Schaltanlagen
|
Elektrotechnik
Offene Hochstrom-Leistungsschalter im Schaltanlagenbau
ep4/2002, 6 Seiten
1 Einleitung Sowohl bei Fertigungsanlagen mit ihrer zunehmenden Komplexität als auch bei Prozesssteuerungs- und Energieversorgungsanlagen in Kraftwerken sowie in modernen Bürogebäuden mit ihren vielfältigen betriebstechnischen Anlagen und bürotechnischen Einrichtungen kommt der Niederspannungs-Schaltanlage eine erhebliche Bedeutung zu. Der ständig steigende Bedarf an elektrischer Energie und die damit verbundene Erhöhungder Kurzschlussenergiebzw. der Kurzschlussströme in den Stromverteilungsnetzen, ferner die wachsenden Ansprüche an den Schutz und die Sicherheit von Personen und Sachwerten sowie der unaufhaltsame Einfluss und vermehrte Einsatz elektronischer, steuerungstechnischer Funktionen, erfordern im Niederspannungsbereich gerade bei hohen Strömen über 630 A eine Neuorientierung zu einem sicherheitsoptimierten Einsatz strombegrenzender offener Hochstrom-Leistungsschalter. Leistungsschalter nach VDE 0660 Teil 101 (EN 60947-2) dienen auf Grund ihrer universellen Einsatzmöglichkeiten dem Schalten und Trennen von Anlagen, Motoren und Generatoren sowie dem Schutz gegen · zu hohe Erwärmung elektrischer Betriebsmittel (Kabel, Leitungen, Geräte u.a.) bei Überstrom durch Überlast, Kurz- oder Erdschluss · gefährliche Körperströme bei zu hoher Berührungsspannung durch Isolationsfehler · Brand und Zerstörung empfindlicher Bauelemente speziell in elektronischen Laststromkreisen, z. B. durch zusätzlich vorhandene Oberwellenströme. 2 Markterfordernisse sowie Einsatz-und Anwendungsbereiche Hersteller offener Hochstrom-Leistungsschalter für Niederspannungs-Schaltanlagen müssen sich auf ein marktgerechtes Angebot einstellen. Die kreative Erarbeitung einer besseren technischen, universellen wie preiswerten Lösung unter Beachtung der europäischen Marktanforderungen einschließlich der europäischen Normen und Bestimmungen ist für den Einsatz von Leistungsschaltern in zunehmendem Maße entscheidend. Moderne Steuerungs- und Stromverteilungskonzepte mit ihrer zunehmenden Komplexität erfordern einen modularen, in der Anwendung flexiblen und im Betrieb sicheren Einsatz von Leistungsschaltern mit höchster Qualität, durchdachter Montage- und Servicefreundlichkeit sowie optimalem Preis-Leistungs-Verhältnis. Ein durchgängiger Kundennutzen für Verwender (Schaltanlagenbauer), Errichter (Installateur) und Betreiber (Endkunde) steht im Vordergrund. Für zukunftsweisende Schaltanlagen beim Einsatz offener Hochstrom-Leistungsschalter gilt: · Hohe Flexibilität in der Auswahl erforderlicher Schalt-, Schutz-, Überwachungs-und Steuerfunktionen. Neben Überlast-und Kurzschlussschutz zusätzlich Staffelschutz · Bedingt durch eine überproportionale Zunahme elektrischer Energie durch Rationalisierung und Automatisierung notwendig: - hohes Kurzschlussschaltvermögen und Lichtbogensicherheit - hoher Brandschutz: Sicherheit bei abnormaler Wärme und Feuer · Unempfindlichkeit gegen Netzstromspitzen - Einsatz in oberwellenbehafteten Stromversorgungsnetzen - Effektiv-Messwerterfassung (RMS), Messung des „wahren“ Betriebsstromes · Kommunikationsfähige Daten-Erfassung, -verarbeitung, -weiterleitung und meldung z. B. zur Energieüberwachung und Lastoptimierung durch ein standardisiertes Bus-System · Kleinstmögliche Bauform sowie zusätzlich - Modulare Bestückung von Schutz-, Überwachungs- und Steuer-Funktionseinheiten - normierte, einheitliche Abmessungen in unterschiedlichen Nennstrombereichen - keine Einbaubeschränkungen, Sicherheitsabstände oder dergleichen · Zeit- und Kosten-Ersparnis in Planung, Projektierung und Montage durch - hohe Packungsdichte und kleinste Bauform und Modularität für den Verwender - hohen Personenschutz und Bedienungssicherheit für den Betreiber - optimale Anpassungsfähigkeit / Einstellbarkeit an veränderten Verbraucher-Anschlussbedarf oder