Blitz- und Überspannungsschutz
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Elektrotechnik
Schutz von Mobilfunkstationen
ep8/2003, 2 Seiten
1 Anforderungen an die Ableiter Der Einsatz von Blitzstrom- und Überspannungsableitern gehört heute in den Anlagen der Mobilfunkbetreiber bereits zum Standard. Die internationale Norm IEC 60354-5-53 fordert für den Einsatz von Blitzstromableitern (class I) in dreiphasigen Stromversorgungssystemen einen Blitzstromprüfimpuls von mindestens 12,5 kA (10/350 µs) pro Kanal. Varistorableiter, die vorwiegend als „class II“-Ableiter eingesetzt werden, erfüllen diese Anforderung mit einer Blitzstromtragfähigkeit von rund 3 kA (10/350 µs) nicht. Theoretisch müssten mindestens fünf dieser Geräte parallel geschaltet werden. Aufgrund der Toleranzen von Varistoren ist das simple Aufsummieren der Stoßströme jedoch nicht zulässig. Wie beispielsweise bei parallel geschalteten Sicherungen kommt es auch hier zu einer unsymmetrischen Belastung und die erwünschte Leistungssteigerung bleibt aus. Die Anforderung an das Blitzstromtragvermögen der gesamten Ableiterkombination ergibt sich direkt aus der Blitzschutzklassenermittlung gemäß der Norm IEC 61024-1. Wurde keine Riskoanalyse durchgeführt, ist davon auszugehen, dass sich 50 % des Blitzstroms auf die angeschlossenen Versorgungsleitungen verteilen. Die Norm DIN VDE 0855, Teil 300 fordert für Blitzschutzmaßnahmen in Funksende-/ -empfangssystemen die Blitzschutzklasse III mit 100 kA. Für den inneren Blitzschutz folgt daraus für die gesamte Ableiterkombination ein Prüfimpuls von mindestens 50 kA (10/350 µs). Der Unterschied hinsichtlich des Platzbedarfs sowie der Kosten für Kombinationen bei 50 kA verglichen mit 100 kA ist so gering, dass sich die Verwendung der leistungsfähigeren Variante durchgesetzt hat, zumal Schaltungen bis zur Blitzschutzklasse I, entsprechend einer Anforderung von insgesamt 200 kA, am Markt weit verbreitet sind (Bild ). Bei Ableiterkombinationen mit integrierten, potentialfreien Wechslerkontakten kann der einwandfreie Zustand der Ableiter, neben der optischen Statusanzeige, ferngemeldet werden. 2 Koordination von Ableitern Kombinationen bestehend aus „class I“- und „class II“-Ableitern, die nach dem Prinzip der aktiven Energiesteuerung (AEC) direkt parallel geschaltet werden, sind heute Stand der Technik. Aufgrund seiner schnellen Reaktionszeit übernimmt anfangs der autarke, leistungsfähige „class II“-Varistorableiter den Ableitvorgang und generiert zeitgleich den Schutzpegel für das angeschlossene System. Im Gegensatz zum klassischen Koordinationskonzept mit induktiver Entkopplung wird nicht die Stromsteilheit, sondern der Spannungsfall über dem „class II“-Ableiter überwacht. Ausgehend von der Kennlinie dieses Ableiters lässt sich von dieser Spannung eindeutig auf die momentan umgesetzte Leistung schließen. Vor Überschreitung der maximal zulässigen energetischen Belastung wird der „class I“-Ableiter aktiv gezündet und so eine Überlastung des Varistormoduls vermieden. Da der „class II“-Ableiter an jedem Ableitvorgang beteiligt ist, sollte er steckbar sein. Auf diese Weise kann er im Bedarfsfall ohne Abschalten der betroffenen Standorte ausgetauscht werden. Ein spezielles Prüfgerät für die steckbaren Ableiter protokolliert während der Revisionsarbeiten den momentanen Zustand und zeigt eine Alterung der Ableiter frühzeitig an (Bild ). Damit beschränken sich die Wartungsarbeiten auf die vorgegebenen Intervalle. 