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Elektrotechnik
ZVEH-Jahrestagung in Berlin 2005: Betriebe und Verbände im Wandel der Märkte
ep7/2005, 2 Seiten
Elektrohandwerk 2000+ ZVEH-Präsident Walter Tschischka (Bild ) stimmte die Delegierten mit seinem Vortrag „Elektrohandwerk 2000+“ auf die veränderten und sich weiter wandelnden politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ein. Für den ZVEH ergeben sich drei Kernfragen: · Wie will die Organisation es zukünftig mit Unternehmern ohne klassische Meisterausbildung halten? · Will man Unternehmerverband oder Handwerkerverband herkömmlicher Prägung sein? · Wie hält man es zukünftig mit dem Flächentarifvertrag? Tschischka sprach sich klar für ein Selbstverständnis als Unternehmerverband aus. Die handwerkliche Organisation könne zum Beispiel zukünftig auch Unternehmer ohne Meisterausbildung aufnehmen. Der Kunde betrachte bei der Auftragsvergabe die Leistungsfähigkeit der Unternehmen. Hier müsse ein Markenkonzept ansetzen, das vom Kunden her denke: „Der Verband muss dem Kunden Zeichen zur Verfügung stellen, anhand derer er das qualifizierte Unternehmen erkennt“, betonte der ZVEH-Präsident. So ließen sich auch noch mehr Mitglieder gewinnen, da die Kunden über kurz oder lang nach den Symbolen und Zertifikaten nachfragten, für die sich nur das Innungsmitglied qualifizieren könne. Tschischka vertrat die Ansicht, dass der ZVEH mittelfristig über die Schaffung eines Angebotes für Unternehmen nachdenken müsse, die sich nicht dem Flächentarifvertrag unterwerfen wollten. „Die Organisation muss auch für diejenigen, die ohne Tarif arbeiten wollen, eine Antwort bereithalten.“ Die Chancen, die in der Informationstechnologie liegen, erörterten die Teilnehmer der Jahreskonferenz auf einer Fachtagung (siehe Kasten). Referenten aus Industrie und Verband stellten praxisnah dar, was viele Unternehmen bereits täglich umsetzen: Die Betriebe werden mehr und mehr zum Systemanbieter im Bereich der industriellen IT. In kaum einer anderen Branche ziehen die neuen Technologien so schnell ein wie in den Gewerken der elektro- und informationstechnischen Handwerke. Bilde man sich weiter und richte sein Unternehmen konsequent an den Bedürfnissen und Erforderlichkeiten des Marktes und der Kunden aus, so stehe die Zukunft offen. Wirtschaftliche Lage Prägnant beschrieb Handwerkspräsident Otto Kentzler (Bild ) in seiner Festrede die wirtschaftliche Situation im Handwerk: Der Binnenmarkt in Deutschland breche weg, Angstsparen habe das Land erfasst, Anschaffungen würden aufgeschoben. „Stattdessen stocken die Menschen lieber den Notgroschen auf - für den Fall der Arbeitslosigkeit oder für die Altersvorsorge. Der Staat ist klamm und vergibt kaum noch Aufträge. Der Konkurrenzdruck steigt“, so Kentzler: „Viele Wettbewerber können ihre Leistungen zu ganz anderen Konditionen anbieten: Subventionierte Ich-AGen, 1-Euro-Jobber oder Billiganbieter aus den osteuropäischen Beitrittsländern - oftmals Scheinselbständige - machen unseren Betrieben unfaire Konkurrenz und drängen sie ins Aus.“ Täglich gingen Arbeitsplätze an die Schwarzarbeit verloren, Umsatzeinbußen in Milliardenhöhe seien die Folge, die Gewinnspannen würden immer enger. „Nach dem Motto ,Geiz ist geil' werden Aufträge verramscht. Auf einem der neuen Internet-Portale werden Kundenaufträge an den billigsten Anbieter verschleudert. Nach der Devise: Wer bietet weniger? Der kleinste Preis gewinnt! Qualität? - nicht garantiert! Gewerbeschein? - vielleicht! Haben die Betriebe einen Auftrag ergattert, müssen sie oft monatelang auf die Bezahlung warten.“ Der Handwerkspräsident bemängelte, dass das Forderungssicherungsgesetz, das wichtige Elemente zur Verbesserung der Zahlungsmoral enthält, seit einem Jahr im Bundestag blockiert werde. Aber: „Wenn die Betriebe auch kein Geld kriegen, sollen sie wenigstens schon mal an den Staat zahlen: Bundessozialministerin Schmidt will die Sozialbeiträge vorziehen. Und unsere Steuersystematik verlangt, dass die Betriebe sofort die Umsatzsteuer abführen, während sie selber darauf warten müssen, dass ihre Rechnung beglichen wird“, kritisierte Kentzler. „Und damit das Warten gut ausgefüllt ist, sollen sie wenigstens Statistiken und Formulare ausfüllen dürfen: 70 Stunden lang pro Mitarbeiter und Jahr.