Elektrotechnik
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Installationstechnik
TN-S-System in Gebäuden mit IT-Anlagen
ep10/2005, 2 Seiten
LESERANFRAGEN TN-S-System in Gebäuden mit IT-Anlagen ? Vor 10 Jahren empfahl ich einem Kunden, das Hauptversorgungssystem in seinem 5-Familien-Wohnhaus von einer Hauptleitung NYM-J 4 x 16 mm2, NYA, Cu so zu ändern, dass jede Wohnung ihre eigene Hauptleitung NYM-J 4 x 16 mm2, Cu erhält. Sämtliche Zähler wurden im Hausanschlussraum im Keller montiert. Das Wohnhaus wird normal genutzt - sämtliche Mieter haben Computer und einfache Telefonanschlüsse. Es sind keine Geräte der Informationstechnik installiert. Meine damalige Entscheidung, keine 5-adrige Verdrahtung zu verwenden, beruhte unter anderem auf Empfehlungen aus der Literatur [1], des örtlichen VNB und der hier in Köln üblichen Praxis. Wegen diverser Abhandlungen im ep im letzten Jahr über Oberwellen, Schieflast, Nullleiterbelastung, Spannungsverschleppung usw. mache ich mir heute Vorwürfe, ob meine damalige Entscheidung richtig war. Die Anlage arbeitet bisher einwandfrei. Lediglich im Keller schaltet eine RCD mit einem I6N von 10 mA einen Stromkreis ab, wenn man den PE- mit dem Neutralleiter brückt. Sollte die mit viel Aufwand durchgeführte Installation wieder geändert werden? ! Literaturangaben. In der Tat heißt es in [1] noch: „Keine Lösung kann es sein, den fünften Leiter zur Vermeidung des PEN-Leiters generell zu verlegen.“ Diese Äußerung hat in (mindestens) einem Unterkomitee der DKE, das gerade mit den entsprechenden Anpassungen der Normen an die veränderten technischen Gegebenheiten befasst ist, ziemliche Bestürzung ausgelöst. Im Protokoll hieß es dann: „Konterkariert werden alle diese [unsere] Bemühungen allerdings - so wird aus dem Teilnehmerkreis berichtet - bedauerlicherweise durch eine Behauptung in [1], das TN-S-System sei eine überflüssige und unangemessen teure Maßnahme.“ Auch andere Autoren [2][3][4] treten für das TN-S-System ein. Gewerbliche Bauten. Mittlerweile sind aus der Praxis Fälle bekannt, in denen das TN-S-System gefordert wird: Als Mieter eines noblen neuen Büro-Hochhauses in Frankfurt/M. war die Citi-Bank vorgesehen. Bevor diese einzog, schickte sie jedoch einen Gutachter. Dieser stellte fest, dass das Gebäude bis zu jedem Stockwerksverteiler nach dem TN-C-System installiert war. Der Gutachter befand darauf hin aus der traurigen Erfahrung seines Alltags heraus, dieses Gebäude sei zum Einbau einer vernetzten EDV-Anlage ungeeignet. Daraufhin verweigerte die Citi Bank die Anmietung des Objekts. So wurde die gesamte Starkstrominstallation wieder herausgerissen - komplette neue Verteileranlagen wanderten auf den Schrott. Für die ausführende Firma war dies natürlich ein Desaster. Es wird weder die einzige Firma noch das einzige Desaster seiner Art bleiben, wenn man die Normungsarbeit jetzt nicht beschleunigt voran schreiten lässt. Derzeit wird nämlich an mehreren Stellen in der VDE 0100 das TN-S-System innerhalb des Gebäudes zwar empfohlen, aber nicht verlangt. Folglich wird weiterhin billig installiert - nicht kostengünstig, nicht preiswert, sondern eben einfach nur billig. Sobald aber dann eine informationstechnische Anlage nach VDE 0800 [5] installiert werden soll, trifft man im Abschn. 6.3 auf die Forderung: „Die Wechselstrom-Verteilungsanlage in einem Gebäude muss die Anforderungen eines TN-S-Systems erfüllen. Dies macht es erforderlich, dass im Gebäude kein PEN-Leiter vorhanden sein darf ...