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Elektrotechnik | Elektrosicherheit | Installationstechnik | Schutzmaßnahmen | Erdung und Potentialausgleich

Potentialausgleich in einer Kläranlage

ep3/2019, 4 Seiten

Wir sind als Firma beauftragt worden, den Potentialausgleich am Belebungsbecken einer Kläranlage neu zu errichten bzw. zu reparieren. Hierzu habe ich nun einige Fragen: 1.) Sind auch elektrisch leitfähige mechanisch bewegliche Teile mit in den Potentialausgleich einzubeziehen? Im speziellen Fall handelt es sich um ein Hebezeug, welches drehbar in einer entsprechenden Halterung (Hülse) gelagert ist. 2.) Sind in der Rohrleitung eingebaute Schieber o. ä. mit einer Potentialausgleichsleitung zu überbrücken, auch wenn diese elektrisch leitfähig mit der Rohrleitung verschraubt sind?


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Vorab sollten einige Dinge klargestellt werden:

1. In der Antwort soll nicht geklärt werden, was man maximal tun kann, um jegliche Gefahr zu beseitigen. Stattdessen soll aufgezeigt werden, was entsprechende Normen oder andere technische Regelwerke fordern. Anforderungen aus VDE-Normen können meist als allgemein anerkannte Regeln der Technik angesehen werden, die einen in der Regel ausreichenden Mindestschutz beschreiben. Selbstverständlich kann der Planer bzw. Errichter jederzeit und in jedem Fall mehr tun, wenn er dies möchte. Möglicherweise verlangt auch eine konkrete Gefährdung, dass der Mindestschutz, den eine VDE-Norm beschreibt, erweitert oder ergänzt werden muss. Das gilt dann natürlich nie pauschal, sondern ausschließlich für einen konkreten Einzelfall. Die Notwendigkeit, mehr zu tun als das, was in Normen gefordert wird, kann also nur vor Ort und unter Berücksichtigung der konkreten Gefährdung bewertet werden.

2. Leider geht aus der Anfrage nicht eindeutig hervor, ob auf oder an der drehbaren Hebevorrichtung elektrisch betriebene Einrichtungen vorhanden sind. Die Antwort muss also diesbezüglich allgemein ausfallen.

3. Es ist weiterhin nicht klar, ob im beschriebenen Anlagenbereich Blitzschutzmaßnahmen gefordert werden (vor allem Blitzschutz-Potentialausgleich) und ob unter Berücksichtigung dieser Frage auch der Explosionsschutz eine Rolle spielen könnte, weil sich die beschriebenen Teile möglicherweise in einer Ex-Zone befinden oder in diese hineinragen. Auch hier muss die Antwort möglichst allgemein gehalten werden.

Zu Frage 1. Es gibt im Wesentlichen vier Gründe, einen umfassenden Potentialausgleich vorzunehmen:

  1. Weil dies im Zusammenhang mit der Schutzmaßnahme „Automatische Abschaltung der Stromversorgung“ nach DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410)[1], Abschnitt 411 gefordert wird. Diese Maßnahme wird in der Norm „Schutzvorkehrung“ genannt. Die genaue Bezeichnung dieser Schutzvorkehrung ist „Schutzpotentialausgleich über die Haupterdungsschiene“.

  2. Weil es Anforderungen an einen zusätzlichen Schutzpotentialausgleich nach DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410)[1], Abschnitt 415.2 gibt (z. B. wegen Anforderungen aus Normen der Reihe 700 aus DIN VDE 0100).

  3. Weil ein umfassender Blitzschutz gefordert wird (z. B. weil der Betreiber dies fordert, oder das Baurecht oder die Betriebssicherheitsverordnung, siehe TRBS 2152 Teil 3 [2]).

  4. Weil aus Gründen einer geeigneten Elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) nach DIN EN 50310 (VDE 0800 2-310) [3] ein umfassendes und vermaschtes Potentialausgleichssystem gefordert wird (z. B. im Leistungsverzeichnis einer Ausschreibung).

Zu a). Die Anforderungen nach Punkt a) werden am Ort der Energieeinspeisung im Zusammenhang mit der Errichtung der Haupterdungsschiene erfüllt. Deshalb wird diese Schutzvorkehrung auch „Schutzpotentialausgleich über die Haupterdungsschiene“ genannt. Ziel dieser Schutzvorkehrung ist es, alle leitfähigen Teile, die von außen in das Gebäude oder in den betrachteten Bereich eingeführt werden, untereinander zu verbinden, damit das Potential der äußeren Erde nicht eingeführt werden kann (siehe hierzu die Ausführungen in VDE-Schriftenreihe Band 35, 8. Auflage, Abschnitte 3.1 bis 3.3 [4]). Bei einer drehbaren Hebevorrichtung ist es wohl eher unwahrscheinlich, dass diese Erdpotential in den Anlagenbereich einführt. Diese Anforderung kann sich also nicht auf den in der Leseranfrage beschriebenen Fall beziehen.

Zu b). Eine pauschale Anforderung an einen zusätzlichen Schutzpotentialausgleich in jedem Gebäude oder in allen Betriebsbereichen gibt es nicht. Vielmehr muss der zusätzliche Schutzpotentialausgleich stets konkret in einer Norm oder anderen technischen Regelwerken gefordert sein. Folgende Fälle können beispielsweise eine Rolle spielen:

  • Die maximalen Abschaltzeiten für die Schutzmaßnahme „Schutz durch automatische Abschaltung im Fehlerfall“ nach DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410)[1], Abschnitt 411.3.2 können (z. B. bei zu großen Leitungslängen) nicht eingehalten werden. In diesem Fall kann das dadurch entstehende erhöhte Risiko nach DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410)[1], Abschnitt 411.3.2.6 durch einen umfassenden Schutzpotentialausgleich beseitigt werden.

