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Normen und Vorschriften | Elektrotechnik

Verantwortung der Fachkraft beim Umsetzen der Normen

ep2/2010, 4 Seiten

Aus Anfragen und Diskussionen der Elektropraktiker ist zu erkennen, dass ihre Information und ihr Wissen über die rechtliche und fachliche Bedeutung der DIN-VDE-Normen nicht befriedigen kann. Hinzu kommt, dass in vielen Unternehmen und Institutionen den Aufgaben einer Elektrofachkraft nur wenig Bedeutung zugemessen wird solange alles gut läuft, so dass diese selbst beim besten Willen gar nicht in der Lage ist, normgerecht zu wirken. Über die nötigen Schlussfolgerungen muss diskutiert und nachgedacht werden.


Elektriker oder Elektrofachkraft? Wer sich derzeit darüber informieren will, welche konkrete Bedeutung die DIN-VDE-Normen beim Umsetzen der gesetzlichen Vorgaben in die Praxis bei elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln haben, wird nicht so recht fündig [1] bis [12]. Oder aber, er findet in der aktuellen Fachliteratur mehrere unterschiedliche persönliche Meinungen. So besteht für den Elektropraktiker die Situation, dass · von ihm verlangt wird, sichere elektrische Anlagen zu errichten und diese entsprechend den Regeln der Technik sicher zu betreiben sowie z. B. Geräte so zu prüfen, dass deren Sicherheit gewährleistet ist [1], · nirgendwo wird jedoch konkret, verbindlich und für ihn verständlich genug vorgegeben, wie dies im konkreten Fall sowie fachlich korrekt erfolgen soll. Als Anleitung für ihre Tätigkeit stehen den Elektrofachkräften die allgemein anerkannten technischen Regeln, die DIN-VDE-Normen, zur Verfügung. Jede Fachkraft ist selbst dafür verantwortlich, sich über die Normen zu informieren oder diese einzusehen. Außerdem wird als selbstverständlich angesehen, dass jede Elektrofachkraft alle für ihre Arbeit jeweils zutreffenden Normen und andere technischen Regeln · nicht nur kennt (Kasten 1 [2] bis [8]), sondern sie auch · hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit im jeweils konkreten Fall beurteilt. Diese Normen sind, das muss jeder wissen und einkalkulieren, · nur als Empfehlung anzusehen (Kasten 2) · möglicherweise nicht aktuell oder sogar · schlechthin falsch [11]. Zu bedenken ist auch, dass die Vorgaben und Beispiele in den Normen angesichts der Vielfalt der elektrischen Anlagen und Betriebsmittel/Geräte nicht alle in der Praxis vorkommenden Fälle berücksichtigen können. Sie müssen somit immer kritisch betrachtet werden. Selbstverständlich wird von jeder für eine bestimmte Aufgabe (Errichten, Betreiben, Prüfen usw.) verantwortlichen Elektrofachkraft erwartet (Kunde/Vorgesetzter), dass sie trotzdem in jedem Einzelfall über · Anwendung/Nichtanwendung und gegebenenfalls über eine Modifikation der Regeln, · sowie über die jeweils erforderliche bzw. die bestmögliche technische Lösung, gründlich nachdenkt und richtig entscheidet. Zu fragen ist nun, ob unsere Betriebselektriker, unsere Elektrofachkräfte dieser Aufgabe/ Verantwortung überhaupt gerecht werden können. Einschätzung der Situation für den Praktiker Aus Sicht der Autoren ist festzustellen: 1.Diese Schilderung der Probleme, mit denen sich Betriebselektriker und Elektrofachkräfte insbesondere in kleinen und mittleren Betrieben auseinandersetzen müssen entspricht der Realität. 2.Ob eine Elektrofachkraft den sich innerhalb ihres Arbeitsgebiets daraus ergebenden Aufgaben gerecht werden kann, das muss und kann nur diese Elektrofachkraft selbst entscheiden. 