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Elektrotechnik | Betriebsführung | Arbeits- und Gesundheitsschutz | Recht

Garantenverantwortung und Verkehrssicherungspflicht

ep10/2003, 3 Seiten

Was versteht man unter Garantenstellung und Garantenverantwortung? Was fällt unter den Begriff „Verkehrssicherungspflicht"? Worin unterscheiden sich „Primär- und Sekundär-Verantwortung"?


tel außerhalb elektrischer Betriebsmittel nicht vorgenommen werden dürfen. Das gilt generell und trifft nicht nur auf den Anschluss von Leuchten zu. Viel deutlicher kommen diese Forderungen in der DIN VDE 0100 Teil 520 vom November 1985 zum Ausdruck, deren Übergangsfrist am 1. Dezember 2000 auslief [2]. Da die technischen Forderungen in [2] nicht im Widerspruch zur jetzt geltenden Norm [1] stehen, ist zu empfehlen, nach [2] zu verfahren. Hier sei auf Abschnitt 11 in [2], insbesondere auf die Abschnitte 11.6 und 11.9 hingewiesen, wonach Leiterverbindungen in Dosen oder Kästen herzustellen sind und bei Unterputzinstallationen der Schutz gegen direktes Berühren durch eine Wandauslassdose erreicht werden kann [2]. Das geht auch aus Abschnitt 5.2 in DIN VDE 0100 Teil 559 hervor, wonach die Zuleitungen in Wanddosen enden müssen [3]. Hierbei handelt es sich um Wandleuchten-Anschlussdosen nach DIN VDE 0606 Teil 1 [4]. Da die Holztäfelung zu den brennbaren Baustoffen zählt, wäre eine Hohlwandausführung (Kennzeichen H) zu empfehlen. Zu erwähnen ist, dass auch eine Verbindungsdose auf der Wand vorgesehen werden kann, was aus ästhetischen Gründen nicht immer wünschenswert ist. Wo Leuchten fest montiert werden und, z. B. bei einem Mieterwechsel, keine freien Leitungsenden im Handbereich bis 2,25 m entstehen können, dürfen Leuchten oder andere Verbrauchsmittel auch direkt angeschlossen werden. In Ihrer Frage erwähnen Sie, dass die Leitungen von Leuchte zu Leuchte durchgeschleift werden. Nach Abschnitt 5.5.1 in [3] dürfen zum Durchschleifen nur Leuchten verwendet werden, die vom Hersteller dafür vorgesehen sind und z. B. zwei Einführungen haben. Sollen die zu- und abgehenden NYM-Leitungen der fest installierten Anlage in der Leuchte geklemmt werden, dann sind die Wandleuchten-Anschlussdosen nach [4] ungeeignet. Lüster- oder Leuchtenklemmen, wie sie jetzt bezeichnet werden, sind unzulässig. Es sind Verbindungsklemmen erforderlich, die in der Leuchte befestigt sein müssen. Leuchtenklemmen dürfen aber in der Wandleuchten-Anschlussdose zum Anschluss der Leuchtenanschlussleitung an die fest installierte Zuleitung NYM verwendet werden. Literatur [1] DIN VDE 0100-520:1996-01 Errichten von Starkstromanlagen mit Nennspannungen bis 1000 V; Teil 5: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel; Kapitel 52: Kabel- und Leitungssysteme (-anlagen). [2] DIN VDE 0100 Teil 520:1985-11 -; Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel; Kabel, Leitungen und Stromschienen. [3] DIN VDE 0100 Teil 559:1983-03 -; Leuchten und Beleuchtungsanlagen. [4] DIN VDE 0606 Teil 1:2000-10 Verbindungsmaterial bis 690 V; Installationsdosen zur Aufnahme von Geräten und/oder Verbindungsklemmen. H. Senkbeil Garantenverantwortung und Verkehrssicherungspflicht ? Was versteht man unter Garantenstellung und Garantenverantwortung? ! Der Begriff Garant leitet sich aus dem Strafgesetzbuch (StGB) ab: § 13 StGB Begehen durch Unterlassen (1) Wer es unterlässt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht. Die Rechtsprechung der Gerichte hat an einer Vielzahl von Rechtsfällen folgende Grundsätze heraus gearbeitet: Wer eine „Garantenstellung“ inne hat, muss in seinem Aufgaben- und Kompetenzbereich nicht nur für eine richtige Handlungsweise (Tun), sondern auch ein Unterlassen einstehen. Eine derartige Rechtspflicht zum Handeln ist gegeben, wenn eine „Schutzpflicht für bestimmte Rechtsgüter“ besteht oder eine „Verantwortlichkeit für bestehende Gefahrenquellen“ begründet ist. Diese Garantenpflichten werden für Unternehmer und Führungskräfte (Vorgesetzte, Aufsichtsführende) in gesetzlichen Vorschriften mit den Begriffen wie „gewährleisten“, „sicherstellen“, „veranlassen“, „durchführen“ meistens aber mit „sorgen“ bezeichnet. Die „Garantenverantwortung“ umfasst: · Die Aufsichtspflicht im Rahmen der Fürsorgepflicht des Unternehmers/Arbeitgebers gegenüber Mitarbeitern sowie Leiharbeitnehmern und anvertrauten Sachen (Anlagen, Einrichtungen), ebenso