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Betriebsführung | Elektrotechnik

Lückenhafte Sozialversicherung

ep10/2004, 1 Seite

Mitarbeitende Familienangehörige bezahlen als angestellte Arbeitnehmer des Familienbetriebes regelmäßig Sozialversicherungsbeiträge und glauben, damit bei Arbeitslosigkeit oder beim Eintritt in die Rente abgesichert zu sein. Doch das Einzahlen von Beiträgen begründet keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Seit Juli 2004 müssen bei neuen Arbeitsverträgen Familienangehörige deshalb besonders ausgewiesen werden.


Gesetzeslücke Die mangelhafte soziale Absicherung von Familienangehörigen in Kleinbetrieben beschränkt sich nicht nur auf wenige Einzelfälle. Allein im Handwerk arbeiten ca. 600 000 Familienangehörige im Betrieb des Ehemanns/Vaters als angestellte Arbeitnehmer mit. Insgesamt soll sich die Zahl aller betroffenen Personen bei einer Million bewegen. Betroffener Personenkreis Das Handwerk trifft die Gesetzeslücke besonders hart. In den Betrieben ist es üblich, dass der Mann die Geschäfte des Familienbetriebes führt und die Ehefrau oder eines der Kinder die Verwaltungsaufgaben erledigt. Im Hinblick auf die spätere Betriebsübernahme bekleidet ein Kind oft eine verantwortliche Position. In dieser Konstellation haben die Familienangehörigen bereits die erste Voraussetzung erfüllt, die später im Leistungsfall zur Verweigerung von Arbeitslosengeld bzw. Rente führen kann. Gelingt es der Rentenkasse oder dem Arbeitsamt außerdem nachzuweisen, dass der Familienangehörige sich für den Betrieb über das übliche Maß eines durchschnittlichen Arbeitnehmers hinaus eingesetzt hat, braucht sie nicht zu leisten. Das übliche Maß ist überschritten, wenn Haftung bei Krediten übernommen wird, keine Weisungsgebundenheit vorliegt und keine regelmäßige Zahlung eines Gehalts erfolgt. Chaos im System Dass die Sozialkassen zwar Beiträge kassieren, aber später die Leistung verweigern dürfen, liegt an der Unübersichtlichkeit des deutschen Sozialversicherungssystems. Insgesamt sind drei Stellen beteiligt: Die Krankenkassen, die Arbeitsämter und die Rentenversicherer. Alle drei besitzen unterschiedliche Interessen und legen die Sozialgesetze nach ihrem Vorteil aus. Die einzelnen Verwaltungsschritte sind zwischen ihnen wie folgt aufgeteilt: Zunächst erfolgt die sozialversicherungsrechtliche Anmeldung bei den Krankenkassen. Diese ziehen neben der Krankenversicherung zugleich die Beiträge zur Arbeitslosen- und zur Rentenversicherung ein. Weil die Krankenkassen kein Interesse an der Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status eines Arbeitnehmers haben, geschieht dies ohne Überprüfung. Das heißt, jeder Neuankömmling wird in das sozialversicherungsrechtliche System aufgenommen - egal ob er sozialversicherungspflichtig ist oder nicht. Die Kassen werden erst aktiv, nachdem die Beiträge ausgeblieben sind oder der Beitragszahler einen Antrag auf Arbeitslosengeld oder Rente gestellt hat. Prüfende Behörde ist dann allerdings nicht mehr die Krankenkasse, sondern das Arbeitsamt bzw. die Rentenkasse. Zweifelsfälle werden grundsätzlich abgelehnt. Finanzielle Folgen Die Folgen der mangelhaften Koordination haben die mitarbeitenden Familienangehörigen zu tragen: Es wurden jahrelang Sozialabgaben entrichtet, obwohl man dazu nicht verpflichtet war. Es besteht kein Rechtsanspruch auf Arbeitslosengeld oder Rente, nur die eingezahlten und nicht verjährten Beiträge können zurückverlangt werden. Neben den verjährten Beiträgen ist der entgangene Zinsgewinn und die fehlende Kapitalrendite zu beklagen, die der Versicherte bei privater Vorsorge erwirtschaftet hätte. Da viele mitarbeitende Familienangehörige die Lücke in ihrer sozialen Absicherung gar nicht kennen, machen sie auch keine Rückforderungen ihrer eingezahlten Beträge geltend. Den Betroffenen wird Ihre Situation erst mit dem Antrag auf Arbeitslosengeld oder dem Eintritt in die Rente deutlich. Befreiung, ja oder nein? Es gibt es wichtige Gründe, eine private Vorsorge zu bevorzugen. In der Regel lockt die weitaus bessere Rendite. Dem Autor ist nur ein Nachteil bei der privaten Vorsorge