Regenerative/Alternative Energien
PV-Anlagen - Haftung des Elektrofachbetriebs
ep12/2006, 2 Seiten
den Müller an. Deshalb ist zu hinterfragen: Wie ist der Kaufgegenstand beschrieben, was genau ist vereinbart (Beispiel 1)? TIPP: Will der Fachbetrieb sich die Wahl des Herstellers offen halten, sollte er insoweit keine Vereinbarung treffen, sondern sich um die Zustimmung des Bestellers bemühen, noch bevor er vom Auftrag abweicht. Was die Vertragsparteien vereinbart haben, das ist der erste und zugleich zuverlässiger Maßstab für die Beantwortung der Frage, ob ein Sachmangel besteht. Den Auftrag genau zu formulieren, lohnt immer, kann doch gerade auch die Haftung des Betriebs für Mängel durch exakte Wortwahl sachlich eingegrenzt werden. Eignung der Sache Für den vertraglich vereinbarten Verwendungszweck Wenn die Parteien eines Kaufvertrags nach dem Vertrag einen bestimmten Verwendungszweck der Sache voraussetzen, dann ist die Kaufsache mangelfrei, wenn sie dem vertraglich vorausgesetzten Verwendungszweck tatsächlich entspricht (Beispiel 2). TIPP: Um Streit zu vermeiden, empfiehlt sich, die Vorstellungen eines Kunden sorgsam zu berücksichtigen und nicht schweigend hinzunehmen - etwa um die Auftragserteilung nicht zu gefährden. Der Betrieb hätte schreiben können: „Ob alle vorhandenen oder künftige Stromverbraucher überhaupt oder gleichzeitig betrieben werden können, kann nicht zugesagt werden“ oder: „Die Eignung der Anlage für bestimmte Zwecke des Bestellers ist nicht Vertragsinhalt.“ Für die gewöhnliche Verwendung Vereinbaren die Parteien nichts Besonderes und ist ein nach dem Vertrag vorausgesetzter Verwendungszweck erfüllt (oder nicht feststellbar), dann ist eine Kaufsache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet. In die gekaufte Bohrmaschine muss man einen Bohrer einspannen können. Sie muss bohren können. Eine Solarstromanlage wäre objektiv ungeeignet, wenn die Kabelquerschnitte deutlich zu gering bemessen sind, oder wenn im Außenbereich ein Wechselrichter installiert wird, der seiner Bauart nach nur für den Innenbereich geeignet ist. In letzterem Fall wird die PV-Anlage für den Winterbetrieb ungeeignet Elektropraktiker, Berlin 60 (2006) 12 1007 BETRIEBSFÜHRUNG PV-Anlagen - Haftung des Elektrofachbetriebs Bevor eine Photovoltaikanlage vom Elektrofachbetrieb errichtet wird, ist es sinnvoll, mit dem Kunden einen genau formulierten Auftrag abzuschließen. Ob der Kunde später berechtigt einen Sachmangel beanstanden kann, wird dann hauptsächlich an dieser konkreten Vereinbarung gemessen. Aufwändigen Rechtsstreitigkeiten kann damit vorgebeugt werden. Schuldrechtsreform in der Praxis In der über hundertjährigen Geschichte des deutschen Schuldrechts war die Reformbedürftigkeit unabweisbar geworden. Hinzu kam die Schubkraft der europäischen Richtlinien über den Verbrauchsgüterkauf, den Zahlungsverzug und den elektronischen Handel. Hier war die Umsetzung der Richtlinien in deutsches Recht gefordert. Nach vielen Jahren der Vorbereitung ist am 01.01.2002 das modernisierte deutsche Schuldrecht in Kraft getreten. Es hat für Verbraucher und Unternehmer zu einschneidenden Änderungen geführt. Nach rund fünf Jahren bestimmt das neue Schuldrecht nun den Alltag der Verbraucher, Unternehmer und der Gerichte. Kunde droht mit Auftrag Herr Müller (Musterkunde) möchte eine Photovoltaik (PV)-Anlage erwerben. Investieren will er, wenn die ausersehene PV-Anlage das Geld wieder einspielt, das er auszugeben bereit ist. Da kommt der Elektrofachbetrieb gerade recht. Der Kunde fordert einen technischen Vorschlag an, was für eine PV-Anlage auf seinem Dach anzubringen wäre. Darüber hinaus möchte er wissen, was das kostet und welche finanziellen Erträge sie