Schaltanlagen
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Elektrotechnik
Kommunikation zwischen Elektro- und Automatisierungstechnik
ep5/2000, 4 Seiten
Schaltanlagen Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 5 414 Primäres Anliegen elektrischer Steuerungen war seit jeher das Schalten bzw. Beeinflussen des Verbrauchers über geeignete Stellglieder. Gleichzeitig wurden in sie Schutzfunktionen gegen Überstrom oder Kurzschluss integriert. Im Laufe der Jahrzehnte kamen, vor allem gefördert durch die Einführung der Mikroelektronik, eine Reihe von Aufgaben hinzu. Dazu zählen: Ereignissmeldungen, Tagebuchfunktion, Messung, Temperaturüberwachung, Spezialsteuerung, Verriegelung, Belastungsüberwachung u. a. „Intelligente Klemmen“ koppeln die schaltanlagenspezifische Steuerung mit einem Bus, der alle zugehörigen Befehle und Informationen zum bzw. vom Leitrechner überträgt. Der Markt bietet eine Reihe dieser Leitsysteme für Niederspannungs-Schaltanlagen (z. B. [1]). Trotz ihrer unterschiedlichen Merkmale ist allen System gemeinsam, dass die damit ausgerüsteten NSA wesentlich leistungsfähiger und flexibler werden. Um die Vorzüge aber voll zu nutzen, muss bereits die Planungsphase bzw. die Projektierung die Voraussetzungen schaffen. 1 Projektierung Bei der klassischen Technik bedarf es in dieser Phase besonders gründlicher Überlegungen, da die lieferfertige Lösung vergleichsweise unflexibel ist, also nur mit großem Aufwand an veränderte Bedingungen angepasst werden kann. So muss zunächst der zu erwartende Strom (einschl. Trägheitsgrad bzw. Anlaufverhalten) des zu schützenden Objektes relativ genau bekannt sein. Weiterhin sind Meldungen und Steuersignale potentialfrei über Koppelrelais und Messwerte über Messwertumformer auf Klemmen zu verdrahten. Dass jedes der genannten Signale zwei Adern und zwei Klemmen benötigt, verdeutlicht nicht nur den Aufwand, sondern gleichfalls die Endlichkeit dieses Verfahrens. Reserven für eine eventuelle Erweiterung bestehen kaum. Eine grundlegende Verbesserung wurde durch den Einsatz microprozessor-basierter Steuerungs- und Schutzbausteine mit integrierter Busankopplung („intelligente Klemme“) erreicht. Damit lassen sich die meisten Funktionen bei gleichleibender Hardware lediglich durch Verändern von Parametern nach Wunsch beeinflussen. Eine Vielzahl verschiedenster, typisierter Schaltungen (mit Vorort-Steuerung, zusätzlicher Signalisierung u. a.) entstehen aus ein und derselben Anordnung im Leistungskreis.Dadurchverschaffteinsolches System Flexibilität bis zur endgültigen Motor- bzw. Verbraucherliste mit dem tatsächlichen Bestimmungszweck jeder Maschine. Gleichzeitig vereinfacht sich die Dokumentation. Solche Bausteine werden vorgefertigt, um anschließend rationell und kostengünstig die komplette NSA aus den verschiedenen Typen zu fügen. Kommunikation zwischen Elektro-und Automatisierungstechnik P. Heidhues, Neumünster; U. Thieme, Berlin Die Verwendung von Microcontrollern eröffnet immer neue Perspektiven für Planung und Betriebsführung von Niederspannungs-Schaltanlagen (NSA). Die Voraussetzung für die Nutzung der damit verbundenen Möglichkeiten schafft die Projektierung. Wichtige Aspekte der Flexibilität und zur Ankopplung an die Prozessleittechnik werden näher untersucht. Dipl.-Inform. Peter Heidhues und Dipl.