Elektrotechnik
Unfallgeschehen bei der BGFE
ep9/2000, 3 Seiten
· Alkohol am Steuer ist tabu. Wollen Sie frühmorgens zu einer Tour aufbrechen, am Abend vorher Finger weg vom Alkohol. · Auf monotonen Fahrten für Abwechslung - Nicht Ablenkung! - sorgen. Zum Beispiel durch Gespräche oder Musik. Aber bitte: Keine Grundsatzdiskussionen führen, die die Konzentration beeinträchtigen. · Achten Sie während der Fahrt auf Haltung und Klima. Stellen Sie die Kopfstütze passend ein, sitzen Sie bewusst aufrecht und nicht zu nahe zum Lenkrad. Gute Belüftung - dazu gehört, so wenig wie möglich rauchen - sorgt für ausreichend Sauerstoffzufuhr und verhindert somit eine vorzeitige Ermüdung. Ach ja, immer angeschnallt fahren. · Beim ersten Anzeichen von Müdigkeit (wiederholtes Gähnen, schwere Lider, Augenbrennen, unregelmäßige Fahrweise, optische Täuschungen) sofort den nächsten Parkplatz anfahren. Am besten eine Schlafpause einlegen. Mindestens aber eine längere Zeit pausieren und sich im Freien bewegen. Und denken Sie daran: Kaffee, Cola, Energy-Drinks, Aufputschmittel, kalte Luft oder laute Musik helfen nicht, die Müdigkeit zu überwinden. Sie überbrücken das Problem lediglich für kurze Zeit und gaukeln dem Körper Wachheit vor, ohne dass er wirklich wach ist. Rechtsprechung Unfall bei Panne Ein Fahrzeug-Insasse, der aufgrund einer Panne das Fahrzeug verlassen hat und sich hinter dem am Straßenrand außerhalb der Fahrbahn abgestellten Fahrzeug ohne Not aufhält, muss sich ein Mitverschulden an Verletzungen vorwerfen lassen, die er durch einen auf schneeglatter Straße schleudernden und von hinten auffahrenden Pkw erleidet. Dennoch kann bei grobem Verschulden des Auffahrenden dessen volle Haftung gerechtfertigt sein. OLG Dresden v. 27.6.96; 7 U 792/96 Unfallauswertung Tödlicher Unfall an einer NS-Freileitung Arbeitsauftrag: Ein EVU hatte an eine Elektrofirma den Auftrag für die Herstellung eines Hausanschlusses vergeben. Da der Anschluss von einer NS-Freileitung aus vorgenommen musste, sollte eine Hubarbeitsbühne eingesetzt werden. Diese wurde von einer anderen Elektrofirma angemietet. Mit dem Vermieter war vereinbart worden, dass er die Bühne an der Montagestelle für die anstehenden Arbeiten positioniert. Die Montagearbeiten sollten dann von einem speziell ausgebildeten Monteur ausgeführt werden. Unfallhergang: An dem Unfalltag herrschten normale Witterungsbedingungen, das heißt kein Wind und kein Regen. Der Vermieter der Hubarbeitsbühne, selbst auch Elektrofachkraft, fuhr die Bühne seitlich auf den Bürgersteig, parallel zum Freileitungsmast. Da der Mast etwa 3 m hinter dem Zaun des angrenzenden Grundstücks stand, wollte der Vermieter auftragsgemäß das Fahrzeug so positionieren, dass der Schwenkbereich für die vorgesehene Montage ausreicht. Er bewegte sich deshalb im Korb Richtung Freileitung und unterschritt dabei den Schutzabstand, bis sich die Freileitung im Handbereich befand. Aus unerklärlichen Gründen griff er dann in den oberen Bereich der Freileitung und zwar an die zur Straße liegenden Außenleiter, mit jeweils einer Hand an einen anderen. Dabei kam es zu einer tödlichen Körperdurchströmung. Unfallanalyse: Der Verunglückte hat eindeutig gegen § 7 „Arbeiten in der Nähe aktiver Teile“ der BGV A2 (VBG 4) verstoßen und sich ohne entsprechende Schutzausrüstungen der Freileitung zu weit genähert. Dabei hätten dem Verunglückten als Elektrofachkraft die sich ergebenden Gefahren bei Unterschreitung des Schutzabstandes bewusst sein müssen, auch wenn er nicht über eine entsprechende