Skip to main content 
Veranstaltung | Elektrotechnik

VDEW-Kongress 2005

ep9/2005, 5 Seiten

Mehr als 1000 Teilnehmer konnte der VDEW zu seinem Kongress in Berlin begrüßen. Damit war er das größte Treffen der Strombranche in diesem Jahr. Die Kanzlerkandidatin der Union Angela Merkel,die Bundesminister Wolfgang Clement und Jürgen Trittinsowie der europäische Energiekommissar Andris Piebalgs beteiligten sich mit Grundsatzreferaten am Diskussionsprozess. Die Kernfrage des Kongresses hieß "Nachhaltigkeit oder Ökologisierung der Energiepolitik?"


Weichenstellungen Energiepolitik, Wirtschaft und Verbraucher stehen seit mehreren Jahrzehnten vor besonderen Herausforderungen. Kernpunkte sind dabei neben der Verkehrstechnik vor allem Strom und Gas. Die Liberalisierung der Stromwirtschaft war die erste, bis heute nicht voll abgeschlossene Aufgabe [1]. Auch die Zielstellung der Stromversorgung ist im Wandel. Zunächst waren Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit alleinige Ziele. Bereits in den 80er Jahren kam der Umweltschutz dazu - eine bis heute weltweit nicht beherrschte Aufgabe. Erste Aktivitäten waren vor allem Forschungsarbeiten und Praxistests auf den Gebieten Photovoltaik und Windenergieanlagen (WEA), die von der Regierung unter Helmut Kohl initiiert wurden. Die rot-grüne Bundesregierung hat vor knapp sieben Jahren die Weichen für eine Energieversorgung gestellt, die vor allem mit Erneuerbaren Energiequellen (EE) einen wachsenden Beitrag zur Schonung des Klimas leistet. Voraussetzung war und ist die Intensivierung der Forschung und Entwicklung. Das Ergebnis ist u. a. eine 10-%ige Stromerzeugung mit EE, die Gründung mittelständiger Unternehmen, die Entwicklung ständig verbesserter EE, schrittweise verbesserte Produktionseinrichtungen zur Kostensenkung - insgesamt Initiativen auf dem teilweise noch langen Weg bis zur kompletten Marktreife. Damit ist es gelungen, auf einigen Gebieten sogar die Weltspitze zu erreichen und EE in immer stärkerem Maße auch zu exportieren. Gleichzeitig entstanden 130000 neue Arbeitsplätze. Kyoto Plus-Abkommen Trotz der erheblichen Fortschritte beim Klimaschutz gibt es nicht auf allen Ebenen positive Bewertungen. Wichtigster Kritiker ist die Energiewirtschaft. Sie lehnt die intensive Förderung des Klimaschutzes durch Umweltminister Trittin ab und hat dies mit dem eingangs genannten Motto untermauert. Eine nicht weniger kritische Bewertung lieferte Angela Merkel in ihrer Grundsatzrede auf dem Kongress. Als ehemalige Umweltministerin der Kohl-Regierung war sie Mitwirkende am Kyoto-Protokoll und Erfahrungsträger zu den einschlägigen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet EE [1]. Sie will Schwellenländer und die USA unter der Losung „Kyoto Plus-Abkommen“ in den weltweiten Klimaschutz einbeziehen. Ihr Statement ist: Treibhausgase müssen da bekämpft werden, wo sie entstehen. Allerdings ging sie mit keinem Wort auf die Forderung ihres Vorgängers im Amt des Umweltministers und jetzigen Direktors der internationalen Umweltbehörde der Vereinten Nationen Klaus Töpfer ein. Bereits im Februar forderte er, dass Deutschland mehr als bisher tut, damit die gemeinsamen Kyoto-Ziele 2012 erreicht werden. Deutschland sieht er wie andere Industriestaaten in der Pflicht, denn dort entstehen die Treibhausgase. Töpfer hält eine weltweite Minderung von