
Normen und Vorschriften
Sicherheit durch Qualität mit der DIN EN 16763
Dienstleistungen für Brandsicherheitsanlagen und Sicherheitsanlagen – Die im April 2017 herausgegebene DIN EN 16763 [1] formuliert erstmalig „Mindestanforderungen“ für das Qualitätsniveau von Dienstleistungen im Sektor der breit gefächerten elektronischen Sicherheitsanlagen in Europa. Diese umfassen die Planung und Installation ebenso wie die Inbetriebnahme, die Abnahme und auch die Instandhaltung von elektronischen Sicherheitssystemen in den Bereichen des technischen Brandschutzes und der Alarmierungsanlagen.
Nachdem schon über viele Jahre Geräte und Anlagen für Brandsicherheitsanlagen und Sicherheitsanlagen (folgend mit dem Begriff elektronische Sicherheitsanlagen umrissen) Gegenstand der europäischen Standardisierung waren, rückte mit der Inkraftsetzung der EU-Richtlinie 2006/123/EG „Dienstleistungen im Binnenmarkt“ (sog. EU-Dienstleistungsrichtlinie) im Jahre 2010 auch das für die Sicherheitsbranche wirtschaftlich gewichtige Feld der Dienstleistungen für elektronische Sicherheitsanlagen europaweit in den Fokus. Das Ziel dieser verbindlichen EU-Dienstleistungsrichtlinie ist es, weitgehend die Barrieren bei der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen abzubauen, um dadurch ein unzureichend entwickeltes Potenzial an Wirtschaftsleistung in der EU zu erschließen.
Die Interessenvertreter rund um Dienstleistungen für Sicherheitsanlagen waren aufgefordert, sich verbindliche, europaweit geltende, freiwillige Regelungen zu geben, um einerseits Barrieren bei grenzüberschreitenden Aktivitäten abzubauen, andererseits aber dabei auch ein Mindestqualitätsniveau sicherzustellen (Bild 1).
Ausgangslage
Die oben genannte EU-Richtlinie traf auf dem Gebiet der elektronischen Sicherheitsanlagen überwiegend auf national unterschiedlich ausgeformte Regelungen. Dies reichte von rudimentären bis zu anwendungsspezifisch detaillierten nationalen Festlegungen. Letzteres auch in Deutschland, wo unter anderem zahlreiche nationale VDE-Richtlinien, DIN-Standards und VdS-Richtlinien zur Anwendung kommen und einen hohen Qualitätsstandard prägen.
Ausgehend von einer Initiative des europäischen Verbands der Sicherheitsindustrie Euralarm und mit der Unterstützung der deutschen Interessenvertreter, u. a. des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie ZVEI und des Bundesverbands Sicherheitstechnik BHE wurden ein nationales und im Weiteren ein europäisches Normungsgremium unter deutschem Sekretariat gebildet (NA159-01-16GA, CEN/CENELEC-TC 4), das mit der vorliegenden Norm DIN EN 16763 „Dienstleistungen für Brandsicherheitsanlagen und Sicherheitsanlagen“ einen ersten Schritt einer europaweit verbindlichen Abstimmung verfolgte.
Diese geschah durchaus im nationalen Interesse, da der deutsche Markt in der Mitte Europas der umfangreichste ist und bezogen auf das Qualitätsniveau eine Spitzenposition einnimmt.
Zielsetzung der Norm
Die DIN EN 16763 formuliert erstmalig in Europa „Mindestanforderungen“ für das Qualitätsniveau von Dienstleistungsorganisationen, sprich Firmen, im Sektor der breit gefächerten elektronischen Sicherheitsanlagen. Im Anwendungsabschnitt der Norm ist es folgendermaßen gefasst:
„Diese Europäische Norm legt die Mindestanforderungen an die Dienstleistungsorganisation sowie an die Kompetenz, das Wissen und die Erfahrungen für die mit der Planung, Projektierung, Montage, Inbetriebnahme, Überprüfung, Abnahme oder Instandhaltung von Brandsicherheitsanlagen und/oder Sicherheitsanlagen betrauten Beschäftigten fest, unabhängig davon, ob die Dienstleistungen am Installationsort oder durch Fernzugriff erbracht werden.
Diese Europäische Norm ist bei Dienstleistungen anzuwenden für:
- Brandsicherheitsanlagen einschließlich, aber nicht beschränkt auf Branddetektierungs- und Brandmeldeanlagen, ortsfeste Brandbekämpfungsanlagen und für Rauch- und Wärmeabzugsanlagen;
- Sicherheitsanlagen, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Einbruch- und Überfallmeldeanlagen, Zutrittskontrollanlagen, Perimeter-Überwachungsanlagen und Videoüberwachungsanlagen;
- eine Kombination der vorgenannten Anlagen, einschließlich der Alarmübertragung für die der Dienstleister den Auftrag hat.
Personen-Hilferufanlagen und Alarmempfangszentralen sind ausgenommen.
