Wasserstoff und Brennstoffzellen
Digitale Zwillinge in der Wasserstoff-Produktion
Wie kann die Digitalisierung mithilfe von "Digital Twins" die Massenproduktion von Wasserstoff durch Elektrolyseure unterstützen, um den steigenden Bedarf an grünem Wasserstoff zu decken? Über diese und weitere Fragen gibt Prof. Dr. rer. nat. Sebastian Lehnhoff, Vorstandsvorsitzender und Sprecher Bereichsvorstand Energie, OFFIS e. V., Auskunft.
Wie kann die Digitalisierung mithilfe von "Digital Twins" die Massenproduktion von Wasserstoff durch Elektrolyseure unterstützen, um den steigenden Bedarf an grünem Wasserstoff zu decken?
Großtechnische Wasserstoffelektrolyseure sind eine verhältnismäßig neue Technologie, die in der Fläche bislang noch nicht im Netz vorhanden ist. Elektrolyseure müssen daher von Anfang an überwacht werden, um neue Erkenntnisse für einen effizienten Betrieb zu gewinnen und große Mengen an Wasserstoff kostengünstig herstellen zu können. Daneben ist es für die Integration großer Kapazitäten an Elektrolyseuren in unser Stromnetz notwendig, diese netzdienlich einzusetzen, wozu sie flexibilisiert – also digitalisiert – werden müssen. Digitale Zwillinge sind daher parallel zu den technischen Anlagen erforderlich, um Elektrolyseure „in der Masse“ einsetzen zu können.
Welche Rolle spielt die Softwarearchitektur für digitale Zwillinge bei der Optimierung der Wasserstoffproduktion und der Verbesserung der Betriebsabläufe von Elektrolyseanlagen?
„Digitaler Zwilling“ ist ein schillernder Begriff, der in der Branche für viele unterschiedlich mächtige Konzepte verwendet wird – von der digitalen Anlagenkonfiguration über Simulationsmodelle bis hin zu Echtzeit-Abbildern einzelner Anlagen im Feld mit Live-Informationen über den aktuellen Zustand. Es ist daher unbedingt erforderlich, ein gemeinsames Verständnis für die unterschiedlichen Ausprägungen/Varianten digitaler Zwillinge zu schaffen und über Mindeststandards zu sprechen. Nur so können digitale Zwillinge unterschiedlicher Hersteller kombiniert und in Systemlandschaften zur übergeordneten Steuerung und Optimierung integriert werden. Das erreicht man am einfachsten über die Einigung auf Softwarearchitekturen und -standards – am besten Open Source.
Wie lassen sich mit digitalen Zwillingen von Elektrolyseuren sowohl langfristige als auch nahezu in Echtzeit Analysen durchführen, um eine schnelle Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse zu ermöglichen?
Ganz wesentlich für Analysen mittels digitaler Zwillinge sind Verfahren des maschinellen Lernens. Aus über lange Zeiträume gesammelter Messwerte lassen sich datengetriebene Modelle erstellen, mit denen sich Vorhersagen über das zukünftige Verhalten von Elektrolyseuren machen lassen können. Dahinter stehen jedoch rechenintensive Prozesse, die sich – modulare Softwarearchitekturen vorausgesetzt – bei Bedarf z. B. in die Cloud verlagern lassen. Für das Erkennen von Anomalien in Echtzeit verwenden wir Datenstromtechnologien – sogenanntes Stream Processing – um sofort beim Auftreten von Ereignissen reagieren zu können. Technisch kombinieren wir in unseren Projekten am OFFIS hierzu datengetriebene Modelle, die zwar auf Langzeitdaten trainiert wurden, dann aber z. B. zur Klassifikation direkt auf Datenströmen eingesetzt werden können, mit physiko-chemischen Modellen. Datengetriebene Modelle sind in der Anwendung typischerweise schneller, nicht aber beim Training. Dafür ist die Genauigkeit physiko-chemischer Modelle meist höher, sofern die Prozesse richtig verstanden und modelliert worden sind. Das ist bei neuen Elektrolyseurtechnologien noch nicht unbedingt der Fall.