“ Leidtragende seien die mittelständischen Betriebe, deren Eigenkapitaldecke immer dünner werde: „Mancher von ihnen schießt aus der Substanz zu, um sich über die Runden zu retten. Oder verabschiedet sich still und leise vom Markt.“ Allein im letzten Jahr hätten im Handwerk 138000 Menschen ihren Arbeitplatz verloren - alle vier Minuten einer. Kentzler: „Mancher macht sich aus der Not der Arbeitslosigkeit heraus selbständig: als Ich-AG, ohne Mitarbeiter, ohne Lehrlinge, ohne Kapital - aber mit Subventionen.“ Dies sei der perfekte Strudel in den zweiten Arbeitsmarkt. „Soll das die deutsche Wirtschaft auf die Beine bringen?“, fragte der ZDH-Präsident. Dabei seien es doch gerade die mittelständischen Handwerksbetriebe, die das Potential hätten, um mit den Herausforderungen der Zeit fertig zu werden - Unternehmer, · die Initiative und Verantwortung zeigen, · die Spaß daran haben, etwas zu unternehmen, · die investieren wollen, · die innovative Ideen verwirklichen wollen, · die einstellen und ausbilden wollen und · die natürlich Gewinne machen wollen. Der ZDH-Präsident weiter: „In den elektrotechnischen Handwerken machen Sie es doch vor: · Sie reagieren auf den rasanten, technischen Umbruch, auf immer kürzer werdende Innovationszyklen mit konsequenter Aus- und Weiterbildung · Sie setzen auf Qualität und Spezialisierung · Sie kooperieren mit den industriellen Partnern, mit anderen Gewerken, mit den Hochschulen · Sie gehen neue Wege, bieten innovative Lösungen aus einer Hand an, entwickeln neue Vermarktungsstrategien.“ Meisterausbildung Hier zeige sich auch einmal mehr, wie wichtig und zukunftsträchtig die Meisterausbildung im Handwerk sei: „Sie ist das Fundament, um sich flexibel den wandelnden Bedürfnissen des Marktes anzupassen.“ Welche Auswirkungen ein unbedachter und unsensibler Umgang mit der Handwerksordnung habe, sehe man an der Abschaffung der Meisterpflicht in vielen Berufen. Das habe Scheinselbständigen aus den osteuropäischen Beitrittsländern Tür und Tor geöffnet, sich in den zulassungsfreien Berufen niederzulassen. Und die Kammern hätten keinerlei Handhabe, selbst wenn Missbrauch offensichtlich sei. Unsensibel und völlig unverständlich sei auch der Umgang der EU mit der Anerkennung von Berufsabschlüssen: „Da werden deutsche Meister auf ein Niveau gestellt mit EU-Arbeitern, die lediglich über eine zweijäh-Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 7 504 BRANCHE AKTUELL ZVEH-Jahrestagung in Berlin Betriebe und Verbände im Wandel der Märkte Im Zeichen des Wandels der Märkte stand die diesjährige ZVEH-Jahrestagung in Berlin. Neben geänderten politischen Rahmenbedingungen stehen die Handwerksunternehmer sich verändernden Märkten und Kundenverhalten gegenüber. Rund 300 Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet diskutierten aktuelle Trends und neue Technologien. Ein weiteres Kernthema war die Frage, wie sich die handwerkliche Organisation verändern muss, um auch in Zukunft bestehen zu können. ZVEH-Präsident Walter Tschischka ZDH-Präsident Otto Kentzler rige Berufserfahrung verfügen. Dagegen wenden wir uns mit aller Entschiedenheit.“ Kentzler freute sich über den Erfolg, dass die deutschen Europaabgeordneten aller Parteien erklärten, dem EU-Entwurf nur unter dem Vorbehalt zuzustimmen, dass einer Höherstufung des Meisters noch während der Umsetzungsfrist stattgegeben wird: „Denn Bildungsdumping können wir in Europa genauso wenig gebrauchen, wie Qualitäts-, Sozial- und Lohndumping, das uns durch die geplante Dienstleistungsrichtlinie droht.