TN-S-System in der Landwirtschaft
Eine große Hilfe ist diese Begriffsbestimmung aber nicht. Auch in einigen anderen Teilen der Gruppe 7 von DIN VDE 0100 (VDE0100) wird der Begriff „Speisepunkt“ verwendet, jedoch gibt es in diesen Teilen ebenfalls nur ungenaue Festlegungen.
So ist im Teil 740 von DIN VDE 0100 (VDE 0100) [3] diesbezüglich festgelegt, dass der Speisepunkt an den Abgangsklemmen des Verteilers, in den eingespeist wird, beginnt. Auch im Teil 710 von DIN VDE 0100 (VDE 0100) [4] gibt es eine analoge Festlegung. Dort ist u. a. festgelegt, dass ab dem den Transformatoren und Stromquellen folgenden Hauptverteiler das TN-S-System auszuführen ist, also vergleichbar mit [3]. Unter Beachtung dieser Festlegungen könnte auch der in der Anfrage angeführte Kabelverteilerschrank gemeint sein.
Nach Rücksprache mit einigen Mitarbeitern des Unterkomitees für die Norm [1] hat sich ergeben, dass man davon ausgehen kann, dass als Speisepunkt die erste Verteilung der elektrischen Anlage in einem Gebäude (von der aus die einzelnen Stromkreise und/oder Unterverteiler gespeist werden) zu betrachten ist, sodass bis zu diesen Hauptverteilungen ein TN-S-System nicht gefordert ist
Somit wäre das erste Problem (TN-C-Zuleitung) gelöst. Jedoch kommt nun ein ganz anderes Problem hinzu. Im Abschnitt 705.422.7 von [1] (der nach der bisherigen Nummerierung dem Abschnitt 482.1.7 entsprach) wird gefordert, dass für den Brandschutz Fehlerstrom- Schutzeinrichtungen (RCDs) vom Typ S (zeitverzögert) mit einem Bemessungsdifferenzstrom IΔN von maximal 300 mA vorgesehen werden müssen.
Für diese Forderung gibt es aber keine Ausnahmen, wie sie z. B. in [1], Abschnitt 705.411.1, zweiter Aufzählungsstrich, grau schattiert, für die Verteilungsstromkreise enthalten sind. Als Alternative ist es lediglich möglich, Differenzstrom- Überwachungsgeräte (RCMs) nach DIN EN 62020 (VDE 0663) [5], gekoppelt mit einem Schaltgerät, deren Versorgungsspannung vom speisenden Netz unabhängig ist, anzuwenden, wenn es Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) mit entsprechend großem Bemessungsstrom nicht gibt. Alternativ darf auch eine erdschluss- und kurzschlusssichere Verlegung von Kabeln und Leitungen nach DIN VDE 0100-520 [6] vorgesehen werden.
Einerseits kann man nicht behaupten, dass es Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) nicht mit entsprechend großem Bemessungsstrom gibt (so betrachtet ist die Festlegung in der Norm irreführend). Dies gilt auch dann, wenn Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) nach DIN EN 61008-1 (VDE 0664-10) [7] normativ auf 125 A begrenzt sind, da Leistungsschalter mit zugeordnetem Fehlerstrom-Auslöser (CBRs) nach DIN EN 60947-2 (VDE 0660- 101) [8], Anhang B, die Außen- und Neutralleiter vom Netz trennen, fast ohne Begrenzung des Stromes eingesetzt werden können.
Andererseits erfüllen Mehrleiter-Kabel/-Leitungen die Anforderungen nach „erd- und kurzschlusssicherer Verlegung“ nach Abschnitt 521.13c von [6] aber nur dann, wenn sie gegen mechanische Beschädigung geschützt, nicht in der Nähe brennbarer Stoffe verlegt und zugänglich sind.
Fazit: Die Zuleitungen zu den Hauptverteilern in den einzelnen Ställen dürfen aus meiner Sicht als TN-C-Abgänge ausgeführt werden, wenn die jeweiligen Hauptverteilungen der Ställe in Räumen untergebracht sind, die nicht als feuergefährdete Betriebsstätten zu betrachten sind. Zudem dürfen die Mehrleiter- Kabel/-Leitungen zu den Verteilungen nicht in der Nähe brennbarer Materialien verlegt sein, müssen zugänglich bleiben und auch gegen mechanische Beschädigung geschützt werden. Für den Abschnitt/Bereich der Kabel, die im Erdreich verlegt sind, lässt sich der letzte Absatz des Abschnitts 521.13 von [6] als Erleichterung/Erlaubnis heranziehen. Das bedeutet, die Verlegung in Erde gilt als gleichwertig mit der kurzschluss- sowie erdschlusssicheren Verlegung. Das setzt aber voraus, dass diese Alternative der erd- und kurzschlusssicheren Verlegung überhaupt anwendbar ist.
