Aus dem Facharchiv: Elektropraxis
IT-Betrieb am Laufen halten - Verzicht auf RCDs in der Rechenzentrumsplanung gemäß VDE 0100-410
Auch die Spezialdisziplin Planung von IT-Zentren unterliegt den gültigen Normen und Vorschriften. Bezüglich der Schutzmaßnahmen gegen elektrischen Schlag kommt hier die DIN VDE 0100-410 Errichten von Niederspannungsanlagen zur Anwendung.
Die Schutzziele der Norm sollten selbstredend erfüllt werden. Dabei entsteht im hochsensiblen IT-Bereich aber ein Zielkonflikt, da an Rechenzen-trums-Infrastrukturen der Anspruch der Hoch- und Höchstverfügbarkeit mit der Prämisse eines unterbrechungsfreien Betriebes zu stellen ist.
In der IT werden neben Komponentenredundanzen elektrotechnische Versorgungen über zwei völlig eigenständige Pfade ohne jegliche Wechselwirkungen und Querverbindungen vom Transformator bis zum Servernetzteil aufgebaut (A-/B-Versorgung). Das Prinzip kommt ebenso in der Klimatechnik zur Anwendung. Ein Abschalten der Stromversorgung mit Unterbrechung und Ausfall des IT-Betriebes passt dabei überhaupt nicht ins Konzept und ist zu vermeiden. Die folgenden Ausführungen beleuchten den Umgang in der Rechenzentrums-Planung mit der Forderung der VDE 0100-410 nach zusätzlichem Schutz durch Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) mit einem Bemessungsdifferenzstrom, der 30 mA nicht überschreitet.
Normative Aussagen gemäß VDE 0100-410
Seit elf Jahren existiert die derzeit gültige VDE 0100-410. Vor dem Erscheinen der Norm kam niemand ernsthaft auf die Idee, in die Stromversorgung von IT-Systemen, wie z. B. Servern, Speichern, Routern oder Switches, RCDs einzubauen. Spätestens im Juni 2007 war die Fachwelt gezwungen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Und das tat sie auch. Schnell waren gleich drei Ausnahmetatbestände in der Norm identifiziert worden, auf deren Basis man auch mit der neuen Norm auf RCDs verzichten kann:
- Die Norm fordert RCDs nur für Steckdosen bis 20 A, die durch die Benutzung durch Laien und zur allgemeinen Verwendung bestimmt sind. Also wäre zu klären, was eigentlich ein Laie (im elektrotechnischen Sinne) ist. Die Antwort findet sich in der VDE 0100-200. Demnach ist ein Laie eine „Person, die weder eine Elektrofachkraft noch eine elektrotechnisch unterwiesene Person ist.“ [1] Wenn also sichergestellt wird, dass zum Rechenzentrum (RZ) nur Elektrofachkräfte (EFK) und elektrotechnisch unterwiesene Personen (EuP) Zugang haben, darf normgerecht auf RCDs verzichtet werden. Folglich gilt es, alle Personen, die im Rechenzentrum arbeiten durch eine Elektrofachkraft zu befähigen, Risiken zu erkennen und Gefährdungen durch Elektrizität zu vermeiden. Denn genau dies ist gemäß VDE 0100-200 notwendig, um die Qualifikation einer EuP zu erhalten. Darum wird das in vielen Unternehmen häufig so praktiziert.
- Eine weitere Ausnahme von der Verpflichtung zum Einsatz von RCDs ist die Überwachung der Anlagen durch Elektrofachkräfte oder durch elektrotechnisch unterwiesene Personen. Diese müssen die Anlagen instandhalten und durch messtechnische Maßnahmen sicherstellen, dass Schäden rechtzeitig entdeckt und behoben werden. Das bedeutet, dass wiederkehrende Prüfungen in festgelegten Zeitabständen stattfinden und in den Anlagen Fehlerstromüberwachungsgeräte (RCMs) eingesetzt werden müssen, die bei Schwellwertüberschreitung die Verantwortlichen umgehend informieren. Beides ist im Rechenzentrum eher eine Selbstverständlichkeit als eine überraschende Anforderung. Somit kann im Einklang mit der Norm auch in diesem Fall auf RCDs verzichtet werden.
- Der dritte Grund zum Entbinden von der verpflichtenden Verwendung von RCDs ist die normative Festlegung, dass für Steckdosen, die jeweils nur für den Anschluss eines bestimmten Betriebsmittels errichtet werden, RCDs nicht zum Einsatz kommen müssen. Dazu muss man wissen, dass in Rechenzentren IT-Equipment in Serverracks eingebaut wird, in denen sich Mehrfachsteckdosenleisten – Power Distribution Units (PDUs) – befinden, die meist dreiphasig versorgt werden und aufgeteilt auf die drei Außenleiter den Anschluss der Server und ähnlichem Equipment ermöglichen. Eigentlich dienen diese PDUs nur als Serveranschluss und damit einer bestimmten Art von Betriebsmitteln. Doch reicht das, um eine Exklusivität zu konstatieren? Ohne Weiteres nicht. Wenn aber dafür gesorgt wird, dass Rechnerräume restriktiven Zugangsregelungen (siehe oben: EFK und EuP) unterliegen, kann davon ausgegangen werden, dass es nicht vorkommt, dass z. B. eine Kabeltrommel für irgendetwas Artfremdes eingesteckt wird. Eine zweite Barriere stellt das Rack an sich dar, welches häufig unter Verschluss gehalten wird. Doch selbst wenn die Person mit dem Stecker in der Hand bis zur PDU vorgedrungen ist, wird sie spätestens hier scheitern. Denn in einer großen Mehrzahl der Rechenzentren werden nur sehr selten PDUs mit Schuko-Kupplung (CEE 7/3) eingesetzt. Quasi-Standard sind hier die C13-Kupplungen für Kaltgerätestecker, hin und wieder trifft man auch auf C19-Kupplungen. Wer es nun schafft, einen Adapter und im Weiteren eine Kaffeemaschine oder einen Winkelschleifer anzuschließen, tut dies sicher nicht aus Versehen und nicht im Sinne der einschlägigen Gefährdungsbeurteilung.
Zusammenfassend ist für den letzten Punkt festzustellen, dass die Steckdosen (PDUs) in den Serverracks nur für bestimmte Betriebsmittel errichtet sind und dass sehr viel dafür getan wird, einen Missbrauch zu verhindern.