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Sicherungskasten/Stromunterbrechung (Foto: Klaus Eppele/stock.adobe.com)
Elektrosicherheit | Maschinen- und Anlagentechnik | Motoren und Antriebe | Fachplanung | Elektroplanung

Ströme auf PE/PA-Leitern in Anlagen mit Antriebstechnik Teil 2

Einflüsse durch induktive Einkopplung und schlecht entstörte Geräte, Messung und Maßnahmen zur Reduzierung

21.02.2019

Dieser Beitrag beschreibt die verschiedenen Ursachen für die Entstehung von Potentialausgleichsströmen in Anlagen, Möglichkeiten zur Messung/Analyse und Maßnahmen zur Vermeidung dieser Ausgleichsströme mit besonderem Bezug auf Antriebsumrichtern. Dabei werden die Phänomene insbesondere aus Sicht der elektromagnetischen Verträglichkeit betrachtet.

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Wie bereits im ersten Teil dieses Beitrags erläutert, liegt eine prinzipielle Ursache für die unbeabsichtigte Entstehung und Verbreitung von Strömen auf dem Potentialausgleichsystem in Gebäuden oder elektrischen Anlagen darin begründet, dass PE- und PA-Systeme nicht streng trennbar sind.

Ursachen für Ströme auf PE/PA-Leitern

Die Ströme auf den PE/PA-Leitern bei Anlagen mit frequenzgeregelten Antrieben können hierbei zahlreiche Ursachen haben. Sie sind dabei auch, aber nicht ausschließlich, dem Einsatz des leistungselektronischen Gerätes und seines EMV-Filters selbst geschuldet. Diese Ursachen können im Einzelnen sein: Kapazitiv
  • Ausbildung von Gleichtaktspannungen durch leistungselektronische Verbraucher, was in Folge von kapazitiver Kopplung von Leitungen und Betriebsmitteln gegen Erde Gleichtaktströme anregt.
  • Unnötig stark kapazitiv gegen Erde wirkende Leistungskabeltypen. Unnötig lange Motorkabel.
Induktiv
  • Induktive Einkopplungen innerhalb der Kabel (zwischen Phasen- und PE/PA-Leitern), speziell bei mittleren und großen Leistungen.
Versorgungsspannung/Netzvorbelastungen
  • Niederfrequente Netzoberschwingungen, Harmonische der Netzfrequenz.
  • Unsymmetrische Belastung der EMV-Filter durch unterschiedliche Phasenspannungen (z. B. ungleiche Aufteilung einphasiger Lasten, unsymmetrische Aufteilung von Stromschienen).
  • PE/PA-Strom-„Vorbelastung“ durch nicht oder unzureichend entstörte Geräte innerhalb derselben Installation. Der vorhandene EMV-Filter filtert diese Vorbelastung mit, wodurch ein zusätzlicher PE/PA-Strom am ordentlich entstörten Gerät entsteht.
Installation/ungünstige Ausbreitungspfade
  • Unerwünschte Ausbreitungspfade von Gleichtaktströmen durch nicht isolierte Motor/Lastkupplung oder Lastmaschine/Prozessankopplung sowie schlechtem Potentialausgleich zwischen Umrichter und Motor.
  • Kreisströme zwischen dem leistungselektronischen System, dessen Komponenten und dem Netz, hervorgerufen durch den Aufbau/die Schaltung der EMV-Filter.Zusätzlich können auch falsch dimensionierte EMV-Filter dazu beitragen.
  • Kreisströme durch mehrere „zentrale“ Erdungspunkte in der Anlage (nicht zulässig).
  • Unentdeckte (schleichende) Isolationsfehler.
Nachdem im ersten Teil in der vorherigen Ausgabe die kapazitiven Phänomene bereits angesprochen wurden, sollen im Folgenden die Einflüsse durch induktive Kopplungen, Netzspannungsqualität und schlecht entstörte Geräte im Mittelpunkt des Beitrags stehen.

Induktive Kopplung in Leitungen und Schienensystemen

Ab einer Bemessungsleistung von etwa 30 kW tritt bei elektrischen Antrieben verstärkt ein induktiver Effekt in den Versorgungsleitungen auf, der insbesondere durch eine asymmetrische Anordnung der Leiter in Kabeln oder Schienensystemen hervorgerufen wird. Dadurch bildet sich innerhalb des Kabels ein Spannungspotential Außenleiter zu Schutzleiter/Potentialausgleichsleiter, welches einen Kreisstrom innerhalb des Potentialausgleichsystems treiben kann. Dieser Effekt hat nichts mit der Leistungselektronik selbst zu tun. Vielmehr resultiert er aus den verwendeten Leistungskabeltypen oder Stromschienen-Übertragungssystemen im Zusammenspiel mit der Potentialausgleichsanlage und deren Vermaschung, worauf u.a. auch in der einschlägigen Fachliteratur hingewiesen wird. Folglich ist es auch unerheblich, ob der Motor über einen Frequenzumrichter oder Softstarter geregelt wird, da auch direkt am Netz betriebene Motoren gleichermaßen von dieser Problematik betroffen sind. Speziell bei langen Kabeln und/oder langen Leitungen kann sich der Effekt sehr deutlich ausbilden. Bei mehreren hundert kW Antriebsleistung erreichen die Ströme leicht den zweistelligen Amperebereich. Vermeiden lässt sich der Effekt durch räumliche Trennung der drei Phasen zum Potentialausgleichsleiter oder mithilfe einer symmetrischen Aufteilung des PE/PA-Leiters innerhalb des Kabels. Solche Kabel sind mittlerweile bei praktisch allen namhaften Herstellern im Programm verfügbar.