Zusatzausbildung für AuS-Montagen verfügte. J. Jühling Tendenz der Unfallzahlen Meldepflichtige Unfälle. Seit Jahren ist eine rückläufige Anzahl je 1.000 Beschäftigte bei der BG F+E zu verzeichnen. Diese Tendenz ist eindeutig auf die aktive Präventionsarbeit zurückzuführen (Bild ) - nicht nur seitens der BG, sondern in großem Maße auch der Mitgliedsbetriebe. Die Ergebnisse dürfen aber keinesfalls dazu führen, die Präventionsarbeit zu drosseln wie die Entwicklung bei den Stromunfällen zeigt. Stromunfälle. Glaubte man durch die großen Anstrengungen der elektrotechnischen Normung nur noch fallende Zahlen bei den Stromunfällen erwarten zu können, so ergab sich in der letzten Zeit eine andere Tendenz (Bild ). Darauf wurde in den letzten Jahren mehrfach durch das Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle der BG F+E hingewiesen. In den Jahren 1998 und 1999 war sogar absolut wieder eine steigende Anzahl der meldepflichtigen Stromunfälle bei der BG F+E festzustellen. Den zeitlichen Verlauf des Anteils Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 9 746 Branche aktuell Bei Arbeiten an unter Spannung stehenden Freileitungen sind die erforderlichen Schutzausrüstungen einzusetzen Unfallgeschehen bei der BG F+E Für das Jahr 1999 wurde bei der Anzahl der Arbeitsunfälle je 1000 Beschäftigte mit einer Quote von 20,6 ein historischer Tiefststand erreicht. Betrachtet man jedoch die Entwicklung bei den Stromunfällen, ergibt sich ein anderes Bild. Die folgenden Ausführungen behandeln deshalb speziell den Stromunfall. Unfälle 000 Versicherte 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 Arbeitsunfälle bei der BG F+E 671 1 600 1 200 800 400 Anzahl 1969 72 75 78 81 84 87 90 93 96 1999 1495 501 873 666 683 Meldepflichtige Stromunfälle 1,5 1,0 0,5 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 1,07 0,98 1,32 1,44 Anteil der meldepflichtigen Stromunfälle an den Arbeitsunfällen 100 Anteil 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 Anteil der Stromunfälle von Elektrofachkräften an allen Stromunfällen der meldepflichtigen Stromunfälle an der Gesamtzahl der Arbeitsunfälle über die letzten 15 Jahre zeigt Bild . Ein Tiefstwert wurde im Jahre 1989 (ca. 1 %) erreicht, 1999 stieg der Anteil der Stromunfälle auf einen Höchstwert von 1,44%. Deshalb wurden gesonderte Auswertungen zum Stromunfall durchgeführt, um den Unfallursachen und deren Schwerpunkten näher zu kommen. Stromunfälle Anteil der Elektrofachkräfte. Der Stromunfall ist kein typischer Unfall bei Laien oder elektrotechnisch unterwiesenen Personen. Bild zeigt, dass der Anteil der Elektrofachkräfte, die einen Stromunfall verursacht haben, über die letzten 10 Jahre fast konstant bei ca. 85 % liegt. Anzuerkennen ist, dass dieser Personenkreis beruflich besonders exponiert ist. Jedoch sollte auch der eigentliche Vorteil der höheren Qualifikation und Berufserfahrung gegenüber Laien und unterwiesenen Personen berücksichtigt werden. Verteilung auf Altersgruppen. Trägt man die Stromunfälle auf eine Altersskala auf, so ergibt sich die im Bild dargestellte Verteilung (1993 bis 1997). Auf den ersten Blick ist die bekannte „Badewannenkurve“ zu erkennen, die sich auch bei allgemeinen Unfallstatistiken ergibt. Diese Kurvenform ist besonders gut bei der Verteilung der gemeldeten Stromunfälle (blaue Balken) zu erkennen. Bei diesen Unfällen ist jeder erfasst, der sich nach einem „Wischer“ bei einem Durchgangs-Arzt vorgestellt hat. Betrachtet man jedoch die gemeldeten Unfälle mit Elektrofachkräften (grüne Balken), so