ihm bringt. Meistens geht es ja gut, und der Kunde zahlt. Wenn sich jedoch der Kunde Müller vom ehemals freundlichen Auftraggeber in einen nervenden Nörgler verwandelt und vor allem dann nicht zahlt, sieht die Situation schon anders aus. Der Kunde Müller behauptet beispielsweise, die Anlage funktioniere nicht. Sie liefere zu wenig Strom. Bevor das nicht in Ordnung gebracht sei, werde er nicht zahlen. So oder ähnlich mag dann für den Betrieb eine lange Leidensgeschichte beginnen, an deren Ende das kühle Urteil eines Gerichts steht. Der Inhaber des Elektrofachbetriebs mag sich fragen, was hätte er am Anfang besser machen können? Bereits in diesen Anfängen können Fehler liegen, die später zu Verstimmung oder kostspieligen Rechtsstreitigkeiten führen können. Doch schon im Vorfeld eines Vertrages kann man diesen Querelen vorbeugen. Vielleicht hätte der Inhaber des Betriebs Genaueres über das Gewährleistungsrecht wissen und sich vorsichtiger verhalten können. Sachmängelhaftung Weil der Begriff Gewährleistung weithin üblich ist, wird er hier gleichbedeutend mit dem korrekten Begriff der Sachmängelhaftung verwendet. Wie auch schon vor der Schuldrechtsreform gibt es auch weiterhin den gesetzlich geregelten Kaufvertrag und den Werkvertrag. Bei beiden Vertragsarten muss die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln sein. Sonst ist der Vertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt. Rechtsmängel werden hier außer Betracht gelassen. Es interessiert hier vielmehr die Antwort auf die Frage: Wann ist eine Sache mangelhaft? Der Gesetzgeber hat dazu Kriterien aufgestellt. Eine Sache ist mangelhaft, wenn sie · nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat · für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck ungeeignet ist · für die gewöhnliche Verwendung ungeeignet ist · nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Beschaffenheit üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass ein Mangel auch dann anzunehmen ist, wenn der Kunde eine andere Sache als die bestellte erhält, wenn zu wenig geliefert wird, wenn die vereinbarte Montage unsachgemäß oder eine Montageanleitung mangelhaft ist. Vereinbarung hat Vorrang Die gekaufte Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie zum Zeitpunkt der Übergabe bzw. der Ablieferung (Gefahrübergang) die vereinbarte Beschaffenheit (Soll-Beschaffenheit) hat. Es kommt daher auf den Inhalt des Vertrags zwischen dem Elektrofachbetrieb und seinem Kun-Beispiel 1: Im Auftrag werden ausdrücklich Solarmodule eines bestimmten Herstellers vereinbart. In diesem Fall ist es dem Fachbetrieb verwehrt, die Module eines anderen Herstellers zu verbauen. Die Verwendung der Module eines anderen Herstellers wäre ein Sachmangel, auch wenn andere Module gleiche oder gar bessere Leistungsdaten aufweisen. Beispiel 2: Der Betrieb und Herr Müller besprechen den zu erwartenden Stromertrag der PV-Anlage als Inselsystem für sein Ferienhaus. Die Anlage soll so viel Strom liefern, dass das Haus ausreichend versorgt ist. Es gebe dort eine Geschirrspülmaschine. Der Anbieter nimmt das zur Kenntnis. Er sagt nichts, wendet sich aber auch nicht dagegen. Eine genaue Leistung der Anlage wird nicht besprochen und nicht vereinbart. Nach Inbetriebnahme der PV-Anlage zeigt sich, dass sie zwar störungsfrei arbeitet. Sie ermöglicht auch eine ausreichende Innenbeleuchtung des Hauses. Aber die Geschirrspülmaschine kann nicht betrieben werden. Das begründet einen Sachmangel der PV-Anlage. Die Leistung für den vertraglich vorausgesetzten Verwendungszweck reicht nicht aus. EP1206-1000-1008 21.11.2006 10:28 Uhr Seite 1007 sein. Auch durch noch so „schlaue“ Vertragsformulierungen wird der Elektrofachbetrieb