Treibhausgasen um 50 bis 60 % bis Mitte dieses Jahrhunderts für notwendig und möglich. Entsprechend einer Statistik der Internationalen Energieagentur nimmt Deutschland gemessen an den Pro-Kopf-C02-Emissionen hinter den USA, Australien und Russland den 4. Platz ein und besetzt damit unter den wichtigsten Verursachern - den Industrieländern - eine Spitzenposition (Stand 2000). Im übrigen schloss sich die Kanzlerkandidatin vielfach den Kritiken der Wirtschaft an. Sie will an einem Energiemix aus Braunkohle, Steinkohle, Erdgas, Mineralöl, Kernenergie und EE festhalten und unterscheidet sich damit von der Zielstellung der rot-grünen Regierung im Wesentlichen nur in Sachen Kernenergie und dem Tempo, mit dem EE weiterhin realisiert werden. Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit bestimmen für Merkel die Zusammensetzung. Belastungen des Wirtschaftsstandortes Deutschland durch Strompreise will sie begrenzen und dazu sowohl das Erneuerbare Energie-Gesetz (EEG) als auch das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz überprüfen. Im Gegensatz dazu stellt die rot-grüne Regierung den Klimaschutz unter Beachtung der wachsenden Gefahren an erste Stelle und verweist dabei auf die letzte Novelle zum EEG, die der Bundestag 2004 bestätigte. EE und EEG Im Falle der Regierungsübernahme durch CDU/CSU ist zunächst eine „vorurteilsfreie Prüfung aller Energiedaten“ bis 2007 vorgesehen. Ziel ist die Reduzierung der Einspeisevergütung lt. EEG ab 2008. Merkel schlussfolgert weiter, dass die im Bundestag festgelegte Zielstellung, den Strom aus EE von derzeit 10 % bis 2020 auf 20 % zu erhöhen unrealistisch sei („wird nicht weiter verfolgt“). Allerdings gab es im Nachgang ein Fragezeichen. Äußerungen von CDU- und CSU-Energiespezialisten war zu entnehmen, dass dieses Ziel durchaus als realisitsch bewertet wird. Sie warnen davor, dass die Union die EE-Technologien unterschätzt. Inzwischen hat sich mit Schleswig-Holstein das erste Bundesland zur Installation weiterer EE - ein „Bereich mit den größten Wachstumspotentialen“ - bekannt. Selbst die Windenergie, die bereits über 30 % des Strombedarfs in diesem Bundesland deckt, soll mit Augenmaß weiterentwickelt werden. Im Gegensatz dazu will Nordrhein-Westfalen mit verschärften Höhenbegrenzungen und Abstandsregeln den Neubau von WEA nach dem Willen der neuen Landesregierung drastisch einschränken. Da das viele Arbeitsplätze - auch in den betreffenden Produktionsbetrieben des Landes - kosten kann, ist die Entscheidung allerdings verschoben worden. Auch die Nutzung von Biotechnologie zur Erzeugung von Strom, Wärme und Treibstoffen ist noch nicht eindeutig geklärt. So strebt die FDP offensichtlich weiter gehende Kürzungen der erst seit August 2004 erhöhten EEG-Fördersätze an. Damit würde aber das gleichzeitig erhebliche Wachstum bei Biogasanlagen mangels Investoren gestoppt [1]. Darüber hinaus fordert auch der Bauernverband eine Änderung im Umweltschutz. Allerdings ist nicht bekannt, was sein Präsident Sonnleitner ändern will. Ende vergangenen Jahres rührte er noch die Werbetrommel, um diesen Zukunftsmarkt zu unterstützen. Die CDU plant, nach einem Wahlerfolg zunächst die Förderquote der EEG zu überprüfen. Da sie aber gleichzeitig die bereits von der Kohl-Regierung begonnene Züchtung nachwachsender Rohstoffe weiter fördern will, ist ein Stopp