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Elektrotechnik

In der Praxis nicht bestanden - Garantenverantwortung

ep5/2001, 2 Seiten

Eine Elektrofachkraft sah bei Installationsarbeiten in einem alten

Bauernhaus (Arbeitsauftrag eines privaten Bauherrn), dass die in

Eigenleistung durchgeführten Elektroinstallationsarbeiten allen

Regeln der Elektrotechnik widersprachen (ep 11/2000, S. 999).

Der Beitrag behandelt, wie sich die Fachkraft in desem Fall verhalten

soll und welche rechtlichen Gesichtspunkte zu beachten sind.


Praxisfall Die Leitungen einer in Eigenleistung durchgeführten Elektroinstallation „hingen wie Wäscheleinen“, Schalter und Verbindungsdosen waren lose oder offen. Zuleitungen zu einem Warmwasserspeicher waren frei durch Stroh verlegt. Es gab ungeschütze Klemmverbindungen usw. Die Elektrofachkraft fühlte sich verpflichtet, den Auftraggeber auf die Gefahrensituation aufmerksam zu machen - erst mündlich, dann schriftlich. Der Bauherr äußerte, er habe bereits Kontakt mit einer Elektroinstallationsfirma aufgenommen. Eine Rückfrage bei der benannten Firma ergab, ein solcher Auftrag lag nicht vor. Die Elektrofachkraft verständigte daraufhin das zuständige EVU. Zu dieser Vorgehensweise hielt sich die Elektrofachkraft aus moralischen und rechtlichen Gründen verpflichtet. Sie ist aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit mit den Gefahren des elektrischen Stroms vertraut und muss elektrotechnische Laien vor Schaden bewahren. Offensichtlich waren jedoch nicht alle dieser „hehren“ Meinung. Der Bauherr erstattete Anzeige wegen „falscher Verdächtigung“ (§ 164 StGB) und „Verleumdung“. Der Staatsanwalt leitete deswegen ein Ermittlungsverfahren ein. Das Strafverfahren wurde jedoch eingestellt, weil der Staatsanwalt in der Handlung der Elektrofachkraft ein „einmaliges Fehlverhalten“ sah. Aus dem Einstellungsbeschluss: „Sollten Sie erneut strafrechtlich in Erscheinung treten, müssen Sie damit rechnen, dass die öffentliche Klage gegen Sie erhoben wird“. Zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft Es sollen hier keine Mutmaßungen darüber aufgestellt werden, ob (wenn es zu einem Gerichtsverfahren gekommen wäre) die Verhaltensweise der Elektrofachkraft vom Gericht ebenso beurteilt worden wäre, wie es die Staatsanwaltschaft mit der recht sonderbaren Begründung getan hat. Das ist schon deshalb nicht sinnvoll, weil jeder Fall anders liegt und vom Gericht individuell beurteilt werden muss. Da jedoch im deutschen Strafrecht die Schuldfrage eine entscheidende Rolle spielt („ohne Schuld keine Strafe“), kann man folgende generelle Aussage machen: Auf keinen Fall kann einer Elektrofachkraft ein Schuldvorwurf gemacht werden, wenn sie das zuständige EVU über derart gravierende Mängel informiert. Die „Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden“ (AVBElt V) gibt dem EVU zwar das Recht, „den Kunden auf erkannte Sicherheitsmängel aufmerksam zu machen und Beseitigung zu verlangen“ (§ 14, Abs.1), sie verpflichtet aber nicht eine außenstehende Elektrofachkraft zu einer diesbezüglichen Meldung. Jedoch kann ein „im Installateurverzeichnis eines EVU eingetragener Installateur“ (§ 12, Abs.1 AV-BElt V) sich durchaus als ein sog. „informeller Interessenvertreter“ des EVU betrachten. Der Entscheidung des EVU darüber, „die Versorgung fristlos einzustellen, ... um eine unmittelbare Gefahr für Leben und Sicherheit von Personen oder Anlagen abzuwenden“ (§ 33 AVBElt V), wird dadurch nicht vorgegriffen. Sieht eine Elektrofachkraft über einen solchen Missstand einfach hinweg, wäre es sogar denkbar, dass ihr bei einem eingetretenen Unfall oder Schaden unter rechtlichen Aspekten der Vorwurf gemacht werden könnte, untätig geblieben zu sein und dadurch schuldhaft eine Mitursache für den Schaden gesetzt zu haben. Diese Fragen, die den Rahmen der Thematik dieses Artikels sprengen würden, sollen hier jedoch nicht weiter vertieft werden. Wichtiger ist es, die Elektrofachkraft über die verschiedenen Konstellationen aufzuklären, bei denen sich für sie eine „Rechtspflicht zum Handeln“ ergeben kann. Weil sie als „Garant“ im Rechtssinne anzusehen ist, ist sie daran interessiert, zu erfahren, wie sie sich „rechtssicher“ verhalten soll. Rechtliche Aspekte zur Garantenstellung Das Gesetz bezeichnet als „Garant“ denjenigen, der rechtlich dafür einzustehen hat, „dass ein Schaden nicht eintritt“ (§ 13 StGB). Eine solche „Rechtspflicht zum Handeln“ besteht dann für 1. jedermann, wenn ein Tätigwerden gesetzlich vorgeschrieben ist. Das ist für relativ wenig Fälle, z. B. für den Tatbestand der „unterlassenen Hilfeleistung“ (§ 323b StGB), als sog. „echtes Unterlassungsdelikt“ geschehen. 