Betriebsführung
Fiese Klauseln der Berufsunfähigkeits-Police
ep9/2004, 3 Seiten
Absichern - aber richtig Rund 15 Millionen Berufsunfähigkeitspolicen liegen derzeit in bundesdeutschen Schubladen - das Gros als Zusatzversicherung zu einer Lebens- oder Rentenversicherung. Für den Fall, dass man durch einen gesundheitlichen Crash beruflich aus der Bahn geworfen werden sollte, bietet eine Berufsunfähigkeitsrente dann eine weitgehende finanzielle Absicherung. Bekanntlich sind die gesetzlichen Leistungen bei Invalidität allenfalls noch ein symbolischer Akt, wenn überhaupt noch Anspruch darauf besteht [1]. Selbstständige bleiben hier generell außen vor. Die BU gehört damit zu den wenigen Policen, die wirklich unverzichtbar sind. Diese Existenz sichernde Vorsorge lassen sich die Bundesbürger rund 3,5 Milliarden Euro kosten. Allein im vergangenen Jahr entschieden sich fast 335 000 Bundesbürger für eine BU als Hauptversicherung, um gegen das Risiko von Invalidität und Berufsunfähigkeit gewappnet zu sein. Leider ist auch bei dieser Police immer noch Vorsicht vor den Fallen im Kleingedruckten geboten, um späteren Rechtsstreitigkeiten zur Durchsetzung von Rentenansprüchen vorzubeugen. Zwar haben die Gesellschaften in den vergangenen drei Jahren ihre Bedingungen kundenfreundlicher gestaltet und sich dabei am öffentlich gemachten Forderungskatalog von Verbraucherschützern, der Stiftung „Warentest“ und unabhängigen Versicherungsberatern orientiert. Aber das ist längst nicht in allen Punkten und auch längst nicht bei allen Unternehmen der Fall. Auf fiese Klauseln achten Fiese Klauseln erschweren im Ernstfall allerdings oftmals die Durchsetzung von Rentenansprüchen. Häufig sind schon mit dem Ausfüllen des Antragsformulars spätere Streitigkeiten programmiert, die nicht selten vor Gericht enden: Verweisungsklausel: Besonders häufig mussten Gerichte bisher entscheiden, wenn die so genannte Verweisungsklausel im Spiel war. Jeder vierte gerichtliche Streitfall zur Berufsunfähigkeit dreht sich darum, wie die Stiftung „Warentest“ herausfand. „Übertrumpft“ wird dies lediglich vom Rechtsstreit über den Grad der Berufsunfähigkeit. Vereinfachter Nachweis: So sucht man in den neueren Angeboten weiter vergeblich nach dem geforderten vereinfachten Nachweis der Berufsunfähigkeit anhand der gelben Zettel vom Arzt (Bild ). Erst wenige Unternehmen lassen bislang in bestimmten Fällen zumindest den unbefristeten Rentenbescheid eines Sozialversicherungsträger als Nachweis für Berufsunfähigkeit gelten. „Insbesondere für Handwerker wäre das hilfreich und wünschenswert“, meint Lüschen. Gerade mal die Hälfte der Gesellschaften hat sich nach seiner Beobachtung inzwischen dazu durchgerungen, bei Pflegestufe 1 automatisch Berufsunfähigkeitsrente zu zahlen. Unterm Strich bleibt es damit in den meisten Fällen weiterhin beim bishe-Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 9 708 BETRIEBSFÜHRUNG Fiese Klauseln der Berufsunfähigkeits-Police Die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) gehört zu den wenigen Policen, die für Selbstständige unverzichtbar sind. Auch wenn sich einzelne Gesellschaften schon etwas kundenfreundlicher verhalten, kann insgesamt keine Entwarnung gegeben werden. Fiese Klauseln erschweren im Ernstfall oftmals die Durchsetzung von Rentenansprüchen. Autor Carla Fritz, freie Fachjournalistin Berlin. Vieles wäre einfacher, wenn die Versicherer auf Basis der Arztbescheinigung automatisch nach 6 Monaten Arbeitsunfähigkeit die BU-Rente zahlen würden. Foto: GDV rigen umständlichen Prüfprozedere. Auch wenn - wie Lüschen registriert - sich das Ganze bei einer größeren Anzahl von Unternehmen nicht mehr so zermürbend lange hinzieht. Hier wurde man jedenfalls bislang den Verdacht nicht los, dass es sich um reine Verzögerungstaktik handelte. Fehlanzeige: Bei einigen Unternehmen wird immer noch Berufsunfähigkeit z. B. nach einem Verkehrsdelikt oder infolge anderer fahrlässiger Verstöße nicht anerkannt. Das ist bitter für denjenigen, denn Rentenleistungen bleiben in diesen Fällen weiterhin ausgeklammert. Fortschritte