der Biomassenutzung höchst unwahrscheinlich. Zu beachten ist auch, dass Biomasse immer dann Strom liefern kann, wenn der Bedarf das erfordert. Sie ist damit WEA und Photovoltaik überlegen. Diese Vorteile sind auch die Ursache dafür, dass die zuständige EU-Kommission eine besondere Förderung für Biomasse vorbereitet. Ziel ist ein 12-%iger Anteil der Biomasse am Bruttoenergieverbrauch bis zum Jahr 2010. Wird das Ziel erreicht, könnte das Motto „vom Landwirt zum Energiewirt“ in ganz Europa das Kennzeichen eines Marktes sein, der u. a. auch durch Brennstoffzellen die Energieeffektivität bei der Stromerzeugung erhöht. Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 9 642 BRANCHE AKTUELL VDEW-Kongress 2005 in Berlin Energiepolitik im Wandel Mehr als 1000 Teilnehmer konnte der VDEW zu seinem Kongress in Berlin begrüßen. Damit war er das größte Treffen der Strombranche in diesem Jahr. Die Kanzlerkandidatin der Union Angela Merkel, die Bundesminister Wolfgang Clement und Jürgen Trittin sowie der europäische Energiekommissar Andris Piebalgs beteiligten sich mit Grundsatzreferaten am Diskussionsprozess. Die Kernfrage des Kongresses hieß „Nachhaltigkeit oder Ökologisierung der Energiepolitik?“ Leitwarte des Kernkraftwerks Obrigheim, das im Mai 2005 nach 37 Betriebsjahren vom Netz ging Foto: BMU/Bernd Müller Kernkraft Wie zu erwarten war, kündigte Merkel für den Fall eines Wahlsieges eine Kurskorrektur auf dem Gebiet der Kernkraftwerke (KKW) an. Das betrifft in erster Linie die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen KKW und bedeutet eine Abkehr vom so genannten Atomkonsens zwischen Energiewirtschaft und Bundesregierung. Mit ihm wurde die Forderung zahlreicher Bürger erfüllt, die diese Technologie wegen des lang anhaltenden Gefahrenpotentials schon lange ablehnen. Einer aktuellen Studie der Energiewirtschaft zufolge stößt diese Vereinbarung nach wie vor mehrheitlich auf Zustimmung. 58 % der Bürger halten 2005 den Austieg aus der Kernenergie innerhalb der nächsten 20 Jahre für eine richtige Entscheidung. In den Jahren davor waren es sogar 65 %. Die CDU-Vorsitzende lehnt aber „den Neubau von KKW in Deutschland“ zurzeit ab: „Dieses Fass will ich nicht aufmachen.“ Eine solche Entwicklung ist allerdings nicht in allen EU-Mitgliedsstaaten das Ziel. So wird zurzeit in Finnland ein neuer Kraftwerkstyp installiert, der die Ausdehnung von Strahlungsunfällen auf das KKW begrenzt. Im vergangenen Jahr reduzierte sich der deutsche KKW-Park auf 18 Stromerzeuger. Sie allein haben noch 28 % des Stromverbrauchs abgedeckt. Im Mai 2005 ging das älteste deutsche Kernkraftwerk im baden-württembergischen Obrigheim (Bild ) nach 37 Betriebsjahren vom Netz. Damit reduzierte sich zwar das Gefährdungspotential, doch gleichzeitig auch der Klimaschutz, da KKW C02-frei Strom erzeugen. Aus wirtschaftlichen Gründen ist also der CDU-Standpunkt plausibel, denn EE sind teurer als bereits installierte KKW, die ohnehin finanziell zum größten Teil abgeschrieben sind und zu niedrigsten Kosten Strom erzeugen. Das berücksichtigt auch ein vom VDE ausgearbeitetes Konzept, das drei unterschiedliche Szenarien zur sinnvollen Nutzung des KKW-Parks vorschlägt. Beispielsweise wird in einem Szenario die Kombination von KKW mit EE vorgeschlagen, um damit den Klimaschutz erheblich zu erhöhen (vgl. ep 4/2005, S. 241). Insgesamt