aufgeführten Aktivitäten allerdings bei weitem nicht so problematisch, wie es aussieht. Eine Antwort an unseren Leser steht noch aus. Es ist nicht erforderlich, nach dem Erneuern der Steigleitung die bestehenden, wieder angeschlossenen Anlagen bzw. Anlagenteile vollständig zu prüfen. Es darf vorausgesetzt werden, dass sie zuvor ordnungsgemäß funktionierten und über normgerechte Schutzmaßnahmen verfügten. Wenn an ihnen keine Änderung vorgenommen wurde und die oben dargelegten Bedingungen des Zusammenwirkens mit der neuen Steigleitung erfüllt werden, bestehen keine Grund und keine Pflicht, sie insgesamt oder alle ihre Steckdosen einer kompletten Prüfung zu unterziehen. Mit dem Nachweis des richtigen Wieder-Anschlusses ist alles erledigt. Literatur [1] Egyptien, Schliephacke, Siller: elektrische Anlagen und Betriebsmittel. Erläuterungen und Hinweise für den betrieblichen Praktiker zur Unfallverhütungsvorschrift. Deutscher Instituts-Verlag [2] Rudolph, Winter: DIN VDE 0100 und EMV. Berlin/Offenbach: VDE Verlag. [3] Grapenthin: EMV in der Gebäudeinstallation. Berlin: Verlag Technik 2000. K. Bödeker Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 3 Report

Autor
  • K. Bödeker
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