3.Es ist beim besten Willen nicht möglich und auch gar nicht sinnvoll, für die Vielfalt der hier erforderlichen sehr unterschiedlichen Erzeugnisse und Leistungen allgemeingültige und trotzdem detaillierte Vorgaben in verbindlicher Form herauszugeben. 4.Es ist richtig und in der Auswirkung sehr fatal für die Elektrosicherheit, dass die Betriebselektriker keinen Status und keine Lobby haben und somit nicht selten den individuellen - mitunter willkürlichen - Ansichten ihrer nicht fachkundigen, von der Ökonomie getriebenen Vorgesetzen [13] ausgesetzt sind. Elektropraktiker, Berlin 64 (2010) 2 138 FÜR DIE PRAXIS Normen und Vorschriften Verantwortung der Fachkraft beim Umsetzen der Normen K. Bödeker, Berlin; H.-H. Egyptien, Köln Aus Anfragen und Diskussionen der Elektropraktiker ist zu erkennen, dass ihre Information und ihr Wissen über die rechtliche und fachliche Bedeutung der DIN-VDE-Normen nicht befriedigen kann. Hinzu kommt, dass in vielen Unternehmen und Institutionen den Aufgaben einer Elektrofachkraft nur wenig Bedeutung zugemessen wird solange alles gut läuft, so dass diese selbst beim besten Willen gar nicht in der Lage ist, normgerecht zu wirken. Über die nötigen Schlussfolgerungen muss diskutiert und nachgedacht werden. Autoren Dipl.-Ing. Klaus Bödeker, Berlin, und Dipl.- Ing. Hans-Heinrich Egyptien, Köln, sind freie Fachjournalisten. 1 Definition Elektrofachkraft Nach VDE 1000-10 (und BGV A3) (Als) Elektrofachkraft ist (gilt), wer aufgrund seiner fachlichen Ausbildung, Kenntnisse und Erfahrungen sowie Kenntnis der einschlägigen Normen (Bestimmungen) die ihr übertragenen Arbeiten beurteilen und mögliche Gefahren erkennen kann. Nach DIN VDE 0105-100 Elektrofachkraft ist, wer aufgrund seiner fachlichen Ausbildung, Kenntnisse und Erfahrungen sowie Kenntnis der einschlägigen Normen die ihm übertragenen Arbeiten beurteilen und mögliche Gefahren erkennen kann. Diese Definitionen sollten aus Gründen der Verständlichkeit unter Berücksichtigung der im nebenstehenden Beitrag genannten Anforderungen in folgender Form ergänzt werden: 1. Elektrofachkraft allgemein Elektrofachkraft ist eine Person, die aufgrund ihrer fachlichen Ausbildung sowie ihrer Kenntnisse und Erfahrung in der Lage ist, auf dem ihr übergebenen und zu verantwortenden Arbeitsgebiet alle durch die Elektrizität entstehenden Gefährdungen und alle zum Gewährleisten der Sicherheit erforderlichen Maßnahmen zu erkennen. Sie muss · sicherstellen können, dass - alle zutreffenden gesetzlichen Vorgaben und technischen Regeln (Normen) eingehalten, - Funktion und Sicherheit der Anlagen und Betriebsmittel gewährleistet - sowie die dazu nötigen Maßnahmen durchgeführt werden und · selbst bestätigen, dass sie diesen Anforderungen entsprechen und die sich daraus ergebenden Aufgaben erfüllen kann. Dies bedeutet insbesondere auch, dass sie ihre fachlichen Grenzen kennen muss. Sie muss sich außerdem selbstständig über den aktuellen Stand der Technik auf ihrem Aufgabengebiet informieren. 2. Elektrofachkraft für ein bestimmtes Aufgabengebiet (Beispiel) Elektrofachkraft für das Prüfen elektrischer Geräte ist eine Elektrofachkraft, · die auf dem Gebiet des Prüfens/Instandhaltens elektrischer Erzeugnisse mehrere Jahre tätig war und · über aktuelle Erfahrungen beim Prüfen elektrischer Geräte verfügt und · in der Lage ist, die zu prüfenden elektrischen Geräte hinsichtlich ihrer Sicherheit und die dazu benötigten Prüfgeräte bezüglich ihrer Wirkungsweise umfassend zu beurteilen. 2.1 Konsequenzen für Betriebselektriker und Elektrofachkraft Zu klären sind die Anforderungen an die Elektrofachkraft und wie diese der Aufgabe/Verantwortung gerecht werden kann. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen: · Wenn sich eine Person, oder sagen wir besser, wenn sich ein Elektrotechniker als Elektrofachkraft (s. Definition Kasten 1) bezeichnet und die Verantwortung z. B. für das Planen, Errichten oder Betreiben einer elektrischen Anlage oder für das Prüfen der elektrischen Geräte eines Unternehmens übernimmt oder · wenn er sich mit einer solchen Verantwortung/Aufgabe betrauen lässt, dann muss er - innerhalb des von ihm zu verantwortenden Arbeitsgebiets - alle oben genannten Ansprüche akzeptieren und selbst bewältigen. Will er diese umfassende Verantwortung nicht übernehmen, so kann er nur unter der Verantwortung einer ihm fachlich übergeordneten, auch für seine Leitung und Aufsicht verantwortlichen Elektrofachkraft arbeiten. Diese verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) muss übrigens entsprechend DIN VDE 1000 Teil 10 für jeden Betrieb vom Unternehmer benannt werden, sofern dieser nicht selbst die Aufgaben der VEFK wahrnehmen kann. Inwieweit er dann bestimmten Anforderungen genügen und eine bestimmte Verantwortung übernehmen muss, hat diese insgesamt verantwortliche Elektrofachkraft zu entscheiden. Es ist somit offensichtlich, · dass eine Elektrofachkraft nur dann eine echte Elektrofachkraft sein kann, wenn sie auch selbst von dieser ihrer Qualität überzeugt ist und das in der Praxis unter Beweis stellt (Kasten 1, erweiterte Definition) und · dass die oben genannten Anforderungen nur von einer erfahrenen Elektrofachkraft bewältigt werden können. Es ist selbstverständlich, dass Elektrotechniker, die sich als Elektrofachkraft bezeichnen, in der Lage sein müssen, eine solche Verantwortung zu übernehmen. Schließlich gehört es zu ihrem Berufsbild z. B. elektrische Anlagen so zu errichten und zu prüfen, dass sie sicher sind und zuverlässig funktionieren. Klar wird dabei auch, dass ein Elektrotechniker, der eine solche, auf ein bestimmtes Arbeitsgebiet bezogene Verantwortung nicht übernehmen kann oder will, im Sinne der allgemein anerkannten Definition (Kasten 1) nicht als Elektrofachkraft anzusehen ist. Das ist eine zwar sehr harte, aber doch wohl logische Konsequenz. 2.2 Bedeutung der DIN-VDE-Normen Für uns Elektrotechniker haben die DIN-VDE-Normen natürlich die gleiche Bedeutung wie eh und je. Weder ihr Inhalt noch unsere Verantwortung haben sich ja geändert. Wir Elektropraktiker, Berlin 64 (2010) 2 139 2 DIN-VDE-Normen „Normen werden von Gremien erarbeitet, denen der für ihre Aufgaben benötigte Sachverstand zu Gebote steht. Diesen Gremien gehören aber auch Vertreter bestimmter Branchen und Unternehmen an, die eigene Interessenstandpunkte einbringen.“ Dieser Auszug aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Jahre 1987 erläutert die Situation und die rechtliche Beurteilung der Normen durch den Gesetzgeber und die Gerichte. Eine von einem privatrechtlich gebildeten Gremium erarbeitete Norm beschreibt im besten Fall den „Stand der Technik“. Durch eine öffentlich rechtliche Körperschaft, z. B. eine Baubehörde, kann auf eine Norm Bezug genommen und ihre Anwendung verlangt werden. Aus sich heraus ist eine Norm jedoch nicht allgemein verbindlich. Dies mögen wir als Techniker einerseits bedauern, andererseits aber ist die Gesetzgebung eben keinem privaten Gremium, sondern unseren gewählten demokratischen Institutionen anvertraut. Durch die das Prüfen beschreibenden Normen DIN VDE 0100-600, DIN VDE 0105-100 und DIN VDE 0701-0702 wird daher auch keine Pflicht zur Prüfung vorgegeben (Kasten 4), sondern „nur“ der „Stand der Technik des Prüfens“ dargelegt. In dieser Funktion werden sie von Gerichten und deren Sachverständigen als Beurteilungsgrundlage