ist über den Weiterbetrieb von 17 KKW zu entscheiden. Diesen Rest entgegen dem Atomkonsenz weiterhin zu betreiben, bedeutet die Verlängerung des Abschalttermins von bisher 2020 (Abschalttermin des letzten KKW) auf voraussichtlich 2030 bis 2040. Bei allen geplanten Veränderungen mit dem Ziel der energetischen Nutzung von Kernkraft ist Widerstand nicht auszuschließen. Das erwarten Insider insbesondere, wenn, wie von der CDU angekündigt, die Eignung des Schachtes Conrad und des Salzstocks Gorleben vor Ort geprüft werden. Energiewirtschaftsgesetz Das zweite Grundsatzreferat lieferte der in der Regierung für Energieversorgung zuständige Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Wolfgang Clement. Vor zwei Jahren war Bundeskanzler Gerhard Schröder selbst der Berichterstatter [2]. Clement gab einen umfassenden Überblick über aktuelle Probleme und weitere Arbeitsschritte, die bei der Realisierung einer stärker auf Klimaschutz orientierten Energiepolitik auftreten. Dazu gehörten auch die letzten Schritte auf dem langen Weg zur Überleitung der einschlägigen EU-Richtlinien für Strom und Gas in nationales Recht. Das erforderte die Aktualisierung des Energiewirtschaftgesetzes (EnWG) durch einen Nachtrag (Novelle). Ein Arbeitsentwurf der Regierung lag bereits am 26.2.2004 vor. In mühsamen Abstimmungen mit Bundesrat, Bundestag und Vermittlungsausschuss wurden die Differenzen bis zum VDEW-Kongress minimiert. Dadurch war es möglich, die EnWG-Novelle kurz danach endgültig zu bestätigen. Das EnWG ist eine Art Grundgesetz, das die Rahmenvorschriften für die Energiewirtschaft enthält. Dazu gehören u. a. Fragen des Netzzugangs, des Netzentgelts und des Netzanschlusses, aber ebenso die rechnungsmäßige Entflechtung des Energiemonopols (Unbundling, d. h. Entflechtung). Enthalten sind zudem Vorschriften über die Berichtspflichten für Energieunternehmen. Schließlich ist auch die Einrichtung einer neutralen Bundesnetzagentur, die künftig die Entgelte für Strom und Gas kontrolliert, Thema des EnWG. Unter anderen wurden mit dem EnWG auch die Voraussetzungen geschaffen, um Investitionen für Stromnetz und Stromerzeugung zu realisieren. Das betrifft vor allem Westdeutschland, da im Osten der Bundesrepublik die Modernisierung bereits früher durchgeführt wurde. Der Energiewirtschaft stehen von 2005 bis 2010 insgesamt 19 Mrd. Euro zur Verfügung. Damit wird erstmalig seit 1999 die 4-Mrd.-Euro-Jahresgrenze überschritten. Schwerpunkt ist der Einsatz neuer fossil befeuerter Kraftwerke, die aufgrund ihres höheren elektrischen Wirkungsgrades auch einen höheren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Sie ersetzen alte Anlagen, die das Ende ihrer technischen Lebensdauer erreicht haben [3]. Clement bezifferte die verbesserte Klimafreundlichkeit der neuen Kraftwerke gegenüber den Altanlagen mit 30 %. Eine nicht geringe Anzahl dieser Stromerzeuger wurde bereits in Auftrag gegeben. Windenergie Ausführlich behandelte Clement die Windenergie und ihre Integration in die Höchstspannungsnetze unter Berücksichtigung der dena-Netzstudie [4]. Dabei verwies er auf die Dringlichkeit der in der Studie festgelegten Maßnahmen, da der derzeitige Netzaufbau an windstarken Tagen bereits zu Beeinträchtigungen der Netzsicherheit geführt hat. Probleme dieser Art haben um den vergangenen Jahreswechsel herum sogar die