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Normen und Vorschriften | Installationstechnik | Elektrotechnik

In der Praxis nicht bestanden: Jahrhundert-Installationen

ep8/2002, 2 Seiten

Berlin-Charlottenburg ist ein Bezirk, in dem die Elektrotechnik und die Berliner Elektroindustrie groß geworden sind. In seinen Häusern gibt es noch Installationen aus jener Zeit, sie verrichten immer noch ihren Dienst. Gute, solide handwerkliche Arbeit vollbrachten unserer Fachkollegen, natürlich auf dem Niveau der damaligen Normen und Anforderungen. Leider kümmert sich mancher heute herzlich wenig darum, diese Tradition des Elektrohandwerks fortzusetzen.


Altinstallationen Viele Häuser in Berlin-Charlottenburg wurden noch mit einer Gasbeleuchtung ausgestattet, als sie vor etwa 100 Jahren errichtet wurden. Manche von ihnen erhielten das elektrische Licht erst in den zwanziger Jahren, und es sind nicht wenige, in denen heute noch Leitungen und Schalter aus dieser Zeit zu finden sind. In den folgenden Jahrzehnten wurde dann erweitert und modernisiert, Stückchen um Stückchen, je nach Lust, Laune und Geldbeutel. In manchen Häusern findet man nun eine interessante Ausstellung über fast ein Jahrhundert Geschichte der Elektroinstallation: · Rohrdraht, Porzellanabzweigdosen und Sicherungselemente von 1925 (Bild ), · LS-Schaltern von 1940 bis 2002 in Verteilern von 1960 und 1980 (Bild ), · Stegleitungen mehrerer Jahrzehnte in den verschiedensten Arten der Verlegung (Bild ), · Schalter und Steckdosen von 1925 und 1995. Teilweise existiert nur ein Stromkreis für die ganze Wohnung. Wohnräume und Küche haben oft nur eine Steckdose und einen Leuchtenauslass. Im Bad ist teil-Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 8 662 Report In der Praxis nicht bestanden Jahrhundert-Installationen Berlin-Charlottenburg ist ein Bezirk, in dem die Elektrotechnik und die Berliner Elektroindustrie groß geworden sind. In seinen Häusern gibt es noch Installationen aus jener Zeit, sie verrichten immer noch ihren Dienst. Gute, solide handwerkliche Arbeit vollbrachten unserer Fachkollegen, natürlich auf dem Niveau der damaligen Normen und Anforderungen. Leider kümmert sich mancher heute herzlich wenig darum, diese Tradition des Elektrohandwerks fortzusetzen. Alte Installation etwa aus den 20er Jahren, noch betriebsfähig, solange sie nicht bewegt oder voll belastet wird Verteiler - neun nicht benutzte Sicherungselemente, ein 16-A-LS-Schalter, von dem über zwei abgehende Leitungen das Bad und der Rest der Wohnung versorgt werden Defekte Stegleitung auf dem Hängeboden; berührbare Leitungsadern Eigeninstallation des Mieters, um seine etwa 12 Elektrogeräte über die eine Steckdose des Raums versorgen zu können weise keine Steckdose. Man muss den Hut ziehen vor der Elektrotechnik, denn der Strom fließt tatsächlich. Muss es denn Ausrüstungsnormative nach DIN 18 005 geben? Wozu bemüht sich die HEA, zwischen normal, besser und luxuriös mit unterschiedlichen Ausstattungen zu unterscheiden? Wie man sieht, es geht auch so, über fast ein Jahrhundert. Bei einigen Hausbesitzern wohl auch noch länger. Problematisch wird es allerdings sehr oft, wenn eine solche alte Elektroinstallation zu erweitern oder zu reparieren ist. Die nachstehenden zwei Beispiele zeigen, wie ohne Sinn und Verstand und ohne Verantwortungsbewusstsein gearbeitet wird. Arcostraße Eine der alten Abzweigdosen hatte mit Blitz, Donner und einem zerstörerischen Kurzschluss ihren Geist aufgegeben. Kein Wunder, irgendwann wurde den Schlitz- /Sackklemmen von 1927 die Belastung mit dem Strom aller Elektrogeräte, einschließlich zweier PCs samt Peripherie und der Beleuchtung von zwei Wohnräumen zuviel (Bild ). Dass eine Reparatur nicht möglich war, konnte der herbeigerufene Mitarbeiter eines Elektrofachbetriebs