nicht umhin kommen, eine objektiv geeignete PV-Anlage zu liefern. Insoweit ist in erster Linie Technik, nicht Juristisches gefragt. Übliche und erwartbare Beschaffenheit der Sache Schließlich liegt ein Mangel auch dann vor, wenn die Sache nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Wenn hinsichtlich der Kaufsache konkret nichts vereinbart wurde und wenn sich die Sache für die gewöhnliche Verwendung eignet, dann könnte sie immer noch von der üblichen und erwartbaren Beschaffenheit abweichen. Zu dieser letzten Stufe des Mangelbegriffs gehören: · die Vielzahl der Planungs- und Ausführungsmängel einer PV-Anlage · Material- und Montagefehler, z. B. rostende Halterungen für die auf Dach montierten Solarmodule, nicht passgenaue Steckverbinder der Modulverkabelung, Solarmodule, die zu nahe an einen verschattenden Schornstein montiert werden, obwohl man Abstand halten konnte, defektes Einspeisungsgerät, falsch angeschlossener Wechselrichter, Fabrikationsfehler des Wechselrichters. Die Art der in Betracht kommenden Mängel scheint unbegrenzt. Rechte des Kunden Wenn der Elektrofachbetrieb feststellt, dass sein Kunde Müller einen Mangel der PV-Anlage zu Recht beanstandet hat, worauf muss der Betrieb sich einrichten, wann wird es für ihn teuer? Keine Sorge, auch wenn die gelieferte PV-Anlage mangelhaft ist, muss man nicht gleich mit dem Schlimmsten rechnen. Die Schuldrechtsreform hat ein fein austariertes System wechselseitiger Rechte und Pflichten eingeführt. In einer Gesamtbewertung ist zwar zu sagen, dass die Rechte des Käufers bzw. Werkbestellers gestärkt wurden. Doch auch die Position des gewährleistungspflichtigen Verkäufers bzw. Werkunternehmers wurde in einem wichtigen Punkt verbessert. Recht auf Nacherfüllung Nach dem seit 2002 geltenden neuen Kaufrecht kann der Käufer vom Verkäufer Nacherfüllung verlangen. Der Käufer kann wählen zwischen Neulieferung (Nachlieferung) der Kaufsache oder Nachbesserung (Reparatur des Mangels). Der Verkäufer muss die vom Käufer getroffene Wahl nicht widerspruchslos hinnehmen. Er besitzt ein Ablehnungsrecht, wenn die vom Käufer gewählte Art der Nachbesserung nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich ist (Beispiel 3). Die Aufwendungen der Nacherfüllung trägt der Elektrofachbetrieb als Verkäufer. Hierzu gehören die Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten. Aber auch die Aufwendungen des Käufers müssen diesem ersetzt werden, besonders der Aufwand zum Auffinden der Mangelursache, wenn sich ein Mangel ergibt. Schaltet der Erwerber der PV-Anlage einen Sachverständigen ein und findet dieser einen Mangel (nur dann!), sind dem Käufer die Kosten des Sachverständigen zu ersetzen. Dagegen muss der Käufer die Kosten der Nachbesserung selbst tragen, wenn er den Mangel beseitigt hat, ohne dies zuvor vom Verkäufer zu verlangen. Rücktritt oder Preisminderung Kostspielig kann es für den Fachbetrieb werden, wenn dem Käufer der PV-Anlage das Recht zusteht, auf Grund eines Sachmangels den ganzen Vertag rückgängig zu machen. Dies bedeutet nämlich, dass der Betrieb den empfangenen Kaufpreis zurückzahlen und die ausgelieferte und montierte Anlage entfernen muss. Wegen der wirtschaftlich einschneidenden Folgen hat der Gesetzgeber dem Käufer nicht ein beliebiges Rücktrittsrecht eingeräumt. Vielmehr kann der Käufer (auch der Werkbesteller) vom Vertrag nur zurücktreten, wenn dem Betrieb zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt wurde. Herr Müller, der verärgerte Kunde, kann demnach nicht im Zorn sogleich vom ganzen Vertrag zurücktreten. Ernst wird es aber, fiele es Herrn Müller ein, dem Betrieb eine Frist zur Nacherfüllung (Beseitigung eines Mangels) zu setzen. Ist die Frist