Grundwissen
Technische Entwicklungen in der Elektrotechnik - Teil 4: Blindleistung
luk5/2009, 2 Seiten
Blindleistung Blindleistung ist in Wechsel- und Drehstromsystemen eine immer zu beachtende Erscheinung. Jede Fachkraft ist in der Lage, normgerecht damit umzugehen und erforderliche Maßnahmen zu ergreifen. Aber wie ist diese Erscheinung physikalisch zu erklären und warum kann sie zu schwer wiegenden Folgen führen? Leistung im Wechselstromkreis Zur Einführung wird zunächst die Leistung an einem ohmschen Widerstand betrachtet, der an Wechselspannung U liegt. Es wird ein Wechselstrom I fließen. Mit U und I sind die Effektivwerte gemeint. Der zeitliche Verlauf der Größen u und i ist in Bild dargestellt. Die blaue Kurve zeigt die Spannung, die rote den Strom. Die momentane Leistung p kann aus dem Produkt des momentanen Stromes i und der momentanen Spannung u berechnet werden. p = u · i (1) Der Verlauf der Momentanleistung ist als grüne Kurve eingezeichnet. Diese elektrische Leistung wird an einem Widerstand in Wärme umgewandelt. Insofern interessiert eigentlich nicht der zeitliche Verlauf, sondern nur der Mittelwert P dieser Leistung. Das ist dann die Leistung, die man als Wärme erhält, sie wird Wirkleistung genannt. Da die Leistung zwischen Null und dem Scheitelwert verläuft, ist der Mittelwert, also die Wirkleistung, hier die halbe Amplitude der Momentanleistung. (2) Es gelten aber auch die folgenden Zusammenhänge. (3) So ist schließlich die Definition der Effektivwerte zu begründen. (4) Damit kann die Wirkleistung an einem ohmschen Widerstand einfach als Produkt der Effektivwerte von Spannung und Strom berechnet werden. Leistung an einer idealen Induktivität Die Zusammenhänge werden komplizierter, wenn außer ohmschen Widerständen auch Induktivitäten im Stromkreis vorkommen. Dies ist die Normalität! Es wird leichter sein, die Zusammenhänge zu verstehen, wenn zunächst eine ideale Induktivität angenommen wird (keine ohmschen Widerstände). Wie schon erwähnt speichert eine Induktivität L magnetische Energie wmag , wenn sie von einem Strom i durchflossen ist. Unter dem Strom i wird der augenblickliche Strom verstanden, während ein Strom I der Effektivwert des Wechselstroms sein soll. Für den Wert der magnetischen Energie gilt die folgende Gleichung. (5) Das bedeutet, dass in den Induktivitäten magnetische Energie angesammelt werden muss, wenn der Strom ansteigt. Im Wechselstromkreis wird deshalb der Strom später ansteigen als die Spannung, da zunächst die magnetische Energie zu sammeln ist. Entsprechend wird beim Sinken der Spannung der Strom erst verspätet sinken, da die gespeicherte magnetische Energie erst von der Induktivität wieder abgegeben werden muss. Man sagt, der Strom eilt der Spannung nach. Sehen wir uns dies in einem Oszillogramm (Bild ) am Beispiel einer idealen Induktivität an. Solange die Spannung (blaue Kurve) positiv ist steigt der Strom (rote Kurve) an. Im Maximum des Stromes hat die Induktivität den größten Inhalt an magnetischer Energie. Wird nun die Spannung negativ, so kann der Strom seine Richtung und Größe nicht plötzlich ändern, die Induktivität ist noch mit magnetischer Energie geladen. Diese magnetische Energie wird nun benutzt um den Strom weiter fließen zu lassen. Dabei wird sie aufgebraucht, der Strom sinkt bis Null, und die Induktivität nimmt anschließend wieder magnetische Energie auf, sie wird in der anderen Richtung magnetisiert. In Bild ist die momentane Leistung als grüne Kurve eingezeichnet, sie gibt zu jedem Zeitpunkt das Produkt aus Strom und Spannung an. Es gibt Intervalle, in denen die Leistung positiv ist, die