Niederlande sowie Polen und damit den europäischen Stromverbund erreicht. Zur Beherrschung dieser Störungen wurde u. a. auch die Nachrüstung von Altanlagen festgelegt. Inzwischen werden aber neue Windstandorte in Deutschland knapp. So folgte dem Spitzenjahr 2003 ein Jahr mit einem 23-%igen Rückgang. Für dieses und das nächste Jahr wird nicht viel mehr erwartet, so dass der Export den Rückgang kompensieren soll. Schwerpunkt der weiteren Entwicklung ist inzwischen der Test von WEA, deren Leistung auf bis zu 6 MW gesteigert werden konnte (Bild ; Anm: 1993 berichtete der ep zur Industriemesse in Hannover über eine neu entwickelte 80-kW-WEA). Schwerpunkt der nächsten Jahre ist nach den heutigen Zielen von Politik und Windenergiebranche die Nutzung küstennaher, leider relativ tiefer Wasserflächen in Nord-und Ostsee. Vorteilhaft ist dabei, dass Geräusche, Schattenwurf und Ansichtsgüte nicht mehr umliegende (Wohn-)Gebiete stören können. Ein zweiter Vorteil ist das größere und kontinuierlichere Windkraftangebot. Der Preis dafür sind höhere Investitionskosten sowie der Zwang zu neuen Technologien und neuen Gerätekonstruktionen, die eine zuverlässige Stromerzeugung und im Bedarfsfall auch schnelle Wartung und Reparatur bei jeder Wetterlage sicherstellen. Bestandteil dieser Entwicklung ist die Leistungserweiterung auf bis zu 6 MW auch für den Offshore-Einsatz. Das alles erfordert umfangreiche Tests an Land und in den relativ tiefen Gewässern (Bild ). Parallel zu diesen Arbeiten wird im Rahmen einer zweiten dena-Netzstudie die Netzintegration der Offshore-Windparks geklärt. Allerdings ist Windkraftnutzung im Meer teurer, sodass die Branche bei der Finanzierung vor erheblichen Problemen steht. Auch der Aufwand zur Bereitstellung von Regelenergie gehört dazu. Dennoch sind Offshore-Windparks auf dem Vormarsch. So will der Energiekonzern E.ON im nächsten Jahr schon den zweiten im Küstengebiet von Großbritannien installieren. Inzwischen zeigt auch der Energiekonzern Vattenfall im Rahmen seines Kraftwerkerneuerungsprogramms Interesse. Allerdings hat sich Vorstandschef Klaus Rauscher noch nicht entschieden. Trotz der Fähigkeit, einen beliebigen Windpark der Neuzeit im Netz ähnlich wie ein konventionelles Kraftwerk zu betreiben und die WEA nach Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 9 644 BRANCHE AKTUELL Die gewaltige 4,5-MW-Windkraftanlage von Enercon war auf der diesjährigen Hannover Messe ein viel bestauntes Ausstellungsobjekt Foto: Deutsche Messe AG, Schmidt-Lohmann abgestimmten Regeln in das Hochspannungsnetz zu integrieren, liefern WEA eine fluktuierende (d. h. schwankende) elektrische Leistung. Geeignete Stromerzeuger wie konventionelle Kraftwerke oder Pumpspeicherkraftwerke sind unverzichtbar. Nicht auszuschließen wäre alternativ die Speicherung des erzeugten Stromes durch Umwandlung in Wasserstoff mittels Elektrolyse. Damit kann dann C02-frei in Brennstoffzellen und Wechselrichtern immer dann Drehstrom erzeugt werden, wenn zeitgleich ein Bedarf befriedigt werden muss. Trotz technischer Vorteile dieser Variante ist nach den derzeitigen Plänen nicht mit einer baldigen Realisierung zu rechnen. Die Planer setzen wie bisher auf den Einsatz von WEA, die den erzeugten Windstrom direkt in das Stromnetz einspeisen. Deshalb können sie auch auf zusätzliche „Schattenkraftwerke“, die die Qualität