Bitte nicht stören!
Die Norm legt Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) für Antriebssysteme (PDS – Power Drive Systems) fest. Sie gilt für jene PDS, die in Wohn-, Geschäfts- und Industriegebieten (mit Ausnahme von Bahnanwendungen und Elektrofahrzeugen) eingesetzt werden. In ihr sind die Anforderungen an die Störaussendung von Oberschwingungen (OS) – genauer OS-Strömen – dargelegt. Denn im Speziellen erhöhen Power-Drive-Systeme die OS-Ströme und folglich, je nach Netzimpedanz, die OS-Spannungen. Diese hervorgerufenen OS-Spannungen dürfen die Funktionsfähigkeit, die Sicherheit und Zuverlässigkeit der vorhandenen Produktionsanlagen und Betriebsmittel nicht einschränken.
Zur genauen Festlegung der zulässigen Störaussendungen müssen weitere einschlägige EMV-Normen zur Hilfe genommen werden:
Eingangsstrom ≤16 A je Leiter: DIN EN 61 000-3-2 VDE 0838-2:2015-03 [2]
Eingangsstrom >16 A und ≤75 A je Leiter: DIN EN 61 000-3-12 VDE 0838-12:2012-06 [3]
öffentliche Niederspannungsnetze: DIN EN 61 000-2-2 VDE 0839-2-2:2019-06, [4]
öffentliche Mittelspannungsnetze: DIN EN 61 000-2-12 VDE 0839-2-12:2004-01, Quelle [6]
private Industrienetze: DIN EN 61 000-2-4 VDE 0839-2-4:2003-05 [5].
Wichtige Informationen und Maßnahmen
Um die Neuregelungen der EMV-Produktnorm richtig zu interpretieren und die im Netz verbauten Frequenzumrichter (Power Drive Systems) netzverträglich zu betreiben, haben die Netzqualitätsspezialisten von Condensator Dominit die wichtigsten Punkte, Informationen und Maßnahmen zu diesem Thema hervorgehoben:
Auszüge aus der Norm. Abschnitt C1.4.1 in [1]:
1. „Falls Kondensatoren zur Leistungsfaktorkorrektur in Netzen mit OS-Stromquellen installiert werden müssen, wird empfohlen, dass Drosseln in Reihe mit Kondensatoren geschaltet werden.“
Dies wird u. a. wie folgt begründet:
2. „c) Eine hohe OS-Spannung an den Anschlussklemmen einer Industrieanlage kann zu außergewöhnlichen Betriebszuständen von Geräten mit empfindlicher Elektronik und zur Überhitzung von Motorwicklungen führen.“
d) Das Auftreten von OS-Spannungen führt zur Erzeugung von OS-Strömen im Verteilungsnetz und in anderen Kundenanlagen.“ (Abschnitt C1.4.4 in [1])
Folgen für das Netz und den Industrienetzkunden:
Zu 1: Unverdrosselte Kondensatoren in Blindleistungskompensationen sind generell unzulässig, denn die fehlende Drossel begünstigt eine Resonanzsituation (siehe ep 4/2019, S. 283–290). Diese unverdrosselten Kompensationen können, auch nach vielen Jahren des problemlosen Betriebes, plötzlich zu Quellen von Resonanzerscheinungen werden. Dies geschieht sowohl durch veränderte Konstellationen von induktiven und kapazitiven Elementen im Netz sowie durch das Auftreten anderer Oberschwingungsprofile. Dabei ist unerheblich, ob die Oberschwingungspegel selber erzeugt werden (sozusagen „hausgemacht“ sind) oder vom vorgelagerten Netz (der MS-Ebene) stammen. Eine Resonanz des Schwingkreises „unverdrosselte Kondensatoren + induktive Netzimpedanz“ wird durch Schaltvorgänge oder durch Oberschwingungen in einem benachbarten Netz ausgelöst.
Zu 2: Mögliche Auswirkungen von Resonanzen sind:
Mehrfache Nulldurchgänge der Spannung. Folge: Fehlfunktion von komplexen Industrieanlagen sowie elektronischen Steuerungen
Überbelastung von EMV-Filtern, Dioden und Zwischenkreiskondensatoren der eingesetzten Frequenzumrichter (PDS). Folge: Ausfallgefahr dieser (Produktionsstopp)
Zerstörung von Netzteilen
„Surren“ bzw. „Dröhnen“ der elektrischen Betriebsmittel
Einkopplungen von Störsignalen (Störspannungen) in Datenverbindungen (Datenleitungen). Folge: z. B. elektromagnetische Störungen des Firmenintranets
Unkontrolliertes Ansprechen (Auslösen) von Schutzeinrichtungen (Sicherungen)
„Aussteigen“ von Generatorreglern im Inselnetz
Überspannungen (Spannungsanstiege) und dadurch Überschläge an Wicklungen von Motoren oder Transformatoren.
Sofortige Maßnahmen. Unverzügliche Abschaltung aller unverdrosselter Kondensatoren, wie z. B. in Blindleistungs-Kompensationsanlagen verbaut. Durch die Verkettung von sehr unglücklichen Umständen und Netzzuständen können angeregte Resonanzen für Leib und Leben ein unmittelbares Risiko darstellen und sollten auf keinen Fall mehr weiter betrieben oder in den Umlauf gebracht werden!
Literatur
DIN EN IEC 61 800-3 VDE 0160-103:2019-04 Drehzahlveränderbare elektrische Antriebssysteme. Teil 3: EMV-Anforderungen einschließlich spezieller Prüfverfahren.
DIN EN 61 000-3-2 VDE 0838-2:2015-03 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV). Teil 3-2: Grenzwerte - Grenzwerte für Oberschwingungsströme (Geräte-Eingangsstrom ? 16 A je Leiter).
DIN EN 61 000-3-12 VDE 0838-12:2012-06 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV). Teil 3-12: Grenzwerte Grenzwerte für Oberschwingungsströme, verursacht von Geräten und Einrichtungen mit einem Eingangsstrom > 16 A und ? 75 A je Leiter, die zum Anschluss an öffentliche Niederspannungsnetze vorgesehen sind.
DIN EN 61 000-2-2 VDE 0839-2-2:2019-06 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV). Teil 2-2: Umgebungsbedingungen Verträglichkeitspegel für niederfrequente leitungsgeführte Störgrößen und Signalübertragung in öffentlichen Nieder-spannungsnetzen.
DIN EN 61 000-2-4 VDE 0839-2-4:2003-05 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV). Teil 2-4: Umgebungsbedingungen Verträglichkeitspegel für niederfrequente leitungsgeführte Störgrößen in Industrieanlagen.
DIN EN 61 000-2-12 VDE 0839-2-12:2004-01 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV). Teil 2-12: Umgebungsbedingungen Verträglichkeitspegel für niederfrequente leitungsgeführte Störgrößen und Signalübertragung in öffentlichen Mittelspannungsnetzen.
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