Induktivität nimmt Energie aus dem Netz auf um sie als magnetische Energie zu speichern. Das sind die Intervalle, in denen der Strom von Null aus seinem positiven bzw. negativen Maximalwert zustrebt. Dann gibt es Intervalle, in denen die Leistung negativ ist. Das bedeutet, dass die Induktivität die gespeicherte magnetische Energie wieder an das Netz abgibt. Folglich nimmt der Betrag des Stromes in diesen Intervallen von seinem Extremwert wieder in Richtung Null ab. Wenn wir den Mittelwert der Leistung P bilden erkennt man, dass dieser Null ist. Wir haben einen Wechselstrom und auch eine Wechselspannung aber im Mittel keine Wirkleistung. Es handelt sich eben um „Blindleistung“. Nun könnten wir es damit bewenden lassen. Im Mittel gibt es keine Leistung, es wird also auch keine Energie verbraucht. Leider ist die Erscheinung nicht so einfach. Sie wird im Netz der Energieversorgung Probleme mit sich bringen. Kompensation der Blindleistung Wo kommt die dem Netz entnommene positive Leistung her und wo soll die in das Netz zurückgegebene Leistung hingebracht werden? Es wird ein Element gesucht, das Energie, die die Induktivität abgibt, aufnehmen und = = = = In dieser Reihe wird der Frage nachgegangen, warum sich die Elektrotechnik gerade so entwickelt hat, wie wir sie heute kennen. In den vorangegangenen Teilen wurden die Anfänge der Elektrotechnik mithilfe der Gleichstromtechnik, die Probleme der Elektrostatik, die Wahl geeigneter Frequenzen in der Energieübertragung und das dreiphasige System besprochen. Dieser Teil widmet sich der Blindleistung. Elektrotechnik Technische Entwicklungen in der Elektrotechnik Teil 4: Blindleistung F a c h w i s s e n L e r n f e l d e r 6 - 1 3 8 LERNEN KÖNNEN 5/09 speichern kann. Das Aufnehmen muss in einem Intervall geschehen, das jeweils beim Nulldurchgang der Spannung beginnt und endet, wenn die Spannung den höchsten positiven bzw. negativen Wert erreicht (Bild ). Außerdem soll das Element diese Energie anschließend wieder abgegeben, wenn die Induktivität Energie aufnehmen muss. Ein solches Element ist ein Kondensator. Wenn wir im Netz nur die Induktivität und den Wechselstromgenerator haben, dann kann die Leistung, die die Induktivität zweimal je Periode speichert und die, die sie zweimal je Periode wieder abgibt nur an den Generator abgegeben bzw. von ihm abgenommen werden. Dann muss der Generator als Kondensator wirken. Das ist grundsätzlich möglich, wenn die Erregung des Generators, der eine Synchronmaschine sein wird, entsprechend eingestellt wird. Allerdings wird es bei einem räumlich ausgedehnten System unwirtschaftlich sein, so zu verfahren. Der Transport der Energie zwei Mal je Periode zwischen dem induktiven Verbraucher und dem Generator ist ja mit einem Strom verbunden. Dieser wird entlang der Übertragungsstrecke einschließlich der Transformatoren und im Generator selbst auf Grund der ohmschen Widerstände erhebliche Energieverluste verursachen. Es kommt also darauf an, den Weg zwischen der Induktivität und dem Kondensator so kurz wie möglich zu halten. Die „induktive Blindleistung“ ist also in der Nähe des Verursachers durch Blindleistungskondensatoren zu kompensieren. Wie groß ist der Kondensator bei gegebener Induktivität zu wählen? Die jeweils gerade gesamt benötigte bzw. freigesetzte Energie kann durch den Kondensator abgegeben bzw. gespeichert werden. Die im Kondensator gespeicherte Energie kann nach der folgenden Gleichung angegeben werden. (6) Damit die Kompensation optimal wird, soll die höchste im Kondensator C gespeicherte elektrische Energie gleich der höchsten in der Induktivität gespeicherten