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Personengefährdung durch NS-Störlichtbögen

ep12/2003, 4 Seiten

Der Lichtbogen ist eine technisch vielfach genutzte Erscheinungsform des elektrischen Stroms. Er stellt jedoch, wenn er ungewollt in einer elektrotechnischen Anlage entsteht, eine Sach- und Personengefährdung dar. Diese sollte jeder Fachmann aber auch Laie kennen, der mit elektrischen Anlagen und Geräten Umgang hat. Der Beitrag behandelt die Prüfung von Körperschutzmitteln, deren Eignung bzw. bestehende Mängel.


Störlichtbögen Bei der allgemeinen Diskussion über Personengefährdung durch Störlichtbögen in der Niederspannungs(NS)-Ebene muss eine klare Trennung der Begriffe erfolgen. 1.1 Geschlossene NS-Anlage Ein Schwerpunkt der Lichtbogenstörungen ist der Schaden an einer geschlossenen NS-Schaltanlage. Bei diesen Störungen ist die Anwesenheit einer Person ein statistisch seltenes Ereignis. Der Personenschutz, der durch die Prüfung der Lichtbogenfestigkeit nach VDE 0660 Teil 500 Beiblatt 2 nachgewiesen werden kann (oftmals irrtümlich als PEHLA-Prüfung bezeichnet), bezieht sich in diesem Fall auf die indirekten Wirkungen des Störlichtbogens. Das heißt, mit der Prüfung wird unter anderem nachgewiesen, dass keine Personengefährdungen entstehen - durch sich öffnende Türen, zerstörte Wände oder sonstige wegfliegende Teile und austretende heiße Gase und Partikel (Bild ). 1.2 Offene NS-Anlage Kritischer ist die Situation im Bereich der Lichtbogenbeanspruchung bei den Tätigkeiten „Arbeiten unter Spannung“ und „Arbeiten in der Nähe spannungsführender Teile“. Hier ist von der Sache her immer eine Person anwesend. Der Lichtbogen wirkt mehr oder weniger direkt auf die Person ein. Sicherheit ist das oberste Gebot für diese Tätigkeiten. Trotz intensiver Schulung und Übung können jedoch durch unvorhersehbare Ereignisse oder Fehlhandlungen bei der Vorbereitung, Durchführung oder Nachbereitung dieser Tätigkeiten Störlichtbögen entstehen. Die Graduierung der direkten Einwirkung des Lichtbogens auf die anwesende Person ist eine sehr komplexe Problematik. In den Bildern und sind zwei Testbeispiele wiedergegeben. Testbeispiel 1. Bild zeigt eine Momentaufnahme einer Lichtbogenprüfung in einem Hausanschluss(HA)-Kasten mit einer Testpuppe (300 mm Körperabstand bis zum Lichtbogenzündort). Die Drehstrom-Kabeleinspeisung erfolgte von unten und war mit vorgeordneten NH-Sicherungen (400 A) ausgerüstet. Der unbeeinflusste Kurzschlussstrom im HA-Kasten betrug 4 kA bei einem cos von 0,3 und einer Speisespannung von 400 V. Die Gesamtabschaltzeit der NH-Sicherungen betrug 8,9 ms. Testergebnisse: · Die Oberfläche des normalen Baumwollanzugs war im Brustbereich stark gebräunt und hatte mehrere Brandlöcher mit einem Durchmesser < 2 mm. · Die Gesichtsschutzschale war innen und außen mit einem grau-braunen Belag versehen und nicht mehr durchschaubar. Auf der Oberfläche der Gesichtsschutzschale waren Kupferpartikel eingeschmolzen. Testbeispiel 2. Bild zeigt eine Momentaufnahme (Belichtungszeit von 125 ms) der Lichtbogenprüfung an einem geöffneten Schaltfeld in Anwesenheit einer Testpuppe, bekleidet mit einem Arbeitsanzug für Arbeiten unter Spannung (Baumwolle mit PUR-Beschichtung). Die Prüfung erfolgte mit einer Prüfspannung von 726 V, einem unbeeinflussten Prüfstrom von 25 kA bei einem cos des Prüfkreises von 0,2 und einer Einwirkzeit von 0,8 s. Die dreipolige waagerechte Sammelschienenanordnung mit einer Einspeisung von hinten zeigte direkt in Brusthöhe auf die