der Stromversorgung mit Regelenergie sicherstellen, nicht verzichten - ein Mangel, den die Energiewirtschaft schon lange kritisiert. Erste Offshore-Windparks sind nach Einschätzung von Stephan Kohler, Geschäftsführer der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (dena), etwa 2007 zu erwarten. Entsprechend der dena-Netzstudie könnte dann bis 2015 die Leistung der Offshore-Parks auf 10000 MW gesteigert werden. Treten Verzögerungen bei der Netzintegration auf, verschiebt sich dieser Termin um fünf Jahre. Alternatives Fördersystem Während die Union das EEG vor allem nur hinsichtlich der Fördersätze ändern will, ist die Energiewirtschaft auf der Suche nach einem völlig neuen Fördersystem. Der Präsident des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft Dr. Werner Brinker postuliert ein System, das den Anforderungen nach Effektivität, Effizienz und Marktgerechtigkeit besser gerecht wird. Dazu wurde zum Kongress ein Diskussionsvorschlag vorgelegt, dessen Grundkonzept in den letzten Monaten schon mehrfach an anderer Stelle vorgestellt und kritisch bewertet wurde. Im Gegensatz zu dem auch international hoch bewerteten EEG ist das vorgestellte „Integralmodell EE“ offensichtlich kein Mindestpreissystem. Basis sind demzufolge auch nicht gesetzlich festgelegte Vergütungstarife und die Pflicht zur Stromabnahme durch den Netzbetreiber. An diese Stelle tritt die Einführung eines europäischen Handels mit Grünstrom-Zertifikaten. Ziemlich versteckt ist dabei der Begriff „Quotenmodell“, der nicht neu ist. Er erinnert u. a. an die Förderung nach geltendem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, das sich aufgrund der Quotenregelung bereits vor einigen Jahren als schwerer Fehler erwies. Ein Quotenmodell wird deshalb vor allem von Herstellern, Betreibern und anderen Fachleuten der EE abgelehnt. Dazu gehören auch Mitglieder des Bundesverbandes Wind-Energie (BWE), die bereits Anfang Mai davor warnten [5]. Sie informierten über Versuche des VDEW, die EEG-Förderung mit Unterstützung der EU durch ein Quotensystem zu ersetzen. Dabei beriefen sie sich auf in Europa gesammelte Erfahrungen und darauf aufbauende Vergleiche unterschiedlicher Systeme. Demzufolge begünstigt das Quotenmodell finanzstarke Energiekonzerne, erhöht die Preise deutlich über das Niveau der in Europa verwendeten Mindestpreissysteme (EEG eingeschlossen) und behindert darüber hinaus den Ausbau der EE. Verlierer sind einmal der verlangsamte und verteuerte Klimaschutz sowie kleine und mittelständische Hersteller und Betreiber (Kleinanlagen sollen lt. VDEW-Vorschlag weiterhin über das EEG gefördert werden). Leider fehlten diese Argumente selbst bei der zugehörigen Podiumsdiskussion. Allerdings wurde beim Vortrag des Energiekommisars der Europäischen Kommission Andris Piebalys deutlich, dass in Brüssel trotz interner Vorgespräche mit dem VDEW-Präsidenten zurzeit wenig Interesse an einer in Europa vereinheitlichten Förderung besteht. Klimaschutz oder Ökologisierung Bedauerlicherweise war auf dem VDEW-Kongress eine aktuelle Bewertung des Klimawandels kein Thema. Deshalb wird hier auf einige Forschungsergebnisse nationaler und internationaler Institute für Klima-und Klimafolgeforschung hingewiesen. Übereinstimmend berichten sie über eine wachsende Anzahl von regional begrenzten Klimaveränderungen, die aber erst am