Versorgungsspannung/Oberschwingungen

Verzerrungen der Sinusform der Versorgungsspannung werden zu einem großen Teil durch die niederfrequenten Netzrückwirkungen der leistungselektronischen Verbraucher in einer Anlage verursacht. Die Beurteilung der Netzqualität erfolgt in unseren Netzen typischerweise auf Basis der Oberschwingungen der Grundschwingung 50 Hz bis 2,5 kHz, entsprechend der 50. harmonischen Oberschwingung. Die Oberschwingungen mit den stärksten Auswirkungen sind die der 3., 5. und 7. Ordnung, also die Frequenzen von 150, 250 und 350 Hz. Ein zu hoher Oberschwingungsanteil belastet EMV-Filter in den Geräten ungünstig und kann ebenfalls zu einem nicht unerheblichen Anteil von Strömen auf dem Potentialausgleichssystem führen. Eine Beispielrechnung ergibt, dass bei einer Beschaltung mit 3 x 1 µF bei 10 % Oberschwingungsanteil 3. Ordnung ein zusätzlicher Strom von 65 mA mit 150 Hz entsteht.

Netzvorbelastung durch schlecht entstörte Geräte

Oft wird bei Problemen mit elektrischen Antrieben und zu hohen Strömen auf dem PE-Schutzleiter (z. B. unerwünschtes Auslösen eines FI-Schutzschalters, RCD) versucht, durch Ausschalten oder Entfernen des EMV-Filters eine Lösung zu finden. Anwender übersehen dabei jedoch, dass die Funkentstörung dann nicht mehr vorhanden oder zumindest deutlich reduziert ist. Noch gravierender ist der Wegfall des dafür vorgesehenen, möglichst kurzen Rückleitungspfads für die höherfrequenten Gleichtaktströme aus der kapazitiven Kopplung von Motor und Motorkabel. Diese verteilen sich nun dadurch möglicherweise im gesamten Anlagennetz, je nach dem Vermaschungsgrad der Potentialausgleichsanlage. Ebenfalls sind sich manche Anwender nicht darüber bewusst, dass die Gleichtaktströme, welche beim Betrieb von schlecht oder nur unzureichend entstörten Geräten entstehen, durch die korrekt dimensionierten Filterschaltungen von parallel betriebenen Geräten „mitgefiltert“ werden. Besonders paradox daran ist, dass häufig aufgrund mangelnder Fachkenntnis und Messtechnik dieser fälschlich als „Ableitstrom“ bezeichnete Strom dann zusätzlich dem korrekt ausgelegten und entstörten Gerät zugeordnet wird.

Richtig messen und analysieren

Bevor eine sinnvolle Messung in der Anlage erfolgen kann, ist zunächst die Anlagenstruktur und insbesondere der Aufbau der gesamten Potentialausgleichsanlage zu klären. Leider vergessen Planer/Projektierer speziell letzteres in der Anlagendokumentation gerne, obwohl es eigentlich zwingend vorgeschrieben ist. Weiterhin ist es für die Bewertung der Ströme auf PE/PA-Leitern in einer Anlage sinnvoll, eine Messmethode zu wählen, welche die Analyse der enthaltenen Frequenzanteile bis wenigstens 20...100 kHz ermöglicht. Dies kann durch ein Oszilloskop in Verbindung mit hochauflösenden Stromwandlern oder mit speziell dafür vorgesehenen Messsystemen verschiedener Anbieter erfolgen. Übliche Strommesszangen sind, abgesehen von deren ohnehin geringer Frequenzauflösung deutlich < 1 kHz, für eine aussagefähige Analyse kaum geeignet, denn im Vordergrund steht nicht allein die Höhe eines relativ beliebig ermittelten Effektivstromes. Ziel ist vielmehr die Deutung des an verschiedenen Abgängen oder Einspeisepunkten enthaltenen Frequenzspektrums, um die Ursachen und Mechanismen der vorhandenen PE/PA-Ströme festzustellen. Zudem sollte eine Differenzstrommessmethode bevorzugt werden, da die einfache Strommessung, z. B. am PE/PA-Leiter eines Geräts, möglicherweise nur „gute“ Gleichtakt-Rücklaufströme des gewollten Potentialausgleichs erfasst, nicht aber zusätzliche Stromanteile mit weiteren Ursachen. Literatur:
[1] Mieslinger, Ch.: Ströme auf PE/PA-Leitern in Anlagen mit Antriebstechnik – Teil 1: Grundlagen zur Entstehung, kapazitiver Einfluss der Leitungen. Elektropraktiker, Berlin 71 (2017) 4, S. 300 – 303.
[2] Empfehlenswert: Kohling, Anton (Hrsg.): EMV. Umsetzung der technischen und gesetzlichen Anforderungen an Anlagen und Gebäude sowie CE-Kennzeichnung von Geräten. Berlin: VDE-Verlag, 2., vollst. überarb. Aufl. 2012. Autor: C. Mieslinger Der vollständige Artikel ist in unserem Facharchiv nachzulesen.
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