Testfigur. Testergebnisse: · Der Schutzanzug widerstand den Beanspruchungen. · Die Gesichtsschutzschale ist formstabil geblieben, hatte mehrere Metallpartikeleinschmelzungen mit einem Durchmesser > 3 mm und war innen und außen stark geschwärzt, die unteren Schnittkanten waren angeschmolzen Anwendungs- und Prüfungsstandard für PSA Das Problem der Lichtbogenstörungen in NS-Anlagen ist nicht neu. Was dem Praktiker fehlt, ist eine logische und konsequente Umsetzung aller bisher gesammelten Erfahrungen auf dem Gebiet der Lichtbogenstörungen und -prüfungen von persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) zu einem einheitlichen Anwendungs- und Prüfungsstandard, mit dem für den Anwender ein möglichst optimaler Schutz gewährleistet wird. Dieser ist bei den bisherigen Vorschriften und Ausrüstungen nicht immer gewährleistet. Körperschutzmittel für die Tätigkeit „Arbeiten unter Spannung“ müssen für einen Ernstfall geeignet sein und vor der Zulassung einer entsprechenden realen, ganzheitlichen Prüfung unterzogen werden. Vergleichbar ist diese Beanspruchung mit einem Test-Frontalaufprall Elektropraktiker, Berlin 57 (2003) 12 954 FÜR DIE PRAXIS Schaltanlagen Personengefährdung durch NS-Störlichtbögen J. Vogler, Berlin Der Lichtbogen ist eine technisch vielfach genutzte Erscheinungsform des elektrischen Stroms. Er stellt jedoch, wenn er ungewollt in einer elektrotechnischen Anlage entsteht, eine Sach- und Personengefährdung dar. Diese sollte jeder Fachmann aber auch Laie kennen, der mit elektrischen Anlagen und Geräten Umgang hat. Der Beitrag behandelt die Prüfung von Körperschutzmitteln, deren Eignung bzw. bestehende Mängel. Lichtbogenprüfung an einem geschlossenen NS-Schaltfeld 400 V, 20 kA Lichtbogenprüfung in einem HA-Kasten 400 V, 4 kA, NH-Sicherung 400 A Lichtbogenprüfung in einem geöffneten NS-Schaltfeld, 726 V, 25 kA, 800 ms Autor Dipl.-Ing. Jürgen Vogler ist Prüfingenieur des Instituts „Prüffeld für elektrische Hochleistungstechnik“, Berlin. eines Autos bei einer Bemessungsgeschwindigkeit. Hierbei müssen alle eingebauten Sicherheitseinrichtungen ihre Funktionstüchtigkeit nach vorgeschriebenen Kriterien nachweisen. Die Problematik beim Prüfen der vollständigen persönlichen Schutzausrüstung liegt in den fehlenden, den realen Beanspruchungen nahe kommenden Prüfvorschriften (nationalen und internationalen). Diese müssen den komplexen Nachweis der Schutzwirkung von Körperschutzmitteln unter Lichtbogeneinwirkung bei Störlichtbögen im Niederspannungsbereich beinhalten. Prüfverfahren 3.1 Internationale Prüfverfahren Es stehen zz. zwei Verfahren zur Verfügung, · das IEC-Verfahren nach IEC 61482-1 und · die CENELEC-Methode nach ENV 50 354: 2000. Beide Verfahren arbeiten mit einem einpoligen Prüfkreis und senkrecht gegenüberstehenden Elektroden unterschiedlicher Materialien. Beim IEC-Verfahren wird mit einem Prüfstrom von 8 kA, einer Speisespannung > 6 kV und einer variablen Einwirkzeit gearbeitet. Die CE-NELEC-Methode nach ENV 50354: 2000 arbeitet mit einer Spannung von 400 V und Prüfströmen von 4 kA und 7 kA bei einer Einwirkzeit von 500 ms. Ein Vergleich der Ergebnisse beider Verfahren ist schwer möglich. Durch die unterschiedlichen Prüfspannungen sowie fehlende Angaben zum Prüfkreis und die damit verbundene Beeinflussung des tatsächlichen Lichtbogenstroms beeinflussen sehr unterschiedliche Lichtbogenenergien die Prüfobjekte. Der Vergleich zu realen Störlichtbögen in NS-Anlagen ist auch sehr problematisch, da man bei Störungen mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit von einem dreipoligen Fehler mit Erdberührung ausgehen muss. Somit steht bei gleichem Elektrodenabstand formal die 3-fache Lichtbogenenergie zur Verfügung. Ferner wird die für einen Drehstromlichtbogen in einem geöffneten System charakteristische Blasrichtung - verbunden mit einer Konzentration der Lichtbogenenergie - in eine von der vorhandenen Schienenanordnung vorgegebene Richtung verändert (Bild ). 