Anfang ihrer Entwicklung stehen. Dennoch sind die Auswirkungen zum Teil so groß, dass die Versicherungsgebühren steigen. Weltweit wird diese Entwicklung als das Ergebnis menschlicher Eingriffe bewertet, die durch Treibhausgase wie insbesondere CO2 hervorgerufen werden. Allerdings betrifft das nicht nur die Stromwirtschaft oder die Gesamtheit der stationären Energieversorgung im Gebäude und im industriellen Bereich. Verursacher sind ebenso Verkehrsmittel jeder Art. Um die weitere Entwicklung schrittweise besser vorauszusagen, sind rechentechnisch hoch leistungsfähige Klimamodelle notwendig. In einzelnen Fällen ist es gelungen, vergangene Klimakatastrophen im Nachgang zu vollziehen. Mit relativ hoher Genauigkeit konnten Dürre-und Wasserüberflutungsgebiete analysiert werden. Eine vielleicht beängstigende Untersuchung stammt aus diesem Jahr und ist das Ergebnis aus verschiedenen Instituten in drei Ländern. Die Forscher ermittelten, dass die untersuchte Region möglicherweise schon in etwa einem Jahrzehnt eine Klimakatastrophe zu erwarten hat, die nach menschlichem Ermessen nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Das hängt vermutlich mit den örtlichen Verhältnissen zusammen und ist nicht auf eine Vielzahl anderer Regionen übertragbar. Abschließend noch eine Bemerkung zum bereits anfangs zitierten Motto der VDEW-Veranstaltung. Eine Entscheidung zwischen Nachhaltigkeit und Ökologisierung steht wohl kaum an. Das ergibt sich nicht nur aus den Äußerungen des VDEW-Präsidenten Dr. Werner Brinker. Für ihn ist eine nachhaltige Politik eine Dreieckbeziehung zwischen Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit. Umweltverträglichkeit heißt aber auch Ökologisierung. Beides ist in etwa das Gleiche und bedeutet für die Energiewirtschaft Klimaschutz durch Veränderungen im Bereich der Strom- und Wärmeerzeugung. Allerdings muss die von Brinker geforderte Gleichrangigkeit der Eckpunkte bezweifelt werden. Klimaschutz ist eine die Lebensqualität sichernde Aufgabe, die Umweltkatastrophen rechtzeitig und dauerhaft vermeidet. Haben die C02-Minderungen trotz aller Bemühungen Umweltkatastrophen nicht vermieden, dann würde selbst bei einem sofortigen Stopp weiterer Emissionen erst nach mehreren 100 Jahren eine Rückkehr zum alten Klima eintreten. Ein Versager im Stromnetz ist sicher leichter zu beheben. Daraus folgt, dass im Zweifelsfall ein Politiker gemäß Grundgesetz das Überleben künftiger Generationen durch rechtzeitigen Klimaschutz schützen muss und die Stromversorgung in solchen Notfällen die zweite Position besetzt. H. Kabisch Literatur [1] Kabisch, H.: Energiemix und neue Versorgungsstrukturen. Elektropraktiker, Berlin 59(2005)4, S. 248 -253. [2] Kabisch, H.: Stromwirtschaft zwischen Wettbewerb und Politik. Elektropraktiker, Berlin 57(2003)9, S. 650-652. [3] Kabisch, H.: Neue Kohlekraftwerke werden klimafreundlicher. Elektropraktiker, Berlin 58(2004)9, S. 682. [4] Kabisch, H.: Windkraft im Verbundnetz. Elektropraktiker Berlin 59(2005)4, S. 248. [5] Bundesverband Wind Energie: Mindestpreissystem versus Quotenmodell. Informationsblatt, Mai 2005. Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 9 646 BRANCHE AKTUELL Plattform FINO 1 in der Nordsee dient Forschungsvorhaben für Offshore-Windparks Quelle: Germanischer Lloyd Wind Energie

Autor
  • H. Kabisch
Sie haben eine Fachfrage?