verwendet. Jede eine Norm anwendende Elektrofachkraft muss erkennen und berücksichtigen, dass: · Normen ein Schutzziel, ein bestimmtes Niveau der Sicherheit beschreiben und beispielhaft angeben, wie es erreicht werden kann, sowie · wann von der Norm bzw. von ihren einzelnen Vorgaben abgewichen werden kann, wenn durch diese Abweichung mindestens der gleiche Stand der Sicherheit - oder auch ein vergleichbares Ergebnis - erreicht wird. · Mitunter werden solche zulässigen Abweichungen oder der zulässige Verzicht auf das Erfüllen bestimmter Vorgaben beispielhaft auch schon in den Normen genannt. Das sind u. a. - in der DIN VDE 0100-600 der Ersatz der Schleifenwiderstandsmessungen durch das Errechnen des Widerstands - in DIN VDE 0701-0702 · der zulässige Verzicht auf die Isolationswiderstandsmessung bei Geräten der Informationstechnik, · die Möglichkeit der Wahl der Messmethode für den Schutzleiter- und den Berührungsstrom. Jetzt bestellen! Energieversorgung ohne Ausfälle! 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Dies sind z.B. folgende Vorgaben aus der die Betriebssicherheitsverordnung konkretisierenden Technischen Regel für Betriebssicherheit - Elektrische Gefährdungen - (TRBS 2131) [3]: „Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass nur solche elektrischen Anlagen und Betriebsmittel benutzt werden, die für die Beanspruchung durch die Betriebs- und Umgebungsbedingungen an der Arbeitsstelle geeignet sind ... Der Arbeitgeber hat besondere Maßnahmen zum Schutz gegen elektrischen Schlag zu veranlassen, falls durch die am Arbeitsplatz vorliegenden Betriebs- und Umgebungsbedingungen eine erhöhte elektrische Gefährdung besteht.“ ([3] 4.3.1). Dies kann im Zweifelsfall nur eine verantwortliche Elektrofachkraft beurteilen. Hier gibt es keine derart konkrete Bezugnahme auf die elektrotechnischen Regeln. Zu beachten ist aber der trotzdem vorhandene enge Zusammenhang zwischen den Normen und unserem Rechtssystem. Er wird aus den im Kasten 3 auszugsweise zitierten Kommentaren zum Gerätesicherheitsgesetz [5] deutlich. Letztlich heißt das, eine Elektrofachkraft ist - stellvertretend für Ihren Arbeitgeber/Unternehmer - dafür verantwortlich, dass die allgemein anerkannten technischen Regeln in ihrem Aufgabenbereich sinnvoll angewandt und umgesetzt werden. 2.3 Prüfpflicht Die Pflicht zur Wiederholungsprüfung liegt beim Betreiber der betreffenden Anlage/des Geräts. Im Gegensatz zur Anwendung der technischen Regeln wird diese Pflicht für Unternehmen unmittelbar gesetzlich vorgegeben [1] und entsteht für den privaten Bereich aus der Fürsorgepflicht des Betreibers der Anlage oder des Geräts [10][11][12] (Kästen 4, 5). Durch unsere Normen, sie sind ja Empfehlungen, wird die Pflicht zur Prüfung somit nicht mit der gleichen unmittelbaren Verbindlichkeit wirksam (Kasten 1). Allerdings, · wenn wir Elektrofachkräfte für uns Normen erarbeiten, weil sie nach unserer Ansicht von uns benötigt werden, nehmen wir uns „selbst in die Pflicht“ und · können dann nicht plötzlich feststellen, dass diese Normen nun doch nicht angewandt werden müssen. Wie könnten wir behaupten und begründen, dass z.B. die dort genannten, von uns selbst beim Erarbeiten der Normen [6][7][8] als notwendig erkannten Prüfungen, Prüfschritte, Grenzwerte nun plötzlich keine Bedeutung mehr haben. Das wäre absurd. Das heißt: In unseren Prüfnormen wird die Pflicht zur Prüfung nicht oder nicht mit der gleichen deutlichen Aussage formuliert wie in den Gesetzen [1]. Trotzdem ergibt sich für uns Elektrofachkräfte - aus unserer eigenen Verantwortung heraus - natürlich die Pflicht zur Anwendung der von uns für das ordnungsgemäße Prüfen geschaffenen Norm - unter Beachtung aller ihrer uns ja bekannten und gewollten Grenzen (Kasten 2). Die DIN-VDE-Normen sind eine unverzichtbare, kritisch zu nutzende Hilfe, die man sich nicht entgehen lassen darf - als Elektrofachkraft schon gar nicht. Sie sind zwar, wie schon gesagt, keine unmittelbare gesetzliche Vorgabe (Kasten 2), wer auf sie verzichtet, kann aber mit dem Gesetz [1] in Konflikt kommen. Elektropraktiker, Berlin 64 (2010) 2 140 FÜR DIE PRAXIS Normen und Vorschriften 3 EG-rechtlich geregelte Produktsegmente - kurze Informationen Das Inverkehrbringen sämtlicher dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) [5] zuzuordnender Produkte ist nur zulässig, wenn diese Produkte - soweit vorhanden - den einschlägigen europäischen Vorschriften (umgesetzt durch deutsche Rechtsregeln) entsprechen und sie bei bestimmungsgemäßer Verwendung wie auch beim vorhersehbaren Fehlgebrauch den Verwender, Dritte sowie ggf. sonstige europarechtlich genannten Rechtsgüter (z. B. Sachen, Haustiere, Nutztiere) nicht gefährden. Für die Anforderungen, die an technische Arbeitsmittel und an Verbraucherprodukte des sog. harmonisierten oder auch europäisch geregelten Bereichs - d. h. Produkte, die von Verordnungen nach § 3 Abs.1 GPSG erfasst werden - zu stellen sind, ist die Rechtslage zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens in den europäischen Wirtschaftsraum maßgebend. Produkte, die nicht von solchen Verordnungen erfasst werden, wie z. B. gebrauchte Maschinen oder auch neue Baustellenaufzüge, sind, je nach dem ob sie technische Arbeitsmittel oder Verbraucherprodukte sind, unterschiedlich zu behandeln. - Bei solchen technischen Arbeitsmitteln gilt der Zeitpunkt des ersten Inverkehrbringens in Deutschland. - Bei entsprechenden Verbraucherprodukten gilt der Zeitpunkt ihres „tatsächlichen“ Inverkehrbringens. Der Regelungstatbestand des GPSG [5] hat auch insoweit eine Erweiterung erfahren, als der vorhersehbare Fehlgebrauch jetzt grundsätzlich bei allen Produkten und nicht nur im harmonisierten Bereich zu berücksichtigen ist. Das für uns rechtlich bedeutsame Zusammenspiel zwischen Rechtsvorschriften und technischer Normung wird wie folgt beschrieben: „Entspricht eine Norm, die eine harmonisierte Norm umsetzt, einer oder mehreren Anforderungen an Sicherheit und Gesundheit, wird bei einem entsprechend dieser Norm hergestellten Produkt vermutet, dass es den betreffenden Anforderungen an Sicherheit und Gesundheit genügt.“ Hinter diesem Satz verbirgt sich eine beweisrechtliche Privilegierung für Produkte, die den so bezeichneten harmonisierten Normen entsprechen, die im Amtsblatt der EG veröffentlicht wurden. Hier muss nicht mehr der Hersteller nachweisen, dass seine Produkte den entsprechenden Richtlinien entsprechen - vielmehr muss umgekehrt die Behörde den Mangel nachweisen, wenn sie der Auffassung ist, das Produkt sei unsicher. Dieser Nachweis wird nicht mühelos erfolgen können, weil damit sogleich auch der Inhalt der technischen Normung angegriffen werden muss. Umgekehrt funktioniert diese Logik indes nicht: Nur weil eine technische Normung nicht oder nur zum Teil angewandt wurde, heißt dies noch lange nicht, dass nicht gleichwohl die Richtlinienvorgaben eingehalten sind. Die technische Normung tritt ja nicht anstelle des Richtlinieninhalts, sondern konkretisiert ihn eben nur „vermutungsweise“. In Betrieb befindlicher Verteiler - verdreckt, Änderungen nicht fachgerecht, keine Fingersicherheit, unverschlossen usw. usw. Zusammenfassung Es ist ein brisantes Thema, dass hier zur Diskussion gestellt wird. Die