3 Schwankungen im Netz Stark schwankende Netze, die teilweise größere Spannungswerte als die Bemessungsspannung UC liefern, sind für die Überspannungsschutzgeräte eine unzulässig hohe Belastung. Vor allem bei Mobilfunkanlagen mit langen Stromversorgungsleitungen kommt es immer wieder Blitz- und Überspannungsschutz Elektropraktiker, Berlin 57 (2003) 8 616 Schutz von Mobilfunkstationen C. Wagener, Blomberg Mobilfunkanlagen stehen funktionsbedingt an exponierter und damit durch Blitzeinschlag gefährdeter Lage. Für die Betreiber ist eine stetige Betriebssicherheit der gesamten Infrastruktur von entscheidender Bedeutung, denn der Ausfall einer Vermittlungsstelle führt nicht selten zu Umsatzeinbußen in einer Größenordnung von 500 Euro pro Sekunde. Bereits hier zeigt sich die Notwendigkeit, rechtzeitig ein Überspannungsschutzkonzept einzuplanen. Dipl.-Ing. Carsten Wagener ist Mitarbeiter der Fa. Phoenix Contact, Blomberg Autor Ableiter-Kombination nach dem Prinzip der aktiven Energiesteuerung in sogenannter „3+1“-Schaltung auf einer Baubreite von 140 mm vor, dass trotz korrekt gewählter Blitzstromtragfähigkeit die Überspannungsschutzgeräte zerstört werden. Ursache dafür sind beispielsweise Kurzschlüsse in der Stromversorgung, die aufgrund der langen Zuleitungen sowie eines zu geringen Querschnitts nicht rechtzeitig, das heißt innerhalb von 5 s, durch eine Sicherung abgeschaltet werden können. Bei einem dreiphasigen System liegen während dieser Zeit zwei Ableiterpfade an einer unzulässig hohen Spannung. Eine Unterbrechung des Neutralleiters kann die gleichen Folgen haben. Häufig werden nur die Varistorableiter sichtbar zerstört. Diese Geräte sind für Überspannungen im Mikrosekunden-Bereich ausgelegt, nicht aber für stationäre, lang anstehende Überspannungen. Die von der Norm IEC 61643-1 geforderte thermische Abtrennvorrichtung ist ausschließlich für den schleichenden Alterungsprozess dimensioniert und kann daher den Ableiter nicht rechtzeitig vom Netz trennen.Im Ergebnis kann sogar eine Brandgefahr nicht ausgeschlossen werden. In der Norm IEC 61643-1 werden daher TOV-Tests (temporary overvoltages) beschrieben. Demnach wird der Ableiter für 5 s an einer erhöhten Spannung UTOV betrieben. Dabei berechnet sich diese Spannung aus UTOV=1,45·U0, das heißt im Fall einer Netzspannung von 230 V ergibt sich ein Wert von UTOV = 335 V. In der Installationrichtlinie IEC 60364-5-53 werden Ableiter empfohlen, die diesen Test mit „TOV-withstand“ bestehen. Nur Ableiter mit UC > UTOV sind nach dem Test noch voll funktionsfähig sowie geeignet, über einen längeren Zeitraum zerstörungsfrei an der erhöhten Spannung zu arbeiten. Für einen weltweiten, standardisierten Einsatz empfiehlt sich eine Dimensionierung von UC > 350 V. 4 Antennenanlagen Gebäudeüberschreitende und damit lange Antennenleitungen sowie die Antennen selbst sind ebenfalls atmosphärischen Entladungen ausgesetzt. Auch bei Leitungen mit günstigen EMV-Eigenschaften, wie in definierten Abständen mit dem Erdpotential verbundene Koaxialkabel, kann eine transiente Einkopplung in die Systeme sowie die Verschleppung bis zu den empfindlichen Schnittstellen nicht ausgeschlossen werden. Lediglich eine Beschaltung der Antennensysteme mit Überspannungsschutz erhöht die Sicherheit der gesamten Anlage (Bild ). Der erforderliche Schutz der Telekommunikationsleitungen wird an dieser Stelle nicht weiter beschrieben. Literatur [1] DIN VDE 0855 Teil 300:2002-07: Funksende-/ -empfangssysteme für Sendeausgangsleistungen bis 1kW, Teil 300: Sicherheitsanforderungen. [2] IEC 60364-5-53:2002-06: Selection and erection of electrical equipment - Isolation, switching and control. [3] IEC 37A/139A/CDV IEC 61643-1/A2-f2:2003-06: Surge protective devices connected to lowvoltage power distribution systems - Performance requirements and testing methodes. [4] IEC 61024-1-1:1993-09: Protection of structures against lightning - Part 1: General principles - Section 1: Guide A: Selection of protection levels for lightning protection systems. Blitz- und Überspannungsschutz Elektropraktiker, Berlin 57 (2003) 8 617 Überspannungsableiter für Antennenanlagen Fotos: Phoenix Contact Prüfgerät für steckbare Ableiter
Autor
- C. Wagener
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