Diese Europäische Norm gilt unabhängig von der Projektgröße. Diese Europäische Norm gilt unabhängig von der Struktur oder Größe der Dienstleistungsorganisation.“
Die DIN EN 16763 stellt grundsätzliche Qualitätsanforderungen an die Dienstleister, um diese Anlagen zu planen, zu projektieren, zu installieren, in Betrieb zu nehmen, zu überprüfen, an den Kunden zu übergeben und instandzuhalten. Dazu sind generelle Qualitätsanforderungen formuliert, die den Dienstleister als Organisation betreffen, die an die involvierten Mitarbeiter zu stellen sind und es werden die Ansprüche fixiert, die für einen qualitativen Abschluss der Dienstleistungen gelten sollen.
Mit einem Phasenmodell, das die Dienstleistungen für Sicherheitsanlagen modellhaft strukturiert, schafft sie Eindeutigkeit in den Begriffen und den ihnen zugeordneten Inhalten und Teilzielen. Mit diesem Teil ist die Norm als ein Bezugssystem für die weiteren Begriffsverwendungen in den einzelnen Anwendungsgebieten anzusehen.
Die Notwendigkeit, für Anwendungsgebiete Anforderungen detaillierter festzulegen, ist auf europäischer Ebene den Technischen Komitees CEN/TC 72 „Brandmelde- und Feueralarmanlagen“, CENELEC/TC 79 „Alarmanlagen“ und CEN/TC 191 „Ortsfeste Brandbekämpfungsanlagen“ zugeordnet.
Als EN-Norm oder TS (Technical Specification) sind diese Anwendungsregeln jedoch zurzeit noch sehr lückenhaft und werden in der Hauptsache auf nationaler Ebene ergänzt.
Inhalt der Norm
Die Norm betrachtet Dienstleistungen an elektronischen Sicherheitsanlagen an einem durchgehenden Modell von Bearbeitungsphasen (Bild 2), die von einem oder verschiedenen Unternehmen zusammenhängend oder abschnittweise erbracht werden können. Die Bearbeitungsphasen sind anwendbar für alle betrachteten Dienstleistungsgebiete sowie alle Unternehmen, unabhängig von Größe oder Organisationsform.
Der erste Hauptteil der Anforderungen behandelt die Rahmenbedingungen, die ein qualifiziertes Unternehmen ausmachen. Auf der Grundlage der formalen Außenidentifikation, wie z. B. Tätigkeitsfeld, Handelsregister und Funktion der Verantwortlichen, stehen die Anforderungen an den Dienstleister na
- der geeigneten Ausstattung und Aufstellung, z. B. Betriebsmittel, Verantwortung, Qualifikation der Mitarbeiter;
- der Erfahrung, Kompetenz und Fähigkeiten auf dem Fachgebiet;
- den belegbaren Ergebnissen erfolgreich abgeschlossener Aufträge.
Diese Eckpunkte werden untermauert durch Anforderungen an die Unternehmen, die Prozesse wie Auftragsüberwachung, Auftragssteuerung, Dokumentationserstellung, Informationsschutz, Qualitätsmanagement, Aus- und Weiterbildung sowohl auf der Produkt- und Systemebene als auch auf der Vorschriften- und Richtlinienseite im Betriebsablauf zu verankern.
Der zweite und wichtigste Hauptteil der Norm stellt die mit der Ausführung der Dienstleistung betrauten Personen in den Mittelpunkt. Die Norm abstrahiert von jeglicher Organisationsform und spricht nur von sogenannten Rollen, in denen die zugeordneten Mitarbeiter in einer abgestuften Weise die Verantwortung und Leistung für eine Auftragsausführung zu übernehmen haben. Daran gekoppelt sind Anforderungen an die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen.
Die Rollenverteilung sowie die Anzahl von Personen, die diese „Rollen“ ausfüllen, ist eine Frage der Organisation, der Unternehmensgröße sowie der zu erbringenden Leistung und ist darüber hinaus individuell zu beurteilen.
Der Basisteil dieser Anforderungen fußt auf den Beschreibungen des Europäischen Qualifizierungsrahmenwerks für lebenslanges Lernen (EQF, [2]), das auch in Deutschland bereits eingeführt ist unter der Bezeichnung Deutscher Qualifikationsrahmen (DQR, [3]). Er wird ergänzt durch abgestufte Anforderungen, die das Arbeiten an Sicherheitsanlagen grundsätzlich erfordern.
Ein dritter Hauptteil schließlich legt in allgemeiner Form die Anforderungen an die Dienstleistungsergebnisse fest. Dies betrifft die Dokumentationserstellung für die Bearbeitungsphasen, die Schnittstellen in der Überleitung der Bearbeitungsphasen sowie die Abweichungen und Modifikationen des Realisierungsauftrages.
Ein informativer Normanhang schließlich legt in allgemeiner Form die Anforderungen an die Dienstleistungsergebnisse fest. Dies betrifft die Dokumentationserstellung für die Bearbeitungsphasen, die Schnittstellen in der Überleitung der Bearbeitungsphasen sowie die Abweichungen und Modifikationen bei der Realisierung.
