Elektrotechnik
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Arbeits- und Gesundheitsschutz
Anforderungen an Arbeitskleidung
ep12/2006, 2 Seiten
Zu 2.: Eine Norm ist kein Gesetz, sondern beschreibt den Stand der Technik. Vor Gericht werden Normen dennoch zur Entscheidungsfindung herangezogen. Im Fall einer Neuinstallationen sind stets die aktuellen Normen anzuwenden. Dabei gilt der alte Spruch vom Bestandsschutz in der Weise, dass alles, was nach ursprünglich gültiger Norm richtig errichtet wurde, Bestand hat. Vor dem Auge des Gesetzes gilt dies jedoch nur so lange keine Nutzungsänderung oder geänderte Gesetzeslage (z. B. beim Brandschutz) eintritt. Die Neuinstallation einer BK-Anlage in einem Gebäude ist als eine derartige Nutzungsänderung anzusehen - weshalb also nach aktuellen Normen installiert werden muss. Errichter einer neuen Anlage in einem bestehenden Gebäude haben natürlich die Pflicht, die vorhanden Installationen auf ihre Kompatibilität mit der neuen Technik zu überprüfen. Stellen sich dabei problematische Details heraus, wie z. B. eine TN-C-Installation innerhalb des Gebäudes, so sollte der Errichter den Auftraggeber darauf hinweisen und eine weitergehende Erneuerung der Gebäudeinstallation vorschlagen - mit dem Hinweis auf mögliche Probleme. Es bleibt dann dem Auftraggeber überlassen, dies zu tun oder die mit einem Verzicht einhergehenden Risiken in Kauf zu nehmen. Den normativen Hintergrund hierzu bilden die Normen EN 50310 und EN 50174 sowie VDE 0100-444. Zu 3.: Abhängig von der Art der installierten Energieversorgung kann es bei einer mehrfachen Erdung von Kabelschirmen zu Ausgleichsströmen auf diesen kommen. Die Höhe der Ausgleichsströme ergibt sich nach dem Kirchhoffschen Gesetz der Stromaufteilung auf unterschiedliche Widerstände. Im TN-C-Netz stellt der Koaxialschirm einen relativ hohen Widerstand gegenüber dem durchgehenden PEN-Leiter dar. Die resultierenden Ströme bleiben meist gering. In anderen Netzformen, wie z. B. im TT-Netz, kann dies anders sein, weil eine durchgehend niederohmige Verbindung in ländlichen Gegenden in aller Regel fehlt. In Ballungsräumen ist wiederum ein reines TT-Netz pure Fiktion, da es hier eine enge Vernetzung unterschiedlichster leitfähiger Strukturen (Fernwärme, Wasser, diverse Kabelschirme) gibt. Dementsprechend unterschiedlich kann auch die Strombelastung auf den Kabelschirmen ausfallen. Daher wurde schon in der VDE 0800-2/A2:1998-10 sowie auch in den Normen IEC 60050-195:1998-08 und IEC 64/1042A/CC:1999-04 ein so genannter Entlastungspotentialausgleichsleiter vorgeschlagen (siehe VDE Schriftenreihe Band 66, Seiten 320 ff). Dieser wird nun ebenfalls in der VDE 0100-444 erwähnt. Die Betreiber von Kabelanlagen haben ihre Installationen oftmals errichtet, ohne diese normativen Hinweise zu beachten. Demzufolge sind sie also auch für die damit verbunden Probleme außerhalb von Gebäuden verantwortlich. Innerhalb der Gebäude ist der Installateur verantwortlich, der im Auftrag des Besitzers handelt. Auch er wird an normenkonformer Installation gemessen. Sollten technische Probleme auftreten oder es gar zu Schäden kommen, so ist eine Haftung des Installateurs bei einer nicht normgerechten Installation (z. B. fehlender Potentialausgleich an geschirmten Kabeln) nicht auszuschließen. Die heute bereits existierende