an veränderte Betriebsbedingungen, auch problemlose Erweiterungen für den Errichter und Betreiber · Universelle, großzügige, einfache Anschlusstechnik für den Verwender und Errichter · Diagnosen und Angaben über Wartungserfordernisse für den Betreiber · Berücksichtigung einer ständigen Austausch- und Erweiterbarkeit in den nächsten 20 Jahren für den Betreiber · Sicherheit, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit, denn Betriebsunterbrechungen sind wachsende Risiken für den Geschäftserfolg. Es wird ferner eine ständige Bereitstellung elektrischer Energie gefordert, ohne Störung und Abschaltung, also ohne Betriebs-Unterbrechung (Selektivitäts-Erfordernisse). Ein leichtes Auswechseln störungsbehafteter Leistungsschalter unter Spannung muss ebenso gegeben sein wie ein nachträgliches Austauschen oder eine Ergänzung zusätzlicher Geräte, ohne die Anlage freischalten zu müssen (wahlweise Einschubtechnik). Berechtigte Forderungen zum Schutz des Bedienungspersonals, wie das Verhindern von Unfällen während des Bedienens oder insbesondere während des Arbeitens unter Spannung, führen letztlich zur Investition in eine moderne, sichere Schaltanlagentechnik mit offenen Leistungsschaltern. Für den Planer wie für den Verwender und Hersteller der Schaltanlage ist es nicht immer leicht, sich aus dem vielfältigen Angebot von Leistungsschaltern das für seinen Energieverteilung Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 4 280 Offene Hochstrom-Leistungsschalter im Schaltanlagenbau H. J. Rübsam, Meerbusch In Niederspannungsanlagen ist neben dem Schutz im Überlast- und Kurzschlussfall das selektive Verhalten der einzusetzenden Leistungsschalter von großer Bedeutung, um ungestörte Verbrauchereinheiten weiterzuversorgen. Dies gilt besonders in oberwellenbehafteten Stromversorgungsnetzen. Über kurzschlussstrombegrenzende sowie zeit- und zonenstaffelbare Schaltfunktionen hinaus werden heute zusätzliche Überwachungs-, Steuer- und Kontrollaufgaben erforderlich. Immer wichtiger ist eine Anbindung der Schaltgeräte an moderne Informationstechnologien, letztlich um ein umfassendes Energiemanagement und kommunikationsfähige Systemlösungen zu erreichen. Dipl.-Ing. Hans J. Rübsam ist beratender Ingenieur, Meerbusch, und freier Mitarbeiter der Fa. Weber Deutschland Wemat Gmb H. Autor Bedarfsfall geeignete Produkt auszuwählen, zumal dann, wenn neben der reinen Funktionserfüllung des Anlagen- und Geräteschutzes zusätzlich Fragen zu unterschiedlichen Überwachungs- und Steuerungsfunktionen (Selektivität), des Bedienungskomforts oder der Austauschbarkeit während des Betriebs eine wesentliche Rolle spielen. 3 Anwendungs- und Gebrauchseigenschaften offener Leistungsschalter Hauptanwendungsbereiche der neuen offenen Hochstrom-Leistungsschalter sind der Einsatz als · Hauptschalter, Netz-Kuppelschalter, Umschalter · Anlagen-Schutzschalter (Geräteschutz, Leitungsschutz, Brandschutz) · Motor- und Generator-Schutzschalter Die Auswahl und der optimale Einsatz offener Hochstrom-Leistungsschalter ist aber noch von weiteren Faktoren abhängig, die vorab im Planungsstadium sorgfältig geprüft werden müssen. Nachstehend werden an einem Beispiel die Eigenschaften einer neuen Baureihe der Fa. Terasaki, Baureihe Tem Power2 aufgezeigt, die die Entscheidungsfindung erleichtern sollen. Die kompakte Bauart dieser strombegrenzenden offenen Leistungsschalter-Baureihe für Nennströme von derzeit 80 A bis 4000 A in einer Baugröße mit einheitlicher Höhe von 460 mm und Tiefe von 290 mm in der Einsatz-Ausführung und 345 mm in der Einschub-Ausführung sparen durch ihre geringen Abmessungen Platz innerhalb des Schaltschrankes (Bild ) und ermöglichen eine einfache Projektierung und einen kostengünstigen Aufbau der Schaltanlage. Die doppelisolierte (schutzisolierte) Gerätekonstruktion gestattet einen leichten und sicheren Einbau und Austausch von Funktions-Baugruppen durch den Verwender. Auf frontseitig zugängliche Klemmleisten sind Hilfsschalter installiert. Sie erleichtern dem Planer und Anlagen-Hersteller zusätzliche Möglichkeiten zur externen Bedienung, Meldung und Verriegelung entsprechend den gegebenen Anforderungen. 