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Betriebsführung

Elektroindustrie mit Licht und Schatten

ep4/1999, 4 Seiten

1998 hat sich der konjunkturelle Aufschwung des Vorjahres fortgesetzt. Mit Investitionen und Umsatz stieg gleichzeitig die Zahl der Arbeitskräfte.


1 Überdurchschnittliches Wachstum in 1998 Der Umsatz der deutschen Elektrotechnik-und Elektronikindustrie wuchs 1998 um 5,1 Prozent auf insgesamt 255 Mrd. DM. Damit zählt die Elektroindustrie zu den Industriezweigen, deren Produktionszuwachs erneut deutlich über dem durchschnittlichen Industriewachstum von 3,2 Prozent liegt. Die Zahl der Beschäftigten in der Elektroindustrie und den zugehörigen Dienstleistungsunternehmen hat um rund 20.000 auf ca. 860.000 zugenommen. Das ist auch eine Folge der Investitionen, die um zwölf Prozent auf über 12,5 Mrd. DM gewachsen sind. Die Ertragslage hat sich im vergangenen Jahr weiter stabilisiert, ist aber nach Ansicht des ZVEI von den international üblichen Renditen nach wie vor ein „deutliches Stück entfernt“. Zu den Spitzenreitern zählt wiederum die Informations- und Kommunikationstechnik. Mit Wachstumsraten von zehn Prozent - in einzelnen Unternehmen bis zu 70 Prozent - setzt die Branche auf neue Technologien. Diese bringen den Anwendern Kostenreduzierung, Umsatzsteigerung, verbesserten Service und Produktionssteigerungen. „Information und Kommunikation ist der am schnellsten wachsende Markt der Welt“, so Volker Jung, verantwortliches Vorstandsmitglied für dieses Gebiet der Siemens AG. Er erwartet in fünf Jahren ein weltweites Volumen von über 2.700 Mrd. DM. Damit würden Maschinenbau, Autoproduktion und Chemiebranchen von ihren Spitzenpositionen verdrängt werden. Viele deutsche Unternehmen der Informationsbranche suchen nicht erst seit 1998 nach Fachkräften - 75.000 Stellen sind nach VDE-Angaben nach wie vor in Deutschland unbesetzt. Aber auch Automatisierungs- und Antriebstechnik erzielten 1998 ein überdurchschnittliches Wachstum. So setzte sich im Vorjahr der bereits 1994 begonnene Wachstumsprozeß bei Antrieben fort. Bild zeigt für die Entwicklung von Umsatz (einschl. Handelsware und Dienstleistungen), Produktion, Export und Import ein durchschnittliches Plus von sieben Prozent. Sorge bereitet dem zuständigen Fachverband des ZVEI allerdings, daß in den beiden letzten Jahren die Importe stärker stiegen als Produktion und Export. Als Ursache sehen sie vor allem die schleichende Abwanderung von Produktionen in Länder mit niedrigeren Produktions- und Standortkosten [1]. Beunruhigt verfolgt die Antriebsbranche auchdie Entwicklungbeimwichtigsten Auftraggeber, dem Maschinenbau. Drastische Rückgänge bei Auslandsbestellungen seit November können trotz wachsender Inlandnachfrage nicht ausgeglichen werden. Auch andere Branchen der Elektroindustrie mit gravierenden Kostenproblemen und ähnlichen Funktionen als Zulieferer weisen auf diese Risiken bei der weiteren, auf Zuwachs orientierten wirtschaftlichen Entwicklung hin. 2 Export mit Rückschlägen Erstmals seit 1992 wuchsen die Inlandumsätze. Mit einer fünfprozentigen Steigerung leisteten sie als Ausgleich zum in der Elektroindustrie leicht gesunkenen Exportzuwachs einen wichtigen Beitrag zu wirtschaftlichen Entwicklung. Dennoch war 1998 auch für die Elektrobranchen