Sicherheitstechnik
Nachgefragt bei ep-Autor Adolf Kraheck
Videoüberwachung im Umbruch?
12.04.2018
Nicht nur auf der Light + Building auch im ep ist das Thema Videoüberwachung aktueller denn je. In einem Artikel im aktuellen ep 04/2018 wird dabei die rechtliche Seite in einem konkreten Fall beleuchtet. Im folgenden Interview befragte unser Redakteur Heino Hackbarth den Sicherheitsexperten Adolf Kraheck († 2017) bereits im Jahr 2016 zu rechtlichen Aspekten und Entwicklungen der Videoüberwachung.
Herr Kraheck, das Gebiet der Videoüberwachungstechnik (VÜT) ist voller „Fallstricke“, in denen sich der Errichter einer VÜA mühelos verfangen kann. Geben Sie bitte ein kleines Beispiel für dieses rechtliche Mienenfeld.
A. Kraheck:
Das grundlegende Problem liegt darin, dass in anderen Bereichen der Sicherheitstechnik prinzipiell alles gemacht werden kann, was technisch möglich ist. Regelwerke schränken diese „Freiheit“ lediglich an einzelnen Stellen ein. Bei der Videoüberwachung ist es genau umgekehrt. Sie ist als grundsätzlich verboten anzusehen, es sei denn, durch ein Regelwerk oder die gängige Rechtsprechung werden Ausnahmen zugelassen. Das beginnt bereits mit der Montage einer Kamera-Attrappe. Hierdurch wird, je nach Montageort, bei einem Unbeteiligten ein Überwachungsdruck erzeugt. Folglich ist z. B. ein Dummy am Eingang eines Mietshauses nach verschiedenen Urteilen nicht erlaubt. Das setzt sich mit den Video-Türsprechstellen fort, die augenscheinlich zu einem großen Teil den öffentlichen Raum überwachen bzw. in die Rechte anderer eingreifen. Zu unterscheiden ist zwischen der Videoüberwachung durch nichtöffentliche Stellen in öffentlich zugänglichen Räumen (§ 6b des Bundesdatenschutzgesetzes – BDSG), der Videoüberwachung von Beschäftigten (§ 32 Abs. 1 BDSG) und einer sonstigen Videoüberwachung in nicht öffentlich zugänglichen Räumen (§ 28 BDSG). Überfordern diese vielen Regelungen nicht den Elektrotechniker beim Einrichten einer privaten VÜA?
A. Kraheck:
Die Überforderung entsteht nicht unbedingt durch die Zahl an Regelungen, sondern dadurch, dass solche Regelwerke von Juristen für Juristen verfasst werden, und eben nicht für den Anwender. Was dabei fehlt sind verständliche Definitionen, Abgrenzungen und vor allem eine Sammlung an Beispielen, wann der juristische Laie, der der Elektrotechniker in diesem Fall ja ist, mit welcher Regelung konfrontiert ist. Ein typisches Beispiel ist der verwendete Begriff der privaten VÜA. Umgangssprachlich wird damit eine Trennung zur gewerblichen VÜA gezogen. Beide sind aber gemeinsam nicht-öffentliche Stellen, wenn es um den Datenschutz geht. Der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass die Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten auf die Videoaufzeichnung mit einer Überwachungskamera anwendbar ist. Das gilt beispielsweise für Personen, die VÜT an ihrem Einfamilienhaus angebracht haben und diese auf den öffentlichen Straßenraum richten. Die gleiche Richtlinie ermöglicht jedoch ebenfalls die Würdigung des berechtigten Interesses dieser Person, das Eigentum, die Gesundheit und das eigene Leben und das seiner Familie zu schützen. Wie lässt sich das praktisch vereinen?
A. Kraheck:
Hierbei geht es um zwei verschiedene Aspekte. Der öffentliche Raum, der sich nicht nur auf den Straßenbereich beschränkt, ist der Bereich, dessen Überwachung in den Polizeigesetzen geregelt und damit für den privaten Anwender ein absoluter Tabubereich ist. In den Medien ist leider immer wieder zu erkennen, dass selbst bei der Polizei öfter die Trennung der verschiedenen Bereiche nicht verstanden wird. Vom Nutzer wird es aber erwartet, spätestens dann, wenn es zu einer Auseinandersetzung vor Gericht kommt. Und der wiederum beruft sich dann darauf, dass er von seinem Elektrotechniker nicht ausreichend beraten wurde. Der zweite Aspekt ist der Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum. Dies ist im Grundgesetz geregelt, also an oberster Stelle. Trotzdem gibt es die Einschränkung, dass dabei nicht in die Rechte Dritter eingegriffen werden darf. Daraus ergibt sich für den Elektrotechniker das Problem, zu erkennen, wann wessen Rechtsgut als höherwertiger einzustufen ist, das von Dritten, die mit überwacht werden oder das des Kunden bzw. Nutzers der VÜA. Vom Düsseldorfer Kreis (der obersten Datenschutzaufsichtsbehörde für den nicht-öffentlichen Bereich) wurde eine Orientierungshilfe zur Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen herausgegeben. Sind diese Empfehlungen ausreichend und in der Praxis umsetzbar?A. Kraheck:
Wie der Name es schon sagt, handelt es sich um eine Orientierungshilfe. Diese ist sehr gut und sollte eine Pflichtlektüre für jeden sein, der sich mit der Videoüberwachung befasst. Allerdings können nicht alle Bereiche der Videoüberwachung berücksichtigt werden, da die Orientierungshilfe prinzipiell auf den Datenschutzbereich beschränkt ist. Sie enthält aber trotzdem darüber hinaus gehende Hinweise.