4 Multifunktionale Schutzeinrichtungen Leistungsschalter schützen Anlagen, Motoren und Generatoren. Das ideale Schutzorgan gegen Überlast (L) und Kurzschluss (S-verzögert und I-unverzögert) in Steuerungs- und in Stromverteilungsanlagen bietet dieser offene Hochstrom-Leistungsschalter mit seinen elektronischen Überstromauslösern. Diese Überstromauslöser können als wechselbare Moduleinheit (Bild ) je nach geforderter Schutzbedingung Energieverteilung Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 4 Die Hochstrom-Leistungsschalter in einheitlicher Bauhöhe und Bautiefe über die gesamte Baureihe Elektronische Überstrom-Auslöseeinheit als lokale Multifunktionseinheiten in modularer Stecktechnik (Charakteristik) eingesetzt werden. Sie umfassen die Stromsensoren und eine zugehörende elektronische Baugruppe, die die Einstellung der Schutzaufgaben bei Überlast und Kurzschluss sowie zusätzlich das zeit- und zonenselektive Verhalten im Kurzschlussfall neben weiteren Schutz- und Steuer-Funktionen gestattet. 4.1 Bemessungsstrom Der Einstellwert zum Schutz gegen Überlast ist auf den Bemessungsstromwert des angeschlossenen Betriebsmittels oder den Strombelastbarkeitswert der Leitung abzustimmen, je nachdem, welcher der niedrigere Wert ist. Die Ansprechwerte sind zwischen 40 und 100 % in Stufen von 5 % zum zugehörenden Stromwandler und Schalterbemessungsstrom einstellbar. Der kleinste Einstellwert bezogen auf den niedrigsten Stromwandlerbereich (200 A) beträgt IN = 80 A (0,4 x 200 A). Gegenüber konventionellen Bimetall-Auslösern ist die Verlustleistung der mit elektronischen Auslösern bestückten Leistungsschalter wesentlich geringer. Als Messwertaufnehmer zur Strommessung werden hier nicht die bekannten, konventionellen und voluminösen Stromwandler eingesetzt, sondern eisenlose Rogowski-Spulen. Das Prinzip beruht auf der Erfassung des Magnetfeldes eines stromdurchflossenen Leiters mit einer eisenlosen Spule und einer Weiterverarbeitung der Messgrößen im Mikroenergie-Bereich, optimal passend zu digitalen Auswerte-Systemen. Stromsensoren nach Rogowski besitzen also keinen Eisenkern. Sie haben wesentlich geringere Abmessungen und Gewichte und damit geringere Einsatzkosten bei deutlich verminderter Typenvielfalt und höherer Lebensdauer. Die Verlustleistung ist vernachlässigbar gering, wenn man sie mit Sättigungswandlern vergleicht und der Einsatz ist gerade für anspruchsvolle Sonderfunktionen in Verbindung mit nachgeschalteter Elektronik wesentlich einfacher und wirtschaftlicher. 4.2 Überstrom- und Kurzschlussschutz Zur Anpassung an vor- und nachgeschaltete Schutzorgane (Selektivitätsanpassung) wird zwischen Kurzzeitauslöser S (Shorttime) und Sofortauslöser I (Instantaneous) unterschieden. Der kurzzeitverzögerbare Kurzschlussauslöser S übernimmt den Einstellbereich von 1,0 x IN bis 10 x IN. Die mögliche Verzögerungszeit ist einstellbar bis max. 800 ms. Auch eine selektive Anpassung an nachgeschaltete NH-Sicherungen ist zusätzlich durch die Eingabe einer I2t-Rampe (Bild ) möglich. Der Sofortauslöser I übernimmt im Kurzschlussfall bei Strömen von 2 x IN bis 15 x IN die unverzögerte Sofort-Auslösung innerhalb von 30 ms. Ermöglicht wird diese äußerst kurze Abschaltzeit durch ein Zweifach-Unterbrechungs-Systemder Schaltkontakte(Bild ). Die gesamte Lichtbogenenergie wird innerhalb der Zweifach-Unterbrechungs-Löschkammer kurzfristig sehr wirksam abgebaut. Damit ist es möglich, den Sicherheitsabstand zu benachbarten geerdeten Metallteilen auf null zu halten, unabhängig von der Konfiguration. Durch die aufgrund der kurzen Abschaltzeit aufgebaute sehr geringe Lichtbogenenergie