tun sich schwer Arztbescheinigung: Nach Beobachtung von Versicherungsberater Lüschen akzeptieren neuerdings immer mehr Unternehmen, wenn der Vertrauensarzt des Versicherten die Berufsunfähigkeit prognostiziert. „Es gibt aber nach wie vor auch Gesellschaften, wo der behandelnde Arzt bzw. dessen Prognose nichts zählt“, schränkt der Versicherungsberater zugleich ein. Die Kehrseite der Medaille, auf die er im Übrigen verweist: Man will damit offensichtlich einer möglichen Kungelei zwischen Patient und Hausarzt den Boden entziehen. Meldefrist: Was Meldefristen und Meldepflichten von Berufsunfähigkeit anbetrifftt, machen viele Unternehmen nicht mehr so stur hiervon Gebrauch und zahlen auch rückwirkend Rente - manche sogar bis zu drei Jahren. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es diese Regelungen immer noch gibt. Damit besteht weiterhin die Gefahr, bei verspäteter Meldung Rente einzubüßen. Lediglich einige Gesellschaften verzichten inzwischen vollständig auf entsprechende Klauseln. Ein großer Teil zahlt zudem mittlerweile von Beginn der Berufsunfähigkeit an - und nicht mehr, wie bis dato vielfach festgeschrieben, erst ab siebten Monat der Berufsunfähigkeit. Auch dies ist ein Erfahrungswert aus der beruflichen Praxis von Hans-Hermann Lüschen. Arztanordnungsklausel: Weitgehend verabschiedet hat sich das Gros der Anbieter dagegen inzwischen von der so genannten Arztanordnungsklausel. Danach musste sich der Rentenbezieher auf Verlangen des Versicherungsarztes bestimmten Therapien unterziehen. Lehnte er das ab, wurde die Leistung gestrichen. Etwa 90 Prozent Gesellschaften machen hiervon keinen Gebrauch mehr. Verweisungsklausel: In den aktuelleren Angeboten ist die viel zitierte und viel kritisierte abstrakte Verweisungsklausel nicht mehr enthalten. Nahezu sämtliche Anbieter verzichten darauf und damit auf eine rigide Ablehnungspraxis bei der privaten Berufsunfähigkeitrente. Danach durften Betroffene, die ihren Beruf nur noch zur Hälfte ausüben können, auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden, bei der ihre Qualifikation und Berufserfahrung genauso gefragt waren und ihr sozialer Status gewahrt blieb. Ob sie dann auch die entsprechenden Stellen fanden, stand nicht zur Debatte. Ein Beispiel, dass Verbraucherschützer und Warentester in diesem Zusammenhang nennen: Der Handwerksmeister, der einen Arm verloren hat und sich nach Maßgabe des Versicherers künftig als Leiter eines Baumarktes durchschlagen soll - selbst wenn der Arbeitsmarkt das augenblicklich gar nicht hergibt. In neueren Verträgen greift jetzt mehrheitlich die so genannte konkrete Verweisung: Die Rentenzahlung entfällt lediglich dann, wenn der Betreffende tatsächlich anderweitig arbeitet und dabei nicht weniger verdient als vorher. Verzicht auf Kündigung: Gewisse Fortschritte bescheinigt der Versicherungsexperte den Unternehmen auch im Hinblick auf eine mögliche Kündigung des Vertrages durch den Versicherer im Leistungsfall. Eine wachsende Anzahl von Unternehmen verzichtet hier inzwischen auf den Paragraphen 41 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), der bislang wie ein Damoklesschwert über dem Policeninhaber schwebte. Danach kann die Gesellschaft die Police sogar dann kündigen, wenn der Betreffende bei Vertragsabschluss eine Krankheit unverschuldet verschwiegen hat. Wer im Kleingedruckten nach diesem bewussten Paragraphen sucht und nicht fündig wird, kann sich allerdings keinesfalls beruhigt zurücklehnen. Genau dann nämlich gilt er für diese Police. Eine tückische Falle. „Damit irritiert man die Leute“, so Lüschen. „Hundertprozentig auf der sicheren Seite ist man nur, wenn im Vertrag ausdrücklich steht, dass der Paragraph 41 VVG nicht angewendet wird.