Vielen Dank für diese Einblicke.Der Sicherheitsexperte Adolf Kraheck ist im Juli 2017 verstorben. Dieser Artikel ist in unserem Facharchiv nachzulesen.
A. Kraheck:
Das grundlegende Problem liegt darin, dass in anderen Bereichen der Sicherheitstechnik prinzipiell alles gemacht werden kann, was technisch möglich ist. Regelwerke schränken diese „Freiheit“ lediglich an einzelnen Stellen ein. Bei der Videoüberwachung ist es genau umgekehrt. Sie ist als grundsätzlich verboten anzusehen, es sei denn, durch ein Regelwerk oder die gängige Rechtsprechung werden Ausnahmen zugelassen. Das beginnt bereits mit der Montage einer Kamera-Attrappe. Hierdurch wird, je nach Montageort, bei einem Unbeteiligten ein Überwachungsdruck erzeugt. Folglich ist z. B. ein Dummy am Eingang eines Mietshauses nach verschiedenen Urteilen nicht erlaubt. Das setzt sich mit den Video-Türsprechstellen fort, die augenscheinlich zu einem großen Teil den öffentlichen Raum überwachen bzw. in die Rechte anderer eingreifen. Zu unterscheiden ist zwischen der Videoüberwachung durch nichtöffentliche Stellen in öffentlich zugänglichen Räumen (§ 6b des Bundesdatenschutzgesetzes – BDSG), der Videoüberwachung von Beschäftigten (§ 32 Abs. 1 BDSG) und einer sonstigen Videoüberwachung in nicht öffentlich zugänglichen Räumen (§ 28 BDSG). Überfordern diese vielen Regelungen nicht den Elektrotechniker beim Einrichten einer privaten VÜA?
A. Kraheck:
Die Überforderung entsteht nicht unbedingt durch die Zahl an Regelungen, sondern dadurch, dass solche Regelwerke von Juristen für Juristen verfasst werden, und eben nicht für den Anwender. Was dabei fehlt sind verständliche Definitionen, Abgrenzungen und vor allem eine Sammlung an Beispielen, wann der juristische Laie, der der Elektrotechniker in diesem Fall ja ist, mit welcher Regelung konfrontiert ist. Ein typisches Beispiel ist der verwendete Begriff der privaten VÜA. Umgangssprachlich wird damit eine Trennung zur gewerblichen VÜA gezogen. Beide sind aber gemeinsam nicht-öffentliche Stellen, wenn es um den Datenschutz geht. Der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass die Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten auf die Videoaufzeichnung mit einer Überwachungskamera anwendbar ist. Das gilt beispielsweise für Personen, die VÜT an ihrem Einfamilienhaus angebracht haben und diese auf den öffentlichen Straßenraum richten. Die gleiche Richtlinie ermöglicht jedoch ebenfalls die Würdigung des berechtigten Interesses dieser Person, das Eigentum, die Gesundheit und das eigene Leben und das seiner Familie zu schützen. Wie lässt sich das praktisch vereinen?
A. Kraheck:
Hierbei geht es um zwei verschiedene Aspekte. Der öffentliche Raum, der sich nicht nur auf den Straßenbereich beschränkt, ist der Bereich, dessen Überwachung in den Polizeigesetzen geregelt und damit für den privaten Anwender ein absoluter Tabubereich ist. In den Medien ist leider immer wieder zu erkennen, dass selbst bei der Polizei öfter die Trennung der verschiedenen Bereiche nicht verstanden wird. Vom Nutzer wird es aber erwartet, spätestens dann, wenn es zu einer Auseinandersetzung vor Gericht kommt. Und der wiederum beruft sich dann darauf, dass er von seinem Elektrotechniker nicht ausreichend beraten wurde. Der zweite Aspekt ist der Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum. Dies ist im Grundgesetz geregelt, also an oberster Stelle. Trotzdem gibt es die Einschränkung, dass dabei nicht in die Rechte Dritter eingegriffen werden darf. Daraus ergibt sich für den Elektrotechniker das Problem, zu erkennen, wann wessen Rechtsgut als höherwertiger einzustufen ist, das von Dritten, die mit überwacht werden oder das des Kunden bzw. Nutzers der VÜA. Vom Düsseldorfer Kreis (der obersten Datenschutzaufsichtsbehörde für den nicht-öffentlichen Bereich) wurde eine Orientierungshilfe zur Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen herausgegeben. Sind diese Empfehlungen ausreichend und in der Praxis umsetzbar?A. Kraheck:
Wie der Name es schon sagt, handelt es sich um eine Orientierungshilfe. Diese ist sehr gut und sollte eine Pflichtlektüre für jeden sein, der sich mit der Videoüberwachung befasst. Allerdings können nicht alle Bereiche der Videoüberwachung berücksichtigt werden, da die Orientierungshilfe prinzipiell auf den Datenschutzbereich beschränkt ist. Sie enthält aber trotzdem darüber hinaus gehende Hinweise.
Vielen Dank für diese Einblicke.Der Sicherheitsexperte Adolf Kraheck ist im Juli 2017 verstorben. Dieser Artikel ist in unserem Facharchiv nachzulesen.