-Ing. Ulrich Thieme sind Mitarbeiter der AEG Niederspannungstechnik in Neumünster bzw. Berlin, einem Unternehmen von GE Power Controls. Autoren Leitebene Feldebene Prozessebene ESG Gruppenterminal für 125 Feldgeräte ESG Gruppenterminal für 125 Feldgeräte ESS ABUS Profibus FMS Modnet 1/SFB Modbus plus Modbus RTU PLS/SPS Win ESP Konfigurator PBUS Profibus DP SBUS Modbus RTU bse 3-7 rms Leistungsschalter ESS ESS Vor-Ort-Steuerstelle 4...20 mA Ausgang PBUS Profibus DP EPOS - Prinzipaufbau: ESS Motorsteuerbaustein; bse 3-7 rms Auslöseeinheit; ESG Gruppenterminal; Win ESP Konfigurator; PLS Prozessleitsystem; PBUS Feld-Bus; SBUS Service-Bus; ABUS Automatisierungs-Bus Einschübe für Motorsteuerung (P = 11 kW) links: Umkehrbetrieb mit ESS, Busankopplung u.a., rechts: Einrichtungsbetrieb in klassischer Ausführung mit Bi-Metallauslöser (Foto: AEG Niederspannungstechnik) Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 5 Schaltanlagen 2 Betrieb Wie bei der klassischen Ausführung bleibt bei solch modernem Steuerungs- und Überwachungssystem die Möglichkeit erhalten, alle Funktionen wie gewohnt auf Klemmen zu verdrahten. Die zusätzliche Vorortsteuerung oder -messung für Extremsituationen oder bei Totalausfall des Leitrechners kann realisiert werden. Busausfälle erkennen die Teilnehmer selbst. Darüber hinaus bringen sich die Geräte durch vorher festgelegte Maßnahmen bei Bedarf selbsttätig in den gefahrlosen Zustand. Verändern sich während oder nach der Inbetriebsetzung Verbraucherparameter, muss nicht umgebaut werden. Es reicht aus, einfach neu zu parametrieren (Bemessungsstrom, Verzögerungszeit, Trägheitsgrad o. ä.). 3 Steuerungs- und Überwachungssystem Ein mit diesen Eigenschaften ausgerüstetes System wird unter der Bezeichnung EPOS (Elektronisch Programmierte Objekt-Steuerung) von der AEG Niederspannungstechnik Gmb H & Co KG vertrieben (Bild ). Dieses dezentrale, intelligente Schutz-und Steuerungssystem nimmt zusammen mit dem Leistungsteil (Bilder , ) ein NSA-Schrank für Einschubtechnik mit der Typbezeichnung SEV32 auf [2]. Die Transparenz der Überwachung von Prozessen sowie die Effizienz von Bedienung und Wartung steigen. Zudem sinkt der Aufwand für Installation und Inbetriebnahme durch den Einsatz von Feldbussystemen und wegen der Möglichkeiten der dezentralen Steuerung erheblich. EPOS besteht aus wenigen, flexiblen, programmierbaren Komponenten. Ersatzteilhaltung und -beschaffung vereinfachen sich beträchtlich. Zu den Bestandteilen zählen: · Motorsteuerbaustein ESS mit 6 verschiedenen Stromwandlern von 0,12 bis 630 A und freiprogrammierbaren, digitalen Ein-/Ausgängen · Auslöseeinheit bse 3-7rms für Leistungsschalter · Gruppenterminal ESG (Parametriergerät, Datenkonzentrator) · Konfigurator Win ESP. Die Motorsteuerbausteine ESS koppelt der Profibus DP (PBUS) mit den Gruppenterminals ESG. Der Feld-Bus wird von der Hardware bis zu einer Übertragungsgeschwindigkeit 12 Mbit/s unterstützt. Durch die Kombination von robuster RS485-Schnittstelle für die Kontaktierung der Einschübe mit störfester LWL-Technologie kann diese Geschwindigkeit im Feld-Bus (PBUS) auch bei in Einschubtechnik ausgeführten Schaltanlagen erreicht werden. Die zusätzliche Vernetzung der Gruppenebene ESG mit dem Konfigurator Win ESP über den separaten Service-Bus (SBUS) erlaubt das Einrichten einer zentralen Bedienstelle. In ihr sind alle Geräteparameter zentral in einer Datenbank abgelegt, so dass die Wiederinbetriebnahme aller EPOS-Geräte „auf Knopfdruck“ erfolgt. Zusätzlich bietet der SBUS die Möglichkeit, unabhängig vom Prozessleitsystem mittels handelsüblichem PC mit der Schaltanlage zu kommunizieren. Sie