Kommunikationsinfrastruktur und die absehbare Entwicklung (z. B. 10 GB-Ethernet über Kupfer) werden zukünfttig deutlich höhere Anforderungen an die Strukturen der Nierderspannungs-Energieverteilnetze stellen. Einen richtungweisenden Schritt haben die Gemeindewerke Dietlikon, CH, unter Federführung von Rene Mathys getan, indem sie mittlerweile das TN-S-Netz außerhalb von Gebäuden für alle Neubauten vorsehen (SEV-Bulletin 17/05). Diese Maßnahme ist auch in der EN 50310, Tabelle 1 als das beste Stromverteilsystem unter EMV-Gesichtspunkten beschrieben. Auch die Kabelnetzbetreiber sind gut damit beraten, die aktuelle Normung im Hinblick auf Potentialausgleichsleiter zwischen Gebäuden ernst zu nehmen und zukunftsfähige Netze zu installieren. A. Weber Anforderungen an Arbeitskleidung ? Meine Anfrage bezieht sich auf das Thema Arbeitskleidung (keine Schutzkleidung). Wir sind ein Industriebetrieb für Feinmechanik mit zehn Betriebselektrikern. Vom Arbeitgeber werden uns Arbeitsmäntel und -jacken bereitgestellt. Wie hoch sollte der Baumwollanteil in der Kleidung mindestens sein? ! An normale Arbeitskleidung werden bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Gefahr des Einzugs an drehenden Maschinen) aus Sicht der BG keine besondere Anforderungen gestellt. Dies gilt auch für elektrotechnische Arbeiten soweit die Gefährdungsbeurteilung nicht zu einem anderen Ergebnis führt. Besteht keine besondere Gefährdung durch Lichtbögen, so ist eine normale Arbeitskleidung ausreichend. Der Baumwollanteil sollte dabei 35 % nicht unterschreiten, damit bei Hitzeeinwirkung das Einbrennen von Kunstfasern in eine Brandwunde vermieden werden kann. Auch das DKE-Komitee 224 „Betrieb elektrischer Anlagen“ hat die Störlichtbogengefährdung diskutiert und gibt folgende Hinweise: · An Arbeitsplätzen, bei denen eine Lichtbogengefährdung nicht ausgeschlossen werden kann, sollten grundsätzlich nur flammhemmende Kleidungsmaterialien zum Einsatz kommen. · Normale Arbeitskleidung (z. B. 220 g/m2) bietet nur in Niederspannungsanlagen mit einer 63 A-Hausanschlusssicherung einen begrenzten Schutz. Elektropraktiker, Berlin 60 (2006) 12 EP1206-994-999 21.11.2006 8:44 Uhr Seite 995 · In öffentlichen Niederspannungsnetzen kann an 95 % der möglichen Arbeitsstellen mit einem Kurzschlussstrom von weniger als 6 bis 7 kA gerechnet werden. · In Ballungsgebieten und Industrienetzen können Kurzschlussströme deutlich über 10 kA auftreten. · Personenschutz kann nicht für unbegrenzt hohe Kurzschlussströme gewährleistet werden. Aufgrund der Gefährdungsbeurteilung ist unter Beachtung der zuvor genannten Kriterien festzulegen, ob „normale“ Arbeitskleidung eingesetzt werden kann oder zusätzliche Anforderungen zu stellen sind. J. Jühling Berechtigung zu Tätigkeiten an Elektroanlagen ? Ich bin in einem Unternehmen tätig, das auf Brand- und Wasserschadensanierung spezialisiert ist, jedoch nicht der Elektroinnung o. ä. angehört und auch keinen Elektromeister beschäftigt. Nicht selten kommt es vor, dass nach einem Brand in einigen Räumen des Gebäudes Schalter und Steckdosen getauscht oder sogar die Installation erneuert werden muss. Ich bin gelernter Energieelektroniker und verfüge über die Kenntnisse, um eine derartige Neuinstallation inklusive der Prüfung nach DIN VDE 0100 Teil 610 (zertifiziert) durchzuführen. In wie weit bin ich berechtigt, in