BGV-Expertentag: Wissen teilen ist unbedingt notwendig
Nach der freundlichen Begrüßung durch Raimund Herrmann, Mitglied des Vorstandes des BGV, der Risikoträger für Kommunen in Baden sowie allgemeiner Versicherer mit knapp 800 Mitarbeitern ist, folgte die Vorstellung der Teilnehmer und die Einführung in die Tagung durch Herrn Wolfinger.
Er betonte dabei entsprechend dem titelgebenden Motto, dass eine möglichst unabhängige und neutrale Plattform für den ungezwungenen Wissensaustausch sehr wichtig sei und der Schutz von Leben und Sachwerten das ureigenste Ziel einer Versicherung darstelle. Daher sollten auch die Kosten für die Teilnehmer möglichst gering gehalten werden, um nicht bereits dadurch eine Teilnahme zu erschweren. In diesem Sinne gebührt dem BGV besonderer Dank für die Bereitschaft, die anfallenden Tagungskosten zu übernehmen (natürlich nicht die Anreise, eventuelle Übernachtungen oder das Abendessen).
Der erste Expertentag des BGV startete 2016 mit 16 Teilnehmern, im vergangenen Jahr waren es dann bereits 42 und nun trafen sich schon über 70 Fachkollegen zum Wissensaustausch und zur Diskussion verschiedener Entwicklungen und Fachprobleme.
Das ist sehr erfreulich, auch wenn man deswegen z. B. auf die frühere Trafobegehung (20 kV) beim BGV verzichten musste, wie Organisator und Tagungsleiter D. Wolfinger mit leichtem Bedauern anmerkte.
Das Oberthema EMV
Mehrere Vorträge beschäftigten sich mit der Elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) aus verschiedenen Blickwinkeln und in verschiedenen Anwendungsbereichen, wobei die Netzform TN-S und eine sachgerechte Ausführung der Installation die generelle Grundlage bilden – bereits eine überflüssige N-PE-Brücke kann hier alles zunichte machen. TN-C-Netze sollten unbedingt vermieden bzw. ersetzt werden. So erläuterte Karl-Heinz Otto (Bild 1), ö.b.u.v. Sachverständiger, in seinem Vortrag „EMV und die Problematik bei Stromschienen und innerem Aufbau von ‚Bus-Bars‘“ ausführlich die Grundlagen und die Bedeutung einer EMV-gerechten Installation, insbesondere die Auswahl und Anordnung von Stromschienen. Dies wurde zudem anhand eines Messaufbaus mit dreidimensionaler Magnetfeld- und Strom-/Spannungsmessung praktisch nachvollziehbar unter großem Interesse der Tagungsteilnehmer veranschaulicht (Bild 1).
Der Gestaltung der Gehäuse müsse ebenso mehr Beachtung zukommen, bestehen diese doch in der Regel aus ferromagnetischem Blech, wodurch die magnetischen Felder bevorzugt durch die Induktionswirkung in die Blechgehäuse einkoppeln. Da die Schienensysteme an Decken, Wänden und Steigeschächten verlegt und befestigt werden, ergeben sich bereits ab einer Magnetfeldstärke von etwa 1 μT direkte Rückwirkungen auf alle Erdungs- und Potentialausgleichssysteme. In der Schweiz beispielsweise sind die entsprechenden Grenzwerte daher deutlich niedriger als in Deutschland.
Auch der VdS- und Bergbau-Sachverständige Andreas Holfeld hatte Fehlerbeispiele und Kritik für seinen Vortrag „I4.0 fängt beim PEN an. EMV- und automatisationsgerechte Installationsverteiler und Installationen“ mitgebracht. Was passieren kann, machte er anhand von Beispielen fehlerhafter Installationen ebenso anschaulich deutlich wie mit Beispielen von Schäden mit teilweise beträchtlichen Auswirkungen, beispielsweise die durch Überlastung verursachte Explosion einer Kompensationsanlage (Kondensatoren) in einem Mühlenbetrieb.
Die Verwendung von Einleiterkabeln bzw. die falsche Anordnung von Einzeladern, falsche Leitungsführung, zu lange Leitungswege, Schleifenbildung sowie ungleichmäßige Lastverteilung etc. sorgen vermehrt für EMV- und damit Betriebsprobleme. Aufbauend auf den vordem von K.-H. Otto aufgefrischten Kenntnissen zu elektrischen und magnetischen Feldern wies A. Holfeld u. a. darauf hin, dass die seit Jahrzehnten gleich gebliebenen Leiterabstände bei der heutigen Netzqualität (insbes. Oberschwingungen) und den dadurch geänderten Feldstärkewerten nicht mehr genügen. Ebenso sollten u. a. die N- und PE-Schienen grundsätzlich nicht parallel nah beieinander geführt werden. Während die Zahl der direkten Todesfälle durch elektrischen Strom sinke, sei die Zahl der Toten durch Brände (hauptsächlich geht das auf Rauchgase zurück) gestiegen – Elektrizität hat nach der IfS-Schadendatenbank einen über die Jahre relativ stabilen Anteil von etwa 30 % an den Brandursachen. Holfeld bemängelte hier die Schwächen der Ursachenerfassung und überhaupt der entsprechenden mangelhaften Statistiken, insbesondere, dass Deutschland seit 2012 keine statistischen Daten mehr an den Weltfeuerwehrverband liefere.
Auch eine Schieflage der Normung und der Pflichtverteilung auf die Wirtschaftsakteure wurde bemängelt. Es ist durchaus geboten, hier beständig auf die Missstände hinzuweisen, denn Planer und Errichter können zunehmend weniger gegen diese Problematik ausrichten. Bereits in den „Gründen“ der EMV-Richtlinie (RL 2014/30/EU) finden sich Vorgaben, welche die Verantwortung der Produkthersteller sowie der Netzbetreiber konkretisieren – darüber hinaus sollten die „europäischen Normungsgremien [...] dieser Zielsetzung (einschließlich der kumulativen Wirkung bestimmter elektromagnetischer Erscheinungen) bei der Ausarbeitung harmonisierter Normen auf angemessene Weise Rechnung tragen“ (Absatz (14)).
In Absatz (15) heißt es dann deutlich: „Zum Schutz gegen elektromagnetische Störungen müssen den verschiedenen Wirtschaftsakteuren Pflichten auferlegt werden. Diese Pflichten sollten gerecht verteilt und so gestaltet sein, dass dieser Schutz erreicht wird.“ Daran müssen sich alle Beteiligten messen lassen.
Ähnliche Themen
Weitere Bilder
Sachverst
D. Wolfinger (rechts), W. Henke (mitte) und ep-Redakteur S. Winterfeldt am Simulationskoffer Netze und Netzsysteme (Quelle: ep/U. Herrrgesell)
Ein Kirchhoff ist kein Ruheplatz: Mehrfacherdungen in geerdeten 24-V-DC-Versorgungen sind eine Gefahr f
Veranstalter, Teilnehmer und Referenten zum Abschluss des BGV-Expertentags Karlsruhe (Quelle: BGV)
Downloads
Laden Sie diesen Artikel herunter