Schutzmaßnahmen
|
Installationstechnik
|
Wartung und Instandhaltung
|
Elektrotechnik
Bestandsschutz und Anpassung elektrischer Anlagen - Fragen aus der Praxis (1)
ep11/2001, 3 Seiten
1 Zulässigkeit des TN-C-Systems mit FI-Schutzschalter Die im Bild a dargestellte und offiziell bis zum 31.3.2002 zugelassene provisorische Lösung [2] kann ich so nicht akzeptieren. Diese Schutzmaßnahme funktioniert nur dann, wenn der Mensch als „Schutzleiter“ dient. Daher habe ich sie in Kombination mit der klassischen Nullung angewandt (Bild c mit RCD). Mit bestem Erfolg. Es kam nicht eine einzige Klage, kein Mensch wurde bei einem Körperschluss einer Durchströmung ausgesetzt und es konnte somit nicht zu den durch Schreck möglichen Folgeunfällen kommen. Dank der klassischen Nullung erfolgt eine Abschaltung im Fall eines Körperschlusses. Kommt es zu einem PEN-Leiterbruch und dann zur Berührung des Gerätekörpers durch eine Person, schaltet der FI-Schutzschalter ab. Das entspricht der Schutzwirkung des Provisoriums bei einem Körperschluss. Der Zusatzschutz ist auch gesichert. Was spricht dagegen, dass ich diese Lösung auch weiterhin bestehen lasse? Sicherlich haben Sie eine Lösung gefunden, die besser ist als das in [1] (Bild a) dargestellte Provisorium. Es ist erfreulich, wenn eine Elektrofachkraft ihre Verantwortung in dieser Weise wahrnimmt und eine bessere Lösung findet, als ihr von den Fachgremien und den Fachautoren offiziell zur Anwendung empfohlen wird. Wenn die nicht normgerechte provisorische Lösung nach dem 31.03. 2002 nicht mehr zulässig ist, muss Ihre ebenfalls nicht normgerechte Lösung - „TN-C-System mit FI-Schutzschalter“ könnte man sie nennen - mit den nunmehr anzuwendenden normgerechten Schutzmaßnahmen verglichen werden. Eines jedoch vorab: Von Ihnen wird als Vorteil genannt - Schutz auch bei PEN-Leiterbruch. Dieses Argument konnte noch nie und kann nun erst recht nicht mehr akzeptiert werden. Wenn ein PEN-Leiterbruch zu befürchten ist, dann muss dieser offensichtliche Mangel beseitigt und der betreffende Stromkreis erneuert werden. Der FI-Schutzschalter als Rettungsboot für das absehbare Versagen des PEN-Leiters, das wäre dann genau so gut oder schlecht wie bei dem von Ihnen kritisierten und dann verbesserten Provisorium. Wieder wäre der Mensch der Schutzleiter. Den Zusatzschutz (Schutz bei direktem Berühren) erhalten Sie nur für den Fall der Berührung L-PA (Bild c). Er ist auch bei Ihrer Lösung nicht vorhanden, wenn L und PEN berührt werden. Außerdem ist er in den hier behandelten Wohnräumen nicht zwingend erforderlich. Somit ist der Nutzen ihrer Lösung in dieser Hinsicht sehr gering. Bewertung der Lösung Gegenüber dem TN-S-System besteht der genannte Vorteil nicht, da ja bei dieser Schutzmaßnahme kein PEN-Leiter vorhanden ist. Gegenüber dem TN-C-System wird er mit dem Nachteil erkauft, dass der PEN-Leiter durch den Kontakt des FI-Schutzschalters unterbrochen wird. Dies ist ein glatter Normenverstoß (u. a. DIN VDE 0100 Teil 460). Und in DIN VDE 0100 Teil 410 ist nachzulesen: „413.1.3.8 Eine RCD darf in TN-C-Systemen nicht angewendet werden.“ Was wird auf diese Weise erreicht? Ein möglicher PEN-Leiterbruch wird durch eine sichere PEN-Leiter-Unterbrechung entschärft. Dass sie gleichzeitig mit dem Unterbrechen des Außenleiters erfolgt und somit eine dadurch entstehende alleinige PEN-Leiter-Unterbrechung unwahrscheinlicher ist als der Bruch des PEN-Leiters des Stromkreises, mag vielleicht stimmen. Sie könnten auch die Festlegung in früheren VDE-Bestimmungen anführen „Neutralleiter dürfen für sich allein nicht schaltbar sein“. Was aber hilft das alles gegen den Vorwurf, dass Sie elektrische Anlagen errichten, die nicht den aktuellen VDE-Bestimmungen entsprechen? Sie müssten Ihre Kritiker davon überzeugen, dass Sie „ ... eine ebenso wirksame andere Maßnahme getroffen ...