bekannt: Geht die betroffene Person in die Insolvenz, ist auch die private Altersvorsorge weg. Die Rente aus öffentlichen Kassen hingegen ist sicher vor der eigenen Verbraucherinsolvenz. Kann der Familienangehörige eine private Insolvenz ausschließen, sollte er den öffentlichen Kassen den Rücken kehren und privat vorsorgen. Dies gilt vor allen für jüngere Personen, aber auch ältere bis 55 Jahren können noch davon profitieren. Egal, ob sich der Familienangehörige für eine private oder öffentliche Vorsorge entscheidet, sollte er auf jeden Fall seinen versicherungsrechtlichen Status feststellen lassen. Nur so besteht Rechtssicherheit, ob man Anspruch auf staatliche Zahlungen hat. Bedingung für die Befreiung Um sich von der Zahlung in die Sozialversicherung befreien zu lassen, muss der Familienangehörige nachweisen, dass er unternehmerisch tätig ist. Das ist der Fall, wenn er im Familienbetrieb persönliche Risiken eingegangen ist und Freiheiten genießt, die einem normalen Angestellten üblicherweise nicht gewährt werden. Entgegen der Meinung vieler Betroffener beurteilen die Behörden den versicherungsrechtlichen Status nicht ausschließlich danach, wie viele Anteile an dem Betrieb der mitarbeitende Familienangehörige hält. Maßgeblich ist der Einfluss des Familienangehörigen auf die Entscheidungen der Gesellschaft. Beitragsrückerstattung Die meisten mitarbeitenden Familienangehörigen, denen das Problem bewusst geworden ist, entscheiden sich im Hinblick auf leere öffentliche Kassen für eine private Vorsorge. Der privaten Vorsorge geht das Antragsverfahren zur Rückerstattung der zu Unrecht eingezahlten Beiträge voraus. Das Antragsverfahren selbst ist so kompliziert und voller Fangfragen, dass selbst viele Steuerberater damit überfordert sind. Juristische Schritte Juristische Schritte gelten als aussichtslos. Wem die Sozialkassen die Leistungen mangels Versicherungspflicht verweigern, hat keine Möglichkeit mehr die eingezahlten Beträge zurückzufordern. Das Gesetz und damit die Gerichte sind eindeutig auf der Seite der Sozialkassen. Insbesondere Arbeitslose, die auf Rückzahlung sämtlicher jemals eingezahlten - und damit verjährter - Beiträge klagen, werden von den Sozialgerichten zurückgewiesen. Solange die falsche Beurteilung der Sozialversicherungspflicht nicht durch ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln entstanden ist, entfällt für die Sozialbehörden jegliche Haftung. Der Arbeitslose ist noch nicht einmal geschützt, wenn die Krankenkasse zuvor bei einer Betriebsprüfung den Status des Familienangehörigen als Angestellten nicht beanstandet hat. Es zählt allein das Urteil des Arbeitsamtes bzw. der Rentenkasse. Neue Gesetze Auf Druck der Handwerksverbände hat der Gesetzgeber den Missstand für die Zukunft abgemildert. Gemäß dem III. und IV. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (HARTZ III/IV) muss der Arbeitgeber bei einer Neuanmeldung zu den Sozialkassen einen mitarbeitenden Familienangehörigen besonders ausweisen. Die Bundesversicherungsanstalt führt dann eine Prüfung des versicherungsrechtlichen Status durch, an welche die Arbeitsämter für fünf Jahre gebunden sind. Das neue Gesetz gilt jedoch nur für die Familienangehörigen, die nach dem 1. 7. 2004 in den Betrieb neu aufgenommen werden. Die Altfälle müssen die Rechtsunsicherheit nach wie vor hinnehmen oder müssen ihren sozialversicherungsrechtlichen Status überprüfen lassen. J. Franzke Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 10 774 Lückenhafte Sozialversicherung Mitarbeitende Familienangehörige bezahlen als angestellte Arbeitnehmer des Familienbetriebes regelmäßig Sozialversicherungsbeiträge und glauben, damit bei Arbeitslosigkeit oder beim Eintritt in die Rente abgesichert zu sein. Doch das Einzahlen von Beiträgen begründet keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Seit Juli 2004 müssen bei neuen Arbeitsverträgen Familienangehörige deshalb besonders ausgewiesen werden. WEB-TIPP Unter www.RA-franzke.de erhalten Sie Informationen zum Feststellungs- und Befreiungsverfahren. BRANCHE AKTUELL

Autor
  • J. Franzke
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