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Net-Pi – Gateway auf Basis der Raspberry-Pi- Architektur (Bild: Fa. Hilscher)
Maschinen- und Anlagentechnik | Steuerungstechnik | Regelungstechnik

Aus dem Facharchiv: Elektropraxis

Raspberry Pi – 
industrietauglich gestaltet: Industrielle Kommunikation mit Net-Hat und Net-Pi

11.06.2020

Der Raspberry Pi beeinflusst nicht nur die Ausbildung nachhaltig, sondern 
führte darüber hinaus bei der Entwicklung von Erzeugnissen zu einschneidenden Veränderungen. Dabei sind eine Fülle neuer Ideen entstanden und zukunfts
weisende Konzepte entwickelt worden, welche das industrielle Internet der 
Dinge (IIoT) auf Jahre hinaus prägen werden.

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Das in Hattersheim (in der Nähe von Frankfurt am Main) beheimatete Unternehmen Hilscher ist in der Branche vor allem als Spezialist für industrielle Kommunikation bekannt. Die Experten für Real-Time-Ethernet und Feldbus-Technologien nutzen den Net-X-Chip in Produkten und Dienstleistungen für eine eigene Netzwerkcontroller-Familie. Die Flexibilität dieser Controller erlaubt die Realisierung von Aufgaben der Echtzeitkommunikation als auch die Umsetzung von Industriesteuerungen und Visualisierungen. Die Angebote richten sich sowohl an Gerätehersteller und Systemanbieter als auch an Ingenieurbüros und Errichter. Unter dem Kürzel Net-Pi wurde ein überaus interessantes Konzept entwickelt, welches sowohl eine gerätetechnische als auch eine softwaretechnische Komponente aufweist. Gleichzeitig wird Net-Pi auch als Produktbezeichnung genutzt.

Gerätetechnik

Der Hersteller offeriert mit Net-Hat und Net-Pi zwei Produkte, die unmittelbar an die mit dem Raspberry Pi gegebenen Möglichkeiten anknüpfen und diese in ausgesprochen geschickter Form zu nutzen wissen. Beide Geräte unterscheiden sich sowohl rein optisch als auch bezüglich des Preises deutlich voneinander. Sie dienen aber einem Zweck, der Gewinnung von Daten aus Produktionsnetzwerken, deren Vorverarbeitung und Weiterleitung in das Unternehmensnetz bzw. die Cloud.

Entwicklung und Schulung – 
Net-Hat

Bei Net-Hat handelt es sich um ein Modul, das direkt auf einen Raspberry Pi aufgesteckt werden kann und diesen um zwei RJ-45-
Steckplätze zum Anschluss an Echtzeit-Ethernet-Netzwerke erweitert. Die Steckverbinder des Moduls sind kompatibel zur HAT-Spezifikation (Hardware Attached on Top) des GPIO-Steckverbinders auf dem Raspberry Pi. Wichtigstes Bauteil der Platine ist der Net-X-Kommunikationschip. Die im Modul integrierte Protokollsoftware ermöglicht die Einbindung in die Netzwerke Profinet, Ethernet/IP und Ether-Cat. Mittels des Net-Hat-Moduls kann also ein Raspberry Pi zu einem Gateway umgerüstet werden. Die durch den Hersteller beigefügten Unterlagen (Demo-Applikation und Beispiel-C-Code) erleichtern den Einstieg in die Arbeit mit dem Modul. Bei der Problemlösung kann sich der Anwender dabei ausschließlich auf die Kommunikationsaufgabe beschränken. Das Net-Hat-Modul ist ausdrücklich für die Verwendung zu Schulungszwecken sowie in der Entwicklung und Erprobung und nicht für die direkte industrielle Nutzung konzipiert. Der Einsatz von Net-Hat erlaubt es, Aufgaben wie Entwicklung, Erprobung und Schulung mit minimalem gerätetechnischen Aufwand zu realisieren.