aufgeworfenen Fragen zu beantworten - und daran wird sich sicherlich die Diskussion entzünden - kann nur Sache der zuständigen Elektrotechniker vor Ort sein. Egal ob sie als Betriebselektriker tätig sind oder als Elektrofachkraft eingestellt wurden - allein ihre Kompetenz und ihr Durchsetzungsvermögen sind entscheidend (Kasten 1). Ihnen kann - und darf - keiner etwas vorschreiben, der „nicht vom Fach“ ist. Im Beitrag wird versucht, diese Konsequenzen zu begründen. Aber, und das sei nochmals betont, ohne den kompetenten Betriebselektriker - als selbstbewusste und manchmal widerborstige Elektrofachkraft - geht nichts, bleibt alles ein Trauerspiel (Bild ). So oder so. Erinnert sei an dieser Stelle noch einmal daran, dass jeder Unternehmer/Arbeitgeber eine verantwortliche Elektrofachkraft zu benennen hat, die seine Fach- und Aufsichtsverantwortung für die elektrischen Anlagen und Betriebsmittel im Betrieb übernimmt. Diese Aufgabe kann auch „outgesourct“, d. h. an eine außenstehende Elektrofachkraft oder einen Fachbetrieb übertragen werden. Natürlich, die Rahmenbedingungen für die Fachkollegen sind meist miserabel [13]. Sie stehen ziemlich allein auf weiter Flur. Es ist daher notwendig, die Berufsgenossenschaften, Energieversorgungsbetriebe, Bezirksvereine des VDE, die Normensetzer der DKE usw. zu fragen, was sie unternehmen, um diesen Mangel abzustellen. Es geht um die Elektrosicherheit - um Eure Dienst- und Lebensaufgabe als Elektrofachkräfte, als Garanten der Elektrosicherheit - liebe Fachkollegen. Literatur [1] Betriebssicherheitsverordnung (Betr Sich V) vom 27. September 2002 (BGBl. I S. 3777) zuletzt geändert durch Art. 9 der Verordnung vom 23. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3758). [2] TRBS 1201 Technische Regel für Betriebssicherheit - Prüfung von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen. [3] TRBS 2131 Technische Regel für Betriebssicherheit - Elektrische Gefährdungen. [4] VDE 1000-10 Anforderungen an die im Bereich der Elektrotechnik tätigen Personen. [5] Gesetz zur Neuordnung der Sicherheit von technischen Arbeitsmitteln und Verbraucherprodukten (GPSG). [6] DIN VDE 0105-100:2009-10 Betrieb von elektrischen Anlagen - Allgemeine Festlegungen. [7] DIN VDE 0100-600:2006-06 Elektrische Anlagen von Gebäuden; Prüfungen. [8] DIN VDE 0701-0702:2008-06 Prüfung nach Instandsetzung, Änderung elektrischer Geräte - Wiederholungsprüfung elektrischer Geräte - Allgemeine Anforderungen für die elektrische Sicherheit. [9] BGV A3 Unfallverhütungsvorschrift „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“. [10] Urteil des BGH (AZ VIII ZR 321/07) (sinngemäß, s. Kasten 5). [11] Urteil des BGH (AZ VII ZR 184/97) (sinngemäß, s. Kasten 5). [12] Bürgerliches Gesetzbuch § 823 ff. (BGB). [13] Situationsbericht über den Zustand der elektrischen Anlagen, den Status des Betriebselektrikers und die Ansichten des Besitzers zur Elektrosicherheit in einem mittelständischen Betrieb. (Bericht liegt der Redaktion vor). Elektropraktiker, Berlin 64 (2010) 2 141 Normen und Vorschriften FÜR DIE PRAXIS 4 Pflicht zur Wiederholungsprüfung Die Pflicht zur Wiederholungsprüfung ergibt sich grundsätzlich aus dem Arbeitsschutzgesetz (§ 5 - Gefährdungsbeurteilung) und der daraus abgeleiteten Betriebssicherheitsverordnung (§ 3 Abs. 3) sowie aus der BGV A3 (§ 5). Konkretisiert werden die unverbindlichen Prüffristen in der Technischen Regel für Betriebssicherheit - Prüfungen von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen (TRBS 1201) und den Durchführungsanweisungen zur BGV A3. Diese dienen dem Unternehmer in erster Linie als Maßstab für