der Export die wachstum- und arbeitsplatzschaffende Lokomotive. Mit einem Plus von 7,9 Prozent wurde aber der Spitzenwert des Vorjahres verfehlt. Zurückgegangen ist vor allem der Export in die von Finanz- und Währungsturbulenzen betroffenen Länder. In umliegenden, davon weniger heimgesuchten Staaten wie China und Taiwan war er weniger gestört. Dem verlustbehafteten deutschen Schienenfahrzeugbau ist es allerdings bisher noch nicht gelungen, dorthin oder in irgendein anderes Land ICE-Hochgeschwin-Elektropraktiker, Berlin 53 (1999) 4 281 Betriebsführung Elektroindustrie mit Licht und Schatten H. Kabisch, Berlin 1998 hat sich der konjunkturelle Aufschwung des Vorjahres fortgesetzt. Mit Investitionen und Umsatz stieg gleichzeitig die Zahl der Arbeitskräfte. Während gegen Ende 1998 weltweite Finanz- und Währungskrisen die überweigend exportgetriebene Konjunktur abschwächten, rechnet der ZVEI für 1999 mit Einbrüchen durch die aktuelle Tarif-, Wirtschafts- und Umweltpolitik. Dipl.-Ing. Helmut Kabisch ist als freier Fachjournalist in Berlin tätig. Autor digkeitszüge zu verkaufen. Von Europa über Asien bis USA gewannen bisher französisch-britische oder kanadische Unternehmen die Ausschreibungen. Nach ebenso vergeblichen wie kostspieligen Bemühungen auf anderen Märkten hat sich der weltweit Drittgrößte der Branche, die Siemens AG, mit dem erfolgreicheren Zweitgrößten, GEC Alstom, zusammengetan, um mit einer 1998 erprobten Neuentwicklung in Taiwan gegen die japanische Konkurrenz zu gewinnen. 3 Ostdeutsche Elektroindustrie holt weiter auf Die Umsätze der ostdeutschen Industrie wuchsen 1998 um 18 Prozent auf 18 Mrd. DM - wenn auch von einem mit Westdeutschland nicht vergleichbaren niedrigem Niveau ausgehend. Im 1. Halbjahr überschritt die Elektroindustrie die 20 Prozent-Marke. Die Auftragseingänge wuchsen sogar um über 22 Prozent. Die Pro-Kopf-Umsätze liegen inzwischen bei fast 95 Prozent des Westniveaus. Zum ersten Mal seit der Wende erreichte die Mehrzahl der Betriebe eine befriedigende Kapazitätsauslastung. Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Arbeitsplätze in der Elektroindustrie um zwei Prozent. Nach wie vor litten aber überdurchschnittlich viele der neu entstandenen Unternehmen an schwachen Erträgen, ungenügender Eigenkapitalausstattung und der noch nicht befriedigenden Einbindung in die internationale Arbeitsteilung. Die statistisch ermittelten Zuwachsraten dürfen nicht über Unterschiede zwischen Existenzgründern und den wenigen ostdeutschen Großbetrieben hinwegtäuschen. So setzte die Siemens AG trotz der im Geschäftsjahr 1997/98 auf dem Halbleitergebiet eingefahrenen Verluste in Höhe von 1,2 Mrd. DM die Chip-Produktion in der hochmodernen Dresdener Fertigungsstätte ganzjährig fort (Bild ). Ursache der Verluste war der Währungsverfall im asiatischen Raum, der in Deutschland und anderen Staaten die Importpreise für Speicherchips bis unter die Herstellungskosten absenkte. Parallel zur Fertigung erarbeiteten die Dresdener zusammen mit ihrem USA-Partner Motorola 1998 eine um 30 Prozent effektivere Technologie. Um den gegenüber den Konkurrenten dadurch erzielten Vorsprung in der Serienfertigung zu nutzen, soll mit einem Investitionsaufwand von rund 1,3 Mrd. Dollar ein neues Werk gebaut werden. Nach ersten Uberlegungen könnte auch dieses Werk in Sachsens Metropole entstehen und damit zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. 