Industrieller Einsatz – Net-Pi

Mit Net-Pi bietet der Hersteller ein auf der Raspberry-Pi-Architektur basierendes Gateway. Die Hauptplatine dieses Gerätes enthält sowohl die Originalschaltung des Raspberry Pi als auch den Net-X-Kommunikationschip. Hardwareseitig ist der Net-Pi also die Kombination aus Raspberry Pi und Net-Hat-Erweiterungsmodul. Das Gerät wird in einem festen, für die Montage innerhalb einer industriellen Anlage geeigneten Gehäuse geliefert (Bild). An der Vorderseite des Gerätes befinden sich neben den Klemmen zur Spannungsversorgung, zwei RJ-45-Buchsen zum Anschluss an Produktionsnetzwerke (Real-Time-Ethernet) und ein RJ-45-Anschluss zur Verbindung mit dem Firmennetzwerk. Weiterhin sind dort zwei USB-Anschlüsse und einige LEDs zur Zustandsanzeige angeordnet. An der Oberseite befindet sich eine WLAN-Antenne. An der Unterseite verfügt das Gerät über einen Schacht zur Installation einer Zusatzplatine, um weitere Feldbusse anschließen zu können.

Software

Um die dem Net-Pi-Konzept zugrunde liegende Idee zu verstehen, bedarf es einer näheren Betrachtung der eingesetzten Software.

Betriebssystem

Auf dem Net-Pi ist statt des üblicherweise eingesetzten Raspbian, ein speziell zusammengestelltes Linuxsystem (Yocto-Basis) installiert. Die Zusammenstellung wird als „gehärtetes“ (hardened) System bezeichnet, da nur die Komponenten enthalten sind, die für die Realisierung der vorgesehenen Funktionen unbedingt benötigt werden. Damit werden wichtige Einfallstore für Schadsoftware (Viren, Würmer usw.) gar nicht erst geöffnet. Darüber hinaus verfügt das installierte Betriebssystem über weitere Sicherheitsmerkmale.

Virtualisierung mittels Docker

Beim Stichwort Virtualisierung denkt man zunächst an große leistungsfähige Rechner, die sich mittels der Virtualisierungs-Technologie in mehrere „kleine und scheinbar eigenständige“ Maschinen aufteilen lassen. Im Zusammenhang mit dem Raspberry Pi ist dieser Gedanke wenig naheliegend, aber durchaus möglich.

Mit der als Docker bekannten Virtualisierungstechnik können auf einem Raspberry Pi mehrere virtuelle Maschinen (hier auch als Container bezeichnet) eingerichtet und betrieben werden. Innerhalb dieser scheinbar eigenständigen Maschinen lassen sich dann unterschiedliche auf dem Raspberry Pi laufende Anwendungsumgebungen installieren.

Konsequenzen

Die verwendete Technologie ermöglicht es, komplette Anwendungen auf einer aus Raspberry Pi und Net-Hat-Modul bestehenden Konfiguration zu entwickeln und zu erproben. Anschließend kann man mit dieser Anwendung (Betriebssystem und alle Programme) komplett in einem Docker-Container auf ein Net-Pi-Gerät umziehen.

Was etwas simpel klingt, ist aber ein komplexer Vorgang. Dazu werden entsprechende Linux-Kenntnisse gefordert. Die praktizierte Vorgehensweise bietet aber geradezu geniale Möglichkeiten. Von Vorteil ist dieses Verfahren beispielsweise aus der Sicht der Gewährleistung von Sicherheit. Bei dieser Herangehensweise können Sicherheitsaspekte weitgehend aus der einzelnen Anwendung herausgehalten und auf der Betriebssystem- bzw. Virtualisierungs-Ebene des Systems gelöst werden.

MQTT, OPC und Node-Red

Zur Datengewinnung und Verteilung können auf bekannte Lösungen wie etwa MQTT Broker/Client oder OPC UA zurückgegriffen werden. Für die Verknüpfung der gewonnenen Daten, deren Aufbereitung und der Cloud-Anbindung wird das graphische Programmiertool Node-Red genutzt. Die Verknüpfungen lassen sich hier mittels grafischer Elemente per Drag&Drop erstellen. Das sieht zwar simpel aus, setzt aber ein gründliches Verständnis der Zusammenhänge voraus.

Fazit

Die vorgestellten Module sind eine tolle Idee und ein zeitgemäßes Angebot. Produkte wie Net-Hat und Net-Pi verdeutlichen den Einfluss, den der Raspberry Pi auf die aktuelle Entwicklung in der Automatisierungstechnik hat. Auch wenn das Net-Pi-Konzept zunächst eher auf die Industrieautomatisierung ausgerichtet scheint, werden derartige Lösungen in der Gebäudeautomation demnächst zum Standard gehören. Net-Hat und Net-Pi veranschaulichen aber auch die ständig steigende Bedeutung von IT-Kenntnissen (Linux, Netzwerktechnik, Programmierung usw.) für die Elektrobranche.

Autor: H. Möbus

Dieser Artikel wurde unserem Facharchiv entnommen.

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