ergibt sich ein um ca. die Hälfte höherer Anteil bei den bis 20-jährigen und bei einem Alter zwischen 50 bis 60. Bei Elektrofachkräften über 60 Jahre ist wiederum fast kein Unfallgeschehen zu beobachten. Trägt man die meldepflichtigen Stromunfälle auf, also Arbeitsunfälle mit einem Arbeitszeitausfall mit mehr als drei Tagen (die roten Balken), ergibt sich eine Häufung bei den älteren Verunfallten, insbesondere der 50- bis 60-jährigen. Anteil der Auszubildenden. Bild zeigt ein beunruhigendes Ergebnis. In den Jahren 1980 bis 1998 hat sich der Anteil fast verdoppelt. Unfall-Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 9 Branche aktuell gemeldet gemeldet mit EF meldepflichtig Anteil 20-25 25-30 30-35 35-40 40-45 45-50 50-60 Verteilung der Stromunfälle auf die Altersgruppen Anteil 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 Anteil von Stromunfällen mit Auszubildenden -20 -40 Anteil -17,6 -13,0 -6,8 -7,0 -6,7 3,2 22,6 31,7 4,2 -2,5 -4,3 -2,3 Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez Verteilung meldepflichtiger Stromunfälle auf die Kalendermonate schwerpunkte bilden wie bei den Fachkräften Arbeiten an der festen Installation hinter dem Hausanschlusskasten und allgemein an NS-Verteileranlagen. Saisonale Schwankungen. (Bild ) ist zu entnehmen, das Stromunfallgeschehen unterliegt auch jahreszeitlichen Schwankungen. Für den Zeitraum 1993 bis 1997 wurden die meldepflichtigen Stromunfälle hinsichtlich ihrer Verteilung auf die Kalendermonate untersucht und jeweils die Abweichung vom Jahresmittelwert der einzelnen Monate aufgetragen. Im Juli und August sind deutlich mehr Stromunfälle zu verzeichnen, im Januar und Februar hingegen deutlich weniger. Sicher spielen in den Sommermonaten urlaubsbedingte Ausfälle bei den Elektrofachkräften eine Rolle, die dann vielfach zum Einsatz von unzureichend qualifiziertem Personal mit entsprechenden Folgen führt. Tödliche Stromunfälle Leider ereignen sich in jedem Jahr auch tödliche Stromunfälle. Im letzten Jahr z. B. 14 - jeweils sieben an NS- und sieben an HS-Anlagen Diese Unfallhäufigkeit ist im Prinzip seit den achtziger Jahren mit einem befristeten leichten Rückgang in den Jahren kurz vor der Wiedervereinigung anzutreffen (Bild ). Verteilung der tödlichen Stromunfälle auf die Spannungsebenen. Es ist eine deutliche Häufung bei Spannungen über 1000 V festzustellen (Bild ). Auf den ersten Blick scheinen die durchschnittlich ein bis zwei Toten bei Arbeiten an 15-kV-Fahrleitungsanlagen keine bedeutende Rolle zu spielen. Anders sieht es bei einem Vergleich der Letalitätsrate aus. Für das Jahr 1999 ergab sich eine Letalität pro Versicherten von 0,0052 bei den meldepflichtigen Arbeitsunfällen ohne Berücksichtigung der Wege-, Dienstwege-und Stromunfälle. Für die Stromunfälle allgemein jedoch ein Wert von 0,0061 . Für den Bereich des Fahrleitungsbaus (geschätzte Versichertenzahl 1.300), aber eine Letalitätsrate von 1,54 . Eine branchenbezogene Aufschlüsselung der tödlichen Stromunfälle über die letzten fünf Jahre führt an NS-Anlagen zu einer Letalitätsrate pro Versicherten von 0,045 für die Großinstallation, 0,011 bei den EVUs und 0,0077 in der Kleininstallation. Auch bei den HS-Anlagen steht die Großinstallation mit 0,087 an erster Stelle, gefolgt von den EVUs mit 0,017 und den Fermeldeanlagenbauern mit 0,013 . Im Vergleich der Unfallzahlen der Großinstallation zu dem dieser Branche zugeordneten Fahrleitungsbau mit sechs tödlichen Unfällen seit 1995 ergibt sich jedoch eine ca.10-fach höhere Letalität bei den