wird außerdem die verheerende Auswirkung eines potentiellen Kurzschluss-Störlichtbogensstarkbegrenzt.Das Ausmaß zerstörender thermischer Auswirkungen beginntnämlichmitgeringenthermischen Zerstörungenamunmittelbaren Entstehungsort (am Gerät) erst innerhalb einer Lichtbogenwirkzeit von etwa 20...50 ms. 4.3 Motor- und Betriebsmittelschutz Wie unter 4.1 erläutert, sind die Auslösewerte schnell und exakt auf den Betriebs-Nennstrom IN einstellbar. Um Motoren sicher vor Überlastung und Zerstörung zu schützen, verfügen die Leistungsschalter zusätzlich über einen Phasenausfallschutz sowie über ein thermisches Gedächtnis (Temperaturspeicher). Damit erlauben sie eine exakte Einstellung des Überlastschutzes und eine optimale Anpassung an die Betriebserfordernisse. Je höher der Überlaststrom ist, um so rascher wird die zulässige Grenztemperatur erreicht und um so kürzer ist die zulässige Belastungszeit. Aufgabe dieses Überlastschutzes ist es nun, betriebsmäßig auftretende Überströme zuzulassen, sie aber rechtzeitig abzuschalten bevor die zulässige Belastungszeit bzw. Grenztemperatur überschritten wird. Erreicht wird diese Überlast-Schutzaufgabe durch ein im Leistungsschalter integriertes stromabhängig verzögertes Relais nach VDE 0435 Teil 3013, das im Überlastfall nach vorgegebener Zeit-Strom-Kennlinie (bei höheren Strömen in kürzerer Zeit) anspricht und so einen Verbraucher (oder auch vorgeschalteten Transformator) vor Überlastungen schützt. In diesem Relais werden die Temperaturverhältnisse (aus dem thermischen Gedächtnis) mit gleicher thermischer Zeitkonstante nachgebildet. Das Relais (normalerweise ein separates Sekundär-Relais) wird an thermisch gefährdeten Maschinen, Transformatoren oder Motoren eingesetzt, weniger jedoch zum Kabelschutz. Das thermische Gedächtnis berücksichtigt den angesammelten Wärmeeffekt, verursacht durch vorangegangene Warm-Start- Überlastungen. Die Warm-Start-Charakteristiken können eingestellt werden. Es lassen sich somit diese Betriebsmittel auch ohne integrierten Thermistor schützen. Diese Überlast-Auslösung bietet vier Abschalt-Kennlinien-Typen (Trägheitsgrade), wie in Bild dargestellt. Energieverteilung Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 4 282 Externes Bedienfeld für den Schalttafeleinbau zum Anschluss von bis zu acht Multifunktionseinheiten Fotos: Weber/Terasaki Zeit-Strom-Kennlinien für Leistungsschalter, NH-Sicherungen und Schutzrelais: Auslösecharakteristiken und Selektivitätsbetrachtung. Zweifach-Unterbrechungs-System. Schnittbild-Darstellung der Löschkammern Stromabhängig-verzögertes Schutzrelais nach VDE 0435 Teil 3013/EN 60255-3: Abschalt-Kennlinien-Typen (Trägheitsgrade) I0,02t I2t = S.I. I3t = V.I. I4t = E.I. Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 4 283 · Standard Invers (I2t) - normale Belastungsströme · Very Inverse (I3t) - hohe Belastungsströ- · Extrem Inverse (I4t) - extrem hohe Belastungsströme · Generatorschutz (It) Dieses hier im Leistungsschalter integrierte Schutzrelais nach VDE 0435 Teil 3013 ermöglicht eine exakte Anpassung an vorgegebene Schutzanforderungen und eine volle Koordination rückwärts mit dem Hochspannungs-Schutzrelais oder den Hochspannungs-Sicherungen und vorwärts mit den nachgeschalteten Leistungsschaltern oder NH-Sicherungen. 4.4 Generatorschutz Für den Generatorschutz wird ein niedrigeinstellbarer Kurzzeitauslöser mit einem Einstellbereich von 1,0 x IN eingesetzt. Außerdem bietet diese Generator-Schutzeinrichtung eine Rückleistungs-Schutzfunktion, die gerade bei einem Parallelbetrieb von Generatoren notwendig ist. Ein separates, externes Rückleistungsschutzrelais ist nicht erforderlich. 