3.2 Nationale Prüfverfahren Diese angeführten Fakten werden von den nationalen Prüffeldern - Bewag Berlin, Eurotest Dortmund, Möller Bonn und IPH Berlin - in ihren eigenen Prüfverfahren mit unterschiedlicher Konsequenz berücksichtigt. Grundsätzlich verwenden diese Institutionen einen Drehstromlichtbogen bei einer Bemessungsspannung von 400 bis 690 V. Elektropraktiker, Berlin 57 (2003) 12 955 Schaltanlagen FÜR DIE PRAXIS Bildfolge aus der Prüfung nach IEC 61482-1, 6 kV, 8 kA, 1 s Prüfanordnung „Eurotest“ IPH-Prüfanordnung Anzeige Bewag, Eurotest (Bild ) und Möller gehen von einer Prüfung mit einem Prüfstrom von 10 kA und einer Prüfzeit von 0,5 und 1,0 s aus. Als Prüfmittel benutzen sie einen genormten HA-Kasten mit unterschiedlicher Zuleitungsvariante. Der Abstand zum Prüfobjekt beträgt 30 cm. Die Ergebnisse sind trotz fehlender Angaben für den Prüfkreis im Prinzip vergleichbar und haben einen realen Bezug zu Lichtbogenstörungen in HA-Kästen, dem häufigsten Störungspunkt in Versorgungsanlagen der Elektroenergie. Mit dem unbeeinflussten Prüfstrom von 10 kA wird auch ein Bereich von etwa 80 % aller Anlagen in der öffentlichen Energieversorgung abgedeckt. Die Aussagen zur Energiedichte basieren ebenfalls auf der Messung mit dem selben Kalorimetertyp. Das IPH-Prüfverfahren (Bild ) wurde auf der Grundlage umfangreicher Untersuchungen zur Lichtbogenproblematik in NS-Schaltgerätekombinationen entwickelt. In einem Arbeitskreis von Anlagenherstellern, Hauptanwendern, Arbeitsmedizinern und Mitarbeitern verschiedener Arbeitsschutzinstitutionen sowie Prüfingenieuren des IPH wurde für den Testfall „Lichtbogen in einem geöffneten Schaltfeld“ · eine dreipolige Anordnung gewählt, die eine mögliche Maximalbeanspruchung in Gesichtshöhe sowie in Brusthöhe einer 1,76 m hohen Testpuppe ermöglicht. · Die Schienenanordnung wurde so gewählt, dass immer eine Blasrichtung auf den Testkörper gegeben ist. · Als Prüfspannung wurde der Bemessungswert von 726 V gewählt, um auch den Einsatz für die 690-V-Ebene abzudecken. · Die Strom- und Zeitparameter wurden im Bereich von 1 bis 50 kA sowie 0,1 bis 5 s paarweise verändert, um für die verschiedenen Arbeitsschutzausrüstungen eine Strom-Zeit-Kennlinie für den unbeeinflussten Kurzschlussstrom zu erhalten. · Der cos des Prüfkreises wurde für den Strom < 5 kA der Wert 0,3 und für > 5 kA 0,2 festgelegt, der Abstand zur Testpuppe beträgt 50 cm (Bild ). · Beurteilungskriterien sind Brandverhalten, Materialstabilität und Strahlungsabsorption. Störlichtbogen-Prüfung 4.1 Grundlagen Der in einer NS-Schaltanlage gezündete Störlichtbogen wird infolge der Wechselwirkung des magnetischen Feldes der stromdurchflossenen Lichtbogensäulen und des Magnetfeldes der Stromschienen in seiner geometrischen Struktur aufgeweitet und immer in die umgekehrte Speiserichtung beschleunigt. Das heißt, der Lichtbogen wandert auf den Stromschienen entlang von der Speisequelle weg. Im Bild ist die Zündung eines Lichtbogens in einer Schaltanlage an einer horizontalen Schienenanordnung bei einem Polmittenabstand von 185 mm und einem Schienenprofil von 100 