Aus dem Facharchiv: Leseranfrage
Befähigung zu Elektroarbeiten
Kann ein Arbeitgeber einer gemeinnützigen Gesellschaft verlangen, dass angestellte Elektromeister auch Elektroarbeiten in den Mietobjekten des Trägers ausführen und ortsveränderliche Geräte prüfen müssen?
Frage:
Wir sind eine gemeinnützige Gesellschaft im Bildungsbereich mit mehreren Standorten. Ich bin Meister des Elektrotechnikerhandwerks, jedoch nicht im Installateurverzeichnis eingetragen, und in dieser Gesellschaft als Ausbilder für Elektroniker für Energie und Gebäudetechnik angestellt. Nun verlangt mein Arbeitgeber, dass ich auch Elektroarbeiten in den Mietobjekten des Bildungsträgers ausführen und ortsveränderliche Geräte prüfen soll. Es gibt keine verantwortliche Elektrofachkraft. Die Verantwortung für die Elektroanlagen ist nicht geregelt. Die Mietobjekte sind vom VNB an das Niederspannungsnetz angeschlossen. Es gibt im Unternehmen eine Elektrowerkstatt (Ausbildungswerkstatt), in der von mir Teilnehmer (Erwachsene) zum Elektroniker für Energie und Gebäudetechnik umgeschult werden. In der Vergangenheit habe ich auf Anweisung der Geschäftsleitung und des Sicherheitsbeauftragten die Prüfung der ortsveränderlichen Geräte durchführen müssen. Reparaturen ortsveränderlicher Geräte haben wir bisher im Rahmen der Ausbildung durchgeführt. Wie soll ich mich verhalten?
Antwort:
Der Anfragende ist leider mit den oben beschrieben Aufgabenstellungen (Problemen) nicht der Einzige in Deutschland, der sich mit solchen Konflikten konfrontiert sieht.
Eine nicht zu unterschätzende Anzahl Unternehmer/Arbeitgeber und ihre Sicherheitsfachkräfte haben das Thema Elektrosicherheit und die damit verbundenen Anforderungen immer noch nicht so richtig auf dem Radar.
Aus diesem Umstand kommt es vermehrt zu Irritationen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, so wie auch in diesem Fall.
Zunächst gilt, dass die sich aus der unzureichenden Regelung der innerbetrieblichen Sicherheit ergebenden Lücken und Schwächen als Organisationsverschulden dem Unternehmensinhaber/dem Arbeitgeber angelastet werden.
Es gibt aber auch die Verpflichtung der Beschäftigten und hier insbesondere der Führungskräfte, auf gegebene sicherheitsrelevante Defizite, die als erhebliche unmittelbare Gefahr zu Schäden führen können, hinzuweisen. Siehe § 16 ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz) [1].
Was zu tun ist. Grundsätzlich ist ein umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers aus der rechtlichen Zuordnung als zentraler Vorgesetzter, aber auch aus den verabredeten und verbindlichen Regelungen des Anstellungsvertrags gegeben.
Dieses Weisungsrecht findet jedoch dort seine Grenzen, wo den Beschäftigten (Arbeits-) Leistungen abverlangt werden, die rechtswidrig sind.
Ebenso zu beachten ist, dass die Verpflichtungen, die der Arbeitgeber den Beschäftigten auferlegt, von diesen auch beherrscht werden müssen.
§ 7 des ArbSchG [1] fordert: „Bei der Übertragung von Aufgaben auf Beschäftigte hat der Arbeitgeber je nach Art der Tätigkeit zu berücksichtigen, ob die Beschäftigten befähigt sind, die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Aufgabenerfüllung zu beachtenden Bestimmungen und Maßnahmen einzuhalten.“
Fachkunde. Die Fachkunde wird durch die Ausbildung und das Anreichern der Kenntnisse durch das Sammeln der Berufserfahrung erworben und mittels steter Fortbildung gepflegt. Dadurch wird das Fachwissen auf dem Niveau des gegenwärtigen Zeitpunktes gehalten.
Dies gilt auch für einen Elektromeister. Grundsätzlich ist der Leser als Ausbilder vom Arbeitgeber, durch regelmäßige Weiterbildung, in die Lage zu versetzen, seine Tätigkeit als Ausbilder auch nach den Regeln der Technik und Stand der Technik zu verrichten.
Wenn die zwingend erforderliche, regelmäßige Weiterbildung zum Erhalt der Fachkunde im Unternehmen des Anfragenden umgesetzt wird, sehen wir kein Problem für den Anfragenden, die Prüfung der ortsveränderlichen elektrischen Gräte/Arbeitsmittel in eigener Verantwortung zu übernehmen.
Im Vorfeld ist jedoch klar und deutlich im Unternehmen zu regeln, wer die Gefährdungsbeurteilung zur Prüffristenermittlung bewerkstelligt. Auch hierzu wird eine fachkundige Person, aus dem Bereich der Elektrotechnik, benötigt.
Durchführen von Elektroarbeiten. Hierbei ist grundsätzlich folgendes zu unterscheiden:
Handelt es sich um eine Instandhaltung der elektrischen Anlage?
Handelt es sich um eine Neuerrichtung, Änderung oder Erweiterung der elektrischen Anlage?
Bei dem Punkt 1 kann der Anfragende als Ausbilder/Elektromeister, mit aktuellen Kenntnissen der Regelwerke, zum Einsatz gelangen.
Mit dem Punkt 2. gehen viele Grundvoraussetzungen einher, die erfüllt werden müssen, wenn es sich bei der Einspeisung des Mietobjektes nicht um ein eigenes Versorgungsnetz handelt.
Da der Leser, laut seiner Anfrage, vom VNB an das Niederspannungsnetz angeschlossen ist, bedeutet dies für seinen Fall, dass er eine Eintragung in die Handwerksrolle benötigt.
Mit der ausgestellten Handwerkskarte muss der Anfragende eine Eintragung in das Installateurverzeichnis seines Verteilnetzbetreibers beantragen.
Erst nach erfolgter Eintragung und dem Besitz des Installateur-Ausweises, darf er rechtlich gesehen Neuerrichtung, Änderung oder Erweiterung einer elektrischen Anlage in den Mietobjekten vornehmen.
Fazit. Hier ist dem Anfragenden zu wünschen, dass der Arbeitgeber erkennt, dass sich seine Weigerungen, bestimmte Tätigkeiten nicht oder nicht ohne gesonderte Ergänzungen zu erfüllen, keinesfalls als querulatorisches Verweigern zu werten sind, sondern als Ausdruck seiner fachlichen Kompetenz und seines Verantwortungsbewusstseins, zu den eigenen Wissensgrenzen zu stehen, gesehen werden müssen. Gutes Gelingen dabei!
Autoren: S. Euler, H. Hardt
Literatur
[1] Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz ArbSchG) vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1246); zuletzt geändert durch Art. 293 V v. 19. 6. 2020 I 1328.
[2] Euler, S.; Hardt, H.: Befähigung zu elektrotechnischen Arbeiten Die Grenzen des Weisungsrechts, wenn es an der Organisation mangelt; Elektropraktiker, Berlin 74 (2020) 10, S. 752754.
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