4.5 Erdschluss- und Brandschutz Isolationsfehler führen häufig zum Erdschluss und können damit innerhalb der Niederspannungsanlage Brände und durch gefährliche Körperströme Personenschäden verursachen. Werden solche Fehler frühzeitig erkannt, lassen sich Schäden, Reparaturzeiten und Kosten gering halten. Ein integrierbarer Erdschluss-Auslöser G (Groundfault) erfasst mögliche Fehlerströme zwischen 500 mA und 5 A sowie zwischen 0,1 x ICT und 1,0 x ICT und ist - gegen kurzzeitige Netzeinbrüche - zeitverzögert zwischen 100 und 2000 ms einstellbar. In der Normalausführung (unrestricted) wird der im 4. Leiter integrierte Stromwandler genutzt. Eine Auslösung erfolgt, sobald irgendwo im nachfolgenden Verbrauchernetz ein Fehlerstrom vorliegt („Vorwärtsschutz“). Im gleichen Auslöse-Relais ist eine zweite Variante mit einem in der Zuleitung (z. B. Sternpunkt des Transformators) extern installierten Stromwandler möglich. In diesem Fall wird die Zuleitung zwischen der Stromversorgung und dem Leistungsschalter geschützt und im Fehlerfall ausgelöst (restricted, „Rückwärtsschutz“). 4.6 Unterspannungsschutz Spannungsauslöser werden als Unterspannungsauslöser zum Fernauslösen, zum gegenseitigen Verriegeln, als Einschaltsperre bei einer Parallelschaltung, zur Verhinderung der Wiedereinschaltung nach einer Spannungs-Rückkehr oder auch zur allgemeinen Spannungsüberwachung eingesetzt. Die Spannungsüberwachung und Abschaltung bei Unterspannung übernimmt dabei ein zwischen 0,4 bis 0,8 x UN einstellbarer, elektronischer Auslöser. Der standardmäßig eingebaute Unterspannungsauslöser mit integrierter, einstellbarer Verzögerung verhindert, dass der Schalter in leistungsschwachen Netzen bei jeder kurzzeitigen Spannungsabsenkung auslöst. 4.7 Von Oberwellen unbeeinflusster Einsatz von Leistungsschaltern Oberwellen bewirken eine zusätzliche Beanspruchung der Betriebsmittel sowohl des Verbrauchers als auch des Netzbetreibers. Eine „wahre“ (RMS)-Effektiv-Messwerterfassung des Laststromes sorgt für Unempfindlichkeit gegen Netzstromspitzen und berücksichtigt alle im Stromversorgungsnetz vorhandenen Oberwellen bis zur 19. Harmonischen und damit auch ihren Erwärmungseffekt (Überhitzung). Aufgrund der durch Oberwellen, speziell durch die 3. Harmonische, zu erwartenden Belastung des Neutralleiters (insbesondere in 3-Phasen/4-Leiter-Netzen) wurde dieser generell standardmäßig in der Dimensionierung gleich dem Phasen-Nennstrom ausgelegt. 4.8 Voralarm-Meldung Bei bestimmten Prozessabläufen kann eine unvorhergesehene Abschaltung durch Überlast ohne eine Vorwarnung verhängnisvolle Folgen haben. Die hier integrierte 2-Kanal-Überlast-Vorwarn-Funktion wird bei Überschreiten eines Einstellwertes zur Überlastauslösung, also vor Erreichen des Auslösestromes, wirksam und bietet damit die Möglichkeit eines punktuellen, zeitlich gezielten Lastabwurfs oder auch einer erforderlichen Zuschaltung zusätzlicher Stromerzeuger. Durch die rechtzeitige Warnung wird eine potentielle Überlast-Abschaltung vermieden. 5 Sicherheit durch selektiven Netzaufbau Selektivität zwischen zwei oder mehreren in Reihe geschalteten Schutzgeräten ist dann vorhanden, wenn bei einem Überstrom oder Kurzschluss nur das Schaltgerät, das sich direkt vor dem eigentlichen Fehler befindet, alleine abschaltet, ohne Unterbrechung der Stromversorgung nicht betroffener Anlagenteile. Damit können alle Verbraucher, die nicht an dem betroffenen Zweig angeschlossen sind, weiter ungestört in Betrieb bleiben. Ein selektiver Netzaufbau wird insbesondere für sicherheitsrelevante elektrische Anlagen nach VDE 0100 Teil 560, für Energieversorgungen von Gebäuden oder Anlagen nach VDE 0108, in denen mit Menschenansammlungen zu rechnen ist, für Sicherheitsstromversorgungen in Krankenhäusern nach VDE 0107 u. a. gefordert. Darüber Energieverteilung hinaus wird ein selektiver Netzaufbau auch bei Produktionsprozessanlagen, bei automatisierten Betriebsabläufen und in Stromverteilungsanlagen jeglicher Art empfohlen. Als Schutzgeräte werden üblicherweise eingesetzt: · Offene Hochstrom-Leistungsschalter · Kompakte Leistungsschalter · NH-Sicherungsschmelzeinsätze · Schutzrelais nach VDE 0435 Teil 3013 Grundsätzliche Aussagen zur Koordination dieser Schutzeinrichtungen sind in VDE 0660 Teil 101 zu finden. Für Selektivitätsaufgaben in Niederspannungsanlagen ist das optimale Zusammenwirken dieser vier genannten Schutzgeräte-Arten von großer Wichtigkeit. In Bild werden die unterschiedlichen Zeit-Strom-Kennlinien der verschiedenen Schutzgeräte veranschaulicht, wobei sich diese Kennlinien speziell bei hohen Kurzschlussströmen wesentlich unterscheiden. Während bei einer NH-Sicherung keine Einstellmöglichkeiten existieren, lassen sich die Zeit- und Strom-Kennlinien der Leistungsschalter in vorgegebenen Bereichen verändern, um eine optimale Selektivität zu erreichen, d. h. keine Abschaltung nicht beteiligter Schaltgeräte bzw. angeschlossener Verbraucher. Eine Kombination von Leistungsschaltern mit nachgeschalteten NH-Sicherungen ist in vielen Schaltanlagen und Energieverteilungen unumgänglich. Bei dieser Kombination wird eine deutlich höhere Selektivität durch eine I2t-Rampe erreicht. Es lassen sich so eine Vielzahl unterschiedlicher Variationen einer Anpassung an die verschiedensten Sicherungs- oder Schutzschalter-Kennlinien erreichen. Eineweitere Möglichkeitzurselektiven Abschaltung gestörter Stromabzweige und zur Erreichung einer idealen und optimalen Selektivität bietet neben der bekannten Strom-Selektivität (Stromabstufung) und Zeit-Selektivität (Zeitabstufung) die Freigabe- oder „Zonen“-Selektivität (auch zonen-selektiver, „logischer“ Staffelschutz oder „zeitverkürzte Selektivitäts-Steuerung“genannt).Hiererteilensichdiein Reihe geschalteten kommunizierenden Leistungsschalter gegenseitig innerhalb weniger Millisekunden die Freigabe zu notwendigen Abschaltungen. Wertvolle Zeit gegenüber der Zeitselektivität (Verzögerungszeit/Erwärmung) und eine deutlich feinere Abstufung gegenüber der Stromselektivität werden hierdurch gewonnen. Durch die äußerst schnelle Abschaltung unmittelbar nahe dem Kurzschlusspunkt wird die Durchlassenergie und damit die Möglichkeit der Zündung eines Störlichtbogens deutlich reduziert und eine volle Selektivität sichergestellt, ohne „lästige“ Zeitstufen. Die oben genannten Einstellparameter innerhalb der Mikroprozessor gesteuerten elektronischen Auslöse-Einheit gestatten dem Elektropraktiker eine schnelle und sichere Auswahl sowie universelle Anpassungsmöglichkeiten erforderlicher Schutzfunktionen an zugehörende Betriebsmittel und mindern so den Aufwand bei der Planung und Herstellung der Schaltanlage. 5.1 Zubehör-Baugruppen Neben den bereits erwähnten Schutz- und Auslöse-Funktions-Baugruppen gehören hierzu insbesondere Hilfsschalter zur Schaltkontaktanzeige, zur Ausgelöst-Meldung, zur Schalter-Positions-Stellunganzeige bei der Ausführung in Einschubtechnik, hier für die Positionsmeldung Betriebssstellung, Teststellung und Trennstellung. Ferner ein Arbeitsstromauslöser für eine Fern-Ausschaltung des Leistungsschalters. Optional ist auch der Anschluss eines Lichtbogenwächters (optischer Detektor) möglich, um den Leistungsschalter bei Auftritt eines Lichtbogens in weniger als 30 ms abzuschalten. 5.2 Anschlusstechnik Für den Zu- und Abgangsanschluss stehen unterschiedliche Lösungen zur Verfügung. So lassen sich ankommende bzw. abgehende Anschlussschienen sowohl waagerecht als auch senkrecht auf der Rückseite des Schaltgerätes montieren. Zusätzlich gibt es auch ein Frontanschluss-Set insbesondere für Schaltanlagen mit geringer Bautiefe. Die einzelnen Anschlussblöcke können in kurzer Zeit vom Schaltanlagen-Hersteller selbst eingesetzt bzw. umgerüstet werden. Die Anschlussblöcke bieten eine äußerst geringe Verlustleistung. 