Aus dem Facharchiv: Elektropraxis
Alten Trafotürmen weiteres Leben geben
Transformatorenstationen sind in den Stromnetzen unverzichtbare Elemente für eine preiswerte Stromversorgung. Sie sind für unseren stets steigenden Wohlstand bis heute unersetzlich, neuerdings auch als intelligente Netzstationen im Smart Grid.
Unsere rasanten gesellschaftlichen Entwicklungen mit immer höheren Bruttosozialprodukten sind maßgeblich mit Weiterentwicklungen von Stromanwendungen verknüpft. Bevor jedoch die ältesten Transformatorenstationen für immer verschwinden, gilt es, den überflüssig gewordenen Trafotürmen neues Leben einzuhauchen.
Die oft über 100 Jahre alten Trafotürme sind in Stein gemeißelter Ausdruck des in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts begonnenen Siegeszugs einer rasant um sich greifenden Stromversorgung [1].
Die ersten Turmstationen entstanden bereits zum Ausgang des 19. Jahrhunderts. In den Anfängen der flächendeckenden Stromversorgung, speziell ab 1905, also in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, als private und öffentliche Überlandwerke verstärkt den ländlichen Raum mit Strom zu erschließen begannen, entwickelte sich eine ganz eigene Turmspezies, genannt Turm- oder Freileitungsstationen. Architekten haben sich von der Faszination dieser neuen Art von Türmen anstecken lassen und Trafotürme individuell und künstlerisch gestaltet. So entstanden die phantasiereichsten Gebäudearchitekturen [1],[2].
In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde der Bau von Turmstationen nach rd. 90 Jahren Existenz eingestellt. Die Verkabelung der Mittel- und Niederspannungsnetze war so weit fortgeschritten, dass künftig nur noch fabrikfertige Kabelstationen – wie von Beginn an schon in den Städten – auch im ländlichen Bereich errichtet wurden. Nach und nach wurden seitdem alte Turmstationen ausgemustert und durch moderne Netzstationen ersetzt. Einige dieser alten Türme wurden zu Denkmälern erkoren. Doch in den meisten Fällen wurden sie einfach abgerissen, z. T. aber erhalten, indem ihnen eine neue Verwendung zuteilwurde.
Die Ausmusterung dieser alten Turmstationen hat aufgrund der Energiewende und der damit benötigten Verstärkung der Netze Fahrt aufgenommen. Mit dem beschleunigten Ersatz besteht akut die Chance, diese alten Trafotürme, diese regional und landschaftlich geprägten, schützenswerten, technisch-baulichen Kulturgüter mit nicht selten 100-jähriger Geschichte der Nachwelt zu sichern, anstatt sie in aller Stille verschwinden zu lassen. An einer Existenzsicherung sollte aus kulturellen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen ein breites öffentliches Interesse bestehen. „Trafotürme sind Zeitzeugen, ein Stück Heimat, Identifikationsobjekte, Wegweiser, Landmarken, Vertreter einer Architekturepoche und prägende Elemente einer erhaltenswerten Kulturlandschaft“ bringt es der Landschaftsarchitekt Dr. Christian Poßer auf den Punkt [3]. Zudem lässt sich ein Zusatznutzen zur Nachhaltigkeit in der Natur anstreben, indem man sie zu Artenschutztürmen umbaut [1], [4].