2. einen begrenzten Personenkreis, der eine besondere Rechtsbeziehung zu Menschen oder Sachen hat. Hier spricht man vom sog. „Beschützergaranten“ oder „Überwachungsgaranten“. Eine durch Untätigkeit verursachte Schadensfolge wird als sog. „unechtes Unterlassungsdelikt“ bezeichnet. Zu 1.: Hier ist jedermann unter rechtlichen Aspekten zum Tätigwerden verpflichtet, soweit es für ihn möglich und auch zumutbar ist, ohne sich selbst zu gefährden. Diese Verpflichtung besteht nur für Unglücksfälle, die bereits eingetreten sind oder mit deren Eintritt unmittelbar zu rechnen ist. Das Gleiche gilt bei einer „allgemeinen Notlage“. Da beides im geschilderten Fall nicht gegeben ist, besteht hier auch insoweit keine Rechtspflicht zum Handeln. Abgesehen von moralischen und menschlichen Aspekten könnte sich eine Elektrofachkraft aus rechtlicher Betrachtungsweise „bedeckt halten“ , also untätig bleiben. Zu 2.: Für eine Elektrofachkraft könnte sich aber eine Rechtspflicht zum Tätigwerden ergeben, wenn sie sich in einer Position befindet, die sie hierzu zwingt. Dann könnten die Voraussetzungen eines „unechten Unterlassungsdelikts“ gegeben sein. Im Falle eines eingetretenen Schadens für Personen oder Sachen könnte der Elektrofachkraft vorgeworfen werden, in ihrer Rechtsposition als „Beschützer- oder Überwachungsgarant“ ihrer Rechtspflicht zum Tätigwerden unterlassen zu haben. Handlungspflichten der Fachkraft als „Garant“ Was muss eine Elektrofachkraft tun, um ihre Pflichten aus rechtlicher Sicht verantwortungsbewusst zu erfüllen? 1. Beispiel Eine Gefahrensituation steht mit der Ausführung des erteilten Auftrags in unmittelbarem Zusammenhang. Hier ist die Elektrofachkraft in vollem Umfang verantwortlich. Nicht nur für die eigene Arbeitsweise und die ihrer Mitarbeiter (Fürsorgepflicht), sie muss auch Gefahren für fremde Personen („Dritte“) ausschließen. Das ergibt sich aus den ihr obliegenden „Verkehrssicherungspflichten“ für den von ihr übernommenen auftragsbezogenen Tätigkeitsbereich. Zu diesen, aus dem Auftragsverhältnis übernommenen Pflichten gehört auch „das Umfeld“. Die Elektrofachkraft darf sich zur Gewährleistung der Elektro-Sicherheit nicht auf den engen Rahmen des übernommenen Aufgabengebiets beschränken. Sie muss auch auf die Randgebiete ihres Aufgabenbereichs „ein Auge werfen“. Diese Verpflichtung ergibt sich auch ohne ausdrückliche Absprache, weil die Elektrofachkraft auf ihrem Fachgebiet Spezialist ist und in der Regel Elektrogefahren für den Laien nicht erkennbar sind. Diese „Garantenstellung“ mit Verantwortung als sog. „Beschützer/ Überwachungsgarant“ zum Ausschluss von Gefahren durch den elektrischen Strom und die Verpflichtung, entsprechende Maßnahmen zur Sicherheit für andere Personen zu treffen, gilt als stillschweigend vereinbarte Teilverpflichtung des Auftragsverhältnisses. Der Umfang der Maßnahmen lässt sich so beschreiben: · Die Elektrofachkraft darf einen Arbeitsauftrag nicht durchführen, auch nicht auf ausdrückliches Verlangen des Auftraggebers, wenn hierbei gegen Sicherheitsvorschriften und elektrotechnische Regeln verstoßen wird. Tut sie es dennoch, muss sie ggf. mit rechtlichen Konsequenzen rechnen, da sie es dann unterlassen hat, ihrer Pflicht als Elektrofachkraft in Garantenstellung nachzukommen. · Darüber hinaus ist sie verpflichtet, den Auftraggeber ausdrücklich (mit Nachdruck!) auf die Gefahren hinzuweisen, und ihn zu beraten, was zur Gewährleistung der Sicherheit getan werden muss. Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 5 410 Report Antworten auf Lesermeinungen zum Beitrag im ep 7/2000, S. 615 In der Praxis nicht bestanden - Garantenverantwortung Eine Elektrofachkraft sah bei Installationsarbeiten in einem alten Bauernhaus (Arbeitsauftrag eines privaten Bauherrn), dass die in Eigenleistung durchgeführten Elektroinstallationsarbeiten allen Regeln der Elektrotechnik widersprachen (ep 11/2000, S. 999). Der Beitrag behandelt, wie sich die Fachkraft in desem Fall verhalten soll und welche rechtlichen Gesichtspunkte zu beachten sind. · Falls sich der Auftraggeber nicht überzeugen lässt, sollte sie die Fortführung des Auftrags ablehnen und die durch die von ihr schon durchgeführten Arbeiten geschaffenen Gefahrenstellen beseitigen. Wenn es keine andere Möglichkeit gibt, muss sie ggf. „den Strom abschalten“. Verhält sich die Elektrofachkraft so, hätte sie alles getan, was als „Rechtspflicht zum Handeln“ von einem „Garanten“ erwartet werden kann. Sie hat dann nichts unterlassen, was eine verantwortungsbewusste Elektrofachkraft an ihrer Stelle - in der gleichen Situation - getan hätte. Ihr könnte bei einem eventuell später eingetretenen Schadensfall kein Schuldvorwurf gemacht werden. 2. Beispiel Die Gefahrensituation liegt außerhalb des erteilten Auftrags (ähnlich wie die Situation im eingangs geschilderten Fall). Hierfür hat die Elektrofachkraft keine Garantenstellung als Überwachungsgarant erlangt. Ihr sind nur gelegentlich der vertraglich übernommenen Arbeiten Mängel in der Elektroanlage aufgefallen. Sie hat weder einen diesbezüglichen Auftrag gehabt, noch stand der festgestellte Gefahrenbereich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem erteilten Arbeitsauftrag. Die Elektrofachkraft hätte sich also mangels eines entsprechenden Auftrags im Normalfall eigentlich mit einem einfachen Hinweis auf die Gefahrensituation begnügen können. Nur bei unmittelbar drohender Gefahr für andere (Notlage/Unglücksfall), hätte sie von sich aus einschreiten müssen. Aber beim Umgang mit elektrischem Strom muss für eine Elektrofachkraft Vorsicht geboten sein. Unabhängig davon, ob sie sich aus moralischen Gründen oder auch nur wegen ihres eigenen Pflichtbewusstseins zum Tätigwerden veranlasst sieht, sollte sie sich auch hier nicht anders verhalten als in dem ersten Fallbeispiel dargelegt. Denn nach deutschen Rechtsgrundsätzen kann man in eine Garantenstellung auch allein auf Grund seiner Fachkompetenz „hineinwachsen“, wenn es die Situation ergibt. Das kann bereits dann der Fall sein, wenn bei anderen (elektrotechnischen Laien) der Eindruck erweckt wird oder entstanden ist, eine Elektrofachkraft wolle (auch ohne ausdrücklichen Auftrag) die Garantenverantwortung übernehmen: Beispielsweise, wenn elektrotechnische Laien durch die Anwesenheit einer Fachkraft darauf vertrauen, diese würde schon etwas sagen, wenn „etwas gefährlich ist“. Oder anders ausgedrückt: Wenn die Fachkraft nichts sagt, ist alles in Ordnung. Sieht das der Staatsanwalt in einem Ermittlungsverfahren (z. B. bei Beurteilung einer fahrlässigen Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung) ebenso, könnte er die Elektrofachkraft als Täter wegen eines Unterlassens erforderlicher Maßnahmen behandeln (strafbare Handlung durch schuldhaftes Unterlassen als Beschützer/Überwachungsgarant). Fazit Aus den genannten Gründen lassen sich die Tipps ableiten: · Bei Ausführung eines übernommenen Auftrags alle zur Sicherheit erforderlichen Maßnahmen treffen, notfalls die gesamte Anlage abschalten. · Sich zur Beseitigung von Gefahrenquellen, die außerhalb des erteilten Auftrags liegen bzw. sich erst nach Übernahme des Auftrags heraus gestellt haben, entweder einen weiteren Reparatur- bzw. Instandhaltungsauftrag erteilen lassen oder · dem Auftraggeber Hinweise in Form einer kurzen fachkundigen Beratung geben (wie die Gefahrensituation zu beseitigen ist, entsprechende Notmaßnahmen). Mit einer Notiz (Dokumentation) über den Inhalt der Beratung schafft die Elektrofachkraft Rechtsicherheit, auch für die eigene Person. Zweckmäßigerweise sollte der Kunde eine Durchschrift der Notiz erhalten. Wenn die Elektrofachkraft bei unmittelbar drohender Gefahr Notmaßnahmen trifft, die bis zum Abschalten des elektrischen Stroms gehen können, ist sie „im grünen Bereich“. Sie hat dann alles getan, was man von ihr in dieser Situation erwarten kann. Ratschlag. Weitergehende (auch gut gemeinte) Maßnahmen, wie sie die Elektrofachkraft in dem eingangs geschilderten Fall getroffen hat, sollte die Elektrofachkraft möglichst nicht ergreifen. Wie sich hier gezeigt hat, können eigene Recherchen und eingeholte Informationen leicht als „Anschwärzen bei den Behörden“ vom Auftraggeber gedeutet und sogar vom Staatsanwalt als „falsche Verdächtigung und Verleumdung“ ausgelegt werden. J. Schliephacke Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 5 411 Report

Autor
  • J. Schliephacke
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