Schaltanlagen
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Elektrotechnik
Planung/Projektierung einer Energieverteilung Teil 2
ep12/2000, 2 Seiten
7 Zahl der MS-Transformatoren Ob ein oder mehrere Mittelspannungs- (MS)-Transformatoren vorgesehen werden, dies ist manchmal auch eine philosophische Frage. Dennoch gibt es einige Gründe, die dazu führen können, mehrere MS-Einspeisungen vorzusehen. Man denke nur an einen Wolkenkratzer. Ist die Einspeisung der Mittelspannung im Kellergeschossen, so müssen alle Stockwerksverteiler vom Keller aus mittels Kabel oder Schienenkanälen versorgt werden. Lange Kabelwege bedeuten aber sehr große Spannungsverluste. Um diese zu vermeiden, sind sehr große Überdimensionierungen notwendig. Ungeachtet der Gewichte, die dann in den Steigtrassen der Kabel hängen. Ein zweiter Trafo wird in diesem Fall vorteilhaft sein - irgendwo dezentral in der Nähe eines Lastschwerpunkts aufgestellt. Bei Hochhäusern liegen diese Lastschwerpunkte im Keller- und oder im Dachgeschoss, da hier die Aufzugs- und Klimaanlagen aufgestellt werden. Außerdem sind zu berücksichtigen: · EMV-Verträglichkeit Die Umschaltung zwischen zwei oder mehreren dezentral aufgestellten Einspeisungen in TN-S-Systemen ist nur mit vierpoligen Leistungsschaltern möglich. · Austausch der Trafos im Fehlerfall Ist der Trafo zum Beispiel auf dem Dach aufgestellt, so kann er mittels Lastenhubschrauber ausgetauscht werden. Dies bedeutet aber, dass es unter Umständen aus Gewichtsgründen mehrere Trafos sein müssen. · Aufstellungsort In Bezug auf die Brandlast ist es günstiger, den Trafo aufs Dach zu stellen, als irgendwo auf halber Höhe (Feuer breitet sich im Allgemeinen nach oben aus, kaum nach unten). · Kabellängen Bei einer weitverzweigten Anlage gilt prinzipiell: wenn die Verkabelung auf der NS-Seite aufgrund von Kabellängen überdimensioniert werden muss, lässt sich eine Vergleichsrechnung mit verteilter Einspeisung aufstellen. · Service und Wartung Sind mehrere Trafos vorhanden, so kann bei geschickter Aufteilung ein Notbetrieb der Anlage gewährleistet werden, wenn einer der Trafos abgeschaltet werden muss. Wählt man nun noch verschiedene MS-Kabelwege vom EVU zur Anlage, so kann damit durchaus ein etwaiges Notstromaggregat ersetzt werden. Zwei Trafos, die über verschiedene Kabelwege versorgt werden, haben die gleiche Wahrscheinlichkeit auszufallen, als die Kombination aus einem Notstromaggregat und einem Trafo. Wichtig ist jedoch, dass alle möglichen Fälle mit den Beteiligten durchgesprochen werden, da nur so die Fehlerrisiken erkannt werden können. 8 Kabelwege/Trassen Bei der Verkabelung kommt es sicher darauf an, auf welchen Wegen diese durch die Gebäude verlegt werden. Damit ist die notwendige Länge der Kabel bestimmt. Nicht eindeutig bestimmt ist damit der Querschnitt. Hierzu ist der max. zulässige Spannungsfall und die zu übertragende Leistung von Bedeutung sowie die Verlegeart der Kabel. Von der Verlegeart hängt die Betriebstemperatur ab, welche wiederum die Strombelastung bestimmt. Es existiert aber auch noch ein weiterer Zusammenhang zwischen den Kabeln, dem Verlegeweg, der Velegeart und den Schaltgeräten in der Verteilung. Bei der Auswahl der Schaltgeräte sind zwei Werte des Kurzschlussstroms von Bedeutung: · der maximal mögliche Kurzschlussstrom am Einbauort und · der minimale Kurzschlussstrom durch das Schaltgerät. Diese Werte werden aber durch die Verkabelung deutlich beeinflusst. Hier fällt dem Planenden die Aufgabe zu, die Schaltgeräte in der Schaltanlage (geliefert durch den Schaltanlagenbauer) und die Kabel in der Anlage (geliefert und installiert durch den Installateur) aufeinander abzustimmen. Sollten die Kabelquerschnitte nicht zu den Klemmenquerschnitten der