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Elektromobilität

Schnellstes E-Auto der Welt

Elektromobilität aus China: Überholen ohne einzuholen

30.11.2016

Jedes Jahr jagt die Autobranche ihre Test-, Sport- und Serienwagen über den Nürburgring. Hier brechen Porsche, BMW, Ferrari und Nissan einen Rekord nach dem anderen — und starren plötzlich in Rücklichter aus Fernost.

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Irgendwer ist immer schneller. Das kennt man von der Autobahn. Eben hatte man im Rückspiegel noch freie Sicht. Sekunden später klebt ein stadionlichthelles Scheinwerferpaar am Auspuff. Man wechselt seufzend in die rechte Spur und wünscht dem Raser einen guten Flug.

Ähnlich deprimiert muss sich zur Zeit die deutsche und internationale Automobilindustrie fühlen. Sie fährt rechts ran und staunt. Denn von hinten rast ein Sportwagen heran, der in seiner Klasse konkurrenzlos ist: Der Nio EP9 — made in China.

Insider kennen das chinesische Unternehmen Next EV aus der Formel E. Mit Nelson Piquet jr. als Siegfahrer gewann der firmeneigene Rennstall die Formel E-Premiere 2014/2015.

Ein Jahr später lief es schlechter, Nelson Piquet jr. beendete die Rennserie 2015/2016 auf Platz 15. Auch in der aktuellen Saison 2016/2017 ist noch reichlich Luft nach oben. Doch bei Next EV scheint man sich zu sagen: Jetzt erst recht.

Das Unternehmen überraschte mit einem elektrisch angetriebenen Supersportwagen für die Straße — also für jedermann. Eine Rennlizenz ist nicht notwendig, nur 1,1 Millionen Euro sollte man übrig haben. Der Zweitwohnsitz in China ist auch sinnvoll. Nach Europa soll das Auto noch nicht exportiert werden.

Wer so eine Kraftflunder baut, kann keine Klitsche sein. Hinter Next EV stehen chinesische und US-amerikanische Investoren, die u.a. bei Uber ihr Geld anlegten. Das Chefpersonal wurde bei BMW und Tesla rekrutiert, die Entwickler arbeiten in Deutschland, China und den USA.

Die grüne Hölle als Referenz

Weil in der Autowerbung nichts so sexy ist wie ein Rekord, ließ Next EV den Nio EP9 von Rennprofi Peter Dumbreck durch die grüne Hölle in der Eifel rasen.

Es hat geklappt: Der Supersportwagen aus Fernost hält auf dem Nürburgring den Rundenrekord für E-Autos mit Straßenzulassung. Peter Dumbreck jagte den Wagen in 7:05,12 Minuten über die 20,832 Kilometer.

Zum Vergleich: Mit dem E-Sportwagen Audi R8 e-tron, der nie in Serie ging, schaffte es Markus Winkelhock 2012 in 8:09,099 Minuten um den Ring.

2013 unterbot ein Mercedes SLS AMG Coupé Electric Drive mit 7:56,234 Minuten die Rundenzeit des Rivalen Audi. Der Mercedes fuhr als erstes serienmäßiges Elektroauto in weniger als acht Minuten um die Nordschleife.

Keine halben Sachen

Nio verspricht seinen Kunden, sich bei der Vollbremsung des EP9 wie ein F 22-Pilot zu fühlen. Denn die maximale Vorschubkraft beim Bremsen des E-Rennautos entspricht der 3,3-fachen Erdbeschleunigung von 9,81 m/s2 — wie im Kampfflugzeug. Eine starke Nackenmuskulatur ist durchaus von Vorteil.

Ein Serien-Pkw bremst mit maximal 1 g, ein Formel 1-Rennwagen mit bis zu 5 g. Der Blitz aus China liegt mit 3,3 g dazwischen, Tendenz zur Formel 1.

Auf einen Blick:

  • Gesamtgewicht: 1.735 kg
  • Gewicht Batterien: 635 kg
  • Gewicht Chassis: 165 kg
  • Material Chassis: Kohlefaser
  • vier Elektromotoren, Gesamtleistung: 1 MW (Peak Power)
  • Batteriespannung: 777 V
  • Batteriewechsel: 8 Minuten
  • Ladezeit: 45 Minuten
  • Drehmoment: 1.480 Newtonmeter
  • Anpressdruck: 24.019 N
  • Fliehkraft in Kurvenfahrten bei 230 km/h: 2,53 g
  • Vorschubkraft beim Bremsen: bis zu 3,3 g
  • Heckspoiler: 2-facher Anpressdruck eines Formel 1-Rennwagens 
  • Höchstgeschwindigkeit: 313 km/h
  • Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 2,7 Sekunden
  • Beschleunigung von 0 auf 200 km/h: 7,1 Sekunden
  • Beschleunigung von 0 auf 300 km/h: 15,9 Sekunden

Rekordfahrt von Peter Dumbreck mit dem Nio EP9 auf dem Nürburgring (Video: Sunday Times Driving)

Rekorde auf dem Nürburgring

Sport- und Supersportwagen mit Straßenzulassung (reiner E-Antrieb)
2012, Audi R8 e-tron, Fahrer: Markus Winkelhock: 8:09,099 Minuten
2013: Mercedes-Benz SLS AMG Coupé Electric Drive, 7:56,234 Minuten
2016, NextEV Nio EP9, Fahrer: Peter Dumbreck: 7:05,12 Minuten

Supersportwagen ohne Straßenzulassung (Benziner)
29. Juni 2010, Pagani Zonda R, Fahrer: Marc Basseng: 6:47,50 Minuten

Sportwagen ohne Straßenzulassung (reiner E-Antrieb)
2011, Toyota TMG EV P001, Fahrer: Jochen Krumbach: 7:47,794 Minuten
2012, Toyota TMG EV P002, Fahrer: Jochen Krumbach: 7:22,239 Minuten

Sportwagen mit Straßenzulassung (Hybrid)
4. September 2013, Porsche 918 Spyder, Fahrer: Marc Lieb: 6:57 Minuten

Supersportwagen mit Straßenzulassung (Benziner)
30. September 2013, Nissan GT-R Nismo, Fahrer: Michael Krumm: 7:08,68 Minuten

Sportwagen ohne Straßenzulassung (Benziner): Schnellste Rennrunde aller Zeiten
29. Mai 1983, Porsche 956 C, Fahrer: Stefan Bellof: 6:25,91 Minuten

Sportwagen ohne Straßenzulassung (Benziner): Schnellste Trainingsrunde aller Zeiten
28. Mai 1983, Porsche 956 C, Fahrer: Stefan Bellof: 6:11,13 Minuten. Mit seiner Trainingszeit ist Bellof bis heute der einzige Rennfahrer, der die Nordschleife mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 202 km/h absolvierte. 1985 verunglückte Bellof beim 1000-km-Rennen in Spa-Francorchamps tödlich, als er versuchte, Jacky Ickx zu überholen.

Zweitakter mit Straßenzulassung
April 1961, Trabant P50, Fahrer: Franz Galle: 16:01 Minuten (Gesamtsieg der Hanseat-Rallye)

(c) Bild mitte rechts: Nio

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Autor
Name: Jürgen Winkler