angemessen und ist sie ohne Nacherfüllung abgelaufen, ist der Rücktritt zulässig. Das bedeutet: Kann oder will der Betrieb die ihm gesetzte Frist nicht einhalten, ist dem Betrieb mit Ablauf der Frist die Entscheidung aus der Hand genommen, nun doch noch nacherfüllen zu wollen. Die Entscheidung kann jetzt Herr Müller als Käufer treffen - gegen den Willen des Betriebs. Da heißt es für den Elektrofachbetrieb Acht zu geben, wenn ihm eine Frist gesetzt wurde. Schnell ans Telefon, die Frist einvernehmlich verlängern lassen und die Verlängerung schriftlich bestätigen. Rücktrittsrecht. Kann Herr Müller vom Vertrag auch ohne Setzen einer Nacherfüllungsfrist zurücktreten? Unter bestimmten Umständen kann er das. Wenn der Elektrofachbetrieb eine Nachbesserung zum zweiten Mal erfolglos versucht hat, muss Herr Müller als Käufer keinen dritten Nachbesserungsversuch dulden. Er kann ohne Fristsetzung zurücktreten. Der Kunde kann sich statt zum Rücktritt dazu entschließen, den Mangel der Anlage hinzunehmen, jedoch bei nachträglich vermindertem Kaufpreis. Auch diese Preisminderung erfordert eine zuvor gesetzte angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels, die ergebnislos abgelaufen ist. Der Kunde kann demnach nicht erklären, er lege keinen Wert auf Nacherfüllung. Er wolle sogleich den Preis mindern. Der Kunde muss dem Betrieb grundsätzlich die Möglichkeit bieten, einen Mangel zu beheben, um sich dadurch den vollen Kaufpreisanspruch zu erhalten. Ersatz von Schäden oder Aufwendungen Entsteht Herrn Müller als dem Erwerber der PV-Anlage aus deren Mangelhaftigkeit ein Schaden, kann er diesen vom Elektrofachbetrieb ersetzt verlangen. Wohl gemerkt, es geht dann um Schäden als Folge eines Mangels - Mangelfolgeschäden. Der Käufer kann vom Verkäufer verlangen, dass dieser den Vertrag nacherfüllt und obendrein einen etwa entstandenen Schaden ersetzt. Was gilt, wenn der Käufer zwar keinen direkten Schaden, jedoch Aufwendungen hatte, die sich als nutzlos erweisen? Die Verpflichtung, dem Käufer vergebliche Aufwendungen ersetzen zu müssen, hat die Schuldrechtsreform neu eingeführt. Allgemein formuliert, handelt es sich um solche Aufwendungen, die im Vertrauen auf eine mangelfreie Sache getätigt wurden und nutzlos sind, weil die Sache mangelhaft ist (Beispiel 4). U. Gollob Elektropraktiker, Berlin 60 (2006) 12 1008 BETRIEBSFÜHRUNG Photovoltaikanlage am Bundeskanzleramt Foto: BSW/Langrock Beispiel 3: Der Wechselrichter ist defekt. Der Kunde verlangt einen neuen Wechselrichter. Der Elektrofachbetrieb stellt fest, dass er selbst den Fehler durch Austausch eines Bauteils beheben könnte. Die Reparatur kostet nur ein Fünftel des Preises für einen neuen Wechselrichter. Der Kunde besteht auf einen neuen Wechselrichter. Er habe zur Anlage sonst kein Vertrauen mehr. Es kommt zu Streit. Wer hat Recht? Der Elektrofachbetrieb wird im Recht sein, wenn er im Streitfall nachweisen kann, dass die Beschaffungskosten für das defekte Bauteil wesentlich geringer sind als die Kosten eines neuen Wechselrichters, und wenn der Käufer keinen Nachteil durch die Reparatur des Geräts erleidet. Es kommt stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Beispiel 4: Herr Müller lässt den Erwerbspreis für die PV-Anlage von seiner Bank finanzieren und tritt später auf Grund eines Mangels vom ganzen Vertrag zurück. Dann sind die Finanzierungskosten nutzlose Aufwendungen, die der Elektrofachbetrieb zu ersetzen hat, wenn der Rücktritt berechtigt war. Herr Müller muss sich aber entscheiden: entweder Schadensersatz oder Aufwendungsersatz. Beides nebeneinander geht nicht. EP1206-1000-1008 21.11.2006 10:28 Uhr Seite 1008
Autor
- U. Gollob
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