sofort erkennen. Die Adern der Rohrdrähte waren nunmehr zu kurz, deren Isolierung zerbröselte unter den Fingern und die Porzellanabzweigdosen mit ihren Sackklemmen waren nicht mehr verwendbar. Es blieb also kein anderer Weg, einige Leitungsstrecken und Abzweigdosen mussten ausgewechselt werden, um die alte Installation (zweiadrig, klassische Nullung) der Räume wieder mit dem Wohnungsverteiler (TN-C-System) zu verbinden. Wie das erfolgte zeigt Bild . Abgesehen von der eigenartigen Schönheit dieser Installation waren Aderleitungen der Berührung zugänglich, die alten Rohrdraht-Leitungen abgeknickt, um sie in die Dosen einführen zu können und die neuen Mantelleitungen wurden teilweise gar nicht oder im Freiluftverfahren befestigt. Ein Bild des Jammers. Wie sagt der Schöpfer dieser Installation dann auch selbst: „Das hätten wir wohl nicht so machen dürfen“. Mommsenstraße Die Mieterin hatte nach langem Streit dem Vermieter einige zusätzliche Steckdosen für die Großgeräte der Küche abgerungen. Der mit dieser Erweiterung beauftragte Elektrofachbetrieb bemerkte, dass die bisher zur Versorgung der Küche eingesetzten Stegleitungen nicht weiter verwendet werden konnten. Es wurde daher ein neuer Stromkreis für die Küchensteckdosen vorschriftsmäßig installiert. Soweit so gut. Dass die ganze Installation der Wohnung mit dieser uralten Stegleitung ausgeführt worden war - noch dazu normenwidrig installiert auf und unter der Scheuerleiste, quer über eine Tür samt Türfüllung, teilweise offen zugänglich - konnte nicht übersehen werden (Bild ). Diese Altinstallation wurde auch „fachmännisch“, mit Kopfschütteln, betrachtet. Dass die Umhüllungen samt den Aderisolationen teilweise stark beschädigt waren und die blanken Leiter hervorguckten - ein für den Mieter lebensgefährdender Zustand - ist dem geschulten Blick des Elektroinstallateurs sicherlich nicht entgangen. Dem Mieter wurde geraten, das doch beseitigen zu lassen. Kein Wort zu dem nötigen sofortigen Abschalten dieser Installation. Keine nachdrückliche Sofort-Mitteilung gegenüber dem Vermieter. Fazit In beiden Fällen sind die Hausbesitzer ihrer Pflicht nach BGB § 536 zum Erhalt des sicheren Zustands der Installation nicht nachgekommen. Offensichtlich waren diese markanten Mängel der Anlagen für die dort tätigen Elektrofachkräfte auch kein Grund, um nachdrücklich Alarm zu schlagen. Sie haben ihre Verantwortung für die Elektrosicherheit ihrer Kunden nicht wahrgenommen. Ein Kommentar zur Qualität ihrer fachlichen Arbeit und zu ihren Arbeitsergebnissen (Bild ) erübrigt sich. Schon des Öfteren wurde über diese Art Verantwortungslosigkeit, Pfusch, Geldschneiderei und fehlende Aufsicht durch die Verantwortlichen berichtet. Offensichtlich umsonst. Ja, so arbeiten Hauswirte, Elektrofachbetriebe und -fachkräfte, und sicher nicht nur in Berlin-Charlottenburg. Und wieder fragen wir, praktisch hilflos, aber doch nicht hoffnungslos: „Geht das keinen etwas an? Was machen die Elektroinnungen, um derartiges einzudämmen, anzuprangern, wenn sie es schon nicht verhindern können?“. K. Bödeker Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 8 663 Report Teilweise erneuerte Installation, deren Zustand weder ästhetisch, noch bezüglich der handwerklichen Qualität, noch bezüglich der Normen, den Mindestanforderungen entspricht. Alte defekte Leitungen wurden weiter verwendet; Berührungsschutz, Funktionssicherheit und Isoliervermögen sind nicht gegeben. Normwidrige Verlegung von Stegleitungen - fast durchweg der Einwirkung von Fußtritten, Möbelbewegungen usw. ausgesetzt, unvorschriftsmäßig mit Nägeln und auch auf bewegbaren Holzteilen befestigt, so beschädigt, dass für die Bewohner eine Gefährdung bezüglich elektrischem Schlag und Brand besteht.

Autor
  • K. Bödeker
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