wie sie Eltern gegenüber ihren Kindern haben. Sie sind sog. „Beschützergaranten“. · Die Pflicht zur sog. ergänzenden Sicherheitsüberwachung des Auftraggebers gegenüber Fremdfirmen. Diese haben zwar in dem von ihnen eingesetzten Vorgesetzten ihre eigenen „Beschützergaranten“. Der Auftraggeber muss sich aber zusätzlich „vergewissern“, ob die Fremdfirmen in ihre Aufsichtspflicht gegenüber ihren Mitarbeitern auch den Schutz gegen Gefahren einbeziehen, die im Betriebsbereich des Auftraggebers liegen. · Die sog. Verkehrsicherungspflicht gegenüber „Dritten“ (Fremden) aufgrund der jeder Verantwortliche (Hausherr) für Gefahren, die von seinem Herrschaftsbereich ausgehen, geeignete (für ihn zumutbare) Schutzmaßnahmen zu treffen hat. Die Garantenverantwortung kann auch durch Vertrag auf andere Personen ausgedehnt werden. So werden insbesondere durch Delegation Vorgesetzte im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben zum Garanten. In eine Garantenstellung kann jeder - im be-Elektropraktiker, Berlin 57 (2003) 10 748 LESERANFRAGEN trieblichen wie im privaten Bereich - „hineinwachsen“ durch „Gewährsübernahme“ (Begründen eines besonderen Vertrauensverhältnisse). Dies kann auch stillschweigend, sogar unbewusst erfolgen, sofern nur die Übernahme von Verantwortung hinreichend klar und unmissverständlich ist. Das kann schon dadurch geschehen, dass jemand in einem „fremden“ (nicht seinem Einfluss unterliegenden) Bereich Anweisungen gibt oder auch nur den Eindruck erweckt, für diesen fremden Bereich zuständig zu sein. Garantenstellung hat auch jeder Mitarbeiter, der in seinem Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich eine Gefahrensituation geschaffen hat und diese nicht beseitigt. Das ist z. B. der Fall, wenn sich ein Mitarbeiter von seinem Arbeitsplatz entfernt, ohne Vorsorge zu treffen, dass Fremde nicht zu Schaden kommen können, durch Gefahren, die von seinem Arbeitsplatz ausgehen. Deshalb ist auch nach § 16 BGV A1/GUV 0.1 jeder Mitarbeiter verpflichtet, einen Mangel „unverzüglich zu beseitigen“ oder, wenn er dazu nicht in der Lage ist, „den Mangel dem Vorgesetzten unverzüglich zu melden“. Noch deutlicher sagt dies § 15 Abs. 1 S. 2 Arb Sch G: „ ... haben die Beschäftigten auch für die Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind“. ? Was fällt unter den Begriff „Verkehrssicherungspflicht“? ! Verkehrssicherungspflicht ist etwas anderes als Verkehrssicherheitspflicht. Sie hat mit der Pflicht zum sicheren Verhalten im Straßenverkehr nicht unmittelbar etwas zu tun. Verkehrssicherungspflicht ist ein von der Rechtsprechung zum § 823 BGB entwickelter Begriff. Es gelten folgende Grundsätze: Verkehrssicherungspflicht bedeutet, dass jeder, der Gefahrenquellen schafft, auch die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz Dritter zu treffen hat. Diese allgemeine Verkehrssicherungspflicht steht neben den diversen Verpflichtungen, die in Schutzgesetzen festgelegt sind. „Dritter“ ist jeder, der nicht bereits zum unmittelbaren Betreuungsbereich gehört und damit von der Fürsorgepflicht erfasst wird, wie sie z. B. Eltern gegenüber Kindern und Unternehmer bzw. Vorgesetzte gegenüber eigenen Mitarbeitern haben. Eine aus der Fürsorgepflicht resultierende „Garantenverantwortung“ stellt höhere Anforderungen an den Verpflichteten als die jedermann gegenüber bestehende Verkehrssicherungspflicht. Zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten sind Maßnahmen zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen „Verkehrs“ im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten abzuwenden. Dabei ist nicht nur von einer bestimmungsgemäßen, sondern auch von einer nicht ganz fern liegenden bestimmungswidrigen Benutzung auszugehen. Haftungsauslösend und strafbar ist eine Gefahrensituation erst dann, wenn sich bei objektiver sachlicher Betrachtungsweise die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter Dritter verletzt werden. Für den Bereich der Privatwirtschaft und öffentlichen Verwaltung wird der Inhalt der Verkehrssicherungspflicht durch Unfallverhütungsvorschriften und allgemein anerkannte Regeln konkretisiert. Für den privaten Lebensbereich gelten Vorgaben in Gesetzen und Regeln nur mittelbar. Sie geben aber bei der richterlichen Beurteilung wesentliche Anhaltspunkte für richtige Verhaltensweisen. Keine Verkehrssicherungspflicht