“ [5]. Was dann folgt, wenn die Energie-Verteilung bereits nach dem TN-C-System installiert wurde, ist weder kostengünstig noch preiswert - schon gar nicht billig (s. Citi Bank). Wohnhäuser. Die von Ihnen befürchteten Probleme konzentrieren sich bislang auf gewerbliche und Bürobauten. Je größer der Bau, um so eher können sie auftreten. Sie dagegen haben ein Wohnhaus installiert. Dort sind mir bisher keine derartigen Probleme bekannt geworden. Die entsprechenden Maßnahmen, wie TN-S-System ab Haus-Anschluss, werden dort aus reinen Vorsichtsgründen empfohlen. Noch kann man nicht genau abschätzen wie die Folgen sein werden, wenn erst einmal jede zweite Waschmaschine mit einem Stromrichtermotor und jede zweite Küche mit Induktions-Kochfeldern ausgestattet ist. Der Gleichzeitigkeitsfaktor ist bei diesen Geräten geringer als bei den Fernseh-Geräten und PCs, deren Auswirkungen auf das Netz derzeit diskutiert werden, doch die Anschlussleistung ist wesentlich höher. Auch ist die zur Anwendung kommende Technik anders, so dass eine Vergleichbarkeit nicht gegeben ist. In der zurzeit in Überarbeitung befindlichen Norm [6] wird das TN-S-System auch für Wohngebäude obligatorisch werden. Jedoch nur für neue Gebäude - weil es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme handelt, die, im Planungsstadium verwirklicht wenig kostet. Umrüstung einer Anlage. Wenn Sie Ihre 10 Jahre alte Installation jetzt nachträglich umrüsten, so dürfte dies 5- bis 10-Mal so teuer werden wie eine Neuanlage. Vor diesem Hintergrund ist es wohl wirtschaftlicher, die Nachrüstung zu verschieben, bis wirklich Probleme auftreten. Wer weiß, ob dies jemals der Fall sein wird? Ich würde mir darüber an Ihrer Stelle im Moment keine grauen Haare wachsen lassen. Sehr ermutigend ist jedoch, dass Sie als Praktiker an der Basis schon so weit für diese Probleme sensibilisiert wurden. Zudem haben Sie einen Stromkreis durch fünf Stromkreise gleicher Stärke ersetzt. Schon dadurch vermindert sich die Wahrscheinlichkeit von Störungen erheblich, denn diese beruhen zumeist auf den Spannungsfällen, die bestimmte Ströme in den Leitungen verursachen. Dieses Störpotential haben Sie bereits auf ein Fünftel reduziert bzw. vor allem den möglichen Einfluss von einer Wohnung auf die anderen gemindert. Als mögliche Störer kämen z. B. elektronische Durchlauferhitzer in Betracht. Diese Geräte arbeiten nicht nach dem Phasen-Anschnittprinzip. Sie verursachen also keine Oberschwingungen, schalten jedoch zwischen verschiedenen Heizelementekonfigurationen hin und her. Daraus resultieren unterschiedliche Gesamtleistungen (Stern/Dreieck, Reihe/parallel, einphasig, zweiphasig, dreiphasig). Das Ergebnis ist eine schnelle Folge größerer und kleinerer, symmetrischer und unsymmetrischer Lasten. Der Lastwechsel liegt etwa im Bereich einer Sekunde oder etwas darunter. Das ist völlig unkritisch bei reichlich bemessenen Querschnitten oder separaten Leitungen, aber Quelle möglichen Ärgernisses, hier klassischer Flickerstörung, bei „sparsamer“ Auslegung [7]. Auslösen der RCD. Dass die RCD auslöst, wenn Sie N- und PE-Leiter brücken, ist normal. Das dürfen Sie aber nicht tun, denn nach der Trennstelle des PEN-Leiters in einen Schutz-und einen Neutralleiter dürfen diese zwei Leiter nie wieder verbunden werden [8], Abschn. 546.2.3 - es sei denn für einen Funktionstest oder dergleichen. Bei solchen Experimenten kann übrigens allerlei Sonderbares zu Tage treten. Die RCD kann z. B. selbst dann noch auslösen, wenn alle Stromkreise spannungsfrei geschaltet sind - obwohl es sich um ein letztlich mechanisches Gerät handelt, das zumindest ein wenig Antriebsenergie benötigt. Auch solche Experimente finden Sie in [4] beschrieben. Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 10 754 LESERANFRAGEN Fragen an Liebe Abonnenten! Wenn Sie mit technischen Problemen kämpfen, Meinungsverschiedenheiten klären wollen oder Informationen brauchen, dann suchen Sie unter www.elektropraktiker.de (Fachinfo/Archiv). Finden Sie dort keine Antwort, richten Sie Ihre Fragen an: ep-Leserservice 10400 Berlin oder Fax: (030) 42 151-251 oder e-mail: elster@elektropraktiker.de Wir beraten Sie umgehend. Ist die Lösung von allgemeinem Interesse, veröffentlichen wir Frage und Antwort in dieser Rubrik. Beachten Sie bitte: Die Antwort gibt die persönliche Interpretation einer erfahrenen Elektrofachkraft wieder. Für die Umsetzung sind Sie verantwortlich. Ihre ep-Redaktion ELEKTRO PRAKTIKER Literatur [1] Vogt, D.: Elektro-Installation in Wohngebäuden. VDE-Schriftenreihe Bd. 45. 