Betriebsführung
Zinsen rauf durch Rating?
ep3/2004, 3 Seiten
Refinanzierung, Zins und Risiko Aufgabe der Kreditinstitute ist das Verleihen von Geld, also die Vergabe von Krediten. Um Kredite vergeben zu können, brauchen die Banken Kapital, das sie sich zum größten Teil selbst leihen. Dieser Vorgang wird Refinanzierung genannt. Banken, bei denen sich Geschäftsbanken Geld leihen, um Kredite vergeben zu können werden unter dem Oberbegriff der Refinanzierungsbanken zusammengefasst (Bild ). Für die dort in Anspruch genommenen Kredite müssen durch die als Kreditnehmer auftretenden Geschäftsbanken Zinsen gezahlt werden, deren Höhe in Europa unmittelbar mit dem EZB-Leitzinssatz (Europäische Zentralbank) verknüpft ist. Da die Geschäftsbanken ihre eigenen Kosten erwirtschaften müssen, liegt der Zinssatz der an die Unternehmen ausgereichten Kredite natürlich deutlich über dem Zinssatz, zu dem die Bank sich das Geld geliehen hat. Aber diese Sichtweise auf das Problem ist unvollständig, weil unterstellt wird, dass der Kreditnehmer seinen eingegangenen Zahlungsverpflichtungen in voller Höhe und termingerecht nachkommt. Da dies in der Praxis aber nur in bestimmten Fällen (z. B. bei der Öffentlichen Hand) gegeben ist und durchaus das Risiko des Verlustes besteht, muss der Zinssatz um einen Betrag erhöht werden, der dieses Risiko berücksichtigt. Diese Erhöhung ist auch unter dem Begriff „Risikoprämie“ bekannt. Basel I und Basel II Da Kreditnehmer, die ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, die Existenz der kreditgebenden Banken und letztlich das Finanzsystem eines ganzen Landes gefährden können, ist seitens der Banken nach Wegen gesucht worden, diesem Risiko zu begegnen. Der in Basel unter Vorsitz des Präsidenten der New Yorker Federal Reserve Bank tagende Ausschuss von Vertretern der Zentralbanken und der nationalen Bank-Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 3 200 BETRIEBSFÜHRUNG Zentralbanken Refinanzierungsbanken Geschäftsbanken Kreditnehmer Geschäftsbanken decken ihren Kapitalbedarf über Refinanzierungsbanken Zinsen rauf durch Rating? Stichworte wie Rating und Basel II lösen häufig bei Inhabern von Handwerksunternehmen Unbehagen aus. Oft werden schlechtere Konditionen für Kredite befürchtet. Dass diese Angst nicht unbegründet ist, zeigt bereits ein Einblick in die Grundlagen des Ratings. aufsichtsbehörden der großen Industrienationen hat sich u. a. diese Aufgabe gestellt. Dieser Ausschuss ist zwar ein informelles Gremium ohne gesetzgeberische Kompetenz, aber mit sehr weitreichenden Empfehlungen, die auch in Gesetzen ihren Niederschlag finden. Dieses Gremium hat 1988 eine unter der Bezeichnung Basel I bekannt gewordene Empfehlung verfasst. In dieser Empfehlung wird die Berücksichtigung des Risikofators mit einer Forderung an die Höhe des Eigenkapitals der kreditnehmenden Bank verknüpft. Der Prozentsatz ist nach Basel I einheitlich auf 8 % festgesetzt. Bezüglich des Risikofaktors werden dort folgende Unterscheidungen vorgenommen: - Öffentliche Hand: 0 % - Kreditinstitute: 20 % - Sonstige Kreditnehmer: 100 %. Das hat zur Folge, dass bei Krediten an die Öffentliche Hand keine Unterlegung mit Eigenkapital nachgewiesen werden muss. Bei Krediten an eine andere Bank müssen 1,6 % und bei sonstigen Kreditnehmern 8 % der Kreditsumme als Eigenkapital nachgewiesen werden. Das heißt, alle