belastet den Automatisierungs-Bus (ABUS) zum Prozessleitsystem (PLS) nicht. Außerdem ist die Anlage trotz eventueller Störungen des PLS weiter verfügbar. Besonders hilfreich zeigt sich eine solche Verbindung für die Inbetriebnahme der NSA, da zum Zeitpunkt des elektrischen Probebetriebes zumeist die Kopplung mit dem Leitsystem noch nicht bereitsteht. Ebenso eignet sich der SBUS, um bei Bedarf selbst eine Kopplung zur Leittechnik herzustellen. Diese Vielfalt von Alternativen macht deutlich, dass die klassisch verdrahtete Vorortsteuerung entbehrlich, obwohl ihre Realisierung weiterhin gestattet ist (vgl. Abschn. 2). Auch die Parametrierung der Bausteine kann mit dem erwähnten PC erfolgen (Bild ). Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 5 416 Um EPOS an das PLS mit dem ABUS anzukoppeln, stehen ebenfalls in IEC 61158 [3] genormte Verbindungen bereit. In diesem Falle werden dann sämtliche Operationen von der Leitebene ausgeführt. In ungünstigen Situationen können daher Funktionen, die vom Leitsystem gar nicht benötigt werden, den Bus belasten und die Dynamik des Schaltanlagen-Leitsystems negativ beeinflussen. Deshalb ist es sinnvoll, zwischen Prozess und Automatisierung den Baustein ESG als Datenkonzentrator einzuschalten. Diese Einrichtung filtert unbenutzte Informationen heraus. Außerdem wirkt der Baustein als Gateway (Dolmetscher), nimmt also Bus-Anpassungen an verschiedenste Automatisierungssysteme vor. 4 Systembestandteile Rückgrat des Systems bilden der intelligente Motorsteuerbaustein ESS und die Auslöseeinheit bse 3-7rms. Beide Module arbeiten vollkommen selbständig und unabhängig voneinander. Sie sind die „Diensterbringer“ (Tafel ) der Konfiguration Bild . Neben den auf der Strommessung basierenden Schutzfunktionen verfügen diese Geräte über ein Programm, welches alle gängigen Antriebsschaltungen unterstützt. Anwenderspezifische Funktionserweiterungen, z. B. Verriegelungen, Redundanzen, Verzögerungen, sind möglich. Ihr Umfang richtet sich nach der Zahl der digitalen Ein- und Ausgänge (maximal zehn) sowie nach verfügbaren Softwaremodulen wie Zeitwerken, Zählern und Schwellwerten. Bild zeigt eine mit dem Baustein ESS verwirklichte Motorsteuerung für Einrichtungsbetrieb. Der ESS (Bild Mitte) liefert eine Vielzahl von Zustandsmeldungen (Ein, Aus, Störung, Links-, Rechtslauf u. ä.), die über eine Meldeleuchte angezeigt oder an einer Klemme zur Weiterverarbeitung bereitgestellt werden können. Nebenseiner Funktionals„Datensammler“ eignet sich das Terminal ESG zum Bedienen der angeschlossenen Geräte, zum Visualisieren des Zustandes der Schaltung sowie als Kommunikationsgateway. Daher entfallen in EPOS abgesetzte Bedieneinheiten für jeden Abgang. Bedienung und Vi- Motorsteuerung für Einrichtungsbetrieb blau Wandler, ESS, ESG (von links); rot Feldbus Parametrierung eines ESS am PC mit Win ESP Visualisierung der realen Schaltanlage mittels CIMPLICITY von GE Fanuc (Foto: AEG Niederspannungstechnik) · Ausfallschutz · Notausschaltung · Watchdog (Programm zur Laufzeitüberwachung) · Automatische Wiedereinschaltung · Gruppieren von Motoren · Zeitüberwachung bis zum Auslösen einer Schutzfunktion · Zeitüberwachung bis zum Wiederanlauf · Kommunizieren · Parametrieren · Starten und Stoppen von Motoren · Rücksetzen von Abschaltungen und Alarmen · Tagebuchfunktionen · Thermischer Überlastschutz · Unterlast-/Leerlaufschutz · Phasenausfallschutz · Blockierschutz · Überwachung der Schaltgeräte Tafel EPOS - Steuer- und