Alternativen zur Berufsunfähigkeitspolice
ep10/2006, 2 Seiten
810 BETRIEBSFÜHRUNG Alternativen zur Berufsunfähigkeitspolice Berufsunfähigkeit kann für Selbstständige existenzbedrohend sein. Vorsorge mit einer Berufsunfähigkeitspolice ist daher angebracht. Aber nicht jeder ist bei den Gesellschaften willkommen. Dann muss man ausweichen und sich zumindest teilweise absichern. Police mit hohen Hürden Die Berufsunfähigkeitversicherung ist für Selbstständige unverzichtbar (vgl. ep 8/2003, S. 600-601). Sie zahlt eine Rente bei Verlust der Arbeitskraft durch Krankheit oder Unfall. Die meisten Betroffenen hätten ansonsten schnell finanzielle Sorgen, zumal vom Staat kaum noch Unterstützung zu erwarten ist. Kaum eine andere Versicherung wird daher von Experten so dringend empfohlen wie eine Berufsunfähigkeitspolice. Bei kaum einer anderen Police sind jedoch die Aufnahmehürden so hoch. „Überhaupt an einen Vertrag zu kommen ist momentan das Hauptproblem“, so Dr. Peter Grieble von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Ein gesunder Handwerker hat keine Probleme. Doch schon bei kleineren Rückenleiden wie z. B. Hexenschuss können Versicherer abwinken.“ Kein Annahmezwang für die Versicherer Einen generellen Annahmezwang gibt es nicht. Bei Allergien oder chronischen Beschwerden etwa ist es daher keine Seltenheit, dass man ausgemustert wird bzw. nur reduzierten Risikoschutz zum höheren Preis erhält. „Zuschlagpflichtig“ sind etwa bestimmte Berufsgruppen mit schwerer körperlicher bzw. gefährlicher Arbeit. Nachdem die Versicherer bestimmte Klauseln auf der Leistungsseite verbessert haben, schauen sie jetzt vorab noch schärfer auf das Risiko, wie Verbraucherschützer in jüngster Zeit registrieren. In bestimmten gewerblichen Berufen - so schätzen sie - können die Ablehnungsquoten schon 30 bis 40 % betragen. Wer sich wegen seines Gesundheitszustandes oder Jobs eine Ablehnung einhandelt, hat dann oft auch bei anderen Gesellschaften schlechte Karten. „Trotzdem dranbleiben“, meint Grieble. Klappt es nicht beim ersten oder zweiten, dann eventuell beim dritten oder vierten Anlauf. Im Übrigen interessieren sich nicht alle Versicherer dafür, ob man vorher schon einmal abgelehnt wurde. Einige wenige - z. B. HUK-Coburg und R+V - verzichten im Antrag auf diese Frage, wie Stiftung Warentest herausfand. Alternativen mit Abstrichen Wer die „Aufnahmeprüfung“ beim Versicherer nicht bestanden hat, muss nach Alternativen suchen. Über eins sollte man sich dabei im Klaren sein: Alle Absicherungen außerhalb der Berufsunfähigkeitspolice bieten nur punktuellen Schutz - aber lieber diesen als gar keinen. Notfalls kann man auf eine Unfallpolice ausweichen. Andere Alternativen sind die Dread-Disease-Police (Schwere-Krankheiten-Vorsorge) und private Erwerbsunfähigkeitspolice. Alle sind mit Haken und Ösen behaftet - und eben nur die zweite, wenn nicht sogar dritte oder vierte Wahl. Unfallpolice Sie kommt in allen Lebensbereichen zum Tragen - bei Sport und Freizeit, zu Hause und auf der Arbeit - genauso wie im Straßenverkehr. Sie zahlt bei bleibenden Unfallschäden eine vereinbarte Summe - je nach Tarif auch als Rente, die z. B. für eine Haushaltshilfe, für Kinderbetreuung, den behindertengerechten Umbau des Hauses bzw. der Wohnung oder auch zur Darlehenstilgung eingesetzt werden kann. Für Zahlung der Unfallversicherungssumme bzw. Unfallrente spielt es keine Rolle, ob der Betreffende seinen Beruf noch ausüben kann. Entscheidend ist, dass seine geistige bzw. körperliche Leistungsfähigkeit auf Dauer eingeschränkt ist - beispielweise durch den Verlust eines Beines. Gezahlt wird in Abhängigkeit vom Invaliditätsgrad. Dieser wird am