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Schaltanlagen | Elektrotechnik

Zur Zukunft in der Niederspannungs-Leittechnik

ep4/1999, 3 Seiten

Die auf dem Markt verfügbaren Leitsysteme für Niederspannungs-Schaltanlagen (NSA z. B. [1] [2]) unterscheiden sich in Leistungsfähigkeit und Realisierungskonzept. Sie werden aber den heutigen Anforderungen bereits weitgehend gerecht.


1 Zunehmende Integration von Prozeß- und Schaltanlagen-Leitsystemen Seit den 70er Jahren wurde die Überwachung der Stromverteilung auch in der Niederspannung grundlegend weiterentwickelt. Nach jahrzehntelanger Anwendung ausschließlich elektromechanischer Anlagen wurde zunächst Analogelektronik, in der Folge die Digitaltechnik eingesetzt. Dieser technische Fortschritt wurde lange Zeit ausschließlich durch die Aufgabenstellungen in der Prozeßautomatisierung geprägt. Man kann zwar zwischen dem eigentlichen Produktionsprozeß und der Energieverteilung unterscheiden. Es zeigt sich jedoch, daß beide Prozesse immer weiter zusammenwachsen. Heute finden sich in einer Vielzahl der Niederspannungs-Schaltanlagen (Haupt-, Unterverteilungen, Motor-Control-Center u.a.) bereits intelligente, leittechnische Systeme. Gerade in Kraftwerken (Bild ) und Industrieanlagen gewinnt der optimale Schutz von Betriebsmitteln vor dem Hintergrund einer hohen Anlagenverfügbarkeit ständig an Bedeutung. Den systeminternen Kommunikationsmöglichkeiten innerhalb der Schaltanlagen wie auch dem Datenaustausch mit den übergeordneten Prozeßleitsystemen gilt hierbei ein besonderes Augenmerk. 2 Standardisierung der Kommunikation mit Profibus dPE und LON Nach vielen Versuchen der Standardisierung scheinen sich nun doch feste Ausprägungen von offenen Protokollen am Markt zu ergeben. Zur Ankopplung an die Prozeß- und Kraftwerksleitsyteme wurden jahrelang spezielle, projektbezogene Schnittstellen entwickelt. Alternativ fungierten als „Quasi-Standard“ Firmenentwicklungen wie beispielsweise das Protokoll AEG Mod Bus RTU oder Siemens 3964R. Heutige Prozeßleitsysteme - und an diese werden alle zukünftigen Niederspannungs-Leitsysteme anzubinden sein - verfügen nahezu ausnahmslos über das Protokoll Profibus dPE oder haben es in Entwicklung. Somit wird sich erstmals eine unabhängige Schnittstelle in der Welt der Leitsysteme durchsetzen können. Insbesondere im Hinblick auf die weitere Zunahme von leittechnischen Systemen in den Nebengewerken der Kernprozesse sind dadurch Kopplungen zumindest einfacher als zuvor zu gestalten. Eine projektspezifische Abstimmung der über die Schnittstelle zu übertragenden Daten und Funktionen Elektropraktiker, Berlin 53 (1999) 4 292 Schaltanlagen Zur Zukunft in der Niederspannungs-Leittechnik T. S. Hansemann, Mannheim Die auf dem Markt verfügbaren Leitsysteme für Niederspannungs-Schaltanlagen (NSA z. B. [1] [2]) unterscheiden sich in Leistungsfähigkeit und Realisierungskonzept. Sie werden aber den heutigen Anforderungen bereits weitgehend gerecht. Neue Generationen der Leitsysteme behalten die bekannten Systemstrukturen [3] im wesentlichen bei. Erweiterungen sind vorrangig bei den Kommunikationsmöglichkeiten, im Funktionsumfang der Komponenten und in der einfacheren Bedienerführung zu erwarten. Darüber hinaus werden sich Tendenzen zu noch mehr Dezentralisierung und Modularität abzeichnen. Betriebswirtschaftliche Gründe sorgen für die Verbreitung dieser Leitechnik gleichfalls im nichtindustriellen Bereich. Der Beitrag gibt einen Überblick über die zukünftigen Möglichkeiten und Trends der digitalen Leittechnik in Niederspannungs-Schaltanlagen. Er soll nicht nur Planer und Errichter von Niederspannungsschaltanlagen, sondern vor allem Wartungstechniker und Betreiber (z. B. Kooperationsformen von Handwerkern) zur Auseinandersetzung mit dieser Entwicklung anregen. · Aufgabe: Einspeisung, Verteilung, Steuerung, Überwachung von Elektroenergie ( 690 V) in Industrie und Gebäudetechnik · Bauformen: Festeinbau-, Einsatz-, Einschubtechnik (Motor-Control-Center MCC) · Lieferform: fabrikfertig typgeprüft (TSK) oder partiell typgeprüft (PTSK) · zentrale Vorschrift: DIN EN 60439-1 (VDE 0660 T.500): 1994-04 (vgl. auch VDE-Schriftenreihe 28) ÜBERBLICK NS-A [6] [7] Thomas S. Hansemann ist Leiter Vertrieb und Marketing bei der ABB Gebäudetechnik AG in 68167 Mannheim, Tel. 0621/381 6096, Fax 6090 Autor : Richtungsweisende Einbindung der Schaltanlagen in die Leittechnik des Kraftwerkwerks Schwarze Pumpe (Quelle: ABB) : Dezentrale Regelungsaufgaben über LON-Bus Lon Works Druck Temperatur Endlagen intelligente Schutzrelais ist allerdings aufgrund der Vielfalt der Möglichkeiten auch weiterhin notwendig. Sie wird es wahrscheinlich auch bleiben. Als weiterer Standard in der Bustechnik zählt mittlerweile der LON-Bus [4] [5]. Insbesondere in dem feldnahen Bereich der Niederspannungs-Anlagen (z.B. in großen Gebäudekomplexen) ist dieses System mittlerweile auf dem Weg zu einer festen Größe (Bild ). So finden sich bereits bei den Komponenten-Herstellern intelligente Klemmenblöcke mit einer LON-Schnittstelle. Ebenfalls erlauben zukünftige kommunikationsfähige, mit Sensoren ausgestattete Sicherungs-Leisten die direkte Übertragung von Meßwerten und Störungssignalen. Auch hier bietet der Markt schon LON-fähige Systeme. In gleicher Art wird die Zunahme von Frequenzumrichtern mit direkter Ansteuerungsmöglichkeit über den LON-Bus zu verzeichnen sein. ABB hat den LON-Bus in seinen Bereichen der Niederspannung, der Mittelspannung aber auch der Industrie- und Gebäudeautomation als Standard-Feldbus eingesetzt. Dieser Schritt gewährleistet, daß die intelligenten Komponenten der unterschiedlichen Teilsysteme über den gleichen Feldbus angesprochen und projektspezifisch miteinander verbunden werden können. 3 Abarbeitung dezentraler Regelungsaufgaben Die durch die oben gezeigte Standardisierung entstehenden Möglichkeiten und Chancen finden sich in der direkten Einbindung in die Prozeßsteuerung und der daraus resultierenden Abarbeitung von dezentralen Regelungsaufgaben. So wird es zukünftig möglich sein, einfache Regelungsaufgaben direkt durch die Niederspannungs-Leittechnik abzuarbeiten (Bild ). Hier sind Funktionen wie Kompensationsregelungen mit direkter Zuschaltung der Leistungsschalter der Kompensationsfelder über die Cos-Phi-Sensorik denkbar. Auch Abschaltungen von Motoren im Rahmen einer Druck- oder Füllstandsüberwachung lassen sich ohne zusätzliche Kabelwege über die Bus-Systeme und die integrierten „Bindings“ ausführen. Eine weitere Verschmelzung der unterschiedlichen Leitsysteme der Kernprozesse und der Nebengewerke ist damit absehbar. 4 Erkennungssicherheit von Motoreinschüben durch Chip-Systeme Die deutliche Reduzierung unterschiedlicher Varianten von Motorsteuerungen durch die Programmierbarkeit der Einschübe führt zu kleineren Störreserven. Die damit verbundene Einsparung senkt die Betriebskosten. Diese Reduzierung war bisher mit der Notwendigkeit der Parametrierung des Ersatzeinschubes verbunden. Hier werden sich zukünftig Chip-Systeme - wie sie z.B. als Wegfahrsperre im Automobilbau bekannt sind - als Einbauteile in den Niederspannungs-Schaltanlagen finden. So lassen sich in einem verkabelten Einschub der Motorsteuerung intelligente Chips plazieren. In ihnen werden alle relevanten Daten für die automatische Parametrierung eines neuen Ersatz-Einschubes abgespeichert. Als nützliche Nebenfunktion ergibt sich hierbei die elektronisch garantierte Verwechslungssicherheit von Einschüben unabhängig von mechanischen Verriegelungen. 