Bedienfunktionen Tafel EPOS - Motorschutzfunktionen Schaltanlagen Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 5 sualisierung erfolgen im Betiebsraum zentral über ESG bzw. Win ESP (Tafel ). Alternativ zum Gateway-Datenkonzentrator ist ESG ebenfalls so programmierbar, dass die Kommunikationsschnittstelle in Umfang und Struktur an die Fähigkeiten Leitsystems angepasst werden kann. Infolge des hohen Standardisierungsgrades innerhalb EPOS können einmal definierte Kommunikationsschnittstellen auf weitere Feldbusprotokolle exportiert werden. Die einfache Anpassung an neue Automatisierungsumgebungen ist gewährleistet. Zur Zeit unterstützt ESG Profibus FMS, Modbus RTU, Modbus Plus und Modnet 1/SFB. Eine Profibus-DPV1-Schnittstelle für den Automatisierungsbus ist in Vorbereitung. Möchte der Nutzer ESS bzw. bse 3-7rms direkt (über Profibus-DP) an ein Leitsystem anschließen, so muss er nicht auf den Komfort, den die zentrale Bedienung/Visualisierung bietet, verzichten. Als sog. Klasse2-Master darf das Gruppenterminal ESG parallel zu einem anderen Automatisierungsgerät betrieben werden. 5 Kopplung verschiedener Bus-Systeme Die hohe Funktionalität des ESG erlaubt es, eine oder mehrere Buslösungen hard- und softwaremäßig direkt im NS-Schaltfeld ohne den einengenden Umweg über intelligente Klemmen zu realisieren. Zugleich erhöht sich der Komfort für den Anwender. Aus dieser Leistungsfähigkeit leiten sich zahlreiche räumliche Positionen ab, von denen aus die NSA bedient bzw. gesteuert werden kann. Der Normalfall heißt aber: Steuerung von der Leitwarte und Notbedienung für den „Schlüsselgewaltigen“ am örtlichen Gruppensteuerterminal (ESG). Die vielen Einzelsteuerstellen an den Motorsteuerungen inclusive Schlüsselschalter können entfallen. Darüber hinaus kann mit Hilfe des ESG sowohl eine reale (Bild ) als auch ein virtuelle Schaltanlage auf dem Bildschirm gezeigt werden. Beispielsweise lassen sich dann sogar Instrumente ablesen, die in Wirklichkeit gar nicht existieren. Die interne Software errechnet aus verfügbaren Messwerten andere, die NSA beschreibende Größen. Damit werden Platz und Kosten gespart. Diagnosearbeiten können bequem und gefahrlos aus sicherer Entfernung ausgeführt werden, ohne dass Berufsgenossenschaften „Kopfschmerzen“ zu befürchten haben. Dank der vielfältigen hard- und softwaremäßigen Koppelmöglichkeiten ist die dazu erforderliche Kommunikation mit allen gängigen Leitsystemen möglich. Für anspruchsvolle Anwendungen zeigt Bild ein Lösungsbeispiel. Mittels der Schaltanlagenleittechnik CIMPLICITY HMI wird die Schaltanlage in ihrer gewohnten Ansicht dargestellt. Sie bleibt ohne Zusatzinformationen intuitiv bedienbar. 6 Einsatz in der Gebäudetechnik NSA nehmen in großen Gebäuden eine zentrale Aufgabe wahr. Deshalb müssen auch sie in die Gebäudeleittechnik einbezogen werden, um etwa ein wirksames Facility- und Energiemanagement verwirklichen zu können. Voraussetzung dazu ist die Ausstattung der NSA mit einem leistungsfähigem Leitsystem. Diese Aufgabe kann EPOS übernehmen. In Zukunft werden also nicht nur NS-Industrieanlagen in ein Prozessleitsystem integriert, sondern eben auch Gebäudeverteilungen. Literatur: [1] Hansemann, T.S.: Zur Zukunft der Niederspannungs-Leittechnik. Elektropraktiker, Berlin 53(1999)4, S. 292-294. [2] AEG Niederspannungstechnik: Typgeprüfte Schaltschränke SEV 32 (in Einschubtechnik). [3] IEC 61158
Autoren
- P. Heidhues
- U. Thieme
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