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Aus dem Facharchiv: Elektropraxis
Bedeutung von Skin-Effekt und Oberschwingungen
06.04.2023
Im Zusammenhang mit den zusätzlichen Wärmeverlusten, die durch Oberschwingungen verursacht werden, wird oft auch der Skin-Effekt genannt – oder nach dessen Auswirkungen gefragt [1]. Doch hier sollte man getrost die Kirche im Dorf lassen – insbesondere in der normalen Elektroinstallationspraxis.
Der so genannte Skin-Effekt beschreibt die Tatsache, dass sich ein Wechselstrom über den Leiterquerschnitt ungleichmäßig verteilt: Nahe der Oberfläche ist die Stromdichte höher als zur Mitte des Leiters hin. Selbstverständlich ist dieser Effekt mithin von der Frequenz des Stroms und der Dicke des Leiters, ferner von dessen Form abhängig. Außerdem spielen die Leitfähigkeit und die magnetische Permeabilität des Leiterwerkstoffs eine Rolle. Da die Wärmeleistung in einem Leiter im Quadrat zum Strom steigt, nimmt die Erwärmung in der äußeren Schicht stärker zu als sie sich zur Mitte hin vermindert:
- Eine Verdopplung der Verlustwärme in der äußeren Hälfte des Leiterquerschnitts wird durch eine Halbierung der Verlustwärme in der inneren Hälfte zur Hälfte ausgeglichen – aber eben nur zur Hälfte, nicht ganz.
- Oder, anders ausgedrückt: Durch – im Extremfall – eine Verdopplung der Stromdichte in der äußeren Hälfte des Leiterquerschnitts steigt die Verlustwärme hier auf das Vierfache. Dies wird keineswegs dadurch ausgeglichen, dass für die innere Hälfte des Querschnitts nun gar kein Strom mehr übrig bleibt.
Erklärung des Skin-Effekts
Der Skin-Effekt wird oft auch als „Stromverdrängung“ bezeichnet. Die Begründung hierfür lautet, zwischen den äußeren Schichten des Leiters und seinem Inneren würden Wirbelströme induziert, die außen in Richtung des „eigentlichen“ Stromflusses flössen, in der Mitte aber in die Gegenrichtung. Somit sei die Summenstromdichte außen höher als innen. Dies wird mit prinzipiell immer den gleichen Zeichnungen illustriert (siehe als Beispiel Bild).Stromverdrängung?
Laut Wikipedia ist diese Erklärung jedoch unzutreffend [2]. In der Tat muss man sich fragen, ob überhaupt zusätzliche Ströme vorhanden sein müssen, oder ob die mit dem Quadrat zur Stromdichte steigende Verlustwärme die höhere Erwärmung des Leiters bei gleichem Strom nicht schon erklärt. Mit diesen Aspekten wird aber nicht argumentiert. Vielmehr finde eine Energie-Fortleitung nicht wirklich im Leiter, sondern durch das Magnetfeld außen herum statt, heißt es dort. Diese Erklärung der Physiker ist wieder einmal für die Techniker schwer verdaulich, da sich elektrische Leistung aus Spannung mal Strom errechnet. Magnetfelder aber rühren nur vom Strom her und werden von der Spannung ebenso wenig beeinflusst wie umgekehrt. Was ist denn dann bei Gleichstrom? Wird die Energie hier durch das Gleichfeld übertragen statt durch die Bewegung der Elektronen im Draht? Der Erklärung widersprechen auch die Formeln selbst, die das relative Ausmaß dieser „Verdrängung“ nur von der Geometrie des Leiters und der Frequenz des Stroms abhängig machen. Würde der Strom durch sein eigenes Magnetfeld „verdrängt“, müsste er sich selbst umso stärker verdrängen, je stärker er ist. So jedoch geben es die Formeln nicht wieder, sondern der Strom verteilt sich unabhängig von seiner Höhe – so widersprüchlich dies nun auch wieder klingen mag – immer „im gleichen Ausmaß ungleichmäßig“ über den Leiterquerschnitt, also:- Wenn das Zusammenspiel aus Leitfähigkeit des Werkstoffs, Geometrie des Leiterquerschnitts und Frequenz des Wechselstroms immer – bei jeder Stromstärke – dazu führt, dass in der Mitte des Leiters eine z. B. nur halb so hohe Stromdichte auftritt wie an der Außenfläche des Leiters, dann kann dieser Effekt nicht vom Magnetfeld dieses Stroms herrühren.
- Denn wäre dem so, dann müsste umgekehrt der „Verdrängungsfaktor“ bei stärkerem Strom relativ größer sein. Die lineare Abhängigkeit des Skin-Effekts von der Frequenz wiese dann auf eine lineare Abhängigkeit von der Flankensteilheit des Wechselstroms hin. Die Flankensteilheit steigt jedoch nicht nur linear mit der Frequenz, sondern auch linear mit der Stromstärke. Mithin müsste der Strom sich umso stärker selbst verdrängen, je stärker er ist (Scheitelwert bzw. Effektivwert). Davon aber liest man nirgends.