Den Punkt bezüglich der Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) würde ich aber wiederum dadurch entkräften wollen, dass in der für den Brandschutz relevanten Norm, zurzeit noch DIN VDE 0100-482 [9], der Abschnitt mit dem „Bemessungsstrom“ bei Fehlerstrom- Schutzeinrichtungen (RCDs) etwas positiver festlegt ist (vermutlich wurde dieser Abschnitt nicht richtig in [1] übernommen). Der Abschnitt 482.1.7 von [9] lautet wie folgt:
„Wenn bei bestimmten Anwendungsfällen Fehlerstrom- Schutzeinrichtungen (RCDs) nicht eingesetzt werden können, z. B. weil der Betriebsstrom des zu schützenden Stromkreises größer ist als der größte Bemessungsstrom der Fehlerstrom- Schutzeinrichtung (RCD), ist auf folgende Maßnahmen zurückzugreifen:
- Verwendung von Leistungsschaltern mit zugeordnetem Fehlerstrom-Auslösern (CBRs) nach DIN EN 60947-2 (VDE 0660-101), Anhang B, die Außenleiter und Neutralleiter vom Netz trennen;
- Verwendung von Differenzstrom-Überwachungsgeräten (RCMs) nach DIN EN 62020 (VDE 0663), netzspannungsunabhängig mit Schaltgeräten, z. B. Leistungsschalter;
- erdschluss- und kurzschlusssicheres Ver - legen von Kabeln und Leitungen (siehe DIN VDE 0100-520 (VDE 0100-520):2003-06).
Demnach sind Leistungsschalter mit zugeordnetem Fehlerschutz eine der Alternativen zur erd- und kurzschlusssicheren Verlegung. Ungeachtet dessen müssen – wie auch in der Anfrage angeführt – die von den Hauptverteilern in den Ställen abgehenden Endstromkreise, über die Steckdosen versorgt werden, unabhängig vom Bemessungsstrom durch Fehlerstrom- Schutzeinrichtungen (RCDs) mit einem maximalen Bemessungsdifferenzstrom von 30 mA geschützt werden. Die Stromkreise zu den Unterverteilern und zu Endstromkreisen ohne Steckdosen (mit fest angeschlossenen Verbrauchsmitteln) müssen durch Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) mit einem Bemessungsdifferenzstrom nicht größer als 300 mA geschützt werden.
Letztlich muss der Anfragende entscheiden, wie er vorgehen möchte, wenngleich ich die Norm nicht so restriktiv auslegen würde. Es besteht auch noch die Möglichkeit, eine entsprechende Anfrage an das zuständige UK zu stellen, um eine allgemeingültige Aussage zu erhalten. Hierzu hat jeder Normenanwender das Recht.
Quellen
DIN VDE 0100-705 (VDE 0100-705):2007-10 Errichten von Niederspannungsanlagen Teil 7-705: Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art Elektrische Anlagen von landwirtschaftlichen und gartenbau - lichen Betriebsstätten.
DIN VDE 0100-200 (VDE 0100-200):2006-06 Errichten von Niederspannungsanlagen Teil 200: Begriffe.
DIN VDE 0100-740 (VDE 0100-740):2007-10 Errichten von Niederspannungsanlagen Teil 7-740: Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art Vorübergehend errichtete elektrische Anlagen für Aufbauten, Vergnügungseinrichtungen und Buden auf Kirmesplätzen, Vergnügungsparks und für Zirkusse.
DIN VDE 0100-710 (VDE 0100-710):2002-11 Errichten von Niederspannungsanlagen. Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art Medizinisch genutzte Räume.
DIN EN 62020 (VDE 0663):2005-11 Elektrisches Installationsmaterial. DifferenzstromÜberwachungsgeräte für Hausinstallationen und ähnliche Verwendungen (RCMs).
DIN VDE 0100-520 (VDE 0100-520):2003-06 Errichten von Niederspannungsanlagen Teil 5: Auswahl und Errichtung von elektrischen Betriebsmitteln Kapitel 52: Kabel- und Leitungsanlagen.
DIN EN 61008-1 (VDE 0664-10):2010-01 Fehlerstrom-/ Differenzstrom-Schutzschalter ohne eingebauten Überstromschutz (RCCBs) für Hausinstallationen und für ähnliche Anwendungen Teil 1: Allgemeine Anforderungen.
DIN EN 60947-2 (VDE 0660-101):2010-04 Niederspannungsschaltgeräte Teil 2: Leistungsschalter.
DIN VDE 0100-482 (VDE 0100-482):2003-06 Errichten von Niederspannungsanlagen Teil 4: Schutzmaßnahmen Kapitel 48: Auswahl von Schutzmaßnahmen Hauptabschnitt 482: Brandschutz bei besonderen Risiken oder Gefahren.
- W. Hörmann
Downloads
Laden Sie diesen Artikel herunter