5 Zeitstempelung erlaubt chronologische Ereignis-Analyse Zeitstempelungen von Ereignissen sind bei Niederspannungssystemen bisher nur bei der Registrierung der Meldungen auf dem Leitstand vorgenommen worden. Die zeitliche Differenz zwischen dem Auftreten der Meldung im Einschub und der Übertragung zum Leitstand ließ in den meisten Systemen keine chronologische Zu-Elektropraktiker, Berlin 53 (1999) 4 293 Schaltanlagen ordnung und Vergleichbarkeit mit anderen Ereignissen aus dem Kernprozeß zu. Durch die fortschreitende Weiterentwicklung der Rechnertechnik werden hier Zeitstempelungen mit einer Auflösung von wenigen Millisekunden - wie schon aus der Mittelspannungs-Leittechnik bekannt - zu erwarten sein. Die Synchronisierung wird im Zuge der Globalisierung der europäischen und internationalen Märkte über das weltweit zu empfangende Zeitsignal des Global-Positioning-System GPS erfolgen. 6 Einbindung in Energie- und Facility Management-Systeme Neben dem operativ technischen Aspekt sind auch und gerade betriebswirtschaftliche Gründe ein weiterer wesentlicher Teil in der Entscheidungfindung zur umfassenden Automatisierung und Vernetzung. Im laufenden Betrieb hat die Leittechnik in Niederspannungs-Schaltanlagen die Aufgabe, auswertbare Informationen für ein erfolgreiches Energiemanagement bereitzuhalten. Hier ermöglichen die seriellen Übertragungswege der Busanbindungen die gezielte Erfassung von Verbräuchen und momentanen Belastungen einzelner Leistungsabgänge. So lassen sich Kostenstellenzuordnungen der Energieverbräuche automatisch und rechnergesteuert realisieren. Gleichzeitig ermöglicht die Erfassung der Momentanwerte die genaue Überwachung des Energiebezuges. Im Rahmen einer Lastspitzenüberwachung kann durch die Kopplung zur Prozeßführung hierbei exakt und anlagenbezogen eingegriffen werden. Die Analyse archivierter Werte erlaubt darüber hinaus eine Aussage über die Gleichzeitigkeit energieintensiver Produktionsprozesse. Durch die zeitliche Trennung erkannter Überlagerungen kann die Höhe der Bereitstellungsleistung und der damit verbundenen Kosten reduziert werden. Aber auch die Bedeutung der Einbindung in ein effektives Facility-Management nimmt stetig zu. Die kontinuierliche Überwachung und Messung aller wichtigen Größen wie der Ströme der Antriebe, der Betriebsstunden- und Schaltspielzählungen sowie aktueller Meldungen der Motorzustände leistet hier einen wesentlichen Beitrag zur zustandsorientierten und vorbeugenden Wartung der Anlagen. Die Ersatzteilhaltung und -verwaltung vereinfacht sich. Die notwendigen Anzahl von Ersatzeinschüben für die Reservehaltung richtet sich in der Regel nach der Anzahl der unterschiedlichen Modulvarianten. Diese reduziert sich bei Einsatz von intelligenten Motoreinschüben durch deren Parametrierbarkeit im Durchschnitt auf wenigstens die Hälfte der einer vergleichbaren konventionellen Anlage. 7 Einfache Bedienbarkeit im Störungsfall Insbesondere im Hinblick auf die gezeigten zukünftigen Möglichkeiten wird die einfache Bedienung (Bild ) der an Komplexität zunehmenden Niederspannungs-Leittechnik ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal werden. Bei weiterhin stetig anwachsenden Funktionalitäten und Verknüpfungsmöglichkeiten bleibt die Forderung nach einfacher Bedienung und schnellem Eingriff im Störungsfall ein wichtiger, vielleicht sogar entscheidender Aspekt. Literatur: [1] N.N.: Technische Beschreibung INSUM Nr. DE AST 0014.97 D, ABB Schaltanlagentechnik [2] N.N.: Technische Beschreibung Simocode DP ok Nr. 3UF 5700-0AA00-0, Siemens AG [3] Hansemann, T. S.: Integrierte Leittechnik in der Energieverteilung. Elektropraktiker Berlin 46(1992)11, S. 798 - 800 [4] Dietrich, D. u.a.: LON-Technologie, Verteilte Systeme in der Anwendung. Heidelberg: Hüthig Buch Verlag 1998 [5] Pohl, W.: LON in der Elektroinstallation - eine Alternative zum EIB? Elektropraktiker, Berlin 53(1999)3, S. 202 - 204 [6] Gaitsch, J.: Realisierung der Versorgungssicherheit in Krankenhäusern. Elektropraktiker Berlin 53(1999)3, S. 212 - 21 [7] Technische Beschreibung MNS-System, Nr. DE AST 0019.97 D, ABB Schaltanlagentechnik Elektropraktiker, Berlin 53 (1999) 4 294 Schaltanlagen : Einfache Bedienbarkeit ist die Grundlage zur Beherrschung der immer komplexer werdenden Möglichkeiten in der Niederspannungs-Leittechnik (Quelle: ABB)

Autor
  • T. S. Hansemann
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