Verlust/Funktionsuntüchtigkeit von Sinnesorganen/Körperteilen gemessen und nach Prozentsätzen berechnet (Tafel ). Danach ist man 55 % invalide bei Verlust einer Hand. Die Versicherung zahlt entsprechend 55 % der vereinbarten Invaliditätssumme. In der Praxis wird die Gliedertaxe in etwa 80 % der Invaliditätsfälle angewendet. In anderen Fällen ist die konkrete Gesundheitsbeeinträchtigung nicht ausdrücklich in der Gliedertaxe geregelt. Wie viel die Versicherung zahlt, richtet sich danach, inwieweit das gesamte Leistungsvermögen des Betreffenden beeinträchtigt ist. Grundlage ist immer ein ärztliches Gutachten. Progressions- oder Mehrleistungstarife. Die meisten Versicherer bieten diese Tarife an. Bei höherer Invalidität wird dann ein Vielfaches von dem gezahlt, was die normale Prozenttabelle (linearer Tarif) für diesen Fall (Beispiel 1) hergibt. Es gibt über 130 Unfallversicherer mit schätzungsweise 600 bis 700 Tarifen. Im Schnitt hat jede Gesellschaft drei bis vier Tarife - angefangen vom Leit- über Luxus- und mittleren Tarif bis hin zum Gruppentarif. Bewertung: Im Grunde ist die Unfallpolice der Notnagel für jene, die durchs Aufnahmeraster für die Berufsunfähigkeitsversicherung gefallen sind - keineswegs das Optimum. Eine mögliche Invalidität ist mit einer Unfallpolice, statistisch gesehen, nur zu einem Bruchteil abgesichert. „In 90 % der Fälle ist sie krankheitsbedingt“, so Verbraucherschützer Peter Grieble. TIPPS von Versicherungsberater Hans-Hermann Lüschen: · Ergänzend zur Summenabsicherung auch eine lebenslange Unfallrente abschließen - üblicherweise 500 bis 1000 Euro. Sie wird allerdings nur von etwa 30 % der Gesellschaften angeboten. · Auf Unfallkrankentagegeld, „Unfalltod“ u. a. teure Zusatzbausteine verzichten. · Gliedertaxe vergleichen. Die meisten Gesellschaften haben ihr eigenes Schema. · Nur Jahresverträge abschließen, · und nicht mehrere Policen. Hinweis: weitere Auskünfte auch zur monatliche Versicherungs-Hotline des ep, siehe S. 784. Erwerbsunfähigkeitspolice Ob Krankheit oder Unfall - wenn der Betreffende deshalb nicht mehr arbeiten kann, zahlt der Versicherer eine Rente. Man muss folglich schon ziemlich schwer mitgenommen sein, ehe die vereinbarte Leistung fällig wird. Nach der Messlatte, die die Gesellschaften dabei anlegen, trifft das bei einer „Restarbeits-Beispiel 1: Bei einer Invalidität von 80 % und einer vereinbarten Versicherungssumme von 100000 Euro, zahlt die Gesellschaft dann nicht mehr 80000 Euro, sondern ggf. das Zwei- oder Dreifache davon. Tafel Invalidität nach Gliedertaxe - Einstufung der Invaliditätsgrade nach % Arm bis oberhalb des Ellenbogengelenks 65 % unterhalb des Ellenbogengelenks 60 % Hand 55 % Finger Daumen 20 % Zeigefinger 10 % ein anderer Finger 5 % Bein über Mitte d. Oberschenkels 70 % bis Mitte d. Oberschenkels 60 % bis unterhalb d. Knies 50 % bis Mitte d. Unterschenkels 45 % Auge beide Augen 100 % ein Auge 50 % Zehen große Zehe 5 % eine andere Zehe 2 % Ohr Gehör auf beiden Ohren 60 % Gehör auf einem Ohr 30 % Sinnesbeeinträchtigung Geruchssinn 10 % Geschmackssinn 5 % Quelle: GDV (Empfehlung, nicht bindend für Unternehmen) EP1006-808-821 23.09.2006 11:47 Uhr Seite 810 BETRIEBSFÜHRUNG fähigkeit“ von höchstens zwei Stunden pro Tag zu. Bewertung: Anstelle der Berufsunfähigkeitspolice bieten manche Gesellschafen abgelehnten Bewerbern als Trostpflaster einen privaten Erwerbsunfähigkeitsschutz an. Doch gerade bei Handwerkern besteht die Gefahr, dass er kaum greift. „Weil es dann unter Umständen heißt, er könne sich doch noch im Back-office nützlich machen“, so Grieble. Dread-Disease-Police Krebs, Aids, Multiple Sklerose, Herzinfarkt, Schlaganfall, Alzheimer - ein Horrorkatalog