magnetischen Energie sein. (7) Zwischen der Amplitude von Strom und Spannung an der Induktivität kann eine Beziehung hergestellt werden. Die entscheidende Größe dafür ist der so genannten induktive Widerstand (Impedanz der Induktivität) X = 2 f L. Damit kann die Größe von C ermittelt werden. Es wurde vereinfachend nicht berücksichtigt, dass Induktivität und Widerstand meist als Reihenschaltung vorliegen. (8) Die Kompensation kann auch an Hand des Stromes erklärt werden. Am Kondensator eilt der Strom der Spannung voraus, da der Strom den Kondensator erst laden muss, ehe dort die Spannung ansteht. Wenn die Bedingung nach Gleichung (8) erfüllt ist, addieren sich die Ströme der Induktivität und des Kondensators (die „Blindströme“) zu Null. In den Zuleitungen zum betrachteten Teilnetz fließt dann kein Strom, wenn keine Wirkleistung verbraucht wird. Die Gleichung (8) kennen wir sicherlich als die Gleichung des Schwingkreises. Tatsächlich muss im gesamten Netz die „Blindleistungsbilanz“ aufgehen, sonst kann es zu schweren Störungen kommen. Stimmt das LC-Verhältnis nicht, gibt es physikalisch nur die Möglichkeit, dass sich die Netzfrequenz ändert, bis das Verhältnis wieder hergestellt ist, denn wenn die Frequenz steigt, können die Induktivitäten weniger Energie speichern, da weniger Zeit dafür zur Verfügung steht. Bei gleichbleibender Spannung bleibt aber die in den Kondensatoren gespeicherte Energie gleich. Eine Veränderung der Frequenz über eine bestimmte Toleranz hinaus hat schwerwiegende Folgen für den Betrieb eines Netzes und ist unter allen Umständen zu vermeiden. Der letzte Abgleich wird deshalb in den Kraftwerken mit zusätzlichen Kondensatoren und der Kapazität des Generators vorgenommen werden. Bei einem Schwingkreis, dem Energie zugeführt wird, kann sich die Amplitude der Spannung und damit des Stromes immer weiter steigern. Diese Gefahr besteht im Energienetz nicht, da immer Wirkleistung verbraucht wird, was eine Dämpfung des Schwingkreises bedeutet. Dem Netz wird also ständig Energie entzogen, und es ist die Aufgabe der Betriebsführung, die Energieerzeugung dem Verbrauch ständig anzupassen. Kondensatoren Für die Kompensation der Blindleistung können nicht beliebige Kondensatoren eingesetzt werden. Es hält sich oft das Gerücht, Kondensatoren seien verlustfrei. Das ist zumindest bei Wechselspannung nicht der Fall. Sie erwärmen sich merklich. Große Kondensatoren müssen auch gekühlt werden. Die Verlustleistung ist von der Betriebsspannung und von der Frequenz abhängig. Kondensatoren müssen also hinsichtlich dieser Daten für den Einsatz geeignet sein. Daraus folgt auch, dass bei einer unzulässigen Erhöhung der Frequenz die Blindleistungskondensatoren Schaden nehmen könnten. Plötzliche Änderungen Plötzliche große Änderungen der Blindleistung, wie sie von älteren Stromrichtersteuerungen großer Leistung verursacht werden können, würden im Netz Probleme bereiten. Sie sind durch den Nutzer solcher Anlagen zu kompensieren. Dies ist im so genannten EMV-Gesetz geregelt. Demgegenüber bewirken Änderungen der Wirkleistung Spannungsschwankungen im Netz. Wir kennen dies bei plötzlichem Zuschalten leistungsstarker Verbraucher. Auch hierfür gibt es Vorschriften, die die EVU erlassen (TAB). W. Mierke ( ) ( ) = = Elektrotechnik LERNEN KÖNNEN 5/09 Spannung Leistung Strom Spannung Leistung Strom Spannung, Strom und Leistung am ohmschen Widerstand Spannung, Strom und Leistung an der Induktivität F a c h w i s s e n L e r n f e l d e r 6 - 1 3
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- W. Mierke
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