die eigene Gefährdungsbeurteilung und die daraus abzuleitenden Maßnahmen. Arbeitsschutzgesetz, Betriebssicherheitsverordnung und BGV A3 gelten ausschließlich für „Unternehmen“ einschließlich solcher der öffentlichen Hand, nicht jedoch für ausschließlich privat genutzte Bereiche. Nicht einmal die Hausangestellten in privaten Haushalten werden vom Arbeitsschutzgesetz erfasst. Andererseits werden bei einem Unfall im privaten Bereich vielfach · sowohl die öffentlich rechtlichen Regelungen · als auch die Normen von den Gerichten und Sachverständigen als Beurteilungsmaßstab verwendet. Soweit die elektrische Anlage eines Privathaushalts betroffen ist, kann man von der Annahme ausgehen, dass der Elektrohandwerker bei irgendeiner Reparatur nicht nur als solcher auftritt, sondern gleichzeitig auch die Aufgabe der verantwortlichen Elektrofachkraft übernimmt und als solche dem privaten Betreiber Vorschläge für die Prüfung macht. Dieser hat dann zu entscheiden, was geschehen soll, da er letztlich die Betreiberverantwortung trägt. Im Übrigen, ein Privatmann kann und muss die zahlreichen auch nichtelektrotechnischen Normen nicht kennen. Somit kann und braucht er sie auch nicht anzuwenden, zumal er sie auch nicht verstehen kann. Er muss im speziellen Fall die Kenntnisse eines Fachmannes auf dem jeweiligen Gebiet in Anspruch nehmen. Dies ist im Betrieb für das Gebiet Elektrotechnik die verantwortliche Elektrofachkraft. Denken Sie an den Kfz-Verkehr. Der Fahrlehrer hat uns Theorie und Praxis beigebracht und wir haben eine Prüfung ablegen müssen. Danach sind wir auch verpflichtet, uns über die öffentlich rechtlichen und damit verbindlichen Regelungen auf dem Laufenden zu halten, z. B. Mindesttiefe des Reifenprofils, Tagfahrtenlicht, Pannensicherung auf Autobahnen und Straßen, Hauptuntersuchung, Abgasuntersuchung, Staubplakette usw. Niemand aber wird von uns als Privatleuten fordern, dass wir uns über die Normen für die verschiedenen Einspritzsysteme, Reifengummimischungen, Diebstahlwarnsysteme oder Sicherheitsgurte im Einzelnen auskennen. 5 Gerichtsurteile - Auszüge · Urteil des BGH (AZ VII ZR 184/97) (sinngemäß) DIN-Normen sind technische Regeln mit Empfehlungscharakter. Sie geben zwar die anerkannten Regeln der Technik wieder, können aber auch schlechthin falsch sein. · Urteil des BGH (AZ VIIIZR 321/07) (sinngemäß) Hinsichtlich der Prüfung der elektrischen Anlage und damit auch der zur Anlage gehörenden fest angeschlossenen elektrischen Geräte hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass ein Vermieter nicht gesetzlich verpflichtet ist, im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht die Elektroinstallation und -geräte regelmäßig einer Generalinspektion zu unterziehen. Er kam zu dem Ergebnis, dass es keine rechtliche Verpflichtung zur regelmäßigen Generalinspektion der Elektroleitungen und der elektrischen Anlagen gebe. Der Vermieter müsse zwar Mängel, von denen eine Gefahr für die Mietwohnung ausgehen könnte, unverzüglich beheben, ohne konkreten Anlass oder Hinweise auf Mängel bestehe jedoch keine Pflicht zur regelmäßigen Prüfung. Keinen Zweifel hat der BGH allerdings daran gelassen, dass den Vermieter die vertragliche Nebenpflicht trifft, die Mietsache in einem verkehrssicheren Zustand zu erhalten. Die Gewissheit, dass er dieser Vorgabe genügt, kann der Vermieter wiederum nur durch - freiwillige - regelmäßige Prüfungen erhalten. Das Unterlassen der rechtzeitigen Prüfungen führt gegebenenfalls zu Schadensersatzansprüchen (§ 823 ff. BGB [12])

Autoren
  • K. Bödeker
  • H.-H. Egyptien
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