“ Nicht täuschen lassen Der Markt für Berufsunfähigkeitspolicen bleibt - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Neujustierung der staatlichen Sozialsysteme - in Bewegung. Gerade in jüngster Zeit versuchen nicht wenige Versicherer bei potentiellen Kunden wieder mit neuen Angeboten zu punkten. „Dar-Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 9 unter allerdings kaum Gesellschaften, die wirklich bessere Tarife anbieten“, bemängelt Lüschen. Das wird jedoch sehr geschickt kaschiert: Die Anbieter stellen ein oder zwei Neuerungen besonders heraus. Sie vergessen dabei aber zu erwähnen, dass dafür andere kundenfreundliche Regelungen gestrichen werden. Das betrifft nach Lüschens Beobachtung zum Beispiel mit dem § 172 VVG den Verzicht auf Prämienanhebung. „Viele Gesellschaften, die den entsprechenden Paragraphen gerade erst ausgeklammert haben, neigen dazu, ihn stillschweigend wieder einzuführen“, so der Versicherungsexperte. Gesundheitsfragen ernst nehmen Gerade die Gesundheitsfragen im Antrag sind dabei oft die Quellen für spätere gerichtliche Auseinandersetzungen. Teils schwammig, teils missverständlich formuliert, wie Verbraucherschützer monieren. „Nach meinem Heuschnupfen ist nicht gefragt. Also brauche ich das auch nicht anzugeben. Wer nach dieser Devise verfährt, hat im Fall der Fälle schon mal schlechte Karten. Schon wer etwa ein Antwortfeld freilässt, läuft Gefahr, dass der Versicherer ihm dies später als unvollständige bzw. nicht wahrheitsgemäße Angabe ankreidet“, so Versicherungsberater Lüschen. Die Gesellschaft erwartet eine lückenlose Gesundheitsbiografie, in der auch die „dunklen Punkte“ nicht verschwiegen werden. Im „drohenden“ Leistungsfall werden harte Bandagen angelegt. Alle Angaben bei Vertragsabschluss werden im Nachhinein nochmals genau geprüft. Über gravierenden Gesundheitsprobleme muss der Versicherer Bescheid wissen, um das Risiko richtig einschätzen zu können. Auf diesen Standpunkt stellen sich auch die Gerichte. Andernfalls kann der Versicherer sich darauf berufen, dass bei Antragstellung Wichtiges verschwiegen wurde, und eine Berufsunfähigkeitsrente versagen. Die Gesellschaften behalten sich für diesen Fall ein Rücktrittsrecht vom Vertrag von bis zu zehn Jahren vor. Zwar haben die meisten Versicherer dies inzwischen auf fünf Jahre heruntergeschraubt. Noch besser wären aber drei Jahre, meinen Verbraucherschützer und Warentester. Hier zieht aber bis jetzt nur ein geringer Prozentsatz der Gesellschaften mit - schätzungsweise 20 Prozent. Bei einigen Gesellschaften besteht die Möglichkeit, zumindest einem Teil der lästigen Fragen zu entgehen, wenn man dafür eine entsprechende ärztliche Untersuchung in Kauf nimmt (Bild ). Ein Tausch, den man nicht abschlagen sollte - meinen Verbraucherschützer. Zudem sollte man dem Versicherer schriftlich erklären, dass man allenfalls als medizinischer Laie auf die Gesundheitsfragen antworten kann. Zusätzlich sollte auf die professionelle Auskunft des Hausarztes verwiesen werden. Damit wird der Spieß umgedreht, da in diesem Fall dann die Beweislast beim Versicherer liegt. Darauf lässt sich bis jetzt allerdings höchstens ein Drittel der Gesellschaften ein, so Lüschens Erfahrung - mit hoffentlich bald weiter steigender Tendenz. Noch vor einigen Jahren akzeptierten dies allenfalls nur zehn Prozent der Versicherer. Die Mehrheit jedoch schickt den Antrag postwendend zurück und will diesen Zusatz unter der Überschrift „besondere Vereinbarungen“ gestrichen haben. Eine eher seltene Ausnahme bilden auch jene Gesellschaften, die im Formular direkt danach fragen, ob Sie als Antragsteller dem Vermittler noch weitere Informationen zu Ihrem Gesundheitszustand gegeben haben. Sie machen damit noch einmal ganz deutlich: Nebenabreden mit dem Vertreter gelten nicht. ,,Ansonsten ein häufiger Streitpunkt, wenn es später um eine Rente geht. Weil viele irrtümlich annehmen, der Vermittler könne genau beurteilen, welche Gesundheitsangaben wichtig ist Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 9 710 BETRIEBSFÜHRUNG Durch eine ärztliche Untersuchung und den Verweis auf die professionelle Auskunft seines Hausarztes bei Antragstellung zur BU geht man sicher, dass der Gesundheitsfragebogen keine Lücken aufweist, und spätere Ansprüche durchsetzbar sind. Foto: GDV
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Autor
- C. Fritz
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