Schaltanlage passen, so wird dies bereits vor der Inbetriebnahme festgestellt (man kann das Kabel ja nicht anschließen). Ein Kurzschlussstrom, der durch das Schaltgerät nicht mehr erkannt werden kann, wird jedoch erst festgestellt, wenn er auftritt. Auch ein kleiner Kurzschlussstrom ist für das Schaltgerät meist immer noch ein großer Überstrom. Es wird sicherlich diesen Strom auch abschalten, aber die Zeit bis zum Abschalten ist bei Überstrom deutlich länger (im Bereich von vielen Sekunden bis hin zu vielen Minuten) als im Kurzschlussbereich (Auslösezeit in Millisekunden). Man stelle sich vor, dass ein Kurzschluss mehrere Minuten lang vor sich hin schmort (überschreiten der zulässigen Grenztemperatur der Kabel, Sachbeschädigung usw.). Um diesem Problem vorzubeugen, empfiehlt es sich, Leistungsschalter mit elektronischen Auslösern einzusetzen. Elektronische Auslöser bieten einen sehr großen Einstellbereich für das Erkennen der Kurzschlussströme. Kompaktschalter vom Type 3VF6 mit thermo-magnetischem Auslöser haben einen Einstellbereich von 3 bis 5 x IN und mit elektronischem Auslöser einen Einstellbereich von 1,5 bis 5 x IN . Weiterhin kann in vielen Fällen durch den Einsatz von Leistungsschaltern mit elektronischen Auslösern der Kabelquerschnitt auf ein Minimum beschränkt bleiben, wodurch auch die Brandlast der Installation nicht unnötig erhöht wird. Die Brandlast ist für den Betreiber ein Kriterium für seinen Beitrag zur Brandversicherung. 9 Schaltgeräteauswahl Die Auswahl der Schaltgeräte zählt wohl zu den schwierigsten Aufgaben. Hier gibt es eine Menge verschiedenster Möglichkeiten, die alle zum gleichen Ziel führen. Nachfolgend einige Anhaltspunkte, wie dies näher hinterfragt werden kann. Sicherungslose oder mit sicherungsbehafteter Technik. Nehmen wir an, bei dem Objekt handelt es sich um ein Bürogebäude mit eigenem Monteur zur Wartung der elektrischen Anlagen. Dies bedeutet, dass in den Hauptverteilungen durchaus sicherungsbehaftete Technik zum Einsatz kommen kann. Sie hat den Vorteil, dass durch ihre stark strombegrenzende Wirkung die nachgeschalteten Betriebsmittel für niedrigere Kurzschlussstrombelastungen ausgelegt werden können (Kostenersparnis), und die genormten, aufeinander abgestimmten Kennlinien und Toleranzbänder sorgen für Planung Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 12 1060 Planung/Projektierung einer Energieverteilung (2) G. Pikulicki , Erlangen Bisher wurden behandelt: Leistungsermittlung, schwierige Verbraucher und Einsatzbereiche, Reserven, Netzform und Netzqualität, Notbeleuchtung, Notstromversorgung. Nachfolgend wird eingegangen auf: Zahl der MS-Transformatoren, Kabelwege/Trassen, Schaltgeräteauswahl, Auslegung der Schaltgeräte/Kabel, Selektivitätsermittlung und -überprüfung. Dipl.-Ing. (FH) Gustav Pikulicki ist Mitarbeiter der Siemens AG, Erlangen. Autor ein gutes selektives Verhalten (Beispiel Faktor 1,6 oder jede zweite Normsicherungsgröße). Bei sicherungsloser Technik (Leistungsschaltern) muss immer das Betriebs-und das Kurzschlussverhalten sowie der Leistungsfaktor cos bei der Auswahl beachtet werden. Auch das Abstimmen auf selektives Verhalten ist aufgrund der unterschiedlichen Kennlinien und Toleranzen sehr komplex. Dafür ist die Handhabung sehr einfach. Das Ein- bzw. Ausschalten erfolgt mit Knopfdruck, während bei einem Sicherungswechsel umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz des Bedienenden beachtet werden müssen. Nachdem die Endverbraucher sowieso nur über die Stockwerksverteiler angeschlossen und dort abgesichert sind, ist die Gefahr für einen Ausfall in der NS-HV sehr unwahrscheinlich. Wenn ja, dann nur zu Arbeitszeiten, an denen auch der Monteur im Einsatz ist. Ein Ausfall führt hier zu relativ geringen Kosten. Handelt es sich um eine Fertigungsanlage, muss hier wohl genauer nachgerechnet werden, was ein Fertigungsausfall kostet. Des weiteren sind bei Anlagen, die von Laien bedient werden, Schaltgeräte einzusetzen, die der Norm IEC 898 entsprechen. Kurzschlussbelastung am Einbauort. Vor Auswahl der Schaltgeräte muss die Kurzschlussbelastung am Einbauort ermittelt werden. Bei Leistungsschaltern steigt der Preis mit zunehmendem Kurzschlussausschaltvermögen. Steuerung. Zu wählen ist zwischen Fern-Aus und/oder Fern-Ein/Meldung über zentrale Leittechnik - direktverdrahtete oder über Profibus DP. Die Leistungsschalter vom Typ 3W bzw. 3V sind hierfür bestens geeignet (Bild ) 10 Auslegung der Schaltgeräte/Kabel Bei jeder Planung bleibt am Schluss die Frage „Funktioniert das Zusammenspiel der Schaltgeräte von X in den Schränken von Y mit der Verkabelung von Z“. So bietet z. B. Siemens tygeprüfte Schaltanlagen, die auf die Schaltgeräte aus eigener Produktion abgestimmt sind. In diesen Schaltanlagen sind detaillierte Angaben über die möglichen Anschlussquerschnitte vorhanden. Damit ist gewährleistet, dass dieses Zusammenspiel der einzelnen Teile optimiert ist. Bei diesen Schaltanlagen handelt es sich um den Typ SIVACON 8PV, wenn es eine fabrikfertige Schaltanlage ist, um den Typ SiKUS 3200, wenn es sich um eine typgeprüfte Schaltanlage im Nachbau, oder um den Typ SIVACON 8PT, wenn es sich um eine Schaltanlage in Lizenzfertigung handelt. 11 Selektivität ermitteln und überprüfen Selektivität zwischen zwei oder mehreren in Reihe geschalteten Schutzgeräten ist dann vorhanden, wenn bei einem Kurzschluss oder einem Überstrom nur das Gerät, das schalten soll, auch tatsächlich schaltet (DIN VDE 0635, Abschnitt 2.2.2). Der selektive Netzaufbau wird gefordert, · für Sicherheitsstromversorgungen in Krankenhäusern (nach DIN VDE 0107) · für elektrische Anlagen für Sicherheitszwecke (nach DIN VDE 0100 Teil 560) · für Stromversorgungen (allgemeine und sicherheitsgerechte) · in baulichen Anlagen für Menschenansammlungen (DIN VDE 0108). Darüber hinaus wird der selektive Aufbau empfohlen für alle NS-Schaltanlagen nach DIN VDE 0660 Teil 500 (partiell typgeprüfte NS-Schaltanlagen). Die Selektivität kann auch vom Auftraggeber gesondert vereinbart werden, um eine höhere Betriebssicherheit zu errechen, die Fehlersuche zu erleichtern usw. Schritte zur Ermittlung der Selektivität: 1. Berechnung der max. Kurzschlussströme am Einbauort der betrachteten Geräte. 2. Berechnung der minimalen Kurzschlssströme am Ende der dem Gerät nachgeschalteten Leitung/Kabel/Schiene. 3. Die Ansprechwerte (oder Einstellwerte) der Schutzgeräte müssen nun oberhalb der minimalen Kurzschlussströme am Ende der zu schützenden Strecke sein (dies ist die am Schaltgerät angeschlossene Leitung/Schiene/Kabel). Werden diese Ansprechwerte/Einstellwerte anhand von Kennlinien ermittelt, so ist darauf zu achten, dass bei Kennliniendarstellung ohne Toleranz (zu erkennen an einer einzigen dünnen Linie) eine Toleranz von ± 20 % angesetzt werden muss. Werden die Kennlinien mit oberem und unterem Toleranzband dargestellt, so ist diese Toleranz zu verwenden. Mit den so ermittelten Ansprechwerten/Einstellwerten können nun die Schaltgeräte ohne weiteres ausgewählt werden. Sollten die Ansprechwerte nicht mehr gestaffelt werden können, so müssen Leistungsschalter ausgewählt werden, die einen zeitverzögerbaren Kurzschlussauslöser haben. Im nächsten Heft wird die Dimensionierung einer Schaltanlage anhand eines detaillierten Beispiels behandelt. Planung Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 12 1061 Leistungsschalter vom Typ 3W und 3V im Schaltschrank
Autor
- G. Pikulicki
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