mm x 10 mm wieder gegeben. Die Luftstrecke zwischen den Schienen beträgt 85 mm, die speisende Spannung 400 V und der anliegende Kurzschlussstrom 15 kA. Die Wanderungsgeschwindigkeit des Bogens zwischen dem Leiter L1 und L2 erreicht am Ende der Schiene einen Wert von etwa 125 m/s. Der Lichtbogen wird am Ende der Sammelschienen aufgeweitet und verlischt, wenn kein Potentialpunkt, z. B. Gehäuseerdpotential, vorhanden ist. Die Aufweitung ist stark abhängig von der Geometrie der Schienenanordnung und der Kurzschlussstromstärke am Schadensort. Insgesamt liegt bei einer Lichtbogenstörung in Anwesendheit einer Person eine extreme Beanspruchung vor durch · die Komponenten Wärme- und Lichtstrahlung, Druck- und Schallwellen sowie Elektropraktiker, Berlin 57 (2003) 12 956 FÜR DIE PRAXIS Schaltanlagen Ausschnitte aus Zeitlupenaufnahmen der Zündung und des Endstadiums eines Lichtbogens an einer dreipoligen Schienenanordnung Testpuppe vor und nach der Lichtbogenprüfung mit 15 kA, 400 V Details des Schutzanzuges nach der Beanspruchung · die hoch beschleunigten, verflüssigten und verdampften Metallpartikel. 4.2 Einfluss der Schaltorgane Grundsätzlich muss unterschieden werden zwischen den beiden Belastungsfällen: · Störungsfall mit einem dem Fehlerort vorgeschalteten strombegrenzenden Schaltorgan (NH-Sicherung oder Kompaktschalter), wo eine Abschaltzeit der Störung unterhalb von 10 ms erfolgt. · Störungsorten, wo die Störung über eine zeitselektive Staffelung abgeschaltet wird. Im ersten Fall ist die thermische Auswirkung auf die Person sehr gering. Die Gefahren gehen überwiegend von den flüssigen, stark beschleunigten Partikeln und der Stoßwelle aus. Bei Störungen mit einer Einwirkzeit von mehr als 30 ms ist die thermische Wirkung dominant. Prüfergebnisse In Zusammenarbeit mit der Firma G. Schümer Gmb H wurden Lichtbogenaufnahmen an einem Schaltschrank mit einer Testpuppe durchgeführt (Bild ). Mit der gewählten Anordnung wird der häufigste Schadensfall nachgebildet, Fehlhandlungen im Bereich von Schienenanschlüssen, NH-Sicherungen oder NH-Sicherungs-Schaltleisten. Als Prüfparameter wurde ein Kurzschlussstrom von 15 kA bei einer verketteten Spannung von 400 V verwendet. Die Einwirkzeit betrug 500 ms. Die Untersuchung der Arbeitsschutzkleidung aus doppelt verarbeitetem Schümer-SECAM®, ein schwer entflammbares Gewebe aus 100 % Naturfaser Baumwolle, ergab ein positives Ergebnis. Im Bereich oberhalb der linken Brusttasche ist im Innenbereich ein kleiner Brandfleck, der jedoch kein Materialdurchbruch darstellt, ermittelt worden (Bild ). Auffällig ist jedoch die Unterkante des Kragens der Jacke. Hier ist eine starke Verfärbung zu erkennen. Ursache ist das Eindringen der hoch beschleunigten, heißen Gase der Lichtbogenwolke unterhalb der Gesichtsschutzschale, wie aus den Ausschnitten der Zeitlupenfilms der Prüfung (Bild ) zu erkennen ist. Besonders gut sichtbar ist in diesem Filmausschnitt der konstruktive Mangel der üblichen Gesichtsschutzschale. Sie bietet nur einen Schutz vor direkt auftreffenden Partikeln, aber keinen Schutz der Gesichtspartie vor den heißen Gasen. Betrachtet man die Bilder kritisch, so ist mit Sicherheit bei diesem Belastungsfall von einer Schädigung der Haut hinter der Gesichtsschutzschale auszugehen. Notwendige Weiterentwicklungen Die vorgestellten Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass es dringend notwendig ist, die Körperschutzmittel für „Arbeiten unter Spannung“ weiter zu entwickeln und eine allgemeingültige Vorschrift zur Prüfung