Arbeiten an den 15-kV-Fahrleitungen. Diese Ergebnisse müssen zu einer verstärkten Präventionsarbeit im Bereich des Fahrleitungsbaus führen. Einfluss des Arbeitsbereichs. Nach (Bild ) sind die Schaltanlagen mit über 34 %, die Freileitungen mit 28 % und die Hausinstallation mit 12,5 % zu nennen. An vierter Stelle kommen trotz der weitaus geringeren Baustellenanzahl die Fahrleitungen mit fast 10 %. Störlichtbogenunfälle Anteil an den Stromunfällen. Dieser hat stark abgenommen (Bild ). Waren es bei der BG F+E in den Jahren zwischen 1969 und 1984 noch 50 bis 60 %, so liegt der Anteil derzeit unter 25 %. Störlichtbogenunfälle stellen aber immer noch den Großteil der Unfallkosten.Deswegen wurden die Anstrengungen zur Auswertung der Unfallursachen verstärkt sowie Möglichkeiten zusätzlicher präventiver Maßnahmen erörtert. Rehabilitations-Studie. Untersucht werden die Möglichkeiten der Rehabilitation von Personen, die einen Störlichtbogenunfall erlitten hatten. Ausgewertet wurden bisher alle schwereren Störlichtbogenunfälle, die sich im Jahre 1998 ereigneten. Ein erstes Resultat betrifft die Verteilung der thermischen Schädigungen auf die einzelnen Körperteile (Bild ). Als Schädigungen wurden hier Verbrennungen ersten und höheren Grades einbezogen. Stark betroffen sind besonders die Hände und der Kopf mit Halsbereich, in mehr als 2/3 der Unfälle die rechte Hand und mit ca. der Hälfte die Gesichts- und Halspartie. Aber auch die Unterarme werden mit 41% bei dem rechten und 34 % bei dem linken relativ oft geschädigt. Alle weiteren Körperteile sind nur mit Anteilen unter 10 % beteiligt. Abschließend sei auf die Neuentwicklung einer Schutzhaube für Sperrkassierer hingewiesen, die auf der Nürnberger Vortragsveranstaltung eine Auszeichnung erhielt (s. ep 07/ 2000). Schlussbemerkungen Die absolute Zunahme der Anzahl der elektrischen Unfälle bei der BG F+E in den letzten beiden Jahren erfordert eine verstärkte Präventionsarbeit. Besonders im Bereich der Fahrleitungsarbeiten, bei denen geringere Arbeitsabstände zu aktiven Teilen zulässig sind, entstehen immer wieder schwere und auch tödliche Stromunfälle. Warum gelten für diese Arbeiten nicht auch die allgemein festgelegten Abstände der Gefahrenzone nach der VDE 0105? Ist eine Unterschreitung dieser Abstände erforderlich, so sind die Festlegungen für das „Arbeiten unter Spannung“ zu beachten. Dass man über die derzeitigen Regelungen im Fahrleitungsbau für das „Arbeiten in der Nähe“ nachdenken muss, dürfte aufgrund der Unfallzahlen unstrittig sein. Denken Sie immer daran, die meisten Stromunfälle haben keine technische Ursache. Halten Sie sich deshalb selbst und Ihre Kollegen immer wieder zu sicherheitsbewusstem Verhalten an, denn der gestrige „Wischer“ kann am nächsten Tage tödlich enden. J. Jühling Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 9 748 Branche aktuell Niederspannung Hochspannung Anzahl Insgesamt 1969 1973 1977 1981 1985 1989 1993 1997 Tödliche Stromunfälle 7 7 7 7 1 1 Anzahl 1 000 V > 1 000 V 15 kV Spannungshöhe 2 2 6 6 1995 1996 1997 1998 1999 Tödliche Stromunfälle 1995 bis 1999 in den verschiedenen Spannungsebenen Schaltanlagen Freileitungen Hausinstallation Fahrleitungen übrige 34,4 28,1 12,5 9,4 15,6 Verteilung tödlicher Elektrounfälle bezüglich der Arbeitsbereiche - Zeitraum 1995 bis 1999 Anteil 1969 1973 1977 1981 1985 1989 1993 1997 Anteil der Störlichbogenunfälle an gemeldeten Stromunfällen Verteilung der thermischen Schädigungen
Autor
- J. Jühling
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