4 Installationsgeräte und Systeme stagnieren Felix Hensel, ehemaliger Vorsitzender des Fachverbandes 7 Installationsgeräte und -systeme im ZVEI (vgl. ep 12/98, S. 1124) wies anläßlich der 1998 durchgeführten Mitgliederversammlung darauf hin, daß nach jahrelangem Wachstum bis 1994 der baunahe Bereich der Elektroindustrie seit vier Jahren mehr oder weniger auf der Stelle tritt [2]. Nach Rückgängen 1995 um ein Prozent und 1996 um etwa fünf Prozent verzeichnete die Branche erstmalig 1997 wieder einen Zuwachs um vier Prozent. Für 1998 erwartete Hensel ein Produktionsvolumen auf dem Niveau von 1997 in Höhe von sieben Mrd. DM - weniger als im Rekordjahr 1994. Durch Erhöhung des Exportanteils, durch Renovierung bzw. Modernisierung und infolge eines gestiegenen Anteils an Elektroinstallation im Gebäude, etwa durch intelligente Steuerungen, mehr Sicherheit und Komfort, konnte zwar die Stückzahl in den einzelnen Produktgruppen der Elektroinstallation in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert werden. Der durch Überkapazitäten und mehr Anbieter erzeugte Wettbewerbedruck hat jedoch laut Hensel in den meisten Segmenten einen deutlichen Preisverfall bewirkt. Der hierdurch hervorgerufene Rationalisierungszwang reduzierte laut ZVEI [2] im Zeitraum von 1994 bis 1998 die Anzahl der Beschäftigten von 35.000 um etwa 20 Prozent. 5 Ungünstige Rahmenbedingungen für 1999 Der Hauptgeschäftsführer des ZVEI, Dr. Franz-Josef Wissing, erwartet von den aktuellen Entwicklungen in der Tarif,- Umwelt- und Steuerpolitik eine zusätzliche Verschärfung der Wettbewerbsbedingungen. Ein Anstieg der Löhne und Gehälter um über vier Prozent bedeutet für die Unternehmen der Branche Mehrkosten von rund 2,5 Mrd. DM. Wissing hierzu: „Das entspricht 20 Prozent der für dieses Jahr vorgesehenen Investitionen oder etwa einem Drittel des Vor-Steuer-Gewinns unserer Unternehmen.“ Kritik übte Dr. Wissing auch an der Steuerpolitik der Bundesregierung. Aus der geplanten Entlastung von Unternehmen und Verbrauchern würde eine zusätzliche Steuerlast für die deutschen Unternehmen von bis zu 17 Mrd. DM in den Jahren 1999 bis 2002. Zusätzliche Risiken berge auch die geplante Gesetzesvorlage zur Entsorgung gebrauchter Elektrogeräte (s. S. 256). Die Folge all dieser negativen Rahmenbedingungen sind erhöhte Beschäftigungsrisiken und vielleicht sogar Preiserhöhungen. Ob es soweit kommt, bleibt abzuwarten. Vielleicht läßt ja ein unerwarteter Konjunkturaufschwung wie 1998 alle pessimistischen Aussichten verfliegen. Literatur [1] Jahresbericht 1998 des Fachverbandes „Elektrische Antriebe“ im ZVEI [2] Bericht zur Mitgliederversammlung 1998 des Fachverbandes „Installationsgeräte und Systeme“ (FV7) im ZVEI Elektropraktiker, Berlin 53 (1999) 4 284 Bild Die deutsche Antriebsbranche konnte ihr Wachstum auch 1998 fortsetzen Quelle: ZVEI-FV EA Bild Die Siemens-Halbleiter-Produktion in Dresden verbessert die Zuwachsdaten der Elektroindustrie in Ostdeutschland Quelle: Siemens 14000 Mio DM 10000 8000 6000 4000 2000 1990 1992 1994 1996 1998 Umsatz Produktion Export Import

Autor
  • H. Kabisch
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