unter Lichtbogeneinwirkung zu erarbeiten. Hauptaugenmerk muss dabei auf die Entwicklung einer sicheren Gesichtsschutzschale gelegt werden. Hierbei gilt es, die Erkenntnisse aus den bisherigen Untersuchungen zu nutzen und die modernen Möglichkeiten der Materialtechnologie in Anspruch zu nehmen. Eine Anlehnung an die selbststeuernden Schweißschirme auf der Basis der Flüssigkeitskristalle wäre dabei sehr wichtig, denn Untersuchungen zu dem Verblitzen der Augen bei Lichtbogenstörungen erfolgten bisher nicht, da im Allgemeinen das Gesamtschadbild diese Erscheinungen überdeckte. Im Bild ist eine mögliche Variante für einen Gesichtsschutz dargestellt. Für eine Weiterentwicklung ist der Vollschutz des Gesichts und der Atemwege wichtig. Erreicht werden kann dieser Schutz mit einer Abwandlung des aus dem Motorradsport bekannten Integralhelms mit einem zusätzlichen unteren Schutz gegen die heiße Gasströmung. Beachtet werden muss die Erhaltung eines ausreichenden Gesichtsfeldes für die arbeitende Person, da sonst eine zusätzliche Gefahrensituation und die Möglichkeit einer Lichtbogenstörung entsteht. Für den Arbeitsschutzanzug ist zu beachten, dass die Verschlüsse doppelt und verdeckt ausgeführt werden, damit bei der Beanspruchung keine heißen Partikel oder Gase unter die Schutzkleidung gelangen. Ferner ist zu klären, welche Unterkleidung verwendet werden darf, da die Strahlungsdichte nach eigenen Messungen mit einer Vakuum-Thermoelement-Anordnung im Störungsfall, z. B. bei einem Kurzschlussstrom von 25 kA, bis zu 60 W/cm2 im Allwellenbereich betragen kann. Unklar ist, welcher Anteil von der Schutzkleidung absorbiert wird und was die menschliche Haut bei dieser Kurzbeanspruchung verträgt. Die bisherigen Aussagen bei den Prüfungen nach IEC und ENV auf der Grundlage der „Stoll-Kurve“ erscheinen nicht realistisch, da die thermische Zeitkonstante der verwendeten Kalorimeter 1,3 s beträgt. Hier liegt ein grundsätzlich zu klärendes Problem vor. Mit der Weiterentwicklung muss auch eine klare Klassifikation der Schutzkleidung auf der Grundlage von realen Prüfungen erfolgen. Der Anwender muss wissen, bis zu welchen Anlagenparametern er die Schutzkleidung verwenden kann und für welche Einsatzzeit sie geeignet ist. Die Schutzwirkung muss also auch in Abhängigkeit der Anzahl der zulässigen Wäschen und der Waschtechnologie angegeben werden. Aus der Gesamtsicht der bisherigen Lichtbogenuntersuchungen sollte auch eine sehr kritische Frage nach den Grenzen des „Arbeitens unter Spannung“ gestellt werden. Die Notwendigkeit und Berechtigung, in Anlagen bis zu einem Kurzschlussstrom von etwa 10 kA in der Spannungsebene von 400 V zu arbeiten (typische Parameter der öffentlichen Energieversorgung) und einem strombegrenzenden Schutz stehen außer Frage. Für Anlagen mit einem Kurzschlusswert bis etwa 15 kA und einem zeitselektiven Schutz sollte nur in Ausnahmefällen unter Herabsetzung der notwendigen Abschaltzeit das „Arbeiten unter Spannung“ erlaubt sein. Für alle anderen Bereiche sollte grundsätzlich auf „Arbeiten unter Spannung“ verzichtet werden, da ein sicherer Schutz bei den auftretenden physikalischen Lichtbogenauswirkungen nicht gewährleistet werden kann. Elektropraktiker, Berlin 57 (2003) 12 957 Schaltanlagen FÜR DIE PRAXIS Ausschnitte aus der Zeitlupenaufnahme der von der Firma Schümer durchgeführten Prüfung an einem Schaltschrank mit einer Testpuppe Vorschlag für die Gestaltung einer Gesichtsschutzschale

Autor
  • J. Vogler
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