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Pfusch am Bau - die rechtlichen Folgen für den Errichter
ep5/2002, 3 Seiten
Rechtliche Bewertung Begründung des Vertragsverhältnisses. Für die rechtliche Bewertung war zunächst zu prüfen, wie das Vertragsverhältnis zwischen dem Arzt als Auftraggeber (AG ) und dem Elektrobetrieb als Auftragnehmer (AN) zustande gekommen ist und welche gesetzlichen Grundlagen hierfür vorlagen. Zur Modernisierung seiner Praxisräume suchte der Arzt aus dem Branchenbuch vier Elektroinstallationsbetriebe in seiner unmittelbaren Nähe aus. Alle erhielten mit seiner Aufforderung zur Abgabe eines Kostenangebots eine Zeichnung mit Symbolen für Schalter, Steckdosen und Leuchten als Mindestausstattung. Übergeben wurde auch eine Ausstattungsliste mit anzuschließenden elektrischen Geräten allgemeiner Art sowie von fest anzuschließenden medizinischen elektrischen Geräten (Kleinsterilisator, Desinfektor). Aus „Kostengründen“ gab der Arzt für seine Umbauarbeiten keine ausreichende Planung bei einem Architekten - und für die Gewerke Heizung/Lüftung/Sanitär und Elektrotechnik keine Fachplanung - in Auftrag. Er übergab lediglich seine Ausarbeitung (Zeichnung und Geräteaufstellung) zur verbindlichen Angebotsabgabe. Zu beachten Ist: Angebote sind im Gegensatz zu einem Kostenvoranschlag preislich bindend. Das bedeutet aber auch, für die fachliche Leistung wird nach dem Stand der Technik die volle Verantwortung durch die Bieter übernommen. Wie leider heute üblich, bekam den „Zuschlag“ der billigste Bieter. Die für die Anlagenerrichtung zutreffenden Normen, Gesetze, UVVen und baurechtlichen Regeln waren ihm zum größten Teil unbekannt! Werkvertrag nach BGB. Auf Befragen erklärten beide Parteien, dass sie sich über den Leistungsgegenstand - also über den Umfang, die Art und die Qualität der auszuführenden Leistungen - und über den Preis einig gewesen sind. Die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) ist nicht ausdrücklich vereinbart worden, im Kostenangebot des AN ist auch kein Hinweis auf das AGB-Gesetz - z. B. auf die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Elektrotechniker-Handwerk“ - enthalten. Die Abwicklung des Vertragsverhältnisses richtet sich in diesem Fall ausnahmslos nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Das heißt, es ist ein Werkvertrag nach §§ 631ff. BGB zustande gekommen. Danach schuldet der Auftragnehmer „einen Erfolg“, und der Arzt als Auftraggeber ist zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Art der Planung, Verantwortung. Bei einer Fremdplanung obliegt es dem Ausführungsbetrieb (AN) nach DIN 18382, Abschn. 3.1.4 [3], die vom Auftraggeber (AG) gelieferten Planungsunterlagen und Berechnungen zu prüfen - u. a. hinsichtlich der Beschaffenheit und der Funktion der Anlage sowie auf die Vollständigkeit der Unterlagen. Unstimmigkeiten, Fehler in den Berechnungen u. a. Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, sind vom Auftraggeber gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B schriftlich geltend zu machen [4]. Diese Regelungtrifftauchfür Leistungen zu, für die nicht die VOB vereinbart ist. Obwohl in den §§ 631 ff. BGB keine besondere Regelung über die Verpflichtung des Unternehmers enthalten ist, derartige Bedenken geltend zu machen, bezieht sich diese Verpflichtung auch auf den BGB-Vertrag. Die Grundlage für die Hinweispflicht ist beim BGB-Vertrag die allgemeine Sorgfaltspflicht des AN in Verbindung mit der daraus resultierenden Aufklärungspflicht nach § 242 BGB (Treu und Glauben). Da im vorliegenden Fall die ordnungsgemäße Fachplanung unterblieben ist, der AN sich auf diese Verfahrensweise eingelassen und nicht widersprochen hat, trägt er auch die Verantwortung für alle Mängel und Schäden! Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 5 404 Report In der Praxis nicht bestanden Pfusch am Bau - die rechtlichen Folgen für den Errichter Im Rahmen des E-Checks in einer Arztpraxis ermittelten der Prüfende und darauf ein vom Gericht bestellter Gutachter einige schwerwiegende Mängel der elektrotechnischen Anlagen [1][2]. Im Beitrag werden die sich für den Errichtungsbetrieb ergebenden Folgen dargelegt. Unabhängig von der Planungsverantwortlichkeit gilt aber auch der Grundsatz, dass elektrische Betriebsmittel und Anlagen so aufeinander abzustimmen sind, dass die geforderte Funktion erbracht wird, die Betriebssicherheit gegeben ist und ein sparsamer Energieverbrauch und wirtschaftlicher Betrieb möglich sind. Dies setzt neben der Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und der ausnahmslosen Verwendung von VDE-gemäßem Installationsmaterial auch die Verpflichtung für den Unternehmer voraus, sich ständig fortzubilden, so dass ihm und auch seinen Mitarbeitern der Stand der Technik auch hintergründig bekannt ist. Medizinische Anwendungsgruppen. Nur einer der vier Betriebe hat vor Abgabe eines verbindlichen Kostenangebots vom Arzt eine Erklärung zur medizinischen Anwendungsgruppe verlangt. Dieses ist jedoch nach [5] die wichtigste Voraussetzung für die weitere Planung und Errichtung elektrotechnischer Anlagen in der Medizin ist. Med.- Räume sollen sicher sein! Die Sicherheit muss sich vor allem auf die Tätigkeiten beziehen, die in diesen Räumen am Patienten „verrichtet“ werden. Das bedeutet, zunächst muss der Nutzer - im vorliegenden Fall der Arzt - festlegen, welche medizinischen Tätigkeiten er in welchen Räumen, mit welchen Mitteln und Methoden bei welchen Patienten ausführt. Nach DIN VDE 0107 ist davon auszugehen, dass Med.-Räume hinsichtlich der notwendigen Maßnahmen gegen Gefahren im Fehlerfall graduiert werden müssen. Diese Graduierung erfolgt in drei Anwendungsgruppen. Sie soll sich auf die bestimmungsgemäße Nutzung der Räume beziehen. Diese Eingruppierung bestimmt die elektrische Sicherheit. Dazu gehören Art und Umfang der Elektroenergieversorgung, Erfordernis von Sicherheitsstromversorgung, Anwendung des zulässigen Schutzes gegen elektrischen Schlag. Zweifelsfrei ist, dass der Planer oder Errichter einer elektrotechnischen Anlage für Med.-Räume nicht die Eingruppierung in eine der Anwendungsgruppen vornehmen muss. Er hat aber eine Beratungspflicht! Im vorliegenden Fall verlangten drei der vier zur Angebotsabgabe aufgeforderten Betriebe diese vom Nutzer schriftlich abzugebene Erklärung zur Anwendungsgruppe nicht. Sie haben auch nicht auf diese Erfordernis hingewiesen! Anmerkung: Das Erfordernis über die Einordnung in eine der Anwendungsgruppen war auch dem Arzt völlig unbekann. Im Zuge der Sachverständigen-Begutachtung sind die Praxisräume der Anwendungsgruppe 1 zugeordnet worden. Dokumentation Der AN hat dem AG und medizinischen Nutzer eine Bescheinigung mit der Zusicherung übergeben, dass die Anlage nach den neuesten Bestimmungen und Vorschriften errichtet wurde und keine Einschränkungen beim Betreiben zu erwarten sind. Diese „Gewährsbescheinigung“ ist neben der Rechnung nicht nur das einzige Schriftstück des AN, es ist darüber hinaus leichtfertig und folgenreich! Revisionsunterlagen in Form von Installationsplänen, Übersichts-und Stromlaufplänen, Mess- und Prüfprotokolle sowie Hinweise zum Betreiben der elektrotechnischen Anlagen sind dem Arzt nach Fertigstellung der Anlage nicht nachweisbar übergeben worden. Auch dem Gutachter konnten die Unterlagen sowie der (angeblich) vom Arzt für die Arbeitsausführung bestätigte Installationsplan und die notwendigen Berechnungen nicht vorgelegt werden. Der AN hat aber nicht nur die in DIN-Normen geforderten Messungen und Prüfungen durchzuführen. Er muss die aufgezeichneten Prüfergebnisse, notwendigen Bestandspläne sowie alle für den sicheren und wirtschaftlichen Betrieb der Anlage erforderlichen Bedienungs- und Wartungsanleitungen an den AG vor der Abnahme übergeben. Auch diesen Teil des Vertragsverhältnisses ist der AN schuldig geblieben. Er begründete dieses damit, dass der Arzt als AG eine „förmliche Abnahme“ stets abgelehnt hat, da er nichts von Elektrotechnik versteht. Nach § 640 BGB hat aber ein „Besteller“ (AG) - neben der Zahlung Report der vereinbarten Vergütung - die Pflicht, das vertragsmäßig bestellte Werk abzunehmen. Gewährleistung Gewährleistung ist die Pflicht eines AN („Werkunternehmers“), für Rechts- und