gefürchteter Krankheiten, englisch „dread disease“. Die gleichnamige Police ist eine spezielle Variante der Lebensversicherung, die ihren Ursprung im angelsächsischen Raum hat und seit über zehn Jahren auch hierzulande angeboten wird. Diese Dread-Disease-Police zahlt schon bei schwerer Krankheit den verabredeten Betrag und außerdem bei Tod. Damit können Verdienstausfall sowie Kostenexplosion infolge erschwerter Lebensumstände aufgefangen werden. Ab sechs bis über 30 schwere Krankheiten werden - je nach Gesellschaft - von den Policen erfasst. Standardgemäß versichert sind nach Recherchen der Verbraucherzentralen folgende Erkrankungen: Schlaganfall, Krebs, Herzinfarkt, Multiple Sklerose, Nierenversagen und Bypass-Operationen. Einige Versicherer haben zudem den Risikoschutz in den vergangenen Jahren nach und nach aufgestockt - u. a. für Alzheimer, HIV-Infektion, Parkinson, Operationen an der Aorta, schwere Verbrennungen, vollständige und irreversiblen Sprachverlust, Blindheit, Verlust mehrerer Gliedmaßen, Lähmung, Koma. Einige Gesellschaften schließen auch die Kinder des Betreffenden in den Versicherungsschutz ein - allerdings zu geringeren Versicherungssummen. In einigen Angeboten ist zudem der Schutz gegen Erwerbsunfähigkeit integriert. Kombipack. Meist sind Dread-Disease-Policen als Kombipack mit einer Risikolebens- oder Kapitallebenspolice erhältlich. Preisgünstiger ist die erste Variante, da keine Sparprämien anfallen. Bewertung: Dread-Disease-Police - das ist die Wette auf die Krankheit, die man vielleicht mal bekommen könnte. „Ein Nischenangebot“ und überhaupt keine Ausweichvariante zur Berufsunfähigkeitspolice, vielleicht noch denkbar in Kombination mit einer Unfallpolice - so Grieble. Aber das ist nicht ganz billig. Fallen im Kleingedruckten. Verbraucherschützer und Stiftung Warentest haben hier gleich mehrere Stolperstellen ausgemacht, auf die zu achten ist: · So ist z. B. Alzheimer nicht gleich Alzheimer. Während dieses Risiko bei einer Gesellschaft ohne Abstriche versichert ist, macht eine andere die Leistungen vom Krankheitsstadium sowie zeitlichen Umständen abhängig. · Auch Herzinfarkt ist danach nicht gleich Herzinfarkt. · Wann Blindheit anfängt bzw. aufhört, stellt sich zum Teil anders dar, als der gesunde Menschenverstand das vielleicht sieht. · Unterschiedlich betrachten die Gesellschaften u. a. Verbrennungen dritten Grades. · Die im Prospekt angepriesene Kostenübernahme für Bypass-Operationen greift bei einigen Anbietern vertraglich erst dann, wenn drei Bypässe gelegt werden. Zwei Bypässe sind demnach kein Zahlungsgrund. Darauf weist Versicherungsberater Lüschen hin. Dann gibt es Modelle, bei denen die Prämie automatisch mit dem Alter steigt oder nur für die ersten zehn Jahre feststeht. Etwa ein Dutzend Gesellschaften haben inzwischen Dread-Disease-Policen im Angebot. C. Fritz TIPP von Versicherungsberaterer H. H. Lüschen zur Absicherung der Berufsunfähigkeit für alle, die sich eine teure BUZ momentan nicht leisten können: Eine normale BUZ mit einer wesentlich preisgünstigeren Unfallversicherung kombinieren. Beispiel für eine Absicherung von insgesamt 2000 Euro: a) BUZ mit einer Rente von 1000 Euro/Monat - Beitrag: etwa 60 Euro/Monat) abschließen, zusätzlich b) eine Unfallpolice mit einer Rente von 1000 Euro/Monat - Beitrag: etwa 60 Euro/Jahr Wird man aufgrund eines Unfalls mit über 50 % Invalide, erhält man zumindest über die Unfallpolice eine lebenslange monatliche Rente von 1000 Euro. Später kann bei Bedarf die Unfallpolice gekündigt und die BUZ aufgestockt werden. EP1006-808-821 23.09.2006 11:47 Uhr Seite 811
Autor
- C. Fritz
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