5.3 Funktionstest und Wartung Zum Test eines fehlerfreien Einbaus sämtlicher Funktions-Baugruppen dient ein integriertes Funktions-Prüfsystem. Es gestattet eine Kontrolle der Überstrom-Einstellungen ebenso wie eine Überprüfung der Auslösekette, auch ohne den Schalter betätigen zu müssen. Vor Ort können über die Systemschnittstelle sämtliche Steuer-und Schalt-Funktionen überprüft bzw. ein-und ausgeschaltet werden. Eine Überprüfung der Auslösekette mit Auslösemagnet und Schalterauslösung ist ebenfalls möglich. 5.4 Überwachung und Diagnose Zur Überwachung und Diagnose werden diverse Meldefunktionen wie Betriebs-, Bereitschafts- und Fehlermeldungen sowie Diagnose- und Statistik-Daten bereitgestellt, letztlich um daraus Maßnahmen zur vorbeugenden Instandhaltung und Angaben über zugehörende Wartungserfordernisse der Anlage abzuleiten, die eine wesentliche Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit gewährleisten. Eine intelligente Analyse der aufgetretenen Fehler wie Zustand, Fehlertyp, Fehlergröße und -abweichung, Auslösezeit und Auslöseursache kann ebenso abgerufen werden wie eine Analyse zum Zustand des Hauptkontaktsystems. Hierzu werden die Kontakt-Temperaturen und die prozentuale Kontaktabnutzung (der Kontaktabbrand) überwacht und angezeigt. Falls erforderlich lassen sich die Hauptschaltkontakte innerhalb von 15 Minuten/Pol vom Anwender selbst auswechseln. Außerdem können wichtige Informationen zum Energieverbrauch über eine Leistungsmessung mit ständigen Angaben über Strom, Spannung, Wirkleistung, Blindleistung, Leistungsfaktor und die Netzfrequenz abgerufen werden. Sämtliche Schutz-, Überwachungs-, Steuerungs-und Melde-Funktionen sind in Halbleitertechnik ausgeführt, mit lokaler oder externer Anzeige (Bild ). Darüber hinaus sind die Signale als Analogdaten in einem Bereich von 4...20 mA verfügbar oder können über einen Datenbus auf LON-Talk-Basis in Zweidrahttechnik auf ein externes Datenerfassungssystem übertragen werden. Das lokale Bedienfeld (Bild ) ist als Standard-Modell ausgeführt und als erweiterte Variante mit Einstellfunktionen oder auch mit LCD-Diagnosefeld. Wahlweise sind auf einem externen Schalttafel-Bedienfeld über zwei 4-stellige LED-Anzeigen alle Informationen verfügbar, die von der Auslöse-Einheit vorliegen. Hier lassen sich bis zu acht Leistungsschalter anschließen. Alle Bedienfelder bieten die Möglichkeit, den Leistungsschalter per Fernbedienung ein- und auszuschalten. Energieverteilung Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 4 284 Anzeige 6 Vernetzte Systemlösungen Die Baureihe wurde mit einer den wachsenden Ansprüchen angepassten elektronischen Auslösetechnik und einer zugehörenden universellen ergebnisgesteuerten Bustechnik auf LON-Basis ausgerüstet. Die elektronischen Überstromauslöser verfügen über eine Messdatenerfassung, -auswertung und -bereitstellung zur Weiterverarbeitung. Verfügbar sind die einzelnen Phasenströme, Warnmeldungen im Überlastbereich, Auslöse-Ursachen, differenziert nach Überlast, Kurzschluss oder Erdschluss. Diese Daten meldet das Schaltgerät über einen LON-Datenbus an die zentrale Leittechnik. Möglich ist eine Parametrierung und das Lesen der Einstellwerte über den LON-Datenbus. Außerdem erlaubt der Bus die Übernahme von Steuerfunktionen, z. B. die Fernbedienung der Schaltgeräte, wodurch eine Automatisierung von Produktionsprozessen ermöglicht wird. Ebenso werden für ein Energiemanagement die Daten über Ströme, Spannungen, Leistungsfaktor, Wirkleistung, Blindleistung und Frequenz für eine Energiebezugs-und -Lastoptimierung oder auch zur Sicherstellung der Anlagenverfügbarkeit herangezogen. Der Datenbus meldet auch diese Ergebnisse, um sie in einer Leitwarte visualisieren zu können. 