einer Elektroanlage Veränderungen und Prüfungen vorzunehmen? ! Verantwortliche Elektrofachraft. Da bei der Spezialfirma Elektroarbeiten von einer firmeneigenen Elektrofachkraft (Energieelektroniker) ausgeführt werden, verfügt sie damit über einen elektrotechnischen Betriebsteil. Nach der DIN VDE 1000 Teil 10:19995-05 „Anforderungen an die im Bereich der Elektrotechnik tätigen Personen“ ist für die verantwortliche fachliche Leitung eines elektrotechnischen Betriebes oder Betriebsteiles eine verantwortliche Elektrofachkraft erforderlich und grundsätzlich eine Ausbildung als Elektro-Techniker, Elektromeister oder Diplomingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik Voraussetzung. Facharbeiter, also Geselle, reicht hierfür nicht aus. In Betrieben, in denen der Unternehmer nicht selbst verantwortliche Elektrofachkraft ist, muss er die Fach- und Aufsichtsverantwortung einer verantwortlichen Elektrofachkraft übertragen. Da der im Betrieb tätigen Elektrofachkraft die notwendige Qualifikation fehlt, um als eine verantwortliche Elektrofachkraft eingesetzt zu werden, bietet sich als einfachste Lösung an, diese Aufgaben einem Außenstehenden zu übertragen. Beispielsweise kommt hierfür der Meister eines Elektroinstallationsbetriebes in Frage, von dem vielleicht schon das Installationsmaterial bezogen wird. Damit entfallen für das Spezialunternehmen weitere erforderliche Regelungen, wie z. B. eine Eintragung in die Handwerksrolle und die Eintragung in das Installateurverzeichnis des zuständigen Verteilungsnetz-Betreibers (EVU). Der Vertragsabschluß mit einer externen Fachkraft dürfte im vorliegenden Fall wohl die einfachste und wirtschaftlichste Lösung sein. Der Vollständigkeit wegen hier noch die Definition der verantwortlichen Elektrofachkraft, wie sie in DIN VDE 1000 Teil 10 enthalten ist: Verantwortliche Elektrofachkraft ist, wer als Elektrofachkraft die Fach- und Aufsichtsverantwortung übernimmt und vom Unternehmer dafür beauftragt ist. Gefahrengeneigte Tätigkeiten. Bei Arbeiten an und im Bereich elektrischer Anlagen handelt es sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, um so genannte gefahrengeneigte Tätigkeiten. Das bedeutet, dass zum Beispiel bei Außerachtlassung bestimmter Verhaltensregeln erhebliche Gefahrenpotentiale für die jeweils tätigen Mitarbeiter, für Dritte, Sachen und die Umwelt freigesetzt werden können. Die heutige Vielfalt elektrischer Betriebsmittel und elektrischer Anlagen verlangt für die verantwortliche fachliche Leitung eines elektrotechnischen Betriebes oder Betriebsteiles ein entsprechendes Wissen, das auch auf dem aktuellen Stand gehalten werden muss. Man denke nur an sich ändernde Gesetze, Unfallverhütungsvorschriften, DIN VDE-Bestimmungen, Ersatz von VDE-Bestimmungen durch harmonisiere DIN EN-Bestimmungen usw. Zur Zeit ist in dieser Richtung sehr vieles in Bewegung. Organisationspflichten. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die Gerichte in letzter Zeit verstärkt dazu neigen, eine Unternehmerhaftung mit Organisationsverschulden zu begründen. In diesem Fall kann der Unternehmer nicht nur für ein Fehlverhalten seiner Mitarbeiter verantwortlich gemacht werden, sondern auch für das Unterlassen eigener Organisationspflichten. W. Kathrein Verantwortung bei unzulässiger Installation ? Ein Monteur bzw. Elektro-Instandhalter soll eine Störung an einem Packroboter beheben. Es handelt sich dabei um eine defekte Sicherheitslichtschranke. Da das benötigte Ersatzteil für die Instandsetzung der Sicherheitslichtschranke zunächst beschafft werden muss, wäre es für längere Zeit nicht möglich, mit dem Packroboter zu arbeiten. Die Produktionsleitung forderte eine Überbrückung der Sicherheitslichtschranke, da es sonst zu Lieferengpässen kommt. Da der Leiter der Instandhaltung natürlich weiß, dass ein derartiger Verstoß gegen elektrotechnische Sicherheitsregeln unzulässig ist, bestehen folgende Fragen: 1.Kann die Verantwortung schriftlich an den Abteilungsleiter, Schichtführer usw. übergeben werden? 2.Kann man trotzdem zur Verantwortung gezogen werden, auch wenn der Vorgesetzte schriftlich dazu beauftragt hat, die Sicherheitseinrichtung zu überbrücken? 3.Existiert ein Formular, das entsprechende Vorgaben für eine schriftliche Übernahme der Verantwortung enthält? 4.Wie kann man sich absichern, um im Ernstfall auf der sicheren Seite zu sein? ! Zu 1.: Grundsätzlich kann der Leiter einer Instandhaltung Aufgaben, Kompetenzen und damit Verantwortung delegieren. Er kann andere für sich verantwortlich handeln lassen und so Handlungsverantwortung übergeben. Die Aufsichtsverantwortung verbleibt jedoch immer bei dem delegierenden Leiter. Das bedeutet, er trägt die Verantwortung dafür, dass er eine „befähigte Person“ ausgewählt und eingesetzt hat. Ferner auch dafür, dass klare Regelungen für die Aufgabenstellung und den Kompetenzbereich getroffen wurden. Schließlich muss er durch eigene Kontrollen (Stichproben) auch sicherstellen, dass alles wie erforderlich funktioniert. Kommt es zu einem Schadensfall müssen sich also zwei Personen rechtfertigen: Derjenige, dem die Handlungsverantwortung übertragen wurde, muss nachweisen, dass er fachlich richtig gehandelt hat und der Delegierende, ob er seinen Aufsichtspflichten nachgekommen ist. Es können also ggf. Beide verurteilt werden. Zu 2.: Wenn der Leiter der Instandhaltung die schriftliche Auforderung zum Überbrücken von Sicherheitseinrichtungen gibt, trifft er eine falsche und damit auch rechtswidrige Entscheidung. Ebenso wenig wie die Produktionsleitung - die im Zweifel keine Elektrofachkraft ist - zu elektrotechnischen Fachtätigkeiten keine Weisungen geben kann, darf der Leiter der Instandhaltung solche Weisungen nicht befolgen (Verstoß gegen VDE 100-10 Ziff.6). Das gilt auch falls der Vorgesetzte, der diesen Auftrag erteilt hat, eine schriftliche Anweisung gegeben hat - darauf sollte der Leiter der Instandhaltung diesen Vorgesetzten in einem solchen Fall klar und unmissverständlich aufmerksam machen. Zu der Organisationsverantwortung eines Unternehmers (hier wohl die Produktionsleitung) gehört es, eine eigene elektrotechnische Organisation zu schaffen, indem er eine verantwortliche Elektrofachkraft einsetzt. Diese hat dann die unternehmerische Anordnungs-und Entscheidungsbefugnis in elektrotechnischen Fragen. So würde es zu einer solch fehlerhaften und rechtswidrigen Anweisung gar nicht erst kommen. Zu 3.: Ein Formular für das Erteilen von Anweisungen gibt es nicht. In jedem Einzelfall muss Elektropraktiker, Berlin 60 (2006) 12 996 LESERANFRAGEN EP1206-994-999 21.11.2006 8:44 Uhr Seite 996
Autor
- J. Jühling
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