5. Auflage. Berlin und Offenbach: VDE Verlag 2001, S. 188. [2] Rudolph, W.; Winter, O.: EMV nach VDE 0100. VDE-Schriftenreihe Bd. 66. 3., vollständig überarbeitete Auflage. Berlin und Offenbach: VDE Verlag 2000. [3] Rudolph, W.: EMV-Fibel für Installateure und Planer. VDE-Schriftenreihe Bd. 55. Berlin und Offenbach: VDE Verlag 2001. [4] Fassbinder, S.: Netzstörungen durch passive und aktive Bauelemente. Berlin und Offenbach: VDE Verlag 2002. [5] DIN EN 50 310 (VDE 0800 Teil 2-310):2000, Abschnitt 6.3 Anwendung von Maßnahmen zur Erdung und Potentialausgleich in Gebäuden mit Einrichtungen der Informationstechnik. [6] IEC 60364-4-444 Protection for safety - Protection against voltage disturbances and measures against electromagnetic influences - Clause 444: Measures against electromagnetic influences. Derzeit bei CENELEC in Überarbeitung. [7] www.lpqi.org, Fernlehrkurs > Study > Szenario für Ingenieure > Einführung in die Oberschwingungen (3.1) > Schritt 24 [8] VDE 0100 Teil 540:1991-11 Errichten von Starkstromanlagen mit Nennspannungen bis 1000 V; Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel; Erdung, Schutzleiter, Potentialausgleichsleiter. S. Fassbinder Anschluss eines PEN-an einen PE-Leiter ? Von einem vorhandenen Gebäude, in dem das TN-C-S-System angewendet wird, soll für ein neues Gebäude eine Zuleitung über ein NYY-J 4 x70 mm2 erfolgen. Ist es zulässig, die grün-gelbe Ader im vorhandenen TN-C-S-System an den PE anzuschließen und im weiteren als PEN zu nutzen? Oder muss eine weitere Ader nachgezogen werden? Wenn ja, welche Farbe sollte diese haben? ! Ihre Anfrage ist nicht so klar gestellt, um darauf eine eindeutige Antwort zu geben. Wenn die Anfrage so zu verstehen ist, dass in der Verteilung, an der das abgehende Kabel angeschlossen werden soll, ein TN-C-S-System vorhanden ist, dann würde der (diese Verteilung speisende PEN-Leiter) PEN-Leiter an eine PEN-Schiene angeschlossen sein. Diese PEN-Schiene bleibt innerhalb des Verteilers eine PEN-Schiene, da diese PEN-Schiene nicht in eine PE- und N-Schiene aufgeteilt werden muss (bei Querschnitten der Schiene größer 10 mm2 nicht gefordert). Von dieser PEN-Schiene wird (z. B. wegen der dadurch einfacheren Messung des Isolationswiderstands) eine N-Schiene abgezweigt (siehe Bild ). Somit bestehen keine Bedenken den abgehenden PEN-Leiter des Kabels für das neue Gebäude an dieser PEN-Schiene anzuschließen. Ob die Speisung eines neuen Gebäudes mit einem TN-C-System aus EMV-Gründen noch Stand der Technik ist, soll hier nicht bewertet werden. Ich hätte keine Bedenken, wenn dann innerhalb dieses Gebäudes ein TN-S-System realisiert wird. Ist der Verteiler im neuen Gebäude ein Verteiler mit getrennter Schutzleiter- und Neutralleiterschiene, dann muss die Verteilung im neuen Gebäude so geändert werden, dass die PE-Schiene als PEN-Schiene zu deklarieren ist. Von dieser PEN-Schiene muss die vorhandene N-Schiene abgezweigt werden (wie vorher beschrieben). Der PEN-Leiter in der neuen Zuleitung kann dann an die PEN-Schiene angeschlossen werden. Kann der neue Verteiler nicht in der beschriebenen Form geändert werden (z. B. weil der Kunde auf einem TN-S-Verteiler besteht), · müsste ein neues Kabel verlegt werden oder · ein Leiter hinzuverlegt werden. Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 10 755 LESERANFRAGEN
Autor
- S. Fassbinder
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