sonstigen Kreditnehmer werden aus der Sicht der Refinanzierungsbanken einer Risikogruppe zugeordnet. Der Nachteil dieser Vorgehensweise liegt darin, dass die „guten“ Schuldner, das Risiko der „schlechten“ Schuldner mittragen. Man spricht gelegentlich auch von einer verdeckten Quersubventionierung. Diese Vorgehensweise wurde als nicht sinnvoll erachtet und soll nun geändert werden. Der Baseler Ausschuss suchte nach Wegen, die eine differenziertere Bewertung der Risiken erlauben. Auf der Suche nach geeigneten Möglichkeiten wurden seit 1999 verschiedene Arbeitspapiere veröffentlicht und diskutiert. Diese Arbeitspapiere sind unter dem Begriff Basel II bekannt geworden. Dabei zeichnen sich gegenwärtig folgende Tendenzen ab: - Es wird eine Differenzierung des Risikofaktors für die sonstigen Kreditnehmer angestrebt. - Um diese Differenzierung vornehmen zu können, muss eine Bewertung der Kreditnehmer erfolgen. Diese Herangehensweise lässt den Geschäftsbanken wenig Spielraum für eigene Entscheidungen und verlangt zwingend eine differenzierte Bewertung der Zahlungsfähigkeit ihrer sonstigen Kreditnehmer. Bei der gegenwärtigen Diskussionen ist unstrittig, dass eine Differenzierung des Risikofaktors vorgenommen wird, aber um das „wie“ der Differenzierung (z. B. Zusammenfassung von Kunden zu Gruppen) wird gestritten. Denn wenn eine Bank sehr viele Unternehmen mit einem hohen Risikofaktor als Kreditnehmer hat, wird eine höhere Eigenkapitalunterlegung gefordert, was letztlich deren Kredite verteuert und ihre Wettbewerbsposition verschlechtert. Ein weiterer Diskussionspunkt ist die Bewertung der Kreditnehmer, auch Rating oder Scoring genannt. In diesem Zusammenhang wird vor allem diskutiert wie bewertet werden soll, was bewertet werden soll und wer die Bewertung vornimmt. Ursprünglich war vorgesehen, die Bewertung der potentiellen Kreditnehmer generell durch externe Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 3 201 BETRIEBSFÜHRUNG Tafel Dafür könnte sich die Bank interessieren 1. Management · Qualität der Geschäftsführung · Qualität des Rechnungswesens 2. Markt/Branche · Branchen-/Marktentwicklung · Abnehmer-/Lieferantenstreuung · Export-/Importrisiken · Konkurrenzintensität · Produkte/Sortiment · Leistungsstandard 3. Kundenbeziehung · Kontoführung · Transparenz/Informationsverhalten 4. Wirtschaftliche Verhältnisse · Beurteilung des Jahresabschlusses · Gesamte Vermögensverhältnisse 5. Weitere Unternehmensentwicklung · Unternehmensentwicklung seit dem letzten Jahresabschluss · Unternehmensplanung · Ertragsplanung und künftige Kapitaldienstfähigkeit · besondere Unternehmensrisiken Rating-Agenturen erfolgen zu lassen. Dieser Vorschlag ist für kleinere Firmen so modifiziert worden, dass auch ein internes Rating durch die kreditgebende Geschäftsbank möglich ist. Weiche und harte Fakten zählen Dass kleine Firmen damit rechnen können durch die Hausbank geratet zu werden, sollte nicht zu der Schlussfolgerung führen, es würde alles beim Alten bleiben. Genügte es in der Vergangenheit noch wegen einer Finanzierung bei der Bank mit der Bilanz, der GuV-Rechnung und ggf. den Erläuterungen dazu und/oder einem Lagebericht vorstellig zu werden, wird das in Zukunft nicht mehr reichen (Tafel ). Trotz der Unterschiedlichkeit der verschiedenen Bewertungsverfahren ist sicher, dass künftig: · nicht nur die sogenannten „harten“ Faktoren, also die konkreten Zahlen der Analyse des Jahresabschlusses in die Bewertung einfließen, sondern auch „weiche“ Faktoren wie die fachliche/soziale Kompetenz des Firmeninhabers, Alter und Qualifikation der Mitarbeiter, Arbeitsorganisation, Beherrschung moderner Technologien etc. · nicht nur anhand der Ergebnisse aus der Vergangenheit gewertet wird, sondern auch, wie gut die Firma den aktuellen Anforderungen der Gegenwart (z. B. Auftragsvorlauf) entsprechen kann und wie die Zukunft (z. B. Erschließung neuer Marktsegmente etc.) vorbereitet wird. · weitestgehend formalisierte Bewertungsverfahren den subjektiven Entscheidungsspielraum des Bearbeiters bei der Bank (Analyst) einschränken werden. Aus der Bewertung einer Vielzahl von Details wird letztlich das abschließende Urteil gebildet, das für die Kreditkonditionen ausschlaggebend ist. Derzeit bestehen noch Unklarheiten bezüglich der · Gewichtung von „harten“ und „weichen“ Faktoren · Berücksichtigung von bisher erreichten Ergebnissen, dem aktuellen Zustand und künftigen Erwartungen sowie des · Entscheidungsspielraumes der Geschäftsbanken Eines ist aber sicher: Ein potenzieller Kreditnehmer wird der Bank (oder der Rating-Agentur) in einem größeren Ausmass Einblick in seine Firma gewähren müssen. Auch wenn über den Termin der Einführung von Basel II noch Unklarheiten bestehen, kann man davon ausgehen, dass die Bonitätsprüfung durch die Banken auch jetzt schon gründlicher und kritischer erfolgt, als noch vor Jahren. Rechtzeitig vorbereiten Wer also laufende Kredite bedienen muss oder in der nächsten Zeit neue Kredite aufnehmen möchte, sollte: - Kontakt zur Bank aufnehmen, um sich rechtzeitig über den zukünftigen Informationsbedarf des Kreditinstitutes Klarheit zu verschaffen - mit seinem Steuerberater gründlich die Ergebnisse der letzten Jahre analysieren und daraus - Schlussfolgerungen für seine künftige Arbeit ableiten. Die selbstkritische Auseinandersetzung mit der Qualität der eigenen Arbeit und den daraus resultierenden Ergebnissen wird künftig noch mehr im Mittelpunkt stehen. In diesem Sinne sind die neuen Anforderungen, die an eine Kreditgewährung geknüpft werden, eine Chance, weil gründlicher als bisher darüber nachgedacht werden muss, was betriebswirtschaftlich sinnvoll ist und Zukunft hat. In diesem Sinne ist jeder Firmeninhaber künftig mehr denn je nicht nur als Fachmann, sondern auch als Unternehmer gefordert. Fazit Bei Basel II geht es zwar in erster Linie um die Konditionen der Geschäftsbanken im Geldverkehr mit den Refinanzierungsbanken, aber die dort absehbaren Änderungen haben direkte Auswirkungen auf jeden Kreditnehmer. Basel II ist eine Herausforderung für alle Unternehmer. Es ist zu hoffen, dass diese neuen Bedingungen der Kreditgewährung hier und da dazu beitragen, dass künftig weniger Kredite für nicht tragfähige Vorhaben ausgereicht werden, die - aus der Not geboren - den Kreditnehmer letztlich in den wirtschaftlichen Ruin treiben. Als ein für die Elektrobranche angenehmer Nebeneffekt könnte sich die Tatsache erweisen, dass der Marktzugang für nicht wettbewerbsfähige Mitbewerber erschwert wird und damit der ruinöse Preiskampf vielleicht etwas gedämpft wird. H. Möbus Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 3 202 BETRIEBSFÜHRUNG
Autor
- H. Möbus
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