Mögliche Auswirkungen der Norm in Deutschland
Eine neue europäische Norm kann auf Grund der Konsensbildung von sehr unterschiedlichen nationalen Ausgangspositionen nicht nahtlos in die deutsche Richtlinienlandschaft passen.
Zum einen gibt es auch in dem gewachsenen Bestand der grundsätzlichen Anforderungen Lücken, die die aktuelle DIN EN 16763 zu schließen versucht.
Des Weiteren ist die Verteilung der grundsätzlichen Qualitätsanforderungen an den Dienstleister im Richtlinienbestand sehr unübersichtlich.
Auch die Rahmenbedingungen des „Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen“ (EQR), in Deutschland Deutscher Qualifikationsrahmen (DQR) genannt, haben bisher nur begrenzt Eingang gefunden.
Ohne auf jede Einzelheit eingehen zu können, müssen die Arbeitsgremien für Normen und Richtlinien für ihren Verantwortungsbereich eine Sichtung und ggf. Revision ihrer Dokumente vornehmen, damit eine Konsistenz mit DIN EN 16763 erreicht wird.
Dabei kann der Anwender davon ausgehen, dass das vergleichsweise hohe Qualitätsniveau der bestehenden Normen und Richtlinien in Deutschland nicht infrage gestellt und seine eventuell vorhandene Zertifizierung für sein Fachgebiet nicht gefährdet ist.
Die Betonung der Qualifikation in der Norm für die involvierten Mitarbeiter bezüglich Wissen, Erfahrung und Kompetenz auf dem Fachgebiet rückt bei der Zertifizierung eines Dienstleistungsunternehmens zukünftig allerding stärker in den Vordergrund.
Größtes Augenmerk ist dabei auch darauf zu legen, dass es zu einer Konvergenz der verwandten Begriffe und Definitionen kommt, um Irritationen für den Anwender zu vermeiden.
Als Beispiel kann dafür die bereits veröffentlichte DIN VDE 0833 Teil 1 [4] dienen, in der dies berücksichtigt wurde.
Ebenso hat der Arbeitsausschuss im FNFW (Normenausschuss Feuerwehrwesen im DIN) die DIN 14675 [5] auch auf der Grundlage der DIN EN 16763 grundsätzlich überarbeitet, indem er die bestehende Norm in 2 Teile aufgegliedert hat, und zwar „Brandmeldeanlagen – Teil 1: Aufbau und Betrieb“ und „Teil 2: Anforderungen an die Fachfirma“.
Diese überarbeitete Norm soll Mitte des Jahres als Entwurf zur Stellungnahme zur Verfügung stehen.
Stellenwert der Norm
Die vorliegende Norm stellt für sich allein noch keine anwendbare und umfassende Grundlage für eine europaweit einheitliche Zertifizierung eines Dienstleisters für ein Fachgebiet dar. Sie ist gleichwohl eine erste Qualitätsgrundlage für das Gebiet der elektronischen Sicherheitsanlagen, in der die gewachsenen nationalen Erfahrungen und Auffassungen in Europa für die nationale Ausrichtung verbindlich festgeschrieben sind.
Für eine Zertifizierung eines Dienstleisters in einem speziellen Anwendungsbereich, wie wir sie in Deutschland kennen, ist die Norm in diesem Status zunächst nur in Verbindung mit gültigen, ergänzenden nationalen Richtlinien für ein Fachgebiet anwendbar.
Ein Beispiel für Deutschland ist DIN 14675 „Brandmeldeanlagen – Aufbau und Betrieb“. Eine allseits anerkannte paneuropäische Zertifizierung ist wegen des Fehlens zutreffender, europaweit geltender Standards oder verbindlicher Anwendungsregeln noch nicht möglich.
Da eine Zertifizierung auf dieser Grundlage im jeweils nationalen Bereich europaweit nach wie vor zu nicht vergleichbaren Ergebnissen führen kann und es damit sowohl zu Irritationen bei Kunden als auch zu Wettbewerbsverzerrung im grenzüberschreitenden Dienstleistungsaustausch führt, ist die europäische Kommission zusammen mit den Interessenvertretern zurzeit mit Nachdruck darum bemüht, eine weitergehende Abstimmung des Zertifizierungsverfahrens zu erreichen.
Autor: P. Langer
Literatur:
[1] DIN EN 16763:2017-04 „Dienstleistungen für Brandsicherheitsanlagen und Sicherheitsanlagen“.
[2] www.dqr.de
[3] www.eqf.eu
[4] DIN VDE 0833-1 (VDE 0833-1):2014-10 „Gefahrenmeldeanlagen für Brand, Einbruch und Überfall – Teil 1: Allgemeine Festlegungen“.
[5] DIN 14675:2012-04 „Brandmeldeanlagen – Aufbau- und Betrieb“
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