Sachmängel am Vertragsgegenstand einzustehen. Er haftet dem AG dafür, dass die errichtete elektrische Anlage „zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs“ - also am Tag der Abnahme durch den AG - nicht mit Mängeln behaftet ist, die ihren Wert, ihre Tauglichkeit zum vertraglich vorausgesetzten Gebrauch aufhebt oder erheblich mindert und dass sie die zugesicherten Eigenschaften besitzt. Ansprüche aus der Gewährleistungsverpflichtung verjähren nach BGB bei allen Arbeiten an Bauwerken nach fünf (5) Jahren. Bei arglistigem Verschweigen von Mängeln allerdings erst nach dreißig Jahren. Im Falle eines fehlerhaften Werkes billigt das Werkvertragsrecht dem AN das Recht der (zweimaligen) Nachbesserung zu. Im vorliegenden Fall war aber spätestens nach der durch einen Dritten im Rahmen eines E-Checks durchgeführten Prüfung der Anlage und den dabei festgestellten Mängeln erkennbar, dass eine Nachbesserung nicht zum Erfolg führt. Somit hätte es seitens des AG einer Fristsetzung nicht bedurft (§634 BGB), sie hat lediglich die Zeit der Praxisschließung und damit die Höhe des Schadensersatzes zu ungunsten des AN beeinflusst! Urteil Das elektrohandwerkliche Unternehmen wurde rechtskräftig zum vollständigen Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags verurteilt. Das bedeutet, neben allen elektrotechnischen Arbeiten müssen auch die angefallenen Bauleistungen anderer Gewerke einschließlich aller Folgekosten getragen werden (Verdienstausfallzeiten für den Arzt und die Mitarbeiter, Kosten für Miete, Mietnebenkosten usw.). Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Handwerksbetrieb als AN · die planerische Aufgabe ohne Fachkenntnis leichtfertig übernommen und ausgeführt hat, · die Anlage keinesfalls nach dem zum Zeitpunkt der Errichtung gültigen „Stand der Technik“ errichtet, in Betrieb genommen und ohne Abnahme, Übergabe und Einweisung zur Nutzung freigegeben hat, · seiner Beratungspflicht gegenüber seinem Auftraggeber nicht nachgekommen ist. Belastend war weiterhin, dass er die Notwendigkeit zur Schadensbegrenzung nicht eingesehen hat, obwohl ihm die Gefahren des elektrischen Stroms in einer medizinischen Einrichtung hätten bewusst sein müssen. Fazit Die Einhaltung der Bestimmungen aus Gesetzen, Normen, baurechtlichen Regelungen und UVVen hätten für das Unternehmen und die Beschäftigten schlimmes verhindert. Die überwiegend älteren Arbeitnehmer fanden keine neue Arbeitsstelle. Der Unternehmer ist durch seine Haftpflichtversicherung zur prozentualen Beteiligung am Schaden verklagt und damit zum „Sozialfall“ geworden. Allein die Dokumentation aller Besprechungen mit dem Arzt, die Anfertigung von Ausführungsunterlagen und deren Vorlage zur Bestätigung durch den Auftraggeber vor der Arbeitsaufnahme hätten sicherlich nicht die handwerklichen Mängel und Unzulänglichkeiten verhindert, sie wären aber in hohem Maße entlastend gewertet worden! Qualität hat immer einen hohen Preis. Das billige Angebot hat im vorliegenden Fall zu einem - für den Elektrohandwerksbetrieb - teuren, unbezahlbaren Ergebnis geführt! Wann werden die Elektrotechniker endlich schlaue Unternehmer und lernen, ihr Wissen, ihre Erfahrung, ihr handwerkliches Können und betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten, vor allem aber die Gefahrengeneigtheit unseres Berufes richtig zu verkaufen? Literatur [1] Slischka, H.-J: Das billigste Angebot - oder der Umgang mit Pfusch am Bau. Elektropraktiker, Berlin 55(2001)10, S. 834-835. [2] Slischka, H.-J: Pfusch am Bau - Beurteilung einer Elektroinstallation. Elektropraktiker,Berlin56(2002)4, S. 322-326. [3] DIN 18 382 VOB Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV); Nieder- und Mittelspannungs-Anlagen mit Nennspannungen bis 36 kV. [4] DIN 1961 VOB Teil B : Verdingungsordnung für Bauleistungen; Allgemeine Vertragsbedingungen. [5] DIN VDE 0107:1994-10 Starkstromanlagen in Krankenhäusern und in medizinisch genutzten Räumen außerhalb von Krankenhäusern. H.-J. Slischka Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 5 406 Report
Autor
- H.-J. Slischka
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