BGV-Expertentag: Wissen teilen ist unbedingt notwendig
Problem der Mehrfacherdung bei DC-Stromversorgungen 24 V
Gerhard K. Wolff (Phoenix Contact) erläuterte die Gefahren für die Anlagen-Verfügbarkeit durch Mehrfacherdungen in geerdeten 24-V-DC-Versorgungen und vertiefte seinen Vortrag mit einer praxisnahen Vorführung mittels einer eigens entwickelten Experimentieranordnung (Bild 2). Im Fokus steht hier die Minuspol-erdung, denn immerhin werden, so Wolff, etwa 95 % aller 24-V-DC-Stromversorgungen über den Minuspol geerdet, wobei der Aufwand für eine permanente Isolationsüberwachung oft gescheut werde. Selbstverständlich gelte der Kirchhoffsche Knotensatz ebenso für geerdete Bezugspotentiale.
Auch hier gelte im Normalfall, dass die Erdung möglichst nur genau 1x erfolgen sollte. Es sei nicht nur installationsseitig darauf zu achten, sondern auch Zubehör wie Schaltschränke und Betriebsmittel seien unbedingt daraufhin zu überprüfen, da sie oft bereits ab Werk entsprechend geerdet sind. Die Mehrfacherdungen werden für gewöhnlich nicht erkannt, sodass systemfremde Ströme unerkannt in DC-Systeme eindringen können. Es lassen sich über entsprechende Messungen oft auch beträchtliche AC-Anteile feststellen. Mehr-facherdungen des Minuspols sollten also grundsätzlich vermieden werden, eine Isolationsmessung mit 500 V oder auch 250 V ist durchzuführen und ein Permanentstrommonitoring sollte zumindest bei Anlagen mit hohen Verfügbarkeitsanforderungen obligatorisch sein.
Netze anschaulich simulieren
VdS-anerkannter EMV-Sachkundiger Werner Henke (Radolfzell) und Gastgeber Dierk Wolfinger (Bild 3) stellten den selbst entwickelten Simulationskoffer Netze und Netzsysteme vor. Ausgangspunkt waren mangelhafte Kenntnisse auch bei Fachkräften zu den Eigenheiten der verschiedenen Netzformen. Dazu wurden einige Beispiele aus der Praxis, z.B. von Fehlermeldungen einer Brandmeldeanlage bei PE-Anschluss, dargestellt, als deren Ursache sich dann nach gründlicher Untersuchung ein nicht konsequent durchgehaltenes TN-C-S-Netz erwies, also ein TN-C-Netz. Der entwickelte Simulations- und Schulungskoffer ist in Schutzkleinspanung aufgebaut. Ziel war es, Denkanstöße zu geben und für besseres Verständnis zu sorgen. Dazu ist eine optische Darstellung oft sehr hilfreich.
Whisker sind kein Getränk...
...und haben auch mit Whiskas nichts zu tun, so Bruno Calamia (Calamia Elektrokontrollen, Schweiz), einführend zu seinem Vortrag „Whisker, die unterschätzte Gefahr.“ Whisker (aus dem Englischen: Barthaare/Schnurrhare) sind nadelförmige sogenannte Einkristalle, die durchaus mehrere Millimeter lang werden können. Insbesondere Zinnwhisker machen in Elektroanlagen (z. B. Stromschienenverteiler) zunehmend Probleme (Lichtbögen, Kurzschlüsse), die meistens ohne dieses Wissen nicht erklärt werden können, aber auch in der Elektronik (siehe ep Tipp) sind sie ein leidiges Thema. Sogar an Stützen von Hohlbodenplatten oder Kabelschnellverlegern sind sie in Rechenzentren schon aufgetaucht und haben enorme Schäden verursacht. Sie reißen hier durch die Lüftung ab, werden in die elektronischen Bauteile „geweht“ und verursachen dann Kurzschlüsse. Abhilfe schafft Austausch gegen Kupfer oder z. B. eine Lackierung der Sammelschienen, wie es früher üblich war.
Bau-PVO, EMV-Kabel und Effizienz
Klaus Kronwald (Bayka) erläuterte Besonderheiten der Bau-PVO aus Sicht der Hersteller.
Als grundlegenden Hinweis betonte er, dass die Bau-PVO Grundanforderungen an Bauwerke, den Brandschutz und die Sicherheit definiert. Bayka hat mittlerweile auch Leitungen 1,5 mm2 in B2ca lieferbar im Programm. Ergänzt wurde der Vortrag durch Christian Fischbacher, CFW EMV-Consulting (Schweiz). Er stellte die „PowerCable“-Technologie vor, ein patentiertes Konzept, bei dem die Außenleiter zusätzlich um den konzentrisch angeordeten PE verseilt sind. Das Ergebnis sind (weitestgehend) induktionsfreie, streufeld- und verlustarme Starkstromkabel.
In der Diskussion wurde u. a. auch auf die Vorgehensweise zur Verlustoptimierung bei der Auslegung von Kabeln hingewiesen, die ep-Autor S. Fassbinder entwickelt hat (siehe ep Tipp).
Für und wider AFDD
Details zum Thema „Brandschutzschalter und deren Simulation“ vermittelte Wolfgang Scheugenpflug von Eaton Electric. Neben den technischen Erklärungen und der Normenlage wies er darauf hin, dass Lichtbögen eine der Haupt-ursachen für elektrisch gezündete Brände darstellen. In Verbindung mit dem schon erwähnten Anteil der Elektrizität von etwa 30 % an den Brandursachen und 400 bis 500 Toten bei elektrisch gezündeten Bränden, von den Verletzten und den Sachschäden gar nicht zu reden, ergebe sich die Notwendigkeit für diesen zusätzlichen Schutz zum Beheben der bestehenden Schutzlücke. Für und Wider zu den AFDD wurden ausführlich diskutiert und dabei auch mit Kritik nicht gespart, mit der aber auch vom Referenten besonnen und fachlich fundiert umgegangen wurde – so stellte er z. B. auch den entsprechenden AMEV-Vorschlag vor.
Ein von D. Wolfinger, W. Henke und B. Calamia an der Universität Konstanz durchgeführter Versuch mit einem belasteten Kabel (100 m), das zerstört wurde (mehrere Fallkonstellationen), führte allerdings nicht zum Auslösen des Gerätes. Hierzu wolle man demnächst gemeinsam eine weitere Praxisuntersuchung durchführen.
VDE 0100 Beiblatt 5, Blitzschlag aus Medizinersicht und mehr
Prof. Dr.-Ing. Ismail Kasikci von der Hochschule Biberach gab sehr hilfreiche Informationen zum VDE-0100-Beiblatt 5 und dessen Auswirkungen auf Projekte. Das zu wenig beachtete Beiblatt beinhaltet fast die ganze VDE 0100 mit technischen Hilfestellungen. Der Spannungsfaktor c wurde von 0,95 auf 0,9 geändert und die Spannungsfallberechnung überarbeitet. Auch auf die Selektivität wird näher eingegangen und viele praktische Beispiele sind enthalten.
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Weitere Bilder
Sachverst
D. Wolfinger (rechts), W. Henke (mitte) und ep-Redakteur S. Winterfeldt am Simulationskoffer Netze und Netzsysteme (Quelle: ep/U. Herrrgesell)
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Veranstalter, Teilnehmer und Referenten zum Abschluss des BGV-Expertentags Karlsruhe (Quelle: BGV)
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