“ Nach entschiedener Intervention der Wirtschaftsverbände werde diese nun - Dank des Einsatzes des Bundeskanzlers - grundlegend überarbeitet. „Wir brauchen den freien Zugang zu den europäischen Märkten, ohne Schikanen. Aber am Marktort müssen die Bedingungen für alle Anbieter gleich sein“, unterstrich der ZDH-Präsident. Mittelstand macht mobil Kentzler betonte, dass der Mittelstand mobil mache: „Wir müssen wieder in den Fokus. Da, wo der Mittelstand hingehört. Und nicht irgendwo am Rand als armer Verwandter der Großunternehmen. Wir sind das Großunternehmen mit 887000 Betrieben und 5 Mio. Mitarbeitern. Positiv müssen wir mit den Potentialen des Handwerks werben. Trotz aller Probleme, die wir haben, habe ich es mir auf die Fahnen geschrieben: Wir stimmen nicht ein in das deutschlandweite Lamento. Wir sind Handwerker. Wir krempeln die Ärmel auf und blicken nach vorn!“ In allen Gesprächen mit der Regierung, der Opposition und den Gewerkschaften habe der ZDH deutlich gemacht: „Das Handwerk kann arbeiten und will arbeiten - wenn man es denn lässt. Deshalb brauchen wir verbesserte Rahmenbedingungen.“ Denn nur eine Verbesserung dieser Bedingungen werde dem Land Wachstum und damit langfristig auch höhere Steuereinnahmen bescheren: Jetzt müsse · die Körperschaftssteuer von 25 auf 19 % gesenkt werden, · die Anrechnung der Gewerbesteuer von 1,8 auf 2 angehoben werden und · die Erbschaftsteuer bei Weiterführung des Betriebes abgeschmolzen werden. Doch auch diese Maßnahmen wirkten nur mittelfristig. „Was wir sofort brauchen, sind Aufträge, Aufträge, Aufträge!“, so Kentzler. Deshalb dränge der ZDH die Regierung, kurzfristig Maßnahmen zur Verbesserung der Auftragslage zu ergreifen: 1. Die Ausweitung der steuerlichen Absetzbarkeit von haushaltsnahen Dienstleistungen auf Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten durch das Handwerk. „Ich bin überzeugt: Das heizt den Markt an!“ 2. Die - längst fällige - Umstellung von Soll- auf Ist-Besteuerung. Umsatzsteuer soll erst abgeführt werden, wenn der Kunde auch gezahlt hat. „Das ist fair und stärkt die Liquidität der Betriebe. Und zahlreiche Insolvenzen wegen schlechter Zahlungsmoral könnten vermieden werden.“ 3. Im Betrieb verbleibende Gewinne sollen bis zu 100000 Euro steuerfrei bleiben. „Das wäre ein wichtiges Signal in Richtung Investitionen - und zwar nicht nur für Ersatzbeschaffungen oder Reparaturen, sondern für die wachstumsorientierten Erweiterungsinvestitionen.“ Langfristig sei ein schlüssiges Gesamtkonzept von Steuern und Abgaben nötig, das Arbeit wieder bezahlbar und Investitionen möglich mache und vor allem aufhöre mit dem Spielchen „linke Tasche, rechte Tasche“ - von der Beitrags- in die Steuerfinanzierung: „Wir brauchen ein Konzept, das echte Entlastung schafft. 3 mal unter 40 - das sind unsere Eckwerte: bei den Sozialabgaben, bei den Steuern, bei der Staatsquote.“ Der ZDH-Präsident räumte allerdings ein, dass Einfordern allein ist kein Erfolg versprechender Weg sei. Deshalb hätten die Fachgremien des ZDH ein Modell erarbeitet, mit dem der Weg hin zu einem solchen Steuer- und Sozialsystem aufgezeigt werde. Dieses ambitionierte und anspruchsvolle Modell soll der Politik ein Wegweiser sein - aus einem System der falschen Anreize und Demographieanfälligkeit hin zu einem System, das auf Eigeninitiative und Eigenverantwortung der Menschen setzt, ohne dabei die soziale Komponente zu vernachlässigen. Kentzler: „Unsere Botschaft ist klar: Entlastungen und Vereinfachungen schaffen Investitionen. Investitionen schaffen Wachstum. Wachstum schafft Beschäftigung, stärkt unsere handwerklichen Betriebe und eröffnet Zukunftsperspektiven. Mit unserem Konzept zeigen wir: Wir kritisieren nicht nur. Wir machen konstruktive Vorschläge aus unserer praktischen Erfahrung, wie es gehen kann.“ Handwerksorganisationen Zukunftsperspektiven brauche das Handwerk auch, wenn es um den Fortbestand seiner Organisationen gehe. Denn die schwierige wirtschaftliche Lage schlage auf Kammern und Verbände durch. „Die Betriebe schrumpfen. Im Schnitt von fast 11 Mitarbeitern auf etwas unter 7.