besteht gegenüber Dritten, die sich unbefugt in einen offensichtlich erkennbaren Gefahrenbereich begeben. Das gilt besonders dann, wenn eine atypische Gefahrenquelle einem Befugten bekannt gewesen wäre. Diese Einschränkungen gelten nicht gegenüber Kindern, da ihnen das Beurteilungsvermögen und die erforderliche Einsicht fehlt. ?Worin unterscheiden sich „Primär- und Sekundär-Verantwortung“? ! Zwischen beiden Begriffen besteht aus rechtlicher Sicht kein Unterschied. Bei beiden Arten handelt es sich um Garanten im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB. Sie müssen auf Grund ihrer Rechtsposition für einen Schaden gerade stehen, wenn sie untätig geblieben sind und ihn dadurch verursacht haben. Der Unterschied zwischen den beiden Arten der Garantenstellung liegt im Umfang der Verantwortung. Primärverantwortung hat, wer die unmittelbare Verantwortung trägt. Der Unternehmer und jeder Vorgesetzte haben Weisungsrechte und -pflichten. Somit haben sie eine unmittelbare Verantwortung für ihre Mitarbeiter (z. B. beim Fremdfirmeneinsatz: Der Auftraggeber und Auftragnehmer jeweils für ihre eigenen Mitarbeiter). Der Grad der Verantwortung richtet sich nach der Art der delegierten Aufgaben. Sekundärveranwortung hat, wer die mittelbare Verantwortung trägt, also die Verantwortung für die Sicherheit Dritten gegenüber (anderen ihm gegenüber nicht weisungsgebundenen Personen). Er muss von diesem Personenkreis Gefahren abwenden, die von seinem jeweiligen Herrschaftsbereich ausgehen können. So hat jeder Verkehrssicherungspflichtige (z. B. Eigentümer, Betreiber, sowie jeder für einen abgegrenzten räumlichen Bereich Verantwortliche) eine mittelbare Sekundärverantwortung. Beispiel für die Abgrenzung beider Arten der Garantenverantwortung Der Auftragnehmer (auch Bauunternehmer) und seine Führungskräfte sind Primärverantwortliche gegenüber ihren Mitarbeitern. Sie haben gegenüber unterstellten Mitarbeitern Fürsorgepflichten zu erfüllen. Der Auftraggeber (auch Bauherr) ist im Verhältnis zum Auftragnehmer und dessen Mitarbeitern Sekundärverantwortlicher. Besonders deutlich wird dies bei der Betrachtung der Begriffe Aufsichtsführung und ergänzende Überwachung. Der Auftragnehmer muss als Primärverantwortlicher für die Sicherheit seiner Mitarbeiter Aufsicht führen (Ausfluss seiner Fürsorgepflichten). Der Auftraggeber, der „nur“ sekundär für die Sicherheit des Auftragnehmers und dessen Mitarbeiter verantwortlich ist, hat die Pflicht zur sog. „ergänzenden Sicherheitsüberwachung“. Das heißt, er muss sich (zusätzlich) „vergewissern“, ob der (primärverantwortliche) Auftragnehmer seine Mitarbeiter ausreichend über das Sicherheitsverhalten im Bereich des Auftraggebers unterwiesen hat und seiner Aufsichtspflicht nachgekommen ist. Bei einem Unfall oder Schadensfall müssen sich sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer wegen eventueller Verletzung ihrer jeweiligen (Sekundär- bzw. Primär)verantwortung rechtfertigen. J. Schliephacke Beschädigung eines Hubwerkmotors bei Zwei-Phasen-Lauf ? Durch uns wurde an einem gemieteten Baukran ein defekter fünfpoliger CEE-Stecker ersetzt. Der alte Stecker war ausgebrannt und nicht mehr zu öffnen. Nach Wechseln des CEE-Steckers wurde die Schutzmaßnahme geprüft. Der Klemmkasten am Gerät wurde jedoch nicht geöffnet. Der Kranfahrer bemerkte auch keine Fehlfunktionen. Der Motor brannte nach etwa 30 min Kranbetrieb durch. Beim Überprüfen des Anschlusses bemerkten wir, dass am CEE-Stecker durch den Vermieter aufgelegt wurden: L1 - sw, L2 - blau, L3 - br, N - sw, PE - gn/ge. Der schwarze N-Leiter wurde auf eine potentialfreie Klemme am Kran geführt. Richtig wäre doch: L1 - sw, L2 - br, L3 - sw, N - bl, PE - gn/ge. In welcher Norm ist die richtige Farbzuordnung definiert? Am zehn Jahre alten Kran war außerdem keine Motorschutzeinrichtung bzw. kein Drehfeldüberwachungsrelais vorhanden. Laut Kranlieferant wurden diese Einrichtungen erst in jüngeren Baujahren montiert. Im Motor war ein Thermofühler vorhanden, jedoch nicht verschaltet. Unsere Monteure sind angewiesen, bei Mietgeräten keine Eingriffe vorzunehmen. Ist diese Weisung falsch? Welche, dem Motor vorgeschalteten Schutzeinrichtungen hätten vorhanden sein müssen? Elektropraktiker, Berlin 57 (2003) 10 750 LESERANFRAGEN

Autor
  • J. Schliephacke
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