7 Zusammenfassung Der Energiebedarf und damit die Stromanschlusswerte angeschlossener Verbraucher innerhalb zugehörender Schaltanlagen und Energieverteilungssysteme nehmen in den nächsten Jahren weiter zu. Dadurch werden auch die Kurzschlussströme und notwendige Kurzschlussfestigkeit in den Netzen, aber auch die Gefahr von Störlichtbogenzündungen überproportional ansteigen. Die Anforderungen an eine sachgemäße Herstellung und Errichtung von Niederspannungs-Schaltanlagen setzt deshalb schon heute eine sorgfältige Planung und Projektierung hinsichtlich der Auswahl der für den vorgesehenen Verwendungszweck geeigneten Schalt- und Schutzgeräte wie auch eine für die Herstellung und Errichtung notwendige Kenntnis der Anforderungen aus der Umgebung voraus. Markterfordernisse hinsichtlich offener Hochstrom-Leistungsschalter konzentrieren sich auf universellen Einsatz, Investitionssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Servicefreundlichkeit. Unter diesen Gesichtspunkten gewinnen besonders Zuverlässigkeit, Personensicherheit und Wiederverfügbarkeit an Bedeutung. Das Angebot offener Hochstrom-Leistungsschalter wie auch deren Anwendung insbesondere in sicherungslosen Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen wird sich in den nächsten Jahren technologisch weiter entwickeln. Platz-, Zeit- und Kostenersparnisse stehen hierbei in vorderster Front, neben der Anlagen-, Betriebs-und Personensicherheit. Hierzu zählt auch eine innovative Kommunikations-Anbindung zu einem optimal vernetzten Energie-Management, die neben den Schalt- und Schutzaufgaben zusätzliche wirtschaftliche Gesichtspunkte übernimmt, vor allem auch zur Senkung der Betriebskosten. Moderne Schaltanlagensysteme leisten einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung sowohl der Investitionskosten als auch der laufenden Betriebskosten. Eine flexiblere Planung und einfachere schnellere Inbetriebnahme sowie eine geringe Lagerhaltung und reduzierte Wartungskosten sind Aspekte, die ebenso als Grundlage von Entscheidungen über den Einsatz dieser Technik zu berücksichtigen sind. Bei einer flexiblen Anpassung an die Kundenbedürfnisse, bei gefordertem hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandard und einem marktkonformen, preiswerten Angebot können damit Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit auch in der Niederspannungs-Schaltanlagentechnik weiter ausgebaut werden. Literatur [1] DIN VDE 0100 Bestimmungen für das Errichten von Starkstromanlagen mit Nennspannungen bis 1000V [2] DIN VDE 0100 Teil 560 Bestimmungen für das Errichten von Starkstromanlagen mit Nennspannungen bis 1000V; Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel [3] DIN VDE 0435 Teil 3013 / EN 60255-3 Elektrische Relais; Meßrelais mit einer Eingangsgröße und abhängiger oder unabhängiger Zeitkennlinie [4] DIN VDE 0660 Teil 100 / EN 60947-1 Niederspannungs-Schaltgeräte; Allgemeine Festlegungen [5] DIN VDE 0660 Teil 101 / EN 60947-2 Niederspannungs-Schaltgeräte; Leistungsschalter [6] DIN VDE 0660 Teil 500 / EN 60439-1Niederspannungs-Schaltgerätekombination; Anforderungen an typgeprüfte und partiell typgeprüfte Schaltgerätekombinationen. [7] Siemens AG: Schalten, Schützen, Verteilen in Niederspannungsnetzen. Handbuch, 4. überarbeitete und erweiterte Auflage. Erlangen/München: Publics MCD Verlag 1997 [8] Voss, G.: NS-Schaltanlagen: Die Zukunft gehört der Sicherungslosen Stromverteilung. etz (1998)3/4, S. 48-50 [9] Rübsam, H. J: Neue Maßstäbe in der Niederspannungs-Energieverteilung. Elektropraktiker, Berlin 49(1995)9, S. 768-772 [10] Rübsam, H. J.: Moderne Stromverteilungskonzepte bei NS-Anlagen. Elektropraktiker, Berlin 54(2000)9, S. 766-769. [11] VDE-Fachtagung für Niederspannungs-Schaltanlagen und -Gerätetechnik. November 1999, Mannheim [12] VDE-Seminar: Aktuelles Update der Fachinformation über die Niederspannungs-Schaltanlagentechnik für Hersteller und Anwender [13] VDE - Fachtagung für Niederspannungs-Schaltanlagen und -Gerätetechnik. Oktober 2001, Leipzig [14] Weber Deutschland Wemat: Technische Druckschrift Nr. D 0108 Terasaki/Tem Power2. Energieverteilung Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 4
Autor
- H. J. Rübsam
Downloads
Laden Sie diesen Artikel herunterTop Fachartikel
In den letzten 7 Tagen:
Sie haben eine Fachfrage?