“ Gerade die Unternehmen des ehemals stabilen Mittelbaus seien betroffen. Sie würden durch Kleinstbetriebe ersetzt oder fielen ganz weg - und damit auch aus den Kammern und Innungen. Kleine Betriebe seien oftmals beitragsfrei und suchten keine Anbindung an freiwillige Fachverbände. Hinzu komme eine Tendenz, die in der gesamten Gesellschaft zu beobachten sei: Traditionelle Bindungen würden hinterfragt. Auch Kirchen, Gewerkschaften und Parteien verlören - wie das Handwerk - angestammte Mitglieder. Die Verbände in freiwilliger Mitgliedschaft bekämen das besonders zu spüren: „Der Organisationsgrad sinkt, Beiträge brechen weg. Aber gerade in schwierigen Zeiten brauchen wir eine schlagkräftige, effiziente und damit kostengünstige Handwerksorganisation, um unsere Betriebe zu stärken und in der Anpassung an sich wandelnde Märkte zu unterstützen - als wichtiger und attraktiver Dienstleister für unsere Handwerksunternehmen und als selbstbewusster, wirkungsvoller Vertreter unserer Belange in der Politik“, so Kentzler. Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 7 506 BRANCHE AKTUELL Für elektro- und informationstechnische Handwerksunternehmen ergeben sich mit der zunehmenden Entwicklung der Informationstechnik zahlreiche neue Chancen, die sie auch zu nutzen in der Lage sind. Dies ist das Ergebnis der Fachtagung „Geschäftsfeld Informationstechnik“, die der ZVEH während seiner diesjährigen Jahrestagung veranstaltete. Im Verlauf der Tagung zeigte sich, dass viele der rund 78000 Unternehmen der Elektro- und IT-Handwerke bereits in den von den Referenten skizzierten Märkten tätig sind. Hierin, da waren sich die Teilnehmer einig, zeige sich die enorme Innovations- und Anpassungskraft der Branche. Der Markt habe sich rapide gewandelt und die Kunden fragten die anspruchsvollen Dienstleistungen aus der Informationstechnik nach. Im Bereich der industriellen IT, so Roland Bent, Mitglied der Geschäftsführung von Phoenix Contact, zöge die bekannte Bürotechnik nun auch in den Produktionsräumen zur Steuerung der Anlagen ein. Technisch identisch mit der Netzwerktechnik, die der Anwender aus dem Umfeld seines Schreibtisches im Büro kennt, aber robuster gebaut, werden diese Technologien von Handwerksunternehmen zuverlässig bei gewerblichen Kunden installiert. In diesem Bereich geht der Hersteller Phoenix Contact von erheblichen Wachstumsraten aus, sodass dies auch ein herausragender Zukunftmarkt für die handwerklichen Dienstleister darstellt. Gleiches gilt für die Internet-Telefonie VoIP (Voice-over-IP). Der Referent Wolf-Dieter Oels, Geschäftsführer des Netzwerktechnikums, geht davon aus, dass die herkömmlichen Telefonanlagen innerhalb der nächsten fünf Jahre vom Markt verschwänden. Die Umstellung ginge jedoch nicht plötzlich vonstatten, sondern es müsse mit einer Übergangszeit gerechnet werden, in der die derzeitigen Techniken parallel eingesetzt würden. Auch dies sei ein Zukunftsmarkt, bei dem die elektro- und informationstechnischen Handwerke als kompetente Dienstleister gefragt und befähigt seien. Dies gelte nicht zuletzt bei der Installation von Anlagen etwa in kleinen und mittleren Unternehmen. Aus der Sicht des Praktikers beleuchtete Lothar Hellmann, ZVEH-Vorstandsmitglied und Vorsitzender des Lenkungsausschusses Informationstechnologie, die Trends. Der innovative Unternehmer zeigte anhand seines eigenen Betriebs anschaulich, welche Chancen und Möglichkeiten im Anbieten der Dienstleistungen rund um die Informationstechnologie stecken. Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit sei allerdings die Bereitschaft zu immer währender Fortbildung. Nur wer hinzuzulernen bereit sei, könne sich den Anforderungen der Kunden und des Marktes stellen. Zusammenfassend stellte ZVEH-Präsident Walter Tschischka fest, dass die elektro- und informationstechnischen Handwerke schon heute ein zuverlässiger und kompetenter Ansprechpartner für informationstechnische Projektierungs-und Installationsaufgaben seien. Diesen Trend will der ZVEH mit seiner Arbeit fachlich und informativ weiter unterstützen. Industrielle Informationstechnik - Vielfältige Chancen für Handwerksunternehmen
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