“ haben. Das wäre sicher nicht völlig unmöglich, wenn Sie die Ergebnisse der Varianten b) und c) im Bild gegenüberstellen. Vielleicht lassen sich auch noch weitere Vorteile finden. Den Beweis allerdings - weniger Unfälle - können Sie nicht antreten. Die durch Ihre Lösung verhinderten Durchströmungen kennt keiner; ein durch das Versagen der RCD entstandener Schaden würde an die große Glocke gehängt werden. In diesem Streit stehen Sie dann wohl ganz allein. Die Rückendeckung der VDE-Bestimmungen fehlt. Der Ausgang ist sicherlich sehr ungewiss. Gegen Ihre Lösung wäre noch einzuwenden, dass die Funktionssicherheit beim Anwenden von Geräten der Schutzklasse I nicht immer gegeben ist. Sowie ein solches Gerät - z. B. ein Bügeleisen - mit einem geerdeten Teil - z. B. dem Heizkörper - in Kontakt kommt, erfolgt eine Abschaltung des gesamten Stromkreises (Bild c) durch die RCD). Da diese zweiadrige Installation ja ohnehin nach Möglichkeit abgelöst werden sollte und als Übergangslösung eine zugelassene und kostengünstige Lösung - die klassische Nullung - zur Verfügung steht [1], sollten Sie nicht riskieren, sich für Ihr dankenswertes Bemühen unversehens einmal einen Riesenärger einzuhandeln. Natürlich haben Sie immer das Recht, nach sorgfältiger Prüfung der im Einzelfall vorhandenen Bedingungen, unter Beachtung der hier genannten und der von anderen Fachkollegen vorgebrachten Argumente sowie nach Abschätzung der möglichen positiven und negativen Folgen, von den Normenvorgaben eigenverantwortlich abzuweichen. Dies sollte aber nur in Übereinstimmung mit dem Betreiber erfolgen. Er ist verantwortlich für die Sicherheit seiner Anlage und hat das letzte Wort. 2 Haben auch fehlerhafte Anlagen Bestandsschutz? Bei Wiederholungsprüfungen findet man Anlagen, die offensichtlich fehlerhaft errichtet wurden. Verliert eine solche Anlage den Bestandsschutz, weil bei ihrer Errichtung gegen damals geltende Normen verstoßen wurde? Muss sie geändert werden? Eine solche Anlage hätte gar nicht in Betrieb gehen und somit nie „Bestand haben“ dürfen. Ihr kann nachträglich nur in Verantwortung der zuständigen Elektrofachkraft in Absprache mit dem Betreiber „Be-Installationstechnik Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 11 912 Bestandsschutz und Anpassung elektrischer Anlagen Fragen aus der Praxis (1) K. Bödeker, Berlin In den bisherigen Beiträgen [1] wurden die grundlegenden Zusammenhänge vom ,,Bestandsschutz“ elektrischer Anlagen in Wohnbauten behandelt. Inzwischen erreichten uns einige ergänzende Fragen unserer Leser, die wir auch innerhalb dieser Betragsreihe beantworten. Wir hoffen, damit den Fachkollegen, die sich mit dieser Problematik herumschlagen müssen, eine möglichst umfassende Darstellung zu bieten. Dipl.-Ing. Klaus Bödeker ist freier Fachjournalist, Berlin. Autor standsschutz" zuerkannt werden. Ob sie geändert werden muss oder müsste - sofort, unverzüglich, demnächst, später einmal oder nie - das hängt heute wie am Tage ihrer ersten Inbetriebnahme von der Art des Verstoßes ab. · Wurden z. B. die Installationszonen in den Wohnzimmern nicht eingehalten, so wird die Forderung nach einer Veränderung nicht überall auf Verständnis stoßen. Es wird möglicherweise genügen, wenn der Betreiber diesen Umstand kennt und beachtet. · Werden die Abschaltbedingungen durch einen zu hohen Schleifenwiderstand nicht eingehalten, so muss dieses wohl fast immer zu einer Änderung führen - je nach der Wahrscheinlichkeit einer dadurch entstehenden Gefährdung unverzüglich, demnächst oder später. Installationstechnik Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 11 Mögliche Lösungen für die Schutzmaßnahme in einem ehemals isolierenden Raum PEN RCD Situation: Gerät defekt Gerät defekt und Berührung Isolierung defekt Berührung L-PA Gerät berührt geerdetes Teil Wirkung: kein Abschalten Mensch ist Schutzleiter und wird durchströmt! Aber Abschalten durch RCD keine a) Provisorium, isolierender Raum mit RCD, die Körper der Geräte der Schutzklasse I sind nicht mit dem PEN-Leiter/Schutzleiter verbunden PEN Wirkung: Abschalten durch die Überstromschutzeinrichtung, keine Durchströmung Durchströmung! keine Abschaltung keine b) TN-C-System wurde eingeführt Kontakt PEN Wirkung: Abschalten durch die Überstromschutzeinrichtung, keine Durchströmung Durchströmung! Aber Abschalten durch RCD Abschalten des Stromkreises durch RCD, Funktionsausfall c) TN-C-System mit RCD (Leservorschlag) RCD Kontakt Kontakt 913 · Besteht keine Schutzmaßnahme gegen elektrischen Schlag, so kann es nötig sein, eine sofortige Abschaltung der Anlage oder eine unverzügliche Änderung zu empfehlen. Dabei ist „unverzüglich“ nach dem BGB als „ohne schuldhaftes Zögern“ zu verstehen. Das heißt, eine übliche, den örtlichen Bedingungen angemessene Auftragsvorbereitung, technische Klärung, Kostenermittlung usw. muss allen Beteiligten zugestanden werden [2]. Wie bei jedem aus anderen Gründen entstandenen Mangel hat die zuständige verantwortliche Elektrofachkraft zu prüfen und zu empfehlen, was nach dem heutigen Sicherheitsverständnis sowie unter Beachtung der Lage vor Ort und der Möglichkeiten des Betreibers getan werden sollte. Die Entscheidung über durchzuführende Änderungen und deren Zeitpunkt liegt letztlich beim Betreiber. Natürlich betreffen diese Überlegungen der Elektrofachkraft ebenso wie die Entscheidung des Betreibers immer nur den mangelhaften Teil der Anlage. Eine insgesamt ordnungsgemäße Anlage behält Bestandsschutz, auch wenn ein einzelner Mangel besteht und dann behoben wird. 3 Vieradrige Leitungen an ortsveränderlichen Geräten? In Gärten, Garagen und an anderen ähnlichen Orten des privaten Bereichs finde ich mitunter noch Kragensteckdosen, die zur Versorgung von Drehstromgeräten, z. B. Kreissägen, über die entsprechenden Stecker und vieradrige ortsveränderliche Leitungen dienen. Nicht immer ist der Besitzer bereit, eine Änderung vorzunehmen. Wie beurteilen Sie die in diesen Fällen verbleibenden Gefährdungen? Muss auch die Zuleitung zur Steckdose ausgewechselt werden? Die Empfehlung des DKE-Komitees 221 [2] sowie die Forderung der Berufsgenossenschaften [4] zum Austausch der vierpoligen Drehstrom-Steckvorrichtungen (Flachsteckvorrichtungen nach DIN 49450/ 49451) gegen die fünfpoligen Rundsteckvorrichtungen sind eindeutig. Die Notwendigkeit dieser Anpassung ergab sich aus den schlechten Erfahrungen, die mit ortsveränderlichen Leitungen bei ihrer Verwendung auch für den stromführenden Schutzleiter (PEN-Leiter) gemacht wurden. Dass diese Umstellung im privaten Bereich - vor allem wohl in den neuen Bundesländern - noch nicht überall vollzogen wurde, zeigt, dass bei der regelmäßigen Durchführung von Wiederholungsprüfungen noch einiges im Argen liegt. Dies ist ein weiterer Grund, um den privaten Betreiber mit Nachdruck und schriftlich auf die Notwendigkeit des Austauschs der Steckdose und der Anschlussleitung des Drehstromgeräts hinzuweisen. Sicherlich wird es wiederum lange dauern, bis eine Elektrofachkraft das Gerät zu Gesicht bekommt; die Fehlerwahrscheinlichkeit dieser sicherlich doch schon älteren Geräte steigt und damit die Gefährdung ihrer Benutzer. Die Zuleitung zur vierpoligen bzw. nach dem Austausch dann fünfpoligen Steckdose wird von dieser Anpassungsempfehlung/ -forderung nicht betroffen. Auch der für neu errichtete Stromkreise dieser Art (Versorgung von Geräten im Freien) geforderte Einsatz von FI-Schutzschaltern [5] ist hier - aus der Sicht der Normen [2][4] - nicht erforderlich. Ob Sie trotzdem eine Umstellung auf das TN-S-System und den Einsatz eines FI-Schutzschalters empfehlen, sollten Sie unter Beachtung der örtlichen Bedingungen und der in [1] dargelegten Argumente für und gegen das Verbleiben des TN-C-Systems entscheiden. Literatur [1] Bödeker, K.; Senkbeil, H.: Bestandsschutz, Anpassung elektrischer Anlagen - Bödeker, K.: -; Verantwortung der Elektrofachkraft. Elektropraktiker, Berlin 55 (2001)7, S. 552-553. - Bödeker, K.: -; Entscheidung ohne großen Aufwand? Elektropraktiker, Berlin 55 (2001)8, S.644-645. - Bödeker, K.: -; Für und gegen die klassische Nullung? Elektropraktiker, Berlin 5(2001) 9, S. 720-722. [2] Entscheidung des Komitees 221 der DKE zur Anpassung bestehender elektrischer Anlagen in den neuen Bundesländern und im Ostteil Berlins. Beiblatt 2 zu DIN VDE 0100 vom Oktober 1992. [3] Keller, R.; Kathrein, W.; Rudolph, W.; Schulze, B.: Interpretation zur DIN VDE 0100. Elektropraktiker, Berlin 48(1994)7, S. 572-573. [4] Anhang 2 zur BGV A 2 (VBG 4) zur Anpassung bestehender Anlagen. [5] DIN VDE 0100 Teil 470:1996-02 Errichten von Starkstromanlagen bis 1000 V; Schutzmaßnahmen; Anwendung der Schutzmaßnahmen. Installationstechnik Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 11 914 Anzeige
Autor
- K. Bödeker
Downloads
Laden Sie diesen Artikel herunterTop Fachartikel
In den letzten 7 Tagen:
Sie haben eine Fachfrage?