  • In einer Norm, die Anforderungen für irgendeine konkrete Anlage enthält, wird ein solcher zusätzlicher Schutzpotentialausgleich gefordert (siehe z. B. bei Schwimmbädern nach DIN VDE 0100-702 (VDE 0100-702)[5], Abschnitt 702.415.2).

  • Behördliche oder gesetzliche Regelungen fordern einen zusätzlichen Schutzpotentialausgleich für irgendeine konkrete Anlage.

  • Der Anlagenbetreiber oder sein Planer fordert dies (aus welchen Gründen auch immer) im Leistungsverzeichnis zu einer Ausschreibung.

Der erstgenannte Fall (Zeiten werden nicht eingehalten) kommt eher selten vor. Sollte einmal tatsächlich durch eine zu große Schleifenimpedanz die Abschaltzeit für den Schutz durch automatische Abschaltung nicht gewährleistet sein, wählt man in der Regel für die Abschaltung eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD), die schon bei geringen Fehlerströmen eine frühzeitige Abschaltung bewirkt. Dies gilt erst recht für TT-Systeme, die ohnehin so gut wie immer für die automatische Abschaltung eine RCD benötigen.

In VDE-Normen werden Kläranlagen beim Blitzschutz (z. B. DIN EN 62305-2 Beiblatt 2 (VDE 0185-305-2 Beiblatt 2)[6]) oder beim Explosionsschutz (z. B. DIN EN 60079-14 (VDE 0165-1)[7]) beschrieben. Pauschale Aussagen zum zusätzlichen Schutzpotentialausgleich in sämtlichen Bereichen einer Kläranlagen nach DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410)[1] findet man nicht. Hier muss von Fall zu Fall entschieden werden, ob möglicherweise eine erhöhte Gefährdung vorliegt. Dies kann aber nur eine Entscheidung sein, die vor Ort im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung getroffen werden kann. Verantwortlich für derartige Bewertungen ist stets der Betreiber. Bei dem beschriebenen Gerät (mobile, drehbare Hebeanlage) ist eine besondere Gefährdung kaum vorstellbar. Wenn für den gesamten Bereich eine solche Gefährdung angenommen wird, so ist die fragliche Hebeanlage konstruktionsbedingt bereits in den vorhandenen zusätzlichen Schutzpotential direkt (bei geringem Übergangswiderstand an der unteren Halterung) oder indirekt (bei größerem Übergangswiderstand an der unteren Halterung) einbezogen. Ob von der Hebeanlage selbst eine Gefährdung (gefährliche Potentiale usw.) ausgeht, ist fraglich bzw. eher unwahrscheinlich.

Behördliche Regelungen zu Kläranlagen gibt es. Als Beispiel soll hier die technische Richtlinie Nr. 5.1 der Stadtentwässerung Dresden [8] erwähnt werden. Dort wird im Abschnitt 2.1.7.1, Absatz 2, Zusätzlicher Schutzpotentialausgleich, folgendes festgelegt: „Ein Zusätzlicher Schutzpotentialausgleich ist auszuführen

  • bei Orten mit erhöhten Risiko z. B.

    • Beckenanlagen und Gerinne, sowie auf Brückenräumern

    • Ersatzstromversorgungsanlagen

    • Explosionsgefährdete Bereiche

    • Blitzschutzanlagen

    • Schieber und Betriebsschächte

  • wenn die festgelegten Bedingungen für das automatische Abschalten (0,2-0,5 s) als Schutz bei indirektem Berühren nicht erfüllt werden können (z. B. Schweranlauf).“


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Literatur

[1] DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410):2018-10 Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4-41: Schutzmaßnahmen – Schutz gegen elektrischen Schlag.

[2] TRBS 2152 Teil 3:2009-09 Technische Regeln für Betriebssicherheit – Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre – Vermeidung der Entzündung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre.

[3] DIN EN 50310 (VDE 0800-2-310):2017-02 Telekommunikationstechnische Potentialausgleichsanlagen für Gebäude und andere Strukturen.

[4] Schmolke, H.: Potentialausgleich, Fundamenterder, Korrosionsgefährdung – DIN VDE 0100, DIN 18014 und viele mehr; VDE-Schriftenreihe – Normen verständlich Band 35, 8., komplett überarbeitete Auflage 2013.

[5] DIN VDE 0100-702 (VDE 0100-702):2012-03 Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 7-702: Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art – Becken von Schwimmbädern, begehbare Wasserbecken und Springbrunnen.

[6] DIN EN 62305-2 Beiblatt 2 (VDE 0185-305-2 Beiblatt 2):2013-02 Blitzschutz – Teil 2: Risiko-Management – Beiblatt 2: Berechnungshilfe zur Abschätzung des Schadensrisikos für bauliche Anlagen.

[7] DIN EN 60079-14 (VDE 0165-1):2014-10 Explosionsgefährdete Bereiche – Teil 14: Projektierung, Auswahl und Errichtung elektrischer Anlagen.

[8] Technische Richtlinie Nr. 5.1. in der Fassung v. 02.07.2015, Stadtentwässerung Dresden.

[9] DIN EN 61140 (VDE 0140-1):2016-11 Schutz gegen elektrischen Schlag – Gemeinsame Anforderungen für Anlagen und Betriebsmittel.

[10] DIN EN 50310 (VDE 0800-2-310):2017-02 Telekommunikationstechnische Potentialausgleichsanlagen für Gebäude und andere Strukturen.


Autor
  • H. Schmolke
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