Aus dem Facharchiv: Elektropraxis
Energie – Erzeugung, Handel und Transport (16)
Der Transport von Offshore-Windstrom von Nord- und Ostseeküste in den Süden Deutschlands erfordert einen innovativen Netzausbau. Eine der Optionen dafür ist die Technik der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ).
Wie bereits im vergangenen Beitragsteil beschrieben, ging dem Bau von Anlagen zur Stromübertragung über längere Strecken eine erbitterte Auseinandersetzung zwischen zwei amerikanischen Erfindern und Unternehmern voraus, wobei der eine, Edison, für seine Gleichstrom-Technologie kämpfte, während sein Gegner, Westinghouse, Wechselstrom favorisierte und sich damit auf breiter Front durchsetzte.
Wie in Amerika kam auch in Deutschland bald Wechselstrom zum Einsatz, so zum Beispiel, als im Jahr 1891 die Übertragung elektrischer Energie über eine Strecke von 176 km gelang, nämlich von Lauffen (südlich Heilbronn) nach Frankfurt – mit hochgespanntem 3-Phasen-Wechselstrom, kurz: Drehstrom. In der Folge blieben Drehstromerzeugung und -übertragung erste Wahl (Bild 1), da sie immer wieder ihre Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit unter Beweis stellten. Doch heute sind Drehstromnetze angesichts neuer bisher weniger beachteter Herausforderungen Gleichstromnetzen immer häufiger unterlegen.
Netzgeführte Hochspannungs-DC-Übertragung
Bei der Übertragung über weite Strecken sind einige spezielle Merkmale des Drehstroms zu bedenken: Wechselstrom baut in jedem Kabel und bei jeder Leitung im Rhythmus der Netzfrequenz kapazitive und induktive Widerstände auf, auch im unbelasteten Zustand, was vor allem bei großen Kabellängen zu merklichen Verlusten führt.
Im Gegensatz dazu muss eine Gleichstromverbindung unabhängig von der Belastung keine kapazitive oder induktive Blindleistung, sondern ausschließlich Wirkleistung übertragen. Kompensationsmittel wie Drosselspulen oder Kondensatoren, die bei langen Drehstromleitungen unverzichtbar sind und bei Seekabeln zu enormem Aufwand und hohen Kosten führen, entfallen bei Gleichstromübertragungen. Hinzu kommen signifikante Vorteile beim Kabel beziehungsweise bei der Freileitung: Gleichstromtechnik kennt keine Stromverdrängung im Leiter; in der Isolation entstehen keine dielektrischen Verluste; eine Erwärmung der Bewehrung durch Induktion ist ausgeschlossen.
Das alles bedeutet, dass für den Aufbau eines Gleichstromkabels für hohe Lasten ein geringerer Aufwand vonnöten ist als bei einem Drehstromkabel. Auch die Tatsache, dass eine Drehstromübertragung drei, eine Gleichstromübertragung hingegen nur zwei Leiter erfordert (wird die Erde als Rückleiter verwendet, reicht sogar einer), ist ohnehin als großer Vorteil für die HGÜ-Technik zu verbuchen.