Elektromüll: Reparieren statt wegwerfen
EU-Parlament fordert Maßnahmen gegen geplante Obsoleszenz
Nach jahrelanger Diskussion setzte das Europa-Parlament am 4. Juli 2017 ein Zeichen gegen vermeidbaren Elektromüll. Das Parlament verabschiedete eine Resolution gegen die geplante Obsoleszenz. Darin fordert es unter anderem eine robustere Bauweise sowie längere Mindestfunktionsdauern und eine leichtere Reparierbarkeit elektronischer Geräte. Ob daraus aber jemals ein Gesetz wird, steht in den Sternen.
Willkommen in der Wegwerfgesellschaft
Es ist ein bekanntes Phänomen: Kurz nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistung von zwei Jahren gibt der Fernseher den Geist auf, das Handrührgerät brennt durch und der Rasenmäher macht keinen Mucks mehr. Wenn eine Reparatur möglich ist, stehen die Kosten in keinem Verhältnis zum Preis für ein neues Gerät.
Mittlerweile werden viele Elektrogeräte so konstruiert, dass eine Reparatur nur mit großem Aufwand oder gar nicht möglich ist. Oftmals können Ersatzteile nicht beschafft oder die Geräte nicht zerstörungsfrei geöffnet werden. Viele Hersteller produzieren mittlerweile so günstig, dass es sich nicht lohnt, Ersatzteile zu bevorraten. Dazu kommen die kurzen Produktzyklen – gerade in der Unterhaltungselektronik werden ständig neue Geräte auf den Markt geworfen.
EU versucht einzugreifen
Die EU-Abgeordneten möchten Anreize schaffen, damit wieder mehr Geräte repariert werden. Das EU-Parlament will der der geplanten Obsoleszenz an den Kragen. Damit ist der Einbau von Schwach- und Sollbruchstellen in Geräte gemeint, um die Produktlebensdauer zu verkürzen.
Die geplante Obsoleszenz wurde inzwischen mehrfach nachgewiesen:
- Hersteller von Fernsehgeräten platzieren empfindliche Bauteile wie Kondensatoren gezielt neben Leistungsbauteilen, die über 100 °C warm werden. Das verkürzt deren Lebensdauer drastisch.
- Zahnräder aus Kunststoff werden gern in Kameras oder Handrührgeräten verbaut. Sie nutzen sich schneller ab, das Gerät ist dann nicht mehr zu gebrauchen.
Die Hersteller sollen verpflichtet werden, die Reparaturen z. B. durch einfach austauschbare Einzelteile zu ermöglichen. Das EU-Parlament fordert Mindeststandards für die Haltbarkeit von Elektrogeräten und Software und will Anreize für die Herstellung langlebiger und reparierbarer Produkte schaffen. Wesentliche Komponenten wie Batterien sollen nur dann fest eingebaut werden, wenn dies die Sicherheit erfordert.
Längere Einsatzzeit von Software
Bei Software sollen Hersteller in Zukunft eine Mindestdauer angeben, in der die Programme mit Sicherheits-Updates versorgt werden. Ein "angemessener Nutzungszeitraum" sei ebenfalls festzulegen. Neue Software müsse immer kompatibel zur vorherigen Generation sein, und der Nutzer soll die Möglichkeit haben, Softwareaktualisierungen rückgängig zu machen.
CDU, CSU und AfD gegen Kennzeichnungspflicht
Eine Initiative von Linken und Grünen im EU-Parlament scheiterte am Widerstand der konservativen Mehrheit im Parlament, zu der u. a. die deutschen EU-Abgeordneten von CDU, CSU, AfD und Freien Wähler gehören. Linke und Grüne forderten, eine freiwillige einheitliche Kennzeichnung der geschätzten Produktlebensdauer und der Reparaturfähigkeit einzuführen. Zudem sollten die Hersteller bei einer erwarteten Lebensdauer von unter fünf Jahren die Recyclingkosten der eigenen Produkte tragen. Das war für die Konservativen untragbar.
Schweden und Frankreich als Vorreiter
In Frankreich gilt seit 2015 die geplante Obsoleszenz als Betrug. Dort wird die absichtliche Verkürzung der Lebensdauer eines Produkts mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren und einer Geldstrafe von bis zu 300.000 Euro geahndet.
In Schweden gilt seit Anfang 2017 ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz auf Reparaturkosten. Dort werden nur noch 12 statt 25 Prozent berechnet. Den Arbeitslohn für Reparaturen kann man zur Hälfte steuerlich geltend machen.
Apple will nicht fremd reparieren lassen
In den USA sträuben sich viele große Unternehmen gegen den sogenannten Fair Repair Act. Mit diesem Gesetz soll die Reparatur von Geräten erleichtert werden. Firmen wie Apple, Verizon, Toyota, Lexmark, Caterpillar oder Medtronic würden demnach verpflichtet, Ersatzteile und Reparaturanleitungen auch an nicht autorisierte Serviceunternehmen zu verkaufen.
Durch die strengen Lobbygesetze in New York bekommt man einen Einblick, wie viel Geld die Unternehmen investieren, um das Gesetz zu verhindern. In Europa ist die Offenlegung der Lobbygelder aufgrund mangelnder Transparenzgesetze nicht möglich.
Apple argumentiert, dass es durch unsachgemäße Reparaturen zu Akkubränden in ihren Geräten kommen könnte. Die Sorge um das Wohlbefinden der Verbraucher dürfte bei Apple aber weniger im Vordergrund stehen. Der Konzern verdient kräftig an den Reparaturen. Häufig wird beim Austausch von Hardware ein Pauschalpreis verlangt. Für Reparaturen am Display nimmt Apple zwischen 160 und 180 Euro. Bei sonstigen Schäden kann der Apple-Nutzer mit 310 bis 410 Euro rechnen. Mit dem Fair Repair Act würde das Unternehmen nicht mehr solche Phantasiepreise verlangen können – das gilt es mit allen Mitteln zu verhindern.