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Energietechnik/-Anwendungen | Regenerative/Alternative Energien | Elektrotechnik

Wege zur Stromversorgung von morgen

ep10/2007, 3 Seiten

Vor dem Hintergrund des Klimawandels sind erneuerbare Energien (EE) der wohl wichtigste Bestandteil der künftigen Stromerzeugung. Flankiert durch die politischen Weichenstellungen arbeiten Forschung und Wissenschaft weltweit an weiteren Verbesserungen. Denn die Entwicklung der EE steht erst am Anfang.


Gefahr des Klimawandels seit langem bekannt Dass die Gefahr eines Klimawandels besteht, weiß die Menschheit mindestens seit 1950. Prof. H. J. Schellnhuber, Gründer und langjähriger Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Professor an den Universitäten Potsdam und Oxford: „Seitdem wird die Gefahr einer vom Menschen verursachten Erwärmung weiterhin ernst genommen. 1957/58 gelang der Nachweis, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre tatsächlich ansteigt. Isotopenanalysen zeigen zudem, dass der Anstieg durch Kohlenstoff aus der Nutzung fossiler Brennstoffe verursacht wurde - also vom Menschen“ [1]. Inzwischen ist die im Labor entdeckte Gefahr zumindest in den Industriestaaten Wirklichkeit geworden. Verantwortlich für das freigesetzte Treibhausgas C02 (Kohlendioxid) sind Kraftwerke, die mit Kohle oder anderen fossilen Brennstoffen betrieben werden, aber auch der Betrieb von Schiffen, Fahr- und Flugzeugen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das entstandene Treibhausgas weit mehr als ein Jahr wirksam bleibt. Zu den gemäß Kyoto-Protokoll ebenfalls zu verfolgenden Treibhausgasen zählt auch Methan (CH4). Es entsteht insbesondere in der Viehwirtschaft und in gärenden Deponien. Das Gas ist 21-mal klimaschädlicher als CO2. Deutschlands Rolle als Vorreiter Wie die EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr erkennen ließ, ist Deutschland beim Klimaschutz relativ gut aufgestellt. Eine wesentliche Ursache sind die schon von den vorherigen Bundesregierungen eingeleiteten Maßnahmen: Bereits ab 1989 wurden in Deutschland Windenergieanlagen (WEA) entwickelt. Ziel der Regierung unter Helmut Kohl war schon damals der Wunsch nach einer gemeinsamen Energieversorgung, die nicht wie kurze Zeit vorher das Kraftwerk in Tschernobyl ein katastrophales Ende nimmt. Zusammen mit dem kurz danach folgenden 1500-Dächerprogramm (PV) waren das weltweit die ersten Versuche, um erneuerbare Energien (EE) zu realisieren. Darauf aufbauend erweiterte die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder den Kreis der Energieträger, organisierte Finanzierung, Produktion und den Einsatz in der Praxis. Diese Linie hat - wie noch gezeigt wird - die jetzige Regierung erweitert. Zu den Fortschritten der „Vorreiter“ gehört in Deutschland die Energieeinsparung im Gebäudebereich. Erreicht wird sie seit vielen Jahren durch eine radikale Reduzierung des Wärmebedarfs und verbesserte Heizungen - eine Maßnahme für Neubau und Gebäudebestand. Wie weit reduziert werden kann, entscheidet der Typ des Wohngebäudes (Bild ). CO2-freie Stromerzeugung Strom wird gegenwärtig in Deutschland vor allem in Stein- und Braunkohlekraftwerken erzeugt. Da diese teilweise veraltet sind, werden sie in diesen Jahren durch modernere Kraftwerke oder vereinzelt auch durch Gaskraftwerke ersetzt. Im Fokus steht dabei ein hoher elektrischer Wirkungsgrad, um die Stromproduktion zu erhöhen und C02-Emissionen zu reduzieren. Im Übrigen arbeitet die Forschung an weiteren Verbesserungen. Schwerpunkt ist die Entwicklung eines CO2-freien Kraftwerkes in mindestens zwei oder drei Varianten. Erreicht werden soll dies, indem CO2 aus dem Rauch entfernt und anschließend tiefgelagert wird. Eine dieser Pilotanlagen geht in absehbarer Zeit am Kraftwerk „Schwarze Pumpe“ in den Testbetrieb. Wenn alles wie gewünscht technisch und wirtschaftlich erreicht wird, könnte 2020 die Serienfertigung möglich sein - so die Entwickler. Der wohl wichtigste Bestandteil der künftigen Stromerzeugung sind aber nicht nur in Deutschland die erneuerbaren Energien (EE) aus Sonne, Wind, Wasser, Biomasse oder Erdwärme zur Erzeugung von Strom, Wärme und Kraftstoffen. Obwohl ihre Entwicklung erst am Anfang steht, wurden dennoch nach An- Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 10 Energieversorgung FÜR DIE PRAXIS Wege zur Stromversorgung von morgen H. Kabisch, Berlin Vor dem Hintergrund des Klimawandels sind erneuerbare Energien (EE) der wohl wichtigste Bestandteil der künftigen Stromerzeugung. Flankiert durch die politischen Weichenstellungen arbeiten Forschung und Wissenschaft weltweit an weiteren Verbesserungen. Denn die Entwicklung der EE steht erst am Anfang. Autor Dipl.-Ing. Helmut Kabisch ist freier Fachautor, Berlin. EP1007-911-913 20.09.2007 8:18 Uhr Seite 911 gaben der Bundesregierung im Jahre 2004 durch die Strom- und Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen sowie durch den Einsatz von Biotreibstoffen rund 70 Mio. t CO2-Emissionen vermieden, allein durch die Stromerzeugung 52,2 Mio t CO2. Unter den EE ist die Windenergie vor allem in Deutschland die Nr. 1. Das Ziel der Bundesregierung ist, die CO2-freie Stromversorgung bis 2020 auf einen Anteil von 25 % zu erhöhen. Geplant ist weiterhin, im Jahr 2030 den Strom zu 10 % auf dem Land (onshore) und zu 15 % auf dem Meer (offshore) zu erzeugen. Dabei wird mit einer installierten Offshore-Leistung von 20000 bis 30000 MW gerechnet [2, 3]. Bisher wurden die neuen leistungsstarken WEA vor allem im küstennahen Bereich erforscht. Darüber hinaus testete ein von der EU gefördertes Projekt eine 5-MW-WEA von Repower in der schottischen See. Das besondere ist hier die Wassertiefe von 45 m, die in den deutschen Küstengewässern später vielfach die Norm sind. Inzwischen wurde eine zweite WEA dieses Typs installiert. Darüber hinaus wurde inzwischen auch ein neues dreibeiniges Fundament (Tripod) zusammen mit einer WEA des Typs Multibrid M 5000 getestet. Das ebenfalls für eine Tiefe von 45 m vorgesehene Fundament ist eine Alternative zum Monopilo, bei dem die Lasten über einen einzelnen Pfahl abgeleitet werden. Es wird erwartet, dass weitere 21 WEA des Typs M 5000 im Zeitraum 2008/2009 vor der nordfranzösischen Küste errichtet werden. Um die für den Ausbau der Offshore-Windenergie in Deutschland erforderlichen Erkenntnisse zu sammeln, wurde inzwischen in der Nordsee nördlich der Insel Borkum der Windpark „Borkum West“ als Testfeld geschaffen. Dort sollen 12 WEA der 5-MW-Technologie erprobt werden [2, 3]. Darauf aufbauend sollen laut Bundesumweltminister Sigmar Gabriel ab 2008/9 die ersten Windparks in Nord- und Ostsee entstehen. Markt- und Technologieentwicklung Im Jahr 2006 war Deutschland weltweit führend bei der Stromerzeugung aus Windenergie. Nach einem Zubau von 2233 MW waren am Jahresende insgesamt 18685 WEA mit einer Gesamtleistung von 20622 MW in Betrieb. Dabei lag die durchschnittliche Nennleistung neu installierter Anlagen bei rund 1,85 MW. Vor zehn Jahren waren es erst 530 kW. Inzwischen wird die Serienfertigung für Leistungen bis zu 6 MW vorbereitet (Bild Verändert hat sich u. a. auch die Verantwortung für die Netzanbindungskosten der Windparks. Gesetzlich wurde festgelegt, dass die Netzanbindungskosten für Offshore-WEA, mit deren Bau bis Ende 2011 begonnen wird, die Netzbetreiber auf eigene Kosten zu errichten haben. Damit werden die Windparkbetreiber von den Kosten entlastet, gleichzeitig ermöglicht die Regelung ein koordiniertes Vorgehen beim Anschluss des Parks. Inzwischen nimmt auch die weitere Netzanbindung der Offshore-Windparks allmählich Gestalt an. Ziel ist ein den Küsten vorgelagertes Netz, an dessen Netzknoten die einzelnen Parks angebunden werden. Mit diesem neuen Konzept lassen sich die Kosten reduzieren. Verbunden damit ist eine Minimierung der Auswirkungen auf Natur und Umwelt. Auch der Stromtransport von der Küste bis in die deutschen Verbraucherzentren wird inzwischen vorbereitet. Grundlage dafür ist die im Februar 2005 vorgestellte Netzstudie der deutschen Energieagentur (dena). Voraussetzung für eine rechtzeitige Realisierung ist das seit dem 9.12.2006 geltende Infrastruktur-Planungsbeschleunigungsgesetz. Auf diesen Grundlagen hat inzwischen der Verband der Netzbetreiber mit der Planung begonnen. Ziel ist die Errichtung mehrerer 380-kV-Trassen mit einer Gesamtlänge von 850 km und für eine Windkraftleistung von 36000 MW. Seit Ende März 2007 wird gleichzeitig eine Nachfolgestudie (dena-Netzstudie II) bearbeitet. Sie soll die Erfordernisse für den Zeitraum 2015 bis 2020 klären. Parallel wird noch von anderer Stelle eine europäische Studie bearbeitet. Im Ergebnis wird entschieden, ob wie bisher geplant, das 380-kV-Netz bis 2015 errichtet werden soll. Reservekraftwerk oder Speicher Voraussetzung einer von Windenergie gespeisten Stromversorgung ist eine hohe Versorgungssicherheit, die der des europaweit betriebenen Verbundnetzes entspricht. Das erfordert eine Energiereserve, die den Bedarf an Regelenergie und den zur Abdeckung einer Windstille erforderlichen Bedarf abdeckt. Deshalb wurde in der Vergangenheit mehrfach die Errichtung eines Reservekraftwerkes gefordert. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde inzwischen entschieden, stattdessen Druckluftspeicher einzusetzen. Es handelt sich dabei um eine Kombination von Luftspeicherkraftwerk und Windkraftanlage, die in den USA mehrfach installiert wurde. In Deutschland gibt es nur eine einzige Anlage diesen Typs, die vor 30 Jahren erbaut wurde [4]. Geboren wurde die Idee einer zweiten Anlage im Rahmen eines Forschungsplanes des Umweltministeriums [5]. Anlässlich des diesjährigen VDEW-Jahrestages informierte der Energieversorger EnBW, dass der Konzern für die deutsche Nordseeküste einen Speicher diesen Typs für 150 bis 400 MW entwickeln wird. Baubeginn ist 2009 und geplante Inbetriebnahme das Jahr 2011. Dabei ist vorgesehen, die im Norden weit verbreiteten Salzstöcke für den Bau zu nutzen. Energieeinsparen ist kein Komfortverlust Auch der Elektrofachmann kann - mit und ohne E-Check - einen aktiven Beitrag zur Energieeinsparung leisten und seine Kunden beraten, denn Energieeinsparung bedeutet weder einen Verlust an Komfort noch an Lebensqualität. Vielmehr handelt es sich dabei um neue Technologien, Kosteneinsparung und um umweltbewusste Arbeit. Die rot-grüne Bundesregierung hatte bereits diverse Maßnahmen zum sparsamen Energieverbrauch eingeleitet, die heute noch aktiver fortgesetzt Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 10 912 FÜR DIE PRAXIS Energieversorgung 240 kWh/(m2 · a) 160 120 Wärmebedarf Gebäudebestand Gebäude ab 1984 Gebäude ab 1995 Niedrigenergiehaus Passivhaus Anteil Wärmerückgewinnung Lüftungswärmebedarf (Verluste durch Luftaustausch) Transmissionswärmebedarf (Verluste über die Gebäudehülle) Wärmebedarf für Trinkwassererwärmung 160 15 15 15 15 15 35 25 210 130 90 70 40 Entwicklung des Heizwärmebedarfs für ein Einfamilienhaus mit einer Nutzfläche von 150 m2 Quelle: Viessmann EP1007-911-913 20.09.2007 8:18 Uhr Seite 912 Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 10 913 Energieversorgung FÜR DIE PRAXIS werden. Insbesondere betrifft das die mehrfach im Elektropraktiker behandelte „Energieeffizienz“. Sie wendet sich vor allem an Gewerbe und Industrie. Ziel der jetzigen Regierung ist es, die Energieproduktivität bis 2020 gegenüber 1990 zu verdoppeln. Auch im Privathaushalt lässt sich ein erheblicher Anteil Endenergie ohne Verzicht auf Komfort einsparen, beispielweise durch den Austausch älterer Geräte gegen neue, energiesparende Modelle. Gleiches gilt für Innen-und Außenleuchten, die sich schrittweise von der Glühlampe trennen. Schließlich lässt sich Energie auch durch eine entsprechende Betriebsführung einsparen oder durch Einzelraumregelungen. Internationale Bestrebungen Seit diesem Jahr haben sich die Länder der EU auf intensivere Bestrebungen beim Klimaschutz eingestellt. Dabei ist es der deutschen Politik gelungen, Bewegung in die internationale Debatte zu bringen. Als langfristige Orientierung wird nun das Ziel in den Fokus genommen, die C02-Emissionen im weltweiten Maßstab bis 2050 mindestens zu halbieren. Daneben haben die Staats- und Regierungschefs der europäischen Länder ihr eigenes Ziel präzisiert. Danach werden sie bis zum Jahr 2020 die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um mindestens 20 % senken, im Rahmen einer erweiterten internationalen Klimavereinbarung sogar um 30 %. Dazu sollen bis 2020 der EE-Anteil am Primärenergieverbrauch auf 20 % erhöht und der Energieverbrauch gegenüber der Referenzprognose um 20 % gesenkt werden. Bestehende Unklarheiten werden, so die Bundeskanzlerin, in der EU schnell geklärt. Das gilt u. a. für die Fortentwicklung des Emissionshandels und die Schaffung von Rahmenbedingungen für die bereits erwähnten Forschungsarbeiten und ein CO2-freies Kraftwerk [6]. Im Übrigen steht ab Dezember dieses Jahres für alle Staaten die Abstimmung der Klimapläne auf der Tagesordnung. In Deutschland besteht ferner die Absicht, die Energieversorgung den neuen Anforderungen anzupassen. Grundlage ist ein weitgehend ausgewogener Energiemix. Zu klären sind der verstärkte Einsatz von EE, die Laufzeiten von Kernkraftwerken und der verstärkte Einsatz der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Dabei handelt es sich um die Präzisierung eines bereits entworfenen Konzepts für die Zukunft 2020. Die Endfassung soll noch in diesem Jahr veröffentlicht werden. Literatur [1] Schellnhuber, H.-J.; Rahmstorf, S.: Der Klimawandel. München: C. H. Beck 2006, S. 29. [2] Rehfeld K. u. a.: Entwicklung der Windenergienutzung in Deutschland. BMU, Offshore Wind Energy Foundation: Januar 2007. [3] Kabisch, H.: Künftige Stromerzeugung mit EE. Elektropraktiker, Berlin 60 (2006) 7, S. 557-561 [4] Hackbarth. H.: Luftspeicherkraftwerke. Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 4, Lernen und Können, S. 1. [5] BMU: Innovation Forschung, Jahresbericht 2006 zur Forschungsförderung im Bereich der EE, Teil Windenergie, S. 22-30. [6] BMU: Ergebnisse des dritten Energiegipfels. Grundlagen für ein integriertes Energie- und Klimaprogramm. Prognose für den Ausbau der Windenergieausnutzung auf See. Verhalten optimistischer Ausbau Quelle: Deutsche Wind Guard 2500 2000 1500 1000 500 jährlicher Zubau 2007 08 09 2010 11 12 13 14 15 16 17 18 19 2020 16000 12000 10000 8000 6000 4000 2000 kumulierte Leistung Jahr verhalten optimistischer